Scatter and Howl von yezz ================================================================================ Kapitel 22: Stumbling into Love ------------------------------- Renji war gerade eingeschlafen, als er durch einen Tumult bei den Hauptzellen geweckt wurde. Die Rufe waren laut genug, um den Typen in der Zelle ihm gegenüber aufzuschrecken. Er und Renji starrten beide zur Tür, als eine weibliche Stimme mit ihrer Schimpftirade fortfuhr: „Was soll diese maximale Absicherung? Seid ihr bescheuert!? Ich dachte, ihr bringt ihn zum Schutz hierher! Das sieht für mich nach einer Bestrafung aus!“ Da war das Gemurmel der Wachen auf der anderen Seite. Renji stand auf um zu schauen, ob er so etwas besser hören konnte. Denn obwohl die Stimme gedämpft war, dachte er, sie zu erkennen. Der Typ in der gegenüberliegenden Zelle nickte zur Tür hin und fragte: „Jemand von dir?“ Renji zuckte in einer unwissenden Geste mit den Schultern, doch mit jeder Sekunde war er überzeugte, dass es Nanako war. Besonders als sie fortfuhr: „Ich gebe einen Scheiß darauf, was dein Kommandant sagt. Mein Kommandant sagt, dass mein Vizekommandant rauskommt. Jetzt.“ Der Typ hob beeindruckt die Augenbrauen, sagte dann aber: „Du hast deine Uniform vergessen, Vizekommandant.“ Renji schnaubte. „War eine miese Nacht.“ Das Reiatsu-Siegel verebbte. Der andere Shinigami warf sich zurück auf sein Feldbett. Als er sich zur Wand umdrehte, murmelte er: „Ich vermute, sie wird nun besser für dich werden.“ Renji war sich nicht so sicher. Er wollte unbedingt weg von diesem Ort, doch er fühlte sich hin und hergerissen, wohin er danach gehen sollte. Das ganze Debakel zu verschlafen schien für ihn nach einer mächtig guten Option, doch nun sah er sich potentiell der Frage gegenübergestellt, ob er oder ob er nicht zurück zum Anwesen gehen sollte. Sich in seinem Quartier aufs Ohr zu hauen hatte seine eigene Gefahr, denn Byakuya würde es als Rüffel sehen. Und damit würde er nicht falsch liegen, daher musste Renji irgendeine Entscheidung treffen. Er hatte es irgendwie gemocht, dass ihm die Entscheidung abgenommen worden war. Sobald sich das Haupttor öffnete, schob sich Nanako hindurch. Sie trug ihre Uniform, auch wenn sie ihr Zanpakutō abgelegt hatte. Ihr Reiatsu pulsierte mit einer Heftigkeit, die sich auch in ihrem Auftreten widerspiegelte. Sie warf einen Blick auf Renjis nackte Beine und besockten Füße. Ihre Augen schienen einen Moment auf den Tattoos auf seinen Waden zu liegen, bevor sie zur Wache herumwirbelte. „Du hast ihn sich ausziehen lassen? Oh. Mein. Gott. Köpfe werden rollen, der Herr. Rollen.“ „Hey, hey, hey“, sagte Renji. „Würdest du den Kerl in Ruhe lassen, Nanako? Die Leute hier folgen nur dem Prozedere.“ „Verarschst du mich? Prozedere für was genau?“, sagte Nanako, immer noch empört. „Sagst du mir, dass wenn mich mein Freund zusammenschlägt, mir die Klamotten weggenommen werden und ich in den Knast geworfen werde?“ Da war einen Moment erschrockene Stille. Der Typ in der gegenüberliegenden Zelle drehte sich herum und setzte sich auf, plötzlich total neugierig. Selbst der Blick der Wache ging zwischen Nanako und Renji mit geweiteten Augen und einem ‚Ist das wahr?‘-Blick hin und her. „Uh“, machte Renji, glücklich darüber, dass der Vorhang aus seinen Haaren die Schamesröte verdeckte, die ihm plötzlich in den Wangen brannte. So konnte man erreichen, dass er sich wie eine Art missbrauchter Schwächling fühlte. Zumindest hatte sich das Haupttor wieder geschlossen, sodass nicht jede Seele in der Ausnüchterungszelle dieses Kommentar gehört hatte. „Irgendeine Chance, dass du über meine persönlichen Angelegenheiten die Klappe hältst? Für das Protokoll, ich habe ihn auf die Bretter geschickt. Das ist der Grund, warum ich auch hier bin. Weil es aussah, als wäre ich der Unruhestifter.