Von Sündenböcken und roten Schafen von LockXOn ([Oneshot-Sammlung]) ================================================================================ Die berüchtigten Abenteuer des kleinen Red Hood – Saving Bizarro ---------------------------------------------------------------- In Jasons Magen brodelte es.   Man sagte immer, das Bauchgefühl eines Menschen sei ziemlich zuverlässig und man sollte öfter darauf hören, bevor man wertvolle Zeit mit der Analyse einer hoffnungslosen Situation verlor. Dieser Schlaumeier wusste also schon im Voraus, dass die Nacht wohl einen baldigen Verlauf von „gerade erträglich“ nach „abgrundtief beschissen“ nehmen würde. Aber auf ihn hören konnte er leider nicht.   Eigentlich hätte er gar nicht hier sein sollen. Viel lieber hätte er im Moment an Bizarros Seite gesessen und ihm immer und immer wieder, so oft es denn sein sollte, versichert, dass er nicht „verblödete“, wie sich der verzweifelte Klon ausgedrückt hatte, dass sein Hirn einen so dermaßen großen Umfang hatte, dass es selbst auf die Hälfte geschrumpft noch immer leistungsfähiger war als jenes irgendeinen anderen Lebewesens und dass selbst, wenn Lex Luthors Sonderbehandlung nun an ihre Grenzen gestoßen war, er immer ein Outlaw würde bleiben dürfen, herzlichen Dank.   Er hatte keine Ahnung, was passiert war, aber die hohe Intelligenz seines Teamkollegen und Freundes baute sich aus irgendeinem Grund zunehmend ab. Am Anfang hatte Bizarro es noch geheim gehalten aus Sorge, er und Artemis würden sich von ihm abwenden, das Versteckspiel sogar so weit getrieben, dass Angst und Paranoia umgeschlagen waren in Bösartigkeit. Sie hatten es mit vereinten Kräften geschafft, ihn zur Vernunft zu bringen, bevor die Justice League ihn endgültig als Bedrohung einstufen konnte, doch sie hatten nur die Symptome gelindert, die Wurzel allen Übels aber noch nicht ausgraben können. Bizarro hatte sich nach dem lebensbedrohlichen Ausraster noch weiter in sich zurückgezogen, Gefasstheit vorgespielt, um ihnen nicht noch einmal dermaßen wehzutun, doch irgendwann war die Hilflosigkeit offensichtlich geworden, weil er es teilweise nicht einmal mehr selbst gemerkt hatte, wenn er abrutschte.   Die Schäden, die er in der Panikattacke, in die er verfallen war, als sie ihn damit konfrontiert hatten, angerichtet hatte, hätte beinahe ihr Hauptquartier zu Bruch gehen lassen.   Es hatte sie einen weiteren ungeheuren Kraftakt gekostet, die Anti-Schwerkraft-Stabilisatoren nicht in Mitleidenschaft geraten zu lassen, was zu einer Katastrophe geführt hätte. Jason würde sich sehr zeitnah um dieses Problem kümmern müssen, wenn er verhindern wollte, dass Park Row unter einer Festung aus Stahl und Glas zerquetscht wurde. Solange Bizarro die Übersicht über seine genialen Erfindungen gehabt hatte, hatten sich Schwierigkeiten wie diese überhaupt nicht ergeben, doch jetzt, wo sie ihn zurück in Lexʼ Obhut hatten geben müssen, merkten sie umso mehr, wie sehr sie ihn brauchten, um den Alptraum über der Stadt auch sicher über der Stadt zu halten. Das Hauptquartier erforderte jeden Tag eine Menge Wartung, und so oft und gerne er Bizarro auch stets dabei geholfen hatte, war es für ihn alleine ein Ding der Unmöglichkeit.   Jason rieb sich die Stirn und seufzte schwer. Wenn alle Stricke rissen, musste er wohl oder übel jemanden aus der Super-Familie um Hilfe bitten – oder auch mehrere, und wenn es nur darum ging, das Damoklesschwert Stück für Stück zu demontieren und an einen weniger destruktiven Ort zu transportieren. Und sobald Bizarro wieder gesund war, mussten sie sich ernsthaft darüber unterhalten, in ein etwas stabileres Heim umzuziehen. Eines, das nicht mit Bizarros Verfügbarkeit stehen und fallen würde.   Wenigstens war der Klon bei Lex gut aufgehoben. Zumindest war er sehr viel ruhiger geworden, seit sie bei dem egozentrischen Geschäftsmann vorstellig geworden waren und ihn mit mehr oder minder zivilen Mitteln dazu gebracht hatten, herauszufinden, was schiefgelaufen war. Lex hatte auffallend wenig Widerstand geleistet und es war sonnenklar, dass er eine eigene Agenda verfolgte, aber zumindest hatte er Bizarro aufgenommen und gewährte selbst Jason und Artemis Unterkunft und Verpflegung für die Dauer der Behandlung. Solange er nicht versuchte, ihn und seine Freunde voneinander zu trennen, brachte Jason es über sich, ihm wenigstens so weit zu trauen, wie er ihn treten konnte. Bizarro schien es zu tun – aber Bizarro schien Lex sogar zu mögen.   Er hoffte nur, dass sich ihre Abhängigkeit nicht irgendwann bitter rächen mochte.   Nein, Jason wollte nicht hier sein, doch er hatte noch eine andere Familie neben den Outlaws, und diese hatte ihn tatsächlich gebeten, ihr in dieser Nacht bei dem Abschluss eines langwierigen Falls zu helfen, etwas, das selten genug vorkam. Er hätte trotzdem gut und gerne abgesagt, wenn ihn Artemis nicht dazu gedrängt hätte. Er wusste natürlich, dass Bizarro bei ihr in guten Händen war, doch nicht selbst anwesend zu sein, potenzielle Untersuchungsergebnisse erst mit Verspätung zu erfahren, versetzte ihn in äußerste innere Unruhe. Er konnte sich nur schlecht konzentrieren, was ein hohes Sicherheitsrisiko nicht nur für ihn, sondern für alle teilnehmenden Fledermäuse darstellte. Er hatte zwar im Laufe der Observation zahlreiche Versuche gestartet, sich zusammenzureißen – doch er fiel immer wieder auseinander, ohne es überhaupt zu bemerken. Vielleicht sollte er sie diskret darauf hinweisen, bevor jemand zu Schaden-   „HOOD!“   Als Timothys laute Stimme aus dem Headset dröhnte, fuhr Jason beinahe aus der Haut, zumindest aber aus seinem Versteck auf dem Dach eines Lagerhauses auf. Das Manöver hätte die Aufmerksamkeit der zahlreichen Waffenschmuggler im Innenhof des Gebäudes gegenüber auf sich ziehen können, doch es sollte nicht so weit kommen, denn ein kräftiger Arm legte sich um seinen Hals und drückte ihn umgehend zurück in die Hocke. Ein Reflex ließ ihn mit einem Ellenbogen in die Magengrube des Angreifers zielen, dieser jedoch fing ihn mit Leichtigkeit ab und sprach gelassen ins eigene Headset: „Er ist jetzt hellwach, Red Robin. Wiederhol doch bitte den Statusbericht, ich befürchte, Red Hood hat ihn nicht ganz mitbekommen.“ Schweres Seufzen ertönte, dann tat ihm ihr Bruder den Gefallen.   „Batman hat die Ware untersucht und ihre Art bestätigt. Wir haben M16A1, AK-47 und einen Sonderposten von M4 Carbine Commandos mit kombiniertem M203 Granatwerfer.“   „Wow“, Jason pfiff anerkennend durch die Zähne in der Hoffnung, sie von seiner Unachtsamkeit abzulenken, „Hey, glaubt ihr, B würd’s merken, wenn ich mir einen davon kralle?! Ich verspreche, kein Schindluder damit zu treiben! Kein allzu großes zumindest ...“ „Klappe, Agent J“, Richard hielt ihn noch immer im Schwitzkasten und wuselte mit einer Hand nun auch noch durch seine Haare, Jason hingegen startete den Versuch, ihn mit aller Macht von sich wegzuschieben.   Ein noch schwereres Seufzen raunte ihnen in die Ohren, doch Timothy machte sich nicht die Mühe, auf ihre Sperenzien einzugehen: „Feindbewegung auf allen Uhrzeiten, Robin hat mindestens siebenunddreißig Schmuggler gezählt, alle natürlich schwer bewaffnet – bis auf die äußeren Wachposten. Die tragen kleinere Waffen, um nicht aufzufallen, aber nicht unbedingt kleineres Kaliber. Das Zeug kann gut und gerne die schwächeren Teile eurer Rüstung zerfetzen, also lasst äußerste Vorsicht walten, verstanden?! Ich will nicht wegen euren Faxen gleich wieder in einem abgeschlossenen Raum landen, diesmal auch noch mit perforierten Organen, kapiert?!“ Jason lachte nur gepresst und trat Richard kräftig auf den Fuß: „Sind wir nicht alle überglücklich, dass wir ihn wiederhaben, Nightwing? Was hat mir seine ewige Klugscheißerei doch gefehlt!“ Richard stieß halb Lachen, halb schmerzerfülltes Stöhnen aus und ließ dann endlich von ihm ab: „Also gut, Leute, dann wollen wir uns mal in Position begeben, was?“   Mit breitem Grinsen setzte er ein Bein auf die Brüstung und stützte sich auf dem Knie ab, während er das Treiben unten begutachtete: „Ich schnapp mir alle auf der Vorderseite, Red Robin die von links, Red Hood die von rechts und den Hinterhof. So schnell wie möglich, so leise wie möglich. Danach geben wir Batman und Robin Rückendeckung. Nicht durch die Haupteingänge, nicht vergessen! Diese Typen versehen die Türen mit Sprengfallen! Vergewissert euch auf jeden Fall, dass euch kein Osterei entgegen rollt, sobald ihr die Klinke benutzt! Noch Fragen?