“ „Männer“, schnaubte Nanako. „Hört euch all diesen Stolz und Testosteron an. Ist das zwischen euch beiden vorgefallen?“ Renji warf ihr einen ernsten Blick zu. „Wie wäre es, wenn du mich aus dieser sehr öffentlichen Zelle holst, 3. Offizierin, und ich erzähle dir alles?“ Nanako blinzelte, als wäre ihr gerade erst wieder in den Sinn gekommen, dass sie mit einem ranghöheren Offizier sprach. „Ja, Vizekommandant!“ Sie machte eine schnelle Verbeugung und sagte: „Du hast den Vizekommandanten gehört. Hol ihn da raus!“ Byakuya hatte wirklich gehofft, dass Ukitake gehen würde, wenn es Kyōraku tat. Doch nach einem schnellen, unschuldigen Kuss an der Türschwelle verschwand Kyōraku schnell und ließ Ukitake, der sich wieder unter der Decke niederließ, zurück. Ukitake streckte seine langen Beine in Richtung der Wärme der Kidō-geheizten Steine unter dem Kotatsu aus und schenkte sich eine weitere Schale von Byakuyas Tee ein. Das hatte die Voraussetzungen für einen Überfall… einen emotionalen Überfall. Diese Art von Überfall, denen er bereits in der Vergangenheit gegenüber ausgesetzt war, als er noch ein Offizier in der Dreizehnten gewesen war. Er seufzte innerlich und wartete. „Also“, sagte Ukitake nach einem Schluck Tee. „Was ist passiert?“ Byakuya runzelte die Stirn. „Kommandant, ich habe dir bereits alle Details erzählt.“ Ukitake blickte Byakuya mit sanften, fast schon mitleidig zusammengezogenen Augenbrauen an. „Byakuya, sicherlich verstehst du, dass ich nach der Reihenfolge frage. Nicht nach der körperlichen Auseinandersetzung.“ „Das habe ich ebenfalls bereits erklärt“, sagte Byakuya knapp. „Es war dumme Eifersucht. Meine Unsicherheiten.“ Ukitake seufzte leise. Er lächelte für einen langen Moment geduldig seine Teeschale an und fragte dann: „Planst du so, dich zu entschuldigen? Was willst du Renji sagen?“ Byakuya presste die Lippen zu einer dünnen Linie zusammen. Ukitake wusste, dass Byakuya furchtbar in dieser Art von Dingen war. Warum quälte er ihn so? „Ich plane zu sagen: ‚Es tut mir leid, Renji.‘“ Ukitakes langgliedrige Finger fuhren den dünnen Rand der Teeschale nach. „Du weißt, dass du es besser machen musst.“ „Muss ich?“ Ukitake warf Byakuya einen gequälten Blick zu. „Du hast die Hand ihm gegenüber erhoben. DU und ich wissen beide, dass das nicht das erste Mal war. Renji braucht mehr als einfach ein weiteres ‚Es tut mir leid‘ von dir.“ Byakuya konnte spüren, wie sein Temperament zu brodeln begann, daher nahm er sich einen Moment, um bis Zehn zu zählen. Es war nicht einfach. Er musste seine Augen schließen und nicht in Ukitakes besorgtes Gesicht blicken. Während er zählte bemerkte er, dass die plötzliche Flut an Emotionen tatsächlich gar kein Zorn war, sondern mehr Scham, verpackt in Zorn. Es beschämte ihn zutiefst, dass ihm ein solcher Missbrauch gegenüber jemanden, den er liebte, vorgeworfen wurde. Ein Teil von ihm hatte das Gefühl, dass er eine Belohnung dafür erhalten sollte, überhaupt daran zu denken, sich zu entschuldigen. Sein Großvater hätte das niemals getan. Was es noch schlimmer machte. „Was soll ich sagen?“, fragte Byakuya, als er schlussendlich wieder in der Lage war, seine Augen zu öffnen. „Wenn das, was ich getan habe, so unverzeihbar ist?“ Ukitake lächelte Byakuya freundlich an. „Nun ja, das ist auf jeden Fall ein Anfang, nicht wahr?“ „Zu sagen, dass ich nicht weiß, was ich sagen soll?“, fragte Byakuya verzweifelt. „Es ist ehrlich, richtig?“, fragte Ukitake und schenkte Byakuya eine weitere Schale Tee ein. „Ich weiß nicht, wie man so etwas macht…“, Byakuya suchte nach dem angemessenen Wort, doch da ihm nichts besseres einfiel, fuhr er fort mit: „… sozialen Dingen.“ Ukitake kicherte. „Das weiß niemand, mein lieber Junge. Wir stolpern da alle einfach durch.“ „Ich hasse stolpern“, grummelte Byakuya. „Ich weiß“, sagte Ukitake und griff nach Byakuyas Hand, um sie zu tätscheln. „Doch das Einzige, worüber du dir beim Stolpern Gedanken machen musst, ist der Fall. Und du bist bereits der Liebe verfallen, nicht wahr?“ Byakuya spürte die Tiefgründigkeit in den Worten, doch hatte Probleme, die richtige Andeutung dahinter auszumachen. „Also“, sagte er vorsichtig nach einem Schluck Tee. „Was du sagst ist, dass in der Liebe, sollte ich…“, Byakuya hasste es, wenn er an diesen Tests scheiterte, die ihm Ukitake gab, und doch scheiterte er jedes Mal. Dennoch kämpfte er sich tapfer voran. „… ihm einfach sagen, was mir in den Sinn kommt? Aber Kommandant, mein Kopf ist ein furchtbarer Ort. Wie wird er mich so noch lieben können?“ „Er wird es. Wenn du wirklich ehrlich mit ihm redest, wird er dich sogar noch mehr lieben.“ „Wie kannst du dir so sicher sein?“ „Weil mich Shunsui immer noch liebt und ich ihn“, sagte Ukitake, ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen. Byakuya nickte, unwillig zu sagen, dass diese Situation grundlegend anders war. Denn niemand von ihnen konnte Dämonen haben, die so stark waren, wie Renjis oder sein eigner. Doch dann erschauderte Ukitake und sagte fast tonlos: „Und es gibt keine Dunkelheit, wie die Seele von Shunsui Kyōraku.“ Nanako kaufte einen Krug Bier und brachte ihn zu ihrem Tisch an der Feuerstelle. Renji hatte überlegt ihr zu sagen, dass das Letzte, was er jetzt noch brauchte, mehr Bier war. Doch die Wahrheit war, dass er immer noch nicht bereit war ‚nach Hause‘ zu gehen, was auch immer das heute Nacht wäre. Das Izakaya, dass sie in der Nähe der Baracken der Neunten gefunden hatten, war gemütlich. Der Boden war aus sägerauem Holz und die Möbel waren einfach, fast schon rustikal, aber bequem. Renji beobachtete, wie das Feuer knisterte und ließ die Geräusche in der Taverne über sich einbrechen. Nanako knallte ein Glas vor ihn auf den Tisch und sagte: „Spül das runter und dann sag mir, was mit dir und dem Kommandanten los ist.“ Renji nahm einen Schluck Bier. Wie die ganze Kneipe war es einfach, aber gut. „An welcher Stelle soll ich deiner Meinung nach anfangen?“, fragte er. „Das Ganze war von Anfang an ein wenig chaotisch.“ Sie stürzte ihr Bier herunter, trank fast die Hälfte und füllte sich nach. „Weißt du, wenn Kinjo auch nur einen Finger mir gegenüber erheben würde, wäre ich sowas von weg.“ „Nun ja, gut. Denn Kinjo ist ein Idiot“, sagte Renji. Er prostete ihr zu und fügte hinzu: „Ich hab nie verstanden, was du in dem Kerl siehst.“ „Ich muss sagen, dass das auf Gegenseitigkeit beruht“, sagte Nanako und schob ihre Zöpfe über ihre Schultern, in dem sie den Kopf zurückwarf. „Der Kommandant überrascht mich. Ich hätte ihn nicht für einen dieser Sorte gehalten.“ „Das ist nicht wirklich eine normale Sache, Nanako“, bemerkte Renji. „Sollte überhaupt nicht passieren.“ Renji dachte darüber einen Moment nach, entschied dann aber, dass nicht viel zu sagen war, außer: „Wahr.“ „Du solltest etwas Selbstachtung haben, Renji“, sagte sie und stürzte eine weitere Hälfte ihres Bieres herunter. „Hey“, sagte er, doch dann erstarb der Protest auf seinen Lippen. „So ist es nicht.“ Eine Kellnerin stellte ihnen einen flachen Teller mit Spießen hin. Da war traditionelles Hähnchen, aber auch Ginkgo-Nüsse, Shishito-Schoten und Ikada-Frühlingszwiebeln. Renji nahm einen von den Hähnchenspießen und zog mit den Zähnen etwas von dem Fleisch ab. „Ok, ich verstehe, warum du das vielleicht denkst, aber ich habe das Gefühl, dass ich für mich eintrete, wenn ich es muss. Ich habe dieses Mal nicht zugelassen, dass er mich schlägt. Ich hab ihn noch nicht einmal nah an mich herangelassen. Meistens, wenn es dazu gekommen ist, war es, weil ich es nicht erwartet habe oder ihn wortwörtlich nicht hab kommen sehen. Es ist nicht so, als würde ich da stehen und sagen ‚Danke, Herr. Darf ich noch eine haben‘.