“ Jason setzte seinen Helm auf und ließ die Verschlüsse einrasten. Keine Zeit zum Grübeln mehr.   „Passt schon.“   „Verstanden.“   „Gut! Dann los!“   Und Richard hüpfte direkt vom Dach und schwang sich mitten in den Pulk der Schmuggler hinein.   „So schnell und leise mein Arsch“, dachte Jason verärgert bei sich, als er über die Seite auf ein niedrigeres Nebengebäude und von dort direkt in den Weg der aus der Nebengasse anrückenden Komplizen sprang. Richard war schon immer ein Showman gewesen und er bezweifelte keine Sekunde lang, dass der Aufstand draußen die Feinde drinnen von den zweifellos hoch über ihnen lauernden Vigilanten ablenken sollte, um ihnen einen leichteren Zugriff zu ermöglichen.   Allzu leise vielleicht nicht, aber mit dem Rest konnte er dienen.   Blitzschnell zog er seine Berettas und eröffnete das Feuer, noch ehe seine Gegner überhaupt begriffen hatten, was vor sich ging. Mit jedem Treffer ging ein schmerzerfülltes Schreien und Stöhnen einher und nicht eine Minute später wälzte sich ein halbes Dutzend Schmuggler ächzend vor ihm am Boden.   Gummigeschosse. Jason würde nie verstehen, warum Bruce ihm scharfe Munition verweigerte, um sie mit diesen kleinen gemeinen Folterwerkzeugen zu ersetzen. Wo Jason mit normalen Stahlpatronen für glatte und koordinierte Durchschüsse hätte sorgen können, sorgte die „nicht tödliche“ Variante für lebensgefährliche Knochen- und Splitterbrüche, innere Blutungen und grundlegend extrem unangenehme Platzwunden. Aber er wollte sich nicht beschweren. Wenn man ihm schon die Gelegenheit und ausdrückliche Erlaubnis gab, gewalttätiger gegen Gewalttäter vorzugehen, als er es selbst je geplant hatte, wer war er, sich dem Wunsch zu verweigern?   Ohne sich weiter mit seinen Opfern zu befassen, stürmte er an ihnen vorbei zur Rückseite der Halle und sah gerade noch einen Gegner um die andere Ecke biegen. Er erwischte ihn noch mit einer Kugel in den unteren Rücken, den Rest der Gauner, die Timothys Gebiet wohl fälschlicherweise als harmloser eingestuft hatten, überließ er dem traurigen Schicksal.   Stattdessen wandte er sich der kleinen Hintertür zu, die sich neben einem großen, stählernen Rolltor befand. Ein scheuer Blick durchs Fenster verriet ihm, dass sie tatsächlich verdrahtet und möglicherweise bereits gefährlich scharf war. Also drückte er die Klinke nur so weit herunter, bis ein dumpfes Klicken ertönte, zog sie einen winzigen Spaltbreit auf und benutzte eine aus seinem Gürtel hervorgezogene Kneifzange, um die Verbindung zwischen Tür und Handgranate zu kappen, die ganz in der Nähe an der Wand neben ihm befestigt sein musste. Nun ließ sich die Tür widerstandslos öffnen, ein kundiger Rundumblick erwies keine weiteren Fallen, und so ließ er die Fingerknöchel knacken und stürmte das Gebäude.   Mit dem Kolben seiner Waffe schlug er den nächstbesten Gegner nieder, der zufällig gerade Damian zu erwürgen versuchte, und rief im Vorbeilaufen: „Gern geschehen!“ Damian schnaubte nur abfällig und sprang dem nächstbesten Angreifer mit Anlauf in den Magen.   Jason rannte auf eine große Transportkiste zu, sprang ab, rollte über ihren Deckel und kam nach einem kurzen Fall danach hinter Bruce zum Stehen. „Erster“, grinste er stolz und stürzte sich in den Kampf.   Bruce schnaubte ebenfalls, allerdings mit einem Hauch unterschwelligem Humor: „Reines Glück.“ Er hatte längst mitbekommen, dass seine älteren Kinder seit einiger Zeit einen Wettkampf daraus machten, wer die eigenen Aufgaben bei einer Operation am schnellsten erledigte und ihn als erster erreichte, ein Spiel, von dem Damian ausgeschlossen war, denn wie Jason und Stephanie kein bisschen provokant erklärt hatten, konnte jemand, der sowieso schon an „Daddys Rockzipfel“ hing, unmöglich an einem Wettlauf um Daddys Rockzipfel teilnehmen.   Es hatte dazu geführt, dass Damian immer öfter nach einer etwas entfernteren Startposition verlangte.   Sie prügelten sich durch die Gegnerhorden, erst mit Mühe, nachdem auch Timothy und Richard in den Kampf eingriffen aber mit zunehmender Oberhand. Das Ganze hätte also durchaus gut ausgehen können. Später schimpfte sich Jason dafür, auch nur eine Sekunde lang gedacht zu haben, das Schicksal würde ihm ein kleines harmonisches Intermezzo mit seiner Familie gönnen.   Es geschah, als die Überzahl der Schmuggler sich bereits außer Gefecht gesetzt oder gleich handlich verpackt am Boden tummelten. Allerdings hatte die Gruppe einen Anführer – Gruppen dieser Art hatten immer einen Lieutenant und Jason konnte sich nicht erinnern, warum er es diesmal als vernachlässigbares Detail eingestuft und besagten Lieutenant nicht gleich beim Eintritt aussondiert und erledigt hatte.   Nun war es zu spät.   Er war der erste und offenbar einzige, der den ziemlich aufgebrachten Mann aus einem angrenzenden Büroraum auf die etwas erhöhte Galerie stürmen sah. Das allein hätte ihn nicht weiter beunruhigt, doch der verfluchte Kerl gab ihm nicht einmal die Gelegenheit, die nötigen Schritte einzuleiten. Mit einem wütenden Schrei, der leider im allgemeinen Kampfgetümmel wenig bedrohlich unterging, breitete er die Arme über dem Geländer aus und ließ vier kleine, runde Objekte auf alle Anwesenden niederfallen. Und Jason stockte der Atem, als er sie umgehend als Handgranaten identifizierte.   Als der Gegner daraufhin Anstalten machte, sich umgehend wieder in den angrenzenden Raum zurückzuziehen, stieg eine heiße Welle des Zorns so unkontrolliert in Jason auf, dass er nicht weiter nachdachte. Wenn dieser verabscheuenswerte Bastard selbst die eigenen Leute zu opfern bereit war, indem er Explosivgeschosse auf ein leicht entzündliches Munitionslager niedergehen ließ, war es nur recht und billig, ihn den beabsichtigten Schaden am eigenen Leib erleben zu lassen!   Mit einem dröhnenden „DECKUNG!“ riss er die Pistolen hoch.   Um ihn herum sah er seine Gefährten zuerst abtauchen, doch auch einige der Gegner nahmen die Warnung im verwirrenden Kampfhoch gerne an. Dann zielte er und drückte viermal in rasanter Abfolge ab. Die Granaten wechselten, von den Gummipatronen vom ursprünglichen Ziel abgelenkt, die Schussbahn – sie wurden empor geschleudert, wieder in den Zugriffsbereich des Anführers zurück, der soeben die Tür hinter sich zuzog, und explodierten noch in der Luft.   Ohrenbetäubendes Knallen erfüllte die Umgebung und eine sengende Druckwelle riss die letzten noch stehenden Beteiligten von den Beinen.   Auch Jason wurde zurückgeschleudert und kollidierte erst unglücklich mit der Ecke einer Kiste, um anschließend direkt auf die lädierte Schulter zu stürzen. Die Welt verschwamm in kurzer Orientierungslosigkeit und er schaffte es nicht ganz, das schmerzerfüllte Stöhnen zu unterdrücken, das sich seinen Hals hinauf wälzte. Im nächsten Moment hörte er den stets viel zu gefassten Befehlston im Ohr.   „Fledermäuse. Durchzählen.“   „Nightwing.“   „Red Robin.“   „Red Hood.“   Und dann wartete er. Und wartete. Und wartete.   ‚... Scheiße.‘   ---   Seine Schulter protestierte heftig, als er mit dem Rücken gegen die Wand geschleudert wurde, doch er biss die Zähne zusammen, nicht gewillt, Bruce auch nur einen Laut der Genugtuung zukommen zu lassen. Dieser packte ihn am Kragen und zerrte ihn noch einige Zentimeter höher auf Zehenspitzen, um ihm beherrscht wie immer, aber sichtlich wutentbrannt ins Gesicht zu zischen: „Was sollte das, Hood?! Ich dachte, genau diese Art leichtsinniges Verhalten hättest du endlich hinter dir gelassen?!“ „Was daran war leichtsinnig, B?!“, gab er erzürnt zurück, „Ich habe uns davor bewahrt, in einem Lagerhaus voll hochexplosiver Ware in die Luft gejagt zu werden!“   „Du hast unser Leben gefährdet!“   „Ich habe unser Leben gerettet! Oh, und übrigens, was dir ja auf jeden Fall viel wichtiger ist als wir, auch die Leben der ganzen Kapitalverbrecher um uns herum, die mit den geschmuggelten Maschinengewehren mit Sicherheit nur vorhatten, für die Schönheit der Stadt einzutreten!“   „Deinetwegen ist Robin verletzt worden. Und du hast einen Mann in die Notaufnahme befördert.“   „Ich bin in Ordnung, Batman“, kam es protestierend von der Seite und sie sahen kurz hinüber zu Damian, der sich mit Nachdruck bemühte, sich aus Richards fürsorglichen Händen zu winden, die forschend über jeden Teil seines Körpers strichen, um sicherzugehen, dass er keine schlimmeren Verletzungen erlitten hatte, als die Fleischwunde am Bein und eine leichte Gehirnerschütterung, „Nightwing, ich sagte bereits, eine Lappalie! Und jetzt lass mich endlich los, du Kretin!“   Jason wandte Bruce wieder den Kopf zu: „Du hast die Teufelsbrut gehört! Oh, und verzeih bitte vielmals, dass ich über den Beinaheverlust des Arschlochs, dem wir die ganze Scheiße erst zu verdanken haben, nicht in Tränen ausbreche! Er hat sich seine reduzierten Gliedmaßen selbst zuzuschreiben!“   „Es ist ein Leben, Hood!“   „Und er hat es noch, oder?!“   „Komm mir nicht mit Spitzfindigkeiten! Mit deiner Aktion hast du bewiesen, dass du seinen Tod in Kauf genommen hättest!“   „Oh, zur Hölle, natürlich hätte ich das! Wenn ich die Wahl habe zwischen Typen wie ihm und eu... uns, warum sollte ich auch nur eine Sekunde zögern, ihn mit Blei vollzupumpen?! Sowas nennt sich Notwehr, Batman! Schlag es nach!“   „Nein, Hood. Wir sind besser als das. Wir trainieren Tag für Tag bis an unsere Grenzen, um besser zu sein als unsere Gegner, damit wir es nicht nötig haben, auf Notwehr zurückzugreifen!“   „Nein, Batman, du trainierst Tag für Tag bis an deine Grenzen, um besser zu sein als unsere Gegner, damit du es nicht nötig hast, auf Notwehr zurückzugreifen! Ich trainiere Tag für Tag, damit ich in einem Kampf die verfickte Oberhand behalte, um Wichsern, die Handgranaten auf meine Leute regnen lassen, ordentlich die Fresse polieren zu können!“   „Du hast dich einverstanden erklärt, auf keinen Fall zu töten!“   „Und wieder daneben! Ich habe mich einverstanden erklärt, nicht zu töten, solange ich eine andere Wahl habe!“   „Mir war nicht klar, dass du dermaßen ins Kleingedruckte gehst.“   „Ich habe dir nach der Sache mit Sionis wörtlich erklärt, dass ich durch bin mit deinen Regeln, dass ich mich mit deinen Methoden nicht arrangieren kann und du hast gesagt, das sei okay! Ich dachte, du hättest eingesehen, dass es manchmal keinen anderen Ausweg gibt!“   „Was ich eingesehen habe, ist, dass du nie ein Detektiv sein wirst wie wir. Und ich habe akzeptiert, dass du mit roher Gewalt oft zu den gleichen Ergebnissen gelangst wie wir. Das heißt nicht, dass ich Ausraster wie den eben mildtätig dulde!“   Autsch. Näher ran an eine öffentliche Bloßstellung aller intellektueller Defizite seines Zweitältesten im Direktvergleich mit seinen genialen Geschwistern war Bruce noch nie gekommen und heilige Schande, es tat weh. Und wenn er die Grimassen seiner lauschenden Brüder richtig deutete, hielten auch sie diese Behauptung nicht für den sinnvollsten Weg, die Wut eines Kontrahenten schonend abklingen zu lassen. Wenn nicht einmal Damian über eine Denunziation Jason „Dumbass“ Todds in schadenfrohes Gekicher verfiel, wie konnte Bruce annehmen, mit den gewählten Worten auf Vernunft und Einsicht zu stoßen?   Jasons gesamter Körper begann vor Zorn zu zittern, so sehr er sich auch bemühte, die aufkeimende Enttäuschung, die Scham und den Frust über die als himmelschreiend unfair empfundene Behandlung zu unterdrücken. „Ich habe es nicht drauf angesetzt, irgendjemanden zu töten“, versuchte er es noch einmal sehr beherrscht. Doch Bruce schien in seinem eigenen Ärger keine subtilen Zeichen deuten zu können: „Darum geht es nicht. Darum geht es nie. Du warst und bist bereit dazu, Menschenleben für den Erfolg einer Mission zu opfern.“   „Nicht für den Erfolg einer verdammten Mission, Batman, sondern für das Leben meiner Verbündeten, Freunde, Familie. Man möge es mir verzeihen, so bemitleidenswert dumm und schwächlich zu sein, dass ich die verfickten desaströsen Sprengsätze nicht leger aus der Luft gegriffen, verschluckt und in meinem stählernen Supermagen unbeschadet verdaut habe! Ich habe der Situation entsprechend gehandelt!“   „Du hast nicht mal darüber nachgedacht!“   „Ich hatte zu wenig Zeit zum Nachdenken!“   „Dann musst du deinen Geist intensiver schulen!“   „Selbst die intensivste Schulung hätte hier gar nichts gebracht! Es gab nur einen Weg!“   „Es gibt nie nur einen Weg! Du bist einfach nur unbarmherzig, und du akzeptierst es, weil es am einfachsten ist!“   Jason hatte genug. Er wünschte sich einfach nur das Ende der Diskussion, die er für so ermüdend überflüssig hielt. Aus diesem Grund scherte er sich nicht mehr darum, auf welche kindischen „Argumente“ er zurückgreifen musste.   „Ach ja?! Und deine Eltern sind hässlich!“   Er scherte sich nicht darum, dass Bruce sich in seiner Sache bestätigt fühlen könnte. Alles, was er wollte, war, dass er das Interesse an ihm verlor und ihn endlich in Frieden ziehen ließ. Und Bruce schluckte den Köder.   „Meine Eltern sind TOT!“   Jason verschränkte trotzig die Arme vor der Brust und sein Mentor rieb sich nach kurzem Nachdenken frustriert seufzend die Stirn: „Es reicht, Hood. Ich kann nicht riskieren, mit jemandem zusammenzuarbeiten, dem ich meine Rückendeckung nicht hundertprozentig anvertrauen kann.“   „Woah, Leute“, mischte sich Richard endlich nachdrücklich dazwischen, „wir wollen uns hier doch nicht gegenseitig zu sehr aufreiben, oder? Ich schlage vor, erstmal wieder runterzukommen und eine oder auch ein paar Nächte drüber zu schlafen. Es ist schließlich letztendlich niemand zu Tode gekommen und man kann es drehen und wenden wie man will, Hood hat uns vorhin den Arsch gerettet.“ „Genau“, ließ sich Timothy vernehmen, „Er hat vielleicht vorschnell gehandelt, aber ich für meinen Teil erkenne in Retrospektive auch keinen anderen Weg, zumindest keinen harmloseren.“ „Hätte er die Granaten zu uns runterfallen lassen sollen?“, brummte auch Damian unwillig, als bereitete es ihm Bauchschmerzen, mit Jasons Entscheidung konform gehen zu müssen, „Das hätte ein viel höheres Risiko für alle Beteiligten bedeutet.“   Mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit hätten die Waynes den Angriff durch ihre hervorragende Panzerung überlebt. Nicht unbeschadet vielleicht, aber zumindest atmend und am Stück. Doch während des Angriffs hatte Jason nicht die Möglichkeit gehabt, eingehend über dessen Erfolgsquote sinnieren zu können. Ansonsten hätte er wahrscheinlich nichts getan – etwaige Opfer unter den Kriminellen wären dann immerhin nicht auf seine Kappe gegangen und Bruce hätte sich selbst in Schuldvorwürfen ertränkt.   Er verzichtete, darauf hinzuweisen. Er wollte kein Öl ins Feuer gießen.   Bruce schenkte den Einwänden keine ersichtliche Beachtung. „Wir sind hier fertig“, entschied er nur lapidar und drehte sich weg, sein Umhang sich wie eine undurchdringliche Wand zwischen ihnen im Wind aufbauend.   „Ja“, flüsterte Jason, halb erleichtert, halb ...   „Gut. Okay“, knurrte er nochmal sicherer und stampfte erbost Richtung Brüstung, die er leichtfüßig erklomm und auf der er noch einmal kurz innehielt, „Seht eine Weile davon ab, mich in eure Operationen einzuplanen. Ich bin mir ziemlich sicher, für ein, zwei Wochen – oder auch mehrere Monate – leider dringlichst verhindert zu sein.“ „Hood ...“, Timothy machte einen Schritt auf ihn zu, doch er hob nur eine abwehrende Hand, öffnete einige Male den Mund, als wollte er noch etwas sagen, gab dann jedoch auf und sprang in die Tiefe.   Seine Brüder seufzten simultan und richteten anklagende Blicke auf ihren Vater, der mit dem Rücken zu ihnen stand und still in sich hinein brütete. „Lasst uns gehen“, befahl er schließlich und sie erkannten den Kloß im Hals, obwohl der Tonfall keinerlei Beklemmung verriet, „der Commissioner erwartet unseren Bericht.“   Später auf dem Dach des Gotham-City-Police-Departements stellte sich heraus, dass die Festnahme geglückt war und keiner der teilhabenden Verbrecher entkommen war. Auch die Sicherstellung der geschmuggelten Ware war problemlos vonstattengegangen – mit einer Ausnahme. Es fehlte genau ein Exemplar der M4 Carbine Commandos.   James Gordon hob irritiert eine Augenbraue, als Bruces drei Begleiter fast gleichzeitig in Hustenanfälle verfielen, die sich verdächtig nach einem Überspielen spontanen Gelächters anhörten, und richtete einen fragenden Blick auf den Vigilanten. Bruce ließ seufzend die Stirn in eine Hand sinken: „Ich ... kann mir denken, was geschehen ist. Es tut mir leid, Jim. Ich kümmere mich darum.