“ Sie hob ihre Augenbrauen über den Rand ihres Glases. „Was?“, fragte er wegen ihrem Gesichtsausdruck. „Glaubst du mir nicht oder was?“ Sie stellte das Glas auf dem niedrigen Tisch ab, nahm den Spieß mit den Gingko-Nüssen auf, schob sie mit den Fingern vom Spieß und warf sie sich in den Mund. „Ich glaube dir“, sagte sie. „Ich habe nur gezuckt als ich hörte, wie du ‚dieses Mal‘ sagst, wenn du über so etwas redest.“ „Was auch immer“, sagte Renji mit einem Schulterzucken und einem weiteren Schluck Bier. „Der Teil pisst mich ja noch nicht einmal an. Die Sache, die ich hasse ist, wenn er diese Kontroll-Sache hat. Manchmal tut er so, als wäre ich irgendeine Art von Bestie, die an die Leine gelegt werden muss.“ Er kaute auf einem weiteren Spieß Hühnchen herum. Es war leicht mit Mirin gewürzt – einen Hauch Süße und einen milden, alkoholischen Geschmack. „Die Sache ist die, dass es für ihn sexy ist. Aber ich wünschte mir, dass es im Schlafzimmer bleiben würde, wenn du weißt, was ich meine.“ Nanako dachte offensichtlich darüber nach, was es bedeutete, denn ihr Gesicht machte allerlei Verzerrungen, bevor sie tief errötete. „Du… eine Leine…?“ „Ja“, gab Renji zu. „Und, ich meine, das ist heiß. Aber manchmal wird das alles vermischt mit jedem Mal, wenn wir eine Meinungsverschiedenheit haben oder er denkt, dass ich zu… wild oder unterschichtig oder unartig oder was zum Teufel auch immer bin. Aber darüber rede ich, wenn ich meine, dass die Dinge bei uns von Anfang an verkorkst waren. Wir hatten erst ein riesiges Chaos von Kommandant/Vizekommandant/Sub/Dom-Ding, über das wir nie wirklich hinweg gekommen sind.“ Wenn es möglich gewesen wäre, dass Nanakos Augenbrauen zu ihrem Scheitel rutschen könnten, wäre das jetzt passiert. Sie versuchten es auf jeden Fall. „Uh… wow.“ „Richtig“, nickte Renji. „Und obendrauf kommt noch die Tatsache, dass das für Byakuya – und das liegt unter strikter Geheimhaltung, verstanden? Plapper kein Wort davon gegenüber deinem Freund aus, der keine Grenzen kennt oder sonst wem gegenüber –“, Renji wartete auf ihr zustimmendes Nicken, bevor er fortfuhr: „Für Byakuya ist diese Bondage/Dominieren-Sache eine Vorliebe. Und dann noch eine, die er seit Ewigkeiten unterdrückt hat, soweit ich das beurteilen kann, also ist es… nun ja, kompliziert das ganze aus seiner Psyche zu entwirren. Teil unseres Streits heute Nacht war, weil ich es geschafft habe anzudeuten, dass manchmal unkomplizierter Sex nett ist.“ „Oh“, sagte sie mit einem leisen, warnenden Pfeifen. „Ja“, stimmte Renji traurig zu. „Natürlich war der andere Teil des Streits aus dem Grund, weil er ein Idiot ist und nicht glaubt, dass ich wirklich bisexuell bin, weil ihm Rukia irgendwann einmal irgendeinen Schwachsinn erzählt hat.“ „Weiß sie nicht, dass du sie liebst?“ „Siehst du“, lachte Renji. „Jeder andere weiß es!“ Nanako lachte. „Du hast für sie fast die halbe Seireitei in Schutt und Asche gelegt. In der Soul Society ist das ein großer Liebesbrief.“ „Guter Punkt, der einzige Kerl, der den Laden hier für sie mehr kaputt gehauen hat war Ichigo und ja… das bestätigt deine Behauptung irgendwie.“ Sie beide lachten darüber für eine Weile und tranken von ihrem Bier. Dann fragte Nanako nachdenklich: „Glaubst du, dass nach der Logik, Kenpachi heiß auf Ichigo ist?“ Renji lachte, sagte dann aber nüchtern: „Vermutlich.“ Ukitake war für eine lange Zeit in seinen eigenen Gedanken verloren. Byakuya entschuldigte sich, um die Toilette zu besuchen. Zwischen all dem Bier und Tee fühlte er sich, als würde er schwimmen. Als er zurückkam, stand Ukitake. Byakuyas Laune hob sich, in der Hoffnung, dass er endlich eine gute Nacht wünschen würde. Er öffnete seinen Mund, um einige Höflichkeiten auszusprechen, wie schade es sei zu sehen, dass sein früherer Kommandant gehen wollte, als Ukitake sagte: „Führst du mich durch den Kirschbaumgarten? Es ist eine Ewigkeit her.“ Byakuya runzelte die Stirn, doch er konnte wohl kaum unhöflich sein. „Kommandant, die Bäume sind blattlos.“ „Aber es ist Vollmond“, sagte Ukitake mit einem bittenden Lächeln. „Außerdem habe ich gehört, dass du wundervolle Kois in deinem Teich hast.“ „Und doch werden deine immer irgendwie größer“, bemerkte Byakuya. Ukitake rieb sich den Nacken und lächelte schamhaft wie ein Schuljunge. „Es ist ein Mysterium! Vielleicht gibt es beim Ugendo bessere Algen.“ Byakuya vermutete seit langer Zeit, dass jemand seine Fische stahl und in Ukitakes Teich aussetzte, doch er war sich immer noch nicht sicher, wer. Es schien unwahrscheinlich, dass Ukitake so etwas selbst tat. Vielleicht würde Kyōraku so tief sinken, aber es schien furchtbar mühselig für einen solch faulen, alten Bär. „Sollen wir?“, fragte Byakuya, schob die Tür zum Garten an der Bibliothek auf. Die kühle Luft schnappte gegen Byakuyas Nase und machte ihn mit einem Mal wach. Helles Mondlicht schien grell in der kühlen, dunklen Nacht. Die knorrige Kiefer in der Mitte des Gartens stand hoch und Unheil verkündet als Silhouette im silbrigen Licht. Irgendwo in der Nähe rief eine Eule. „Entzückend“, seufzte Ukitake. „Ich mag den Winter. Alles steht so im Kontrast, jede Linie so sauber und einfach. Wie Kalligraphie.“ Byakuya konnte diese Empfindung schätzen, doch er hatte nie viel für den Winter und seinen tötenden Frost und den langen, dunklen Nächten übrig gehabt. Obwohl er im Winter geboren worden war, hatte er immer insgeheim die wilde Buntheit des Herbstes bevorzugt, die Bäume geschmückt mit einer prächtigen Ansammlung von Farben, die mit den monotonen Farben der Kirschblütensaison wetteiferte. Doch er konnte so etwas niemals laut aussprechen. Doch vielleicht würde es Renji verstehen. Mochte Renji seinen Geburtsmonat? Das Ende des Augusts, die Hundstage des Sommers. Hmm, Hunde. Dann vielleicht eher nicht. „War es Ginrei?“, fragte Ukitake still, als sie ihren Weg zum Tor des Hauptgartens einschlugen. Die Scharniere quietschten im Protest, als Byakuya es öffnete. „War mein Großvater was?“ Ukitake atmete ein, schien einen Moment die Luft anzuhalten und atmete dann wieder aus. „War es Ginrei, der dich so hart gemacht hat?“ „Ohne jeden Zweifel“, sagte Byakuya ohne Emotionen. „Er war selbst ein sehr harter Mann. Strikt. Stolz. Unbeugsam.“ „Ja“, sagte Ukitake zögernd, als würden sie am Rande eines gefährlichen Themas entlang gehen. „Du… bewunderst ihn?“ Byakuya sagte nichts. Seine Gefühle seinem Großvater gegenüber waren kompliziert. Natürlich war Ginrei Kuchiki ein Vorbild gewesen, welches er angestrebt hatte. Er war das perfekte Familienoberhaupt und Kommandant in so vielen Arten gewesen – unbarmherzig schnell auf dem Schlachtfeld, bestimmend und ehrenhaft. Er erwartete das Beste von jedem. Verlangte es. Und doch hatte niemand diese Erwartungen erfüllen können, am wenigsten von allen ein hitzköpfiger, ungestümer Enkel. „Ich war für ihn eine Enttäuschung“, sagte Byakuya für einen Moment. Der Schotterweg unter ihren Sandalen knirschte, ein einsames Echo in der stillen, kalten Luft. „Aber ich habe ihn geliebt. Als meine Eltern starben, war er meine einzige, nahe Verwandtschaft.