“   Als sie bald darauf mit ihren jeweiligen Fahrzeugen über die nächtlichen Straßen nach Hause rasten, hielt Richard für eine gute Zeit gekommen, sie auf etwas hinzuweisen, was all die Stunden lang hartnäckig an ihm genagt hatte: „Batman. Wir sollten Hood nicht gleich bei nächstbester Gelegenheit damit konfrontieren. Er hat ein Gewehr mitgehen lassen, was ist schon dabei?“ „Oh, natürlich“, Damian schnaufte abfällig, „Red Hood kombiniert mit einer M4CC kombiniert mit einem M230 ist natürlich kein Grund, gleich nervös zu werden!“   „Das meine ich nicht, Robin. Aber denkt ihr nicht, dass er heute ziemlich durch den Wind gewesen ist?“   „Ausführlicher“, kam Bruces Aufforderung nach einem Augenblick Kontemplation. „Naja“, erwiderte Richard nachdenklich, „er konnte sich sichtlich schlecht konzentrieren, hat uns kaum zugehört, war schreckhaft und sehr viel stiller als sonst. Und sein Geduldsfaden erschien mir heute auch ganz besonders kurz. Ich glaube, es ist besser, ihn eine Weile in Ruhe zu lassen – ihn  sich abkühlen lassen, sozusagen.“ „Zustimmung für Nightwing“, votierte Timothy ungerührt, „Hood war nicht er selbst. Und wenn ich meine bescheidene Meinung einbringen darf: Nach dem Fiasko vorhin glaube ich sowieso nicht, dass wir in absehbarer Zeit den Grund für sein Verhalten aus ihm heraus kitzeln können. Oder irgendetwas sonst, nebenbei bemerkt.“ Es brauchte keine übermäßigen detektivischen Fähigkeiten, um die unterschwellige Verurteilung aus dem flapsigen Tonfall herauszuhören. Niemand kommentierte es. Richard seufzte nur resigniert: „Irgendwie hab ich ein mieses Gefühl bei der Sache.“ Und Damian fügte außerordentlich hilfsbereit hinzu: „Wer hätte das nicht?“   ---   Jason stand neben sich. Sein Magen schmerzte seit der Auseinandersetzung mit Bruce gleich nochmal so sehr, außerdem belastete ihn die Gewissheit, dass mal wieder für eine recht lange Zeit Funkstille zwischen ihm und seiner Familie herrschen würde. Auf eigenen Wunsch zwar, er fürchtete die ansonsten anstehenden nervenzermürbenden Dispute viel mehr, aber das musste nicht heißen, dass er glücklich über die Zwietracht war. Über diese Phase seines zerrütteten Selbst war er längst hinaus. Und er hatte wirklich gedacht, mit Bruce zu einer Art Verständigung gelangt zu sein.   Nicht so viel Glück.   Während er geistesabwesend durch die Eingangshalle Lexcorps wanderte, nahm er beiläufig die zahlreichen entsetzten Blicke wahr, die ihm entgegenkommende Angestellte zuwarfen, im Rücken spürte er ebensolche Aufmerksamkeit. Doch er war zu sehr in wirre, zermürbende Gedanken versunken, um sich deswegen Sorgen zu machen. „Keine Bewegung! Waffe runter und Hände über den Kopf“, rief es schräg hinter ihm, aber so wie es zum einen Ohr hineinflog, ging es zum anderen hinaus.   Einmal mehr ließ er die Szene während des Kampfes vorm inneren Auge ablaufen. Bruce hatte unrecht, es gab nichts, was er besser, schneller, ungefährlicher hätte lösen können. Es war und blieb eine Frage von Art und Anzahl der Opfer. Hätten die Granaten ihr Ziel erreicht, hätten sie weitaus mehr Schaden angerichtet, vielleicht sogar fatalen.   Dass sich Damian zu weit im Einzugsbereich befunden hatte, tat ihm natürlich leid. Auch wenn er das vorlaute Balg nicht mochte, standen sie doch auf derselben Seite – meistens zumindest. Aber dass Bruce anschließend so dermaßen ausgerastet war ...   Jason schüttelte missmutig den Kopf. Es war seine eigene Schuld. Wie hatte er jemals glauben können, Bruce würde andere Strategien als die eigenen zulassen?   „Ich sagte: Waffe runter, du Arschloch! Noch eine Bewegung und wir eröffnen das Feuer!“   Er hatte den Aufzug erreicht. Gereizt schnaubend drückte er irgendeine Ruftaste. Nein, er durfte sich nicht von der ungerechtfertigten Standpauke ablenken lassen. Was hieß schon ein läppischer weiterer Zwist zwischen ihm und den Fledermäusen? Es war vollkommen normal und nichts, worüber es wert wäre, Schlaf zu verlieren. Es machte ihm nicht aus. Wirklich.   Es machte ihm nichts aus.   „Dies ist die letzte Warnung! Wenn du nicht augenblicklich die Waffe runternimmst, dann-“   Mit einem leisen Läuten öffnete sich die Aufzugstür und Jason sah auf, als sich ein massiger Körper direkt vor ihm aufbaute.   Giftgrüne Augen funkelten mit mühsam unterdrücktem Ärger auf ihn herab – nichts Neues, wie es verräterisch in ihm flüsterte – und Lex winkte mit einem Blick über seine Schulter mit einer Hand ab. Was genau er abwinkte, entging Jasons im Moment nicht ganz adäquat arbeitendem Hirn. Doch als der Direktor einen Schritt zur Seite und ihm damit Platz machte, zögerte er nicht, den, wenn auch recht geräumigen, so doch abgeschlossenen Raum zu betreten. Lexʼ Zorn war ein Elfenhusten gegenüber Bruces kalter Zurechtweisung.   Ohne ein Wort des Grußes lehnte er sich an die Rückwand der Kabine und konzentrierte sich auf den leichten Ruck sowie das beständige Summen des Aufzugs, der ihn zurück zu seinen Freunden befördern würde.   Genau. Im Moment war Bizarro das Wichtigste. Sobald der Klon wieder einigermaßen im Reinen mit sich war und sie ihm klar wie Kloßbrühe gemacht hatten, dass sie einen Freund nicht im Stich ließen, nur weil er ein paar unwesentliche Punkte seines IQs eingebüßt hatte, würde er sich auf die anderen Probleme in seinem komplizierten Leben konzentrieren können. Und vielleicht schaffte es Bruces Engstirnigkeit ja sogar in die persönlichen Top Ten.   „Ja, ich bin’s. Lassen Sie verlautbaren, dass es mir gelungen ist, Red Hood zu arretieren und ich ihn den örtlichen Behörden übergeben werde. Kein Grund für weitere Panik. Und kündigen Sie den Wachposten in der vorderen Eingangshalle. Sich dermaßen von der Reputation eines Angreifers einschüchtern zu lassen, ist unentschuldbar.“   Jason hörte das leise Klappern des zuschnappenden Handys, war jedoch noch immer viel zu weit entfernt zum Reagieren.   „Red Hood.“   Erst als ihn Lexʼ Hand fast schmerzhaft fest bei der Schulter packte, wachte er aus der Lethargie auf und blinzelte den Mann irritiert an. Lex seufzte verdrossen: „Ich weiß, die Outlaws sind nicht gerade für ihre gewitzten Strategien bekannt, aber wenn ich mir ihren vermeintlichen Anführer so ansehe, stellt sich mir die Frage, ob das aus reiner Vorliebe für Direktmaßnahmen resultiert – oder aus Unvermögen an Raffinesse.“   Sofort spürte Jason erneut eine Flamme des Zorns in sich aufsteigen und sein ganzer Körper spannte sich wie zum Angriff bereit an. Er hatte gewiss nicht vor, die eigene Intelligenz zweimal am Tag von irgendwelchen dahergelaufenen Superhelden in Frage stellen zu lassen! Andererseits hing Bizarros Genesung von diesem dahergelaufenen Superhelden ab, weswegen er sich nichts weiter anmerken ließ, sondern nur spitz erwiderte: „Oh, und ich bin sicher, dass Sie das sehr genau beurteilen können, da Sie ja den totalen Überblick über all unsere Operationen haben, nicht wahr, Luthor?“   „Du würdest dich wundern.“   „Was?“   „Nichts. Schon gut.“   Lex verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte fast hilflos den Kopf: „Du kannst so sehr auf deinen Verstand bestehen wie du willst, Hood, aber alle Beweise sprechen gegen dich. Oder wie erklärst du dir, dass du am frühen Morgen, in voller Montur, schwer bewaffnet und offensichtlich ohne jegliche Vorsichtsmaßnahme schnurstracks durch meinen Vordereingang trittst und dich nicht einmal von meinen Sicherheitsleuten beeindrucken lässt, die dir jede Sekunde dein überlegenes Hirn weggeblasen hätten, hätte ich mir nicht die Mühe gemacht, mich deines Besuchs persönlich anzunehmen?“ Arrogant lächelnd hob er eine Augenbraue, als wollte er ihn dazu herausfordern, seinen Standpunkt zu verteidigen.   Und Jason hätte es auch versucht, wenn sich sein Bewusstsein nicht in dem Augenblick entschieden hätte, ihm endlich wieder die volle Aufwartung zu machen.   Verblüfft betrachtete er Lex zum ersten Mal eingehender. Der Direktor war vollständig ausgerüstet mit seinem High-Tech-Superman-Anzug, als war er bereit dazu, im eigenen Haus einen Krieg zu beginnen. Dann schaute er an sich selbst hinunter und erkannte, dass er nicht daran gedacht hatte, sich vor oder nach der Reise von Gotham nach Metropolis umzuziehen. Er trug noch immer seine volle Red-Hood-Montur, inklusive Helm, feindliche Blutflecken und ... Er brummte gedankenverloren, während sein Blick über das schwere Maschinengewehr schweifte, welches er locker an die Schulter gelehnt offen zur Schau stellte. Wann hatte er dieses Ding mitgehen lassen?   