“ Nicht, dass dies seinen Großvater davon abgehalten hätte, Byakuya mehr als nur einmal wegzuschicken. Das erste Mal war dieses furchtbar schandvolle Exil wegen seinem katastrophalen Stelldichein mit dem Stalljungen gewesen, doch die anderen Male… Byakuya würde niemals wissen, was seine Verbannungen ausgelöst hatte, außer dass sein Großvater in irgendeiner Weise ihn leid gewesen war oder gedacht hatte, dass andere Byakuya etwas beibringen konnten, was er nicht konnte. Was auch immer es war, Byakuya schien es nie gelernt zu haben. „Es tut mir leid, das zu sagen, aber ich verfluche immer noch den Tag, an dem Sōjun starb. Ich habe ihn sehr geliebt; er hatte so ein gutes Herz. Sein Tod hat so ein großes Loch in so vielen Herzen hinterlassen“, sagte Ukitake und hakte sich in Byakuyas Arm ein, als sie am langen Gras vorbeigingen, das zum Kirschbaumgarten führte. Byakuya schob seinen Kummer zur Seite. „Mein Vater war kaum perfekt. Viele dieser Herzen, die er zurückgelassen hatte, war seine Vielzahl an Liebhabern und Mätressen.“ Auf Ukitakes geschocktem Gesicht hin erklärte Byakuya. „Es war sein Beispiel, dass mir vorgesetzt wurde, als ich mich weigerte einer Heirat aus Zweckmäßigkeit zuzustimmen. Mir wurde immer und immer wieder gesagt, dass es keinen Grund gäbe, meine Familie unter einer niedrig geborenen Frau leiden zu lassen, wenn mein Vater Dutzende von…“, Byakuyas Stimme brach von der wiederkehrenden Erinnerung, wie betrogen er sich gefühlt hatte. Er hatte es niemals gewusst. Wie jedes Kind, hatte er an wahre Liebe geglaubt, geglaubt, dass er es in den Augen seiner Eltern sah. Er nahm einen Atemzug und gluckste düster. „Auf der anderen Seite gäbe es sicher nicht so viele geheime Wege im Anwesen, wenn er keine dieser Tändeleien gehabt hätte. Wir müssen dafür dankbar sein.“ „Oh, Byakuya.“ Ukitake nahm Byakuyas Hand und drückte sie fest. „Ist das der Grund, warum du so sehr mit Eifersucht kämpfst? Bist du immer noch sauer auf deinen Vater?“ Byakuya hielt an. Es war ihm niemals in den Sinn gekommen, dass er diesen besonderen Verrat vielleicht wieder erlebte, zumindest teilweise, wenn er mit dem Gedanken konfrontiert war, dass sein Liebhaber andere Liebhaber haben könnte. Vielleicht war es so, doch er war schon eifersüchtig und besitzergreifend gewesen, lange bevor er von den streunenden Gewohnheiten seines Vaters erfahren hatte. Byakuya war blind vor Wut gewesen, jedes Mal, wenn er an Hisanas Arbeit dachte, was sie tat, als sie noch ein Oiran war. Doch er hatte ihr nie die Schuld für ihre Situation geben können. Sobald er sie von der Arbeit befreit hatte, hatte er sie entschlossen bewacht, wie einen Preis. Um gerecht zu sein, war ihre Liebe hart erkämpft und fast unmöglich zu halten gewesen. Und dann, viel zu schnell vergangen. Sie waren an der Hügelkuppe angekommen, von der man den Kirschbaumgarten überblicken konnte. Verdrehte, leblose Äste reckten sich zum Vollmond hinauf. Auf der anderen Seite schien der See silbern in der Nacht. Sterne tanzten über ihnen, kraftlos in der gähnenden Dunkelheit. „Nein“, sagte er letztendlich. „Ich mache den Tod dafür verantwortlich. Jeden, den ich je geliebt habe, wurde mir vom Tod oder Unglück gestohlen. Ist es ein Wunder, dass ich so selbstsüchtig an dem hänge, was ich habe? Nichts hält an, also halte ich es mit kalten Fäusten aus Stahl fest, doch es entrinnt meinen greifenden Fingern wie Wasser… wie Blut. Der Tod wird auch Renji holen. Er rennt darauf zu, wie eine Motte in die Flamme. Also halte ich ihn natürlich so fest wie ich kann.“ Ukitakes Gesicht wurde grimmig. Er legte eine Hand auf Byakuyas Schulter. „Du solltest das zu Renji sagen.“ Nachdem sie eine lange Liste durchgegangen waren mit wer wohl wen liebte, basierend darauf, wie viel der Welten sie zerstört hatten, bemerkte Nanako, wie viel Schaden Renji angerichtet hatte, als er gegen Byakuya gekämpft hatte. Dann fragte sie: „Was wirst du jetzt tun?“ Renji seufzte lange. Er rieb sich die Augen und schüttelte den Kopf. „Scheiße, wenn ich das wüsste. Ich wünschte mir irgendwie, du hättest mich in der Neunten verrotten lassen. Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich mich in meinem Quartier aufs Ohr hauen soll oder versuchen soll zurückzugehen, um mit ihm zu reden.“ „Nun ja, die gute Nachricht ist, wenn du ihn für eine Weile nicht sehen willst, steht dir das völlig frei. Er kann das Anwesen nicht verlassen“, bemerkte sie. „Hausarrest. Also wenn du nicht zu ihm gehst, kann er nicht zu dir kommen.“ Renji starrte auf den Boden seines leeren Glases. Da war auch nicht mehr viel im Krug. Sie hatten alles gegessen, was die Kellnerin ihnen gebracht hatte, drei Teller voll und nun war es Zeit für Reis. Was bedeutete, dass es Zeit war, zu gehen. „Ja, aber möchte ich das?“ „Ich weiß es nicht, du?“ „Ich denke nicht, dass voneinander getrennt zu sein, wirklich das ist, was wir brauchen“, sagte Renji. „Wir haben jede Menge Stille zwischen uns, wie es jetzt ist. Zu viel.“ Nanako nickte. Sie hob die Hand, um der Kellnerin zu signalisieren, noch etwas Essen und die Rechnung zu bringen. „Was wirst du ihm sagen?“ Renji legte den Ellbogen auf den Tisch und stützte seine Wange auf der Faust ab. Mit seiner anderen Hand stapelte er die Spieße fein säuberlich. „Ich denke, wir müssen darüber reden, wie er mich außerhalb des Schlafzimmers niederdrückt, aber ich möchte das nicht wirklich. Das wird hässlich werden.“ Sie nickte mitleidig. „Aber es wird nicht besser werden, wenn du es nicht tust.“ Renji lachte. „Ja, aber es wird auch nicht schlimmer.“ „Doch wird es“, beharrte sie, stellte Blickkontakt mit ihm her und hielt ihn. „Renji, du weißt, dass das so nicht funktionieren wird. Dinge wie so etwas werden schlimmer. Es schwelt vor sich hin.“ Renji zog eine Grimasse und setzte sich auf, um an einem ihrer dicken Zöpfe zu ziehen. „Wann bist du so schlau geworden?“ „Ich bin in der Nähe der Elften aufgewachsen, falls du dich erinnerst, nur mit meinem Paps. Ich weiß wie dumm Männer sind“, sagte sie und schlug seine Hand scherzhaft weg. Er grinste daraufhin, doch fragte dann ernster: „Wenn du so viel weißt, dann sag mir, wie ein Typ wie ich einen Mann wie ihn fragen soll, du weißt schon, es sein zu lassen? Ich mag es nicht zu sagen, dass ich damit nicht klarkomme. Ich fühle mich dann dumm und schwach. Also sag ich lieber nichts.“ Sie schaute ihn an, als wollte sie mit den Augen rollen und murmelte etwas über Männer, doch seufzte dann theatralisch. „Renji, dann sag es einfach so.“ „Was? Ihm sagen, dass ich über den Scheiß nicht reden will, weil ich mich dann dumm fühle? Das bringt uns nirgendwohin.“ „Ich wette, du wärst überrascht“, sagte sie. Renji runzelte die Stirn. „Wie?“ „Ich wette, er fühlt sich verdammt noch mal genauso.“ Sie aßen ihre Schalen Chazuke, nahmen die letzten Bisse rechtzeitig zum Zapfenstreich. Nanako beglich die Rechnung, wogegen Renji schwach protestierte, doch ehrlicherweise war er komplett blank. Sie gingen zur Division und redeten dabei über sie und Kinjo, das Wetter und sonst nicht viel. Am Tor wurden sie mit einem grimmigen Gesicht von der Wache reingelassen, ohne Zweifel hatte er bereits genug gehört, um zu ahnen, wo Renji gewesen war. „Was sagen die Leute?“, fragte Renji, als sie drinnen waren. „Bin ich wieder der Böse? Ungehorsam wie immer?“ „Fass es nicht so auf“, mahnte Nanako. „Aber die Leute reden. Du weißt, dass jeder darauf wartet, dass diese Unzuchtssache hoch geht.“ Renji nickte. Er entschied sich, in seine Uniform zu wechseln, bevor er losging, um Byakuya zu sehen. Daher machte er einen Halt bei seinem lang vernachlässigten Quartier. Da er keine angemessene Möglichkeit hatte, die teure Seide zu verstauen, ließ er sie sorgsam ausgebreitet auf seinem Feldbett zurück. Er blickte durch das kleine Fenster zum Dach des Anwesens, das er über der Mauer ausmachen konnte. Das Mondlicht beschien die Winkel und ließ sie scharf hervorstehen, wie die schneidenden Blütenblätter von Senbonzakura. Er hatte ihnen gegenübergestanden und überlebt. Er sollte keine Angst davor haben, mit dem verdammten Mann zu reden. Nachdem er das Fenster geschlossen hatte, um die Kälte draußen zu lassen, band Renji sich seine Haare in den gewohnten Pferdeschwanz, als bereite er sich für einen Krieg vor. Er schob Zabimaru an seinen Platz und schob das Gefühl zur Seite. Richtig, er konnte es tun. Doch er vertraute sich nicht ganz dabei, den Gang zu machen ohne kalte Füße zu bekommen, also legte er mit Shunpo die kurze Distanz zurück, überwand dabei die Mauer. Als sich die Haupttür öffnete, sah der neue Hausverwalter so glücklich aus, Renji zu sehen, dass er schon fast mit einer Umarmung gerechnet hätte. Er riss sich gerade rechtzeitig zusammen. „Meister Abarai“, sagte er, die Erleichterung in seiner Stimme war offensichtlich. „Das gesamte Personal war krank vor Sorge. Wir hatten befürchtet, sie hatten einen Unfall!“ Renji blickte von seinen Sandalen auf, die er gerade auszog. „Unfall? Byakuya hat nicht angedeutet, dass ich einen Unfall hatte, oder doch?“ „Seine Herrschaft sagte gar nichts“, sagte Hitoshi. „Er war zutiefst bestürzt und mit all den Kommandanten und Leuten, die hier ein und ausgingen, haben wir das Schlimmste befürchtet.“ „Du kannst allen sagen, dass ich in Ordnung bin“, versicherte Renji ihm. Aber er war überrascht von all der Aktivität zu hören. Könnte es sein, dass der Generalkommandant bereits irgendeine Art von Entscheidung getroffen hatte? „Also, uh, soll ich einfach hochgehen? Ist er im Bett?“ „Oh“, stammelte Hitoshi, offensichtlich ein wenig verlegen über die Intimität von Renjis Frage. „Tatsächlich ist der Herr mit Kommandant Ukitake draußen im Garten. Ich hatte geplant, sie im Wohnzimmer warten zu lassen.“ Ukitake? Also… hatte Byakuya tatsächlich um Hilfe gebeten? Renji konnte sich nicht vorstellen, dass Ukitake glücklich darüber gewesen war, von dem Streit zu hören. Es war schwer zu vergessen, wie Ukitake das letzte Mal zwischen ihn und Byakuya gegangen war, als er die Hand erhoben hatte. Doch vielleicht hatte Byakuya nichts darüber gesagt. Könnte sein, dass sie sich nur darüber beratschlagt haben, wie sie mit dem Unzuchtsproblem umgingen. Trotzdem hatte Renji das Gefühl, dass er sie dabei nicht stören sollte. Er öffnete seinen Mund um ‚Vergiss es‘ zu sagen und zurück zu seinem eigenen Bett zu gehen, doch er hielt sich selbst davon ab. „Ja, ok. Ich warte. Aber könntest du ihm sagen, dass ich da bin?“ Byakuya konnte sich kaum daran erinnern, Ukitake angemessen verabschiedet zu haben, so schnell rannte er zurück zu Renji. Er war gekommen. Renji war tatsächlich ins Anwesen gekommen und wartete auf ihn. Er tadelte sich selbst dafür, dass ihm so schwindelig vor Erleichterung war und erinnerte sich selbst daran, dass Renji auch genauso gut hergekommen sein könnte, um ihm zu sagen, dass er fertig mit der ganzen Sache war und ihre ‚Hochzeit‘ abgeblasen sei. Das verlangsamte seine Schritte. Er griff nach Hitoshis Ärmel und fragte: „Wie ist dir der Vizekommandant vorgekommen?“ Hitoshi blickte auf Byakuyas Hand, als würde sie ihn vielleicht verbrennen. „Wie er selbst“, sagte Hitoshi nervös. „Entgegenkommend, wenn auch schroff.“ „Er schien nicht grüblerisch oder wütend?“ Byakuya sagte sich selbst, loszulassen und aufzuhören, an Hitoshis Ärmel wie ein Schulmädchen zu hängen, doch er konnte nicht. „Nicht traurig oder entschlossen?“ „Ähm, wir haben nicht mehr als zehn Worte ausgetauscht, mein Herr. Ich habe zu wenig, um das zu beurteilen.“ Byakuya ließ los. „Also gut. Es spielt wohl kaum eine Rolle. Er wird so sein, wie er ist.“ Renji bewunderte die Fusuma-Schirme, die mit einem Tiger, der sich an ein Reh im hohen Gras heranpirschte, bemalt waren, als die Tür so schnell aufglitt, dass es knallte. Renji drehte sich um, überrascht, nur um sich in Byakuyas Armen wiederzufinden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)