Als Lex zufrieden feststellte, dass sie endlich wieder auf einem Nenner angekommen waren, wies er hochmütig auf das große „S“ auf seiner Brust: „Der Anzug ist übrigens nur zur Show. Ich hielt es für angebrachter, einem international gesuchten Terroristen nicht im Armani-Anzug und blankpolierten Schuhen entgegenzutreten. Meine Sicherheitsleute hätten mich die Angelegenheit kaum so widerstandslos bereinigen lassen, hätten sie nicht geglaubt, dass ich der Bedrohung besser gewachsen bin als sie. Persönlich glaube ich hingegen, dass ich vollends dazu in der Lage wäre, dich selbst in Pyjamas zu überwältigen.“ Jason fühlte sich seltsam ruhig: „... Ja. Gut möglich.“   Gott, Bruces Schmähung musste ihn mehr deprimiert haben, als er befürchtet hatte. Und vielleicht demoralisierte ihn die Tatsache, dass sie ihn so durcheinandergebracht hatte, dass er ohne jegliche Eigenwahrnehmung blindlings in seiner Unterwelt-Persona ins Lexcorp-Hauptquartier stolziert war, noch zusätzlich – nicht zu vergessen die Peinlichkeit, nicht einmal gemerkt zu haben, als Verteidigungsmaßnahme beinahe das Licht ausgeblasen bekommen zu haben.   Lex musterte ihn mit schiefgelegtem Kopf: „Hn. Vergessen wir das. Konzentrieren wir uns lieber auf das Wesentliche. Ich wette, dir brennt die Frage nach Bizarros Befinden unter den Nägeln.“ Hinter ihm öffnete sich die Tür und er trat mit sicherem Schritt in den dahinterliegenden Flur. Jason spitzte die Ohren und eilte ihm aufgeregt hinterher: „Sie haben etwas herausgefunden? Können Sie ihm helfen?!“ Lex winkte ab: „Wir reden im Labor. Und vorher sollten wir uns um deine Schulter kümmern.“   „Was ist mit meiner Schulter?“   Lex blieb abrupt stehen und warf ihm einen ungläubigen Blick zu, der ihn in seiner Strenge beinahe an Alfred erinnerte. Dann warf er einen pointierten Blick an ihm vorbei. Schließlich rollte er schwer seufzend die Augen und ging mit einem ärgerlichen Brummeln weiter, das sich verdächtig anhörte nach: „Ich sollte diesen ganzen Unsinn Wayne in Rechnung stellen! Ich bin kein verdammter Babysitter!“   Jason blickte perplex zurück und entdeckte einen großen, tiefroten Fleck an der Wand des Aufzugs, eben da, wo er vorhin noch gelehnt hatte. Er blinzelte verblüfft und ließ dann stöhnend die Stirn in eine Hand sinken.   Der Tiefpunkt war erreicht. Er konnte keinen noch gedankenloseren Eindruck hinterlassen.   Richtig?   ---   „Das sollte genug sein“, verkündete der Arzt mit einem zufriedenen Kopfnicken, nachdem er den letzten Handgriff an Jasons Verband getätigt hatte, „aber es ist fürwahr eine üble Platzwunde. Versuchen Sie, nicht zu viel Druck auf den Arm auszuüben, um die Naht nicht unnötig zu belasten. Es ist eine ungünstige Stelle, deshalb könnten Sie damit noch ein paar Probleme bekommen, selbst wenn Sie vorsichtig sind.“   Jason nickte nur zu allem Ja und Amen und zupfte leise vor sich hin schmollend an der Schlinge, die seinen Arm immobilisieren würde. Die Zwangspause war nicht so schlimm, er hatte ja zufällig gerade eine längere Pause von Familientätigkeiten erhalten und seinen nächtlichen Job hatte er schon seit Bizarros Zusammenbruch arg zurückgeschraubt. Was ihn verärgerte, war die Tatsache, dass Lex ihm im Beisein des Arztes keinen Bericht über Bizarros Untersuchungsergebnisse ablegen wollte, obgleich aus dem zwischenzeitlichen Gespräch der beiden eindeutig hervorging, dass sie bereits langjährig miteinander arbeiteten und der Mann mit Sicherheit weitläufigen Einblick in Lexʼ Experimente hatte.   Stattdessen hieß es eine längere Geduldsprobe für ihn – aber was war daran neu, fragte sich Jason resigniert. Die Welt schien sich dazu verschworen zu haben, ihn bei allen Angelegenheiten möglichst lange außen vor zu halten.   Endlich waren beide Wissenschaftler zufrieden mit dem Versorgungsstatus und er folgte Lex auf dessen Zeichen hin aus der Erste-Hilfe-Station zum inzwischen vertraut gewordenen Labor, welches seinen Freund beherbergte.   Bizarro sah von dem Kartenspiel auf, mit dem er und Artemis sich die Zeit vertrieben, und brach in ein fröhliches Lächeln aus, als er Jason hinter seinem Erschaffer her trotten sah: „Sei gegrüßt, mein Landsmann! Wie ist es dir auf deiner Mission ergangen? Ich hoffe doch, dass du und deine verehrten Anverwandten der Gerechtigkeit Genüge leisten konnten? Lex.“ Der Direktor nickte nur zum stillen Gruß, Jason hingegen grinste zum ersten Mal seit Abschluss der Mission wieder ehrlich heiter: „Jepp! Mach dir mal keine Sorgen, die Welt ist wieder ein Stück weit sicherer geworden! Hey, Art!“ „Hood, willkommen zurück“, die Amazone runzelte die Stirn, „Ist das ein Verband? Bist du verletzt?“ Seine Hand fuhr an den Kragen seines schwarzen Shirts, unter dem der weiße Mull nur deutlicher hervor schien: „Ja, bin falsch gestürzt. Dummer Fehler. Kleine Platzwunde, nichts Ernstes.“   „Wie man falsch stürzen kann? Sein nicht Stürzen immer schlecht?“   Zwei Augenpaare blinzelten irritiert. Bizarro sah seine Freunde mit ähnlich verwirrtem Ausdruck an und räusperte sich dann energisch: „Was ich sagen wollte, ist: Keine Verletzung ist trivial, als ein dich hoch schätzender Mitstreiter muss ich Einwände erheben gegen deinen zu indifferenten Umgang mit deiner unersetzbaren Gesundheit. Du musst besser auf dich achtgeben.“ „Ich stimme ihm vollen Herzens zu“, sagte Artemis, um die bedrückte Atmosphäre wieder ein wenig aufzulockern, „Aber da ich genau weiß, dass jede Warnung vergebliche Liebesmüh ist, verzichte ich auf fade Belehrungen.“ „Du kennst mich einfach zu gut“, grinste Jason vergnügt, sehr darauf bedacht, den Humor auch seine Augen erreichen zu lassen.   Ein weiteres Räuspern aus anderer Quelle lenkte die drei von der latenten Niedergeschlagenheit ab.   „Wenn ich dann zum Kern der Sache kommen dürfte“, verkündete Lex und marschierte zum Computer, um mit wenigen schnellen Handgriffen Bizarros Scans, Tests und psychologische Evaluationen aufzurufen, „Ich werde mich bemühen, wissenschaftliche Termini soweit wie möglich außen vor zu lassen, damit auch jeder im Raum die Früchte meiner Anstrengungen nachvollziehen kann“, Jason äffte ihn lautlos nach, was Artemis schmunzelnd zur Kenntnis nahm, „Wie ihr hier seht, ist das ein Scan von Bizarros Gehirn vor der ... eingehenden Behandlung, dich ich ihm im Zustand seines Zerfalls habe angedeihen lassen.  Man erkennt allein an diesem Teil des Körpers, mit welcher Geschwindigkeit sich seine Zellen abgebaut haben.“   Jason bemerkte die Zurückhaltung, mit der der Direktor über die Mittel sprach, mit denen er Bizarros drohenden Tod das erste Mal abgewehrt hatte, doch entschied sich, nicht auf Aufklärung zu pochen. Was hätte es ihm auch eingebracht außer einem mit stechendem Blick erklärten „Firmengeheimnis“?   „Ich habe auf die Möglichkeit einer gewissen ‚Eingewöhnungsphase‘ hingewiesen“, führte der Mann weiter aus, „und es ist der Folgezustand, mit dem wir es hier zu tun haben.“ Er beförderte zwei andere Bilder in den Vordergrund: „Nach der Behandlung – und der aktuelle Zustand. Mein Eingriff hat den Befehl an die Zellen geliefert, entgegen ihrer destruktiven Programmierung zu handeln, sich also rapide immer wieder zu erneuern. Dadurch hat sich auch die Masse der Gehirnzellen zunehmend erweitert und ausgebaut, was zur anschließenden hohen und stetig wachsenden Intelligenz geführt hat. Doch was erwartet ein Objekt, welches sich immer und immer weiter ausdehnt, vergrößert, optimiert? Was geschieht, wenn der Punkt der Perfektion erreicht ist, dem Wachstum aber kein Einhalt geboten wird?“   Jason schluckte und auch das nervöse Zucken von Artemisʼ Händen sowie das kaum vernehmliche Brummen Bizarros verrieten sofortige Erkenntnis. Lex nickte hoheitlich und Jason hätte ihm am liebsten die Nase ins Gesicht gedreht dafür, dass er so tat, als ginge ihn die Sache nichts an.   Er verzichtete darauf. Lex ging die Sache tatsächlich nichts an.   „Es platzt. Arten, Zivilisationen, Wirtschaft – alles, was historisch einen Höhepunkt erreichte, zerfiel in einen Zustand kläglicher Überreste. Ebendies passiert jetzt mit Bizarros Hirnmasse. Wenn es einen positiven Aspekt an der Sache gibt, dürfte es wohl jener sein, dass seine körperlichen Funktionen diesmal nicht vom Verfall betroffen sind. Da ich aber bin, wie ich bin, kann ich vollends nachvollziehen, dass ein Verlust des Ingeniums verheerende Auswirkungen auf den Geisteszustand ausüben kann.“   „Sie meinen, Bizarro wird verrückt.“   „Korrekt. Und ein wahnsinniger Superman-Klon hat schwerwiegende Auswirkungen auf die allgemeine Sicherheit, wie ihr euch wohl vorstellen könnt.“   Jason öffnete bereits den Mund, um ihn sehr genau darauf hinzuweisen, was er von dieser Ausdrucksweise hielt, doch Lex stoppte ihn mit erhobener Hand: „Bizarro ist ein Produkt meiner Firma, was mich in Erweiterung verantwortlich macht für jedwede Schäden, die er in geistiger Umnachtung verursachen würde. Deswegen kann ich mich nicht abwenden von diesem Problem. Ich werde mich darum kümmern, keine Sorge. Im Moment habe ich noch keine Lösung gefunden, aber ich bin zuversichtlich, nur noch etwas mehr Zeit investieren zu müssen. Ihr könnt ihm beistehen oder ihn ganz in meine Obhut übertragen, das soll mir gleichgültig sein, aber eine Heilung erfordert eindeutig zusätzliche eingehende Forschung. Eure Entscheidung.“   Damit schloss er das Programm, musterte alle drei noch einmal durchdringend und verließ dann mit in den Rücken gelegten Händen den Raum.   Eine Weile war es still, jeder von ihnen in die eigenen besorgten Gedanken versunken.   Schließlich fragte Jason ohne aufzusehen: „Wer ist dafür, dass wir alle hierbleiben und Bizarro von Luthor behandeln lassen?“ Drei Hände hoben sich simultan.   „Gut. Dann hätten wir darüber also auch gesprochen.“   ---   Am nächsten Morgen nach einem außerordentlich großzügigen Frühstück, welches man der eher zurückhaltenden Freundlichkeit des Direktors nicht zugetraut hätte, wurde Bizarro für weitere Tests ins Labor gerufen. Artemis und Jason, weil sie nichts Wichtigeres zu tun hatten, begleiteten ihn, hatte Lex ihnen doch nicht explizit verboten, den Untersuchungen beizuwohnen.   „Meinst du, er wird es schaffen?“   Jason, Kinn auf verschränkte Arme gebettet, die wiederum auf dem Geländer der umlaufenden Galerie gestützt waren, erwiderte, ohne den Blick von der enormen Maschine abzuwenden, in der sein Freund soeben von allen Seiten durchleuchtet wurde: „Wenn nicht er, dann niemand. Er hat ihn erschaffen, dutzendweise sogar, er kennt ihn in- und auswendig.“ „Ich meinte nicht Luthor“, stellte Artemis emotionslos richtig und er verankerte kurz den Blick mit ihr, ehe er ihn wieder auf das Geschehen unterhalb richtete: „Bizarro wird nicht aufgeben. Er ist stark und er ist tapfer. Wenn ich mir um jemanden keine Sorgen machen muss, dann sind das Mitglieder der Outlaws. Sind mir grundsätzlich in allem überlegen, was ich mir vorstellen kann.“   „Ich für meinen Teil kann mir nicht vorstellen, dass es einen starrköpfigeren Esel als dich gibt.“   „Danke, Art. Ich fühle mich außerordentlich geschmeichelt, dass du mir einen derart begehrten Platz im Universum zuteilwerden lässt.“   Sie kicherte leise und legte kurz die Stirn an seinen Hinterkopf. Ein unmerkliches Schmunzeln entspannte seine Gesichtsmuskeln.   Wie kam es, dass ihn seine Freunde um so viel besser aufzumuntern schafften als die eigene Familie?   Dann wurde er wieder ernst.   Und wie kam es, dass sich alle seine Freunde früher oder später von ihm abwendeten?   Unwillig schüttelte er den Kopf. Im Moment wollte er nicht über sich nachdenken. Oder über Roy. Oder über Koriand’r. Oder darüber, wann Artemis und Bizarro wohl entscheiden würden, dass er ihre Mühen nicht wert war. Im Moment waren sie noch bei ihm.   Im Moment war er nicht allein.   „Luthor verheimlicht uns etwas“, murmelte Artemis mit ärgerlichem Unterton, kaum dass sie sich wieder aufgerichtet hatte. „Luthor verheimlicht immer etwas“, schnaubte er abfällig, „Ist ein Teil seiner zwielichtigen Persönlichkeit. Aber zumindest hat er uns vorgewarnt, dass er niemandem aus reiner Herzensgüte einen Gefallen tut. Die Frage ist, wie wir ihn ihm werden vergelten müssen – und das in nicht allzu ferner Zukunft, wie ich ihn kenne.“   „Ich hasse es, von ihm abhängig zu sein.“   „Ich auch. Aber wir können es nicht ändern. Das bedeutet Abhängigkeit eben.“   Unten scheuchten Lexʼ Mitarbeiter Bizarro auf und zu einem der anderen Geräte.   „Sollte es etwas Illegales sein ...“, begann Artemis von Neuem, brach aber ab. Er wusste auch ohne es zu hören, was sie meinte: „Ihr braucht euch keine Gedanken zu machen – wenn es soweit ist, werde ich mich selbst darum kümmern. Wir schulden es ihm. Solange es nicht auf kurze oder lange Sicht zum Untergang der Welt führt, werde ich mich nicht drücken. Bizarro braucht ihn, möglicherweise auch in Zukunft, wir können es uns nicht leisten, uns bei ihm unbeliebt zu machen. Sollte ich ihm nicht reichen: Tja, was für ein Pech!“   „Du kannst nicht wirklich glauben, dass ich dich die Bürde allein tragen lasse.“   „Art, du bist nicht wie ich. Du bist ehrenhaft, gerecht und fair. Du warst verdammt nochmal Wonder Woman! Wenn Luthor die Outlaws für eine gesetzeswidrige Aktion einspannt, geh ich allein. Ich kenne mich mit Feindseligkeiten mir gegenüber bestens aus, nicht nötig, deinen Ruf weiter zu schädigen. Du willst deine Freundschaft mit Diana nicht noch weiter in Mitleidenschaft ziehen, oder? Und Bizarro ... Sieh’s ein, er gibt einen furchtbaren Bösewicht ab, zumindest das hat uns seine kleine Eskapade kürzlich bewiesen.“   Auf einmal spürte er schlanke Finger durch sein Haar streichen und seine Augenbraue zuckte leicht wegen des Schocks der Überraschung. Er hörte Artemis hinter sich seufzen: „Jason, ich habe es dir einmal gesagt und ich sage es wieder: Hör auf.“   „Aufhören womit?“   „Mit dem ganzen Buhmann-Getue. Es nimmt dir niemand ab. Jeder, der dich auch nur halbwegs kennt, muss zwangsweise einsehen, dass du-“   Sie wurde von lautem Geschrei unterbrochen und fuhren erschrocken auf.   Bizarro war mitten in der Untersuchung von dem Behandlungstisch aufgesprungen und randalierte und tobte nun wie ein Wilder. Die Wissenschaftler stoben in Panik auseinander, als er in Rage eine geballte Faust in eine Gruppe von Reagenzgläsern sausen ließ, die andere im eigenen Haar verkrampft.   „Mir nicht gehen zurück! Mir nicht sein weiter nutzlos! Mir nicht zulassen, dass verblöden!“   „Fuck, schon wieder ʼn Anfall“, entfuhr es Jason frustriert und ohne zu zögern sprang er über das Geländer, Artemis dicht hinter ihm. „Hey, Großer“, rief er Bizarro schon aus der Entfernung zu, kaum dass seine Füße auf dem blankgebohnerten Boden Halt gefunden hatten, „es ist alles okay! Du verblödest nicht, Biz, wie oft müssen wir’s dir noch versichern?!“ Er rannte schnurstracks auf ihn zu und warf sich in einen Arm, den anderen großzügig Artemis überlassend, und beschwor seinen aufgeregt um sich schlagenden Freund: „Komm schon, Mann, es wird alles gut! Luthor wird sich schon was einfallen lassen, okay? Er ist fast genauso schlau wie du, zusammen kriegt ihr das schon hin!“   „Bizarro nicht wollen weg von Red Sie!“   „Woah, Kumpel, niemand sagt, dass du weggehen musst! Uns wirst du noch am Hals haben, wenn du’s selbst nicht mehr willst!“   „Nicht blöd! Nicht wieder blöd!“   „Biz, nun beruhig dich doch end-“   „BIZARRO NICHT WEG WOLLEN VON RED ER!!!“   Und dann schleuderte ihn der Klon in blinder Verzweiflung mit einem mächtigen Schwinger von sich. Im nächsten Moment durchschlug Jason mit voller Wucht einen überlebensgroßen Monitor, der Aufprall und das um ihn herum zersplitternde Glas ihn kurz orientierungslos zurücklassend.   „HOOD!“   Er stürzte zu Boden, schlitterte noch einige Meter und kam dann seitlich inmitten der Überreste des Gerätes zum Liegen. Seine Schulter erwachte zu neuem, brennenden Leben und ein leidendes Stöhnen entfuhr ihm.   Kaum einen Atemzug später kniete Artemis neben ihm und drehte ihn vorsichtig auf den Rücken. Bizarro beugte sich über die beiden, durch den Schock über das eigene Verhalten offensichtlich wieder zu Sinnen gekommen, und stammelte laut und hörbar entsetzt: „Mein Gott, verzeih mir bitte, lieber Freund, ich hoffe, ich habe dir keinen Schaden zugefügt, entschuldige vielmals, auch wenn ein solch barbarisches Betragen natürlich unentschuldbar ist, du kannst dich bewegen, oder, ich bin schwer bestürzt, das musst du mir glauben, ich-“ „Biz“, hakte Jason mit erhobener Hand ein, „ich bin in Ordnung, okay? Kein Grund zur Beunruhigung. Andere Typen haben mich schon weiter und mit mehr Schmackes geworfen und das hab ich auch überlebt. Vier Meter durch ’nen Haufen Glas? Pft, geschenkt!“ Mit einem leisen Ächzen richtete er sich auf und sah schwach hustend zu ihm auf: „Viel wichtiger: Geht’s wieder? Ich weiß, diese Rückfälle sind beängstigend, aber du musst dich zusammenreißen! Wenn wir zu viel von Luthors Ausrüstung zerdeppern, kommen wir aus den Schulden nie mehr raus!“   „Ganz zu schweigen vom Verlust meiner Angestellten, die sich lieber nach einem sichereren Arbeitsplatz umsehen, als sich mit einer um sich schlagenden Abrissbirne auseinanderzusetzen.“   Alle sahen auf und auf Lex, der mit langen, burschikosen Schritten auf sie zu stolzierte, einen etwas zerzaust aussehenden Wissenschaftler auf den Fersen, von dem er offenbar eiligst konsultiert worden war. Mit kalkulierenden Augen überflog er den Schaden und massierte sich dann seufzend den Nasenrücken: „Ich denke, wir können alle eine Pause vertragen, zumindest, bis meine Leute hier saubergemacht haben. Und du ...“ Er wies recht unhöflich auf Jasons Nasenspitze: „Brauchst offenbar einen Verbandswechsel.“ Jason runzelte die Stirn und sah auf Artemis. Sie hob ihre Hand – ihre blutige Hand.   Er bedachte es nur mit einem Augenrollen.   ---   „Sie führen anscheinend ein gefährliches Leben“, stellte der Arzt höchst überflüssig fest, doch Jason gönnte ihm ein amüsiertes Schnaufen, „aber ja, ich schätze, da erzähle ich Ihnen nichts Neues. Leider scheint sich bei der Wunde eine Entzündung anzubahnen, nichts Schlimmes, zumindest noch nicht. Ich bräuchte eine Blutprobe und bitte pfuschen Sie nicht mit dem Antibiotikum herum – es ist außerordentlich wichtig, es genau nach Vorschrift einzunehmen.“   Jason brummte einsichtig, zog sich seinen Pullover über und ging davon, um sich zu seinen Freunden zu gesellen, die etwas abseits über ein nagelneues Werkzeug diskutierten, welches Bizarro zur Stressbewältigung zusammengeschraubt hatte.   Der Arzt wartete, bis er ihn außer Hörweite erachtete, und wandte sich dann an Lex: „Entschuldigen Sie, Mr. Luthor, aber dürfte ich erfahren, ob dieser Mann ein Metamensch ist?“ Lex verzog erstaunt das Gesicht: „Nicht, dass ich wüsste. Wie kommen Sie darauf?“   „Weil ich gestern, als ich diese Wunde genäht habe, noch sicher gewesen bin, dass es mindestens zwei Wochen dauern würde, bis sie ihm keine Beschwerden mehr bereitet – und sie sich heute, trotz der Belastung, in einem Heilstadium befindet, das ich von Verletzungen in einem Alter von mindestens drei Tagen gewohnt bin.“   Lex blinzelte perplex, ließ dann den Blick zu Jason hinüber schweifen und lächelte schließlich hochinteressiert: „Wirklich?“ Geistesabwesend strich er sich übers Kinn und legte seinem Mitarbeiter eine Hand auf die Schulter: „Sie nehmen eine Blutprobe, richtig? Zapfen Sie einen Kolben mehr ab.“   ---   „Sie wollten mich sprechen?“   Lex hob den Kopf vom Binokulartubus und winkte den Outlaw freundlich lächelnd näher. Schon allein das löste Jasons gesamtes Repertoire an Fluchtreflexen aus, aber er zwang sich energisch, einen Fuß vor den anderen zu setzen und sich auf einen der Stühle niederzulassen, der ihm angeboten wurde. „Hood. Ich habe eine Frage an dich, und auch wenn sie sich so anhören mag, es ist keine rhetorische“, Lex presste die Fingerspitzen aneinander und legte den Kopf schief. Die Freundlichkeit war noch immer da, und doch spürte Jason plötzlich nur allzu deutlich die Welt auf seinen Schultern lasten. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, als er ihn mit einer legeren Geste zum Weitersprechen aufforderte: „Schießen Sie los.“   Der Direktor lehnte sich ein Stück in seinem Sessel vor und endlich schwand das unbefangene Lächeln aus seinem Gesicht, dass eher einer unheimlichen Maske geähnelt hatte: „Hood. Was wärst du bereit, für Bizarros Genesung zu tun?“   Jason verengte misstrauisch die Augen, doch es gab kaum einen Grund, seinem Gegenüber die vollen Absichten zu verheimlichen: „Ziemlich viel. Außer, dafür einen Menschen zu opfern. Biz würde das niemals gutheißen – und ich würde sein Gewissen niemals mit einer solchen Bürde belasten.“ „Ich verstehe“, murmelte Lex, ihn nachdenklich betrachtend, „Schließt das auch einen Menschen ein, der sich aus eigenem Willen dazu bereit erklären würde?“   „... Ich fürchte, ich benötige eine etwas präzisere Erklärung von dem, was Ihnen vor Augen schwebt.“   Keine direkte Absage, wie er es von Batman erwartet hätte, dachte Lex amüsiert. Dieser Junge mochte unverschämt und vorlaut sein und keinen Deut Respekt vor Ranghöheren zeigen, aber mit seiner viel weniger scheinheiligen, weitaus realistischer definierten Moral konnte er sich arrangieren. Er nickte zufrieden: „Ich habe mir erlaubt, mir von der Blutprobe, die dir der Doktor gestern abgenommen hat, einen Teil abzuzweigen und sie sehr genau zu untersuchen.“ Er hob streng eine Hand, als sich Jasons Gesicht zu einer entrüsteten Grimasse verzog und er offenbar zu einer Tirade ansetzte: „Ich hatte gute Gründe anzunehmen, dass sich etwas in deinem Erbmaterial befindet, das dir eine außergewöhnlich hohe Regenerationsfähigkeit verleiht. Und ich habe mich nicht getäuscht.“ Er wies auf die winzige Probe auf dem Teller des Mikroskops: „Dein Organismus bekämpft schädliche Einwirkungen auf den Körper wesentlich rascher als bei den meisten anderen normalen Menschen. Ich möchte es schon fast als übernatürlich bezeichnen. Es ist nicht so, dass du immun gegen alle äußeren Einflüsse bist, aber ... Ich vermute stark, dass du nicht oft krank wirst. Und wenn, dann wirst du schnell wieder gesund. Korrekt?“   Jason starrte ihn eine Weile stumm an. Hinter den grauen Augen herrschte ein Sturm, als ob er die leisen Andeutungen zusammensetzte und verstand, sich Selbstvorwürfen hingab, sich zu einem derart leichten Ziel gemacht zu haben, und gleichzeitig sehr genau abwägte, ob und was er als nächstes von sich preisgeben sollte.   Und Lex begriff mit einem Mal, dass dieser Junge sehr genau wusste, was so alles in seinem Körper vorging.   „Hat Batman es Ihnen nie erzählt?“, fragte Jason ihn endlich achselzuckend und sah unsicher zur Seite, „Ich war einmal der Kraft einer Lazarusgrube ausgesetzt. Ist aber schon ein paar Jährchen her.“ Es war in Ordnung, Lex so viel zu verraten, oder? Der Mann war ein offizielles Mitglied der Justice League und das nicht erst seit dem Vortag. Wenn Jason nicht einmal mehr auf Bruces Charaktereinschätzung vertrauen konnte, an was sollte er sonst noch glauben?   Lex schnaubte abfällig: „Ich fürchte, du überschätzt die Intimität des Verhältnisses zwischen ihm und mir. Er vertraut mir nicht jedes Detail seiner reizenden Horde an und ich ihm nicht jedes kleinste Experiment, mit dem ich die Lebensqualität der Menschheit zu verbessern hoffe.“ „Okay“, Jason zuckte erneut mit den Schultern, als ob er das eigene Unwohlsein abzuschütteln versuchte, „klingt glaubhaft. Naja, auf jeden Fall heile ich seitdem ziemlich schnell und Komplikationen stellen sich eher selten ein. Allerdings hat die Wirkung schon ein bisschen nachgelassen, sonst hätte sich meine aktuelle Verletzung mit Sicherheit nicht entzündet. Kurz nach meinem kleinen unfreiwilligen Tauchgang hat mich nicht mal ʼne durchgeschnittene Kehle lange aufgehalten.“   Er strich unbewusst mit einer Hand über die kaum noch sichtbare Narbe an seinem Hals. Die Erinnerung war höchst unangenehm, vor allem wegen der jüngsten Auseinandersetzung mit Bruce, und so lenkte er seine Gedanken schnell mit dem Zählen einiger imaginärer, wolliger Schafe ab.   „Das ist außerordentlich faszinierend“, überlegte Lex laut, während er ihn eingehend studierte und damit die Beklemmung nur noch steigerte, „Und für unseren Fall äußerst hilfreich. Oder lass es mich präzisieren, möglicherweise der Durchbruch.“   „Wie meinen Sie das?“   „Red Hood, du produzierst Blut am laufenden Band, das über exorbitantes Selbstheilungspotenzial verfügt – und Bizarros Körper fehlt dieses Potenzial. Seine Gehirnzellen bauen ab, weil sie nicht in der Lage sind, das Optimum an Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Wenn wir es schaffen, sie mit einer dermaßen hohen Regenerationsfähigkeit auszustatten, dass sie sich nicht mehr selbst erschöpfen können, dann ...“   „Erhalten sie sich selbst am höchsten Stand der Entwicklung und Bizarros Status bleibt stabil!“   „So stelle ich es mir vor.“   „Wann fangen wir an?“   „Heißt das, du erklärst dich aus eigenem Willen dazu bereit, als Versuchskaninchen zu dienen?“   „... Wo muss ich unterschreiben?“   Lex wusste nicht recht, ob er belustigt oder besorgt sein musste, von jemandem nach so kurzer Zeit so genau durchschaut worden zu sein, aber er schob Jason nur wortlos einen Stapel Papiere zu und wartete geduldig, bis er sie abgezeichnet hatte. Es ging nicht um Rechtliches. „Red Hood“ würde in keinem Gerichtssaal der Welt auch nur einen Hauch von Legitimation beanspruchen. Sie wussten beide, dass diese Unterschrift nur dazu dienen würde, im Fall eines bedauerlichen Unfalls Batman davon abzuhalten, Lexcorp in einem nächtlichen Gewaltakt niederzubrennen. Auch wenn Jason sich nicht sicher war, ob Lex sich deswegen tatsächlich Sorgen zu machen brauchte. Bruce hatte nie sonderlich viel inneres Feuer gezeigt, wenn es um seinen verlorenen Sohn ging. Allerdings ... Seine Freunde hatten sich immer wesentlich mehr um ihn gesorgt als irgendwer sonst, trotzdem sie sich haufenweise über ihn beschwerten, ihn beleidigten, neckten und sich über seinen Kopf hinweg über ihn totlachten. Möglicherweise war es tatsächlich von Vorteil, ihnen eine schriftliche Einverständnis vorweisen zu können.   Er wandte sich beim Hinausgehen noch einmal zu dem sich bereits wieder der Forschung widmenden Direktor um: „Hey, Mr. Luthor. Sagen sie’s nicht Bizarro oder Artemis. Sie würden sich nur unnötige Gedanken machen.“   „Ganz wie du willst.“   Und damit war es erledigt.   ---   Die Injektionen zeigten Wirkung. Die Injektionen zeigten verdammt nochmal tatsächlich Wirkung, aber sie war so verschwindend gering, dass sie Bizarro auch Zitronenlimonade hätten spritzen können.   Nach knapp einer Woche Umherdümpeln auf nahezu Status Quo lagen Jasons Nerven blank wie die Schneide seiner Kampfmesser – und er hatte noch nicht einmal groß etwas zur Behandlung beitragen müssen, außer regelmäßige Blutspenden einzureichen. „Es funktioniert nicht“, stellte er so nüchtern, wie es sein unterschwelliger Ärger zuließ, fest und sah Lex vorwurfsvoll an, der neben ihm auf der Galerie stand und interessiert die minimalen Veränderungen auf den Bildschirmen im Raum verfolgte, die entstanden, während unter ihnen Ärzte den Klon mit dem aus seinem Blut gewonnenen Serum anfüllten, „Warum funktioniert es nicht?“ „Wir haben die Dosis bereits viermal angepasst“, erwiderte der Direktor entnervend gelassen, „Wenn dieses Vorgehen das richtige ist, erhalten wir früher oder später eine Übereinstimmung.“   „Und wenn nicht?“   „Dann ist es nicht das richtige Vorgehen.“   Jason rollte mit den Augen, sparte sich jedoch eine flapsige Antwort: „Wie viel brauchen Sie heute?“ „Wie viel haben wir gestern genommen?“, fragte Lex zurück. Jason zuckte mit den Schultern: „Ein oder zwei Röhrchen. Nicht allzu wild.“ Lex brummte nachdenklich, zog sein Handy aus der Tasche, drückte einige Tasten und musterte ihn dann streng: „Hood, es ist vorbildlich, dass du deinem Freund helfen willst. Aber mich zu belügen wird uns nur in der Planung zurückwerfen. Nach über einem Liter in wenigen Tagen braucht dein Körper Zeit zur Erholung. Vergiss nicht wieder zu essen. Blut entsteht nicht von allein.“   „Hn. Hätt mich täuschen können.“   Wie konnte die Lazarusgrube bei Bizarro kaum Wirkung zeigen, wenn sie Jason hingegen praktisch instantheilte? Nicht zum ersten Mal fragte er sich ernsthaft, wie groß der Unterschied zwischen seinen und Bizarros Kräften wohl tatsächlich sein mochte.   Es war eine dumme Frage. Der Unterschied war wie Tag und Nacht. Es fiel ihm nur schwer, einzugestehen, dass er nach all dem Training, all den Mühen und Anstrengungen neben einem wenige Wochen alten Klon schwach wie ein Neugeborenes wirkte. Es weckte in ihm immer wieder neuen Respekt für die treue Freundschaft zwischen Batman und Superman. Wie ein ehrgeiziger Mann wie Bruce eine Naturgewalt wie Clark länger als nötig in der Nähe dulden konnte, war ihm ein absolutes Rätsel. Aber wahrscheinlich war es bei ihnen nicht anders als bei ihm und Bizarro: Sie mochten sich einfach.   „Wie geht es weiter, wenn es nicht funktioniert?“   Ihm gefiel die Frage nicht, doch sie musste gestellt werden. Lex war kein Mann, der seine kostbare Zeit in sinnlose Unternehmen steckte und wenn nicht bald irgendeine Maßnahme die erhoffte Wirkung zeigte, konnte er leicht das Interesse verlieren. Und Jason war sich nicht sicher, ob er wirklich genug Macht besaß, ihn dazu zu zwingen, ihnen zu helfen. Sollte der Welt größtes Genie zu keinem Erfolg gelangen – welche Aussichten blieben ihnen dann noch? Welche Mittel, Bizarro am Ausrasten zu hindern? Welche, ihn aufzuhalten, wenn er tatsächlich ausrastete? Auch das waren Gedanken, die er tunlichst vermeiden wollte und die sich doch immer wieder in sein Bewusstsein gruben.   Lex verschränkte die Arme vor der Brust und antwortete selbstsicher: „Das Serum wirkt, Hood. Du bist offensichtlich das Mittel, das er braucht, um gesund zu werden. Es kommt nur darauf an, die wirkträchtigste Verabreichungsform zu ermitteln. Und wenn das nicht Injektionen sind ... gibt es noch andere Methoden.“ Jason runzelte die Stirn und linste entgeistert zu ihm hinauf, als er den eigenartig überzeugten Tonfall analysiert hatte: „Sie haben einen Plan.“ Lex schnaufte blasiert: „Den habe ich immer.“   „Wie wärʼs dann damit, mich einzuweihen?“   Er hasste es, im Dunkeln gelassen, wie ein einfältiger Kretin behandelt zu werden, der den Atem nicht wert war, der benötigt wurde, ihm etwas zu erklären. Als ob er von mehreren möglichen Lösungen grundsätzlich die für alle bedenklichste wählen würde. Als ob er zum Rebellieren, zum Versagen geboren worden war.   Doch der Direktor musterte ihn nur ausdruckslos und wandte den Blick dann wieder ab. Als konnte er absolut nichts von ihm erwarten.   „... Noch nicht.“   ---   Eine weitere Woche und dreieinhalb gewalttätige Ausbrüche später – der halbe nur deswegen, weil Artemis einen Glückstreffer erzielt und Bizarro zeitnah ausgeschaltet hatte – war es dem Direktor offenbar herzlich gleichgültig, ob und wie weit Jason ihm intellektuell unterlegen war.   Sie standen vor einem meterhohen Apparat, der aus zwei nebeneinander montierten Inkubatoren und jeder Menge weiterem elektronischem High-Tech bestand und Lex hatte ihm zwar das Verfahren lang und breit erklärt und er wusste, dass er sich beleidigt fühlen sollte durch die allzu bemutternde, übermäßig geduldige Ausdrucksweise, doch er war einfach zu fasziniert von der anstehenden Prozedur, als dass er die Wut überhand nehmen ließ.   Lex befand sich soeben in einem besonders langen, quälend gönnerhaften Monolog über technische Einzelheiten, als er ihn noch nicht mal beabsichtigt unfein, nur einfach hoffnungslos beeindruckt unterbrach: „Sie wollen uns zusammen in einen Kochtopf werfen und schauen, ob sich die Geschmacksrichtungen zu etwas Genießbarem verbinden lassen.“   Lex klappte den Mund zu. Er klappte den Mund zu wie ein Lehramtsstudent, dem sein Professor soeben erklärt hatte, wie man ein hochkompliziertes Problem leichter erklären konnte. Und der die Zurechtweisung nicht widerstandslos auf sich sitzen lassen konnte: „Nun, primitiv ausgedrückt, ja. Wir haben gesehen, dass eine direkte Einwirkung des Serums auf Bizarros Zellen keinen ausreichenden Effekt erzielt. Zuerst dachte ich, es liegt an der Dosis, doch mit der Zeit drängte sich mir der Gedanke auf, dass es vielleicht gar nicht – oder möglicherweise nicht nur – das Blut ist, das deinen Körper so schadensresistent macht. Es könnte alles sein, selbst im Material deiner Knochen stecken. Ich habe die Mittel, es zu extrahieren, allerdings werde ich dazu mehr brauchen als-“   „Tun Sie’s.“   Jason blendete alles aus, was ihm Lex und die hinzugezogenen Forscher danach noch verständlich zu machen versuchten, nickte nur sporadisch hier und da, als man ihm die enorme Liste an Risiken und Nebenwirkungen aufzählte, erlaubte ihnen jeden Handgriff und gehorchte ihnen mit jedem Handgriff und wartete ansonsten darauf, dass er endlich den Stein ins Rollen bringen konnte. Er konnte Bizarros Niedergeschlagenheit keinen Tag länger ertragen.   Er machte sich keine Illusionen. Er war eine Katastrophe in Familienangelegenheiten. Er konnte keine einzige Freundschaft in seinem Leben halten. Er war nicht der friedliebendste, sentimentalste, rücksichtsvollste, liebenswürdigste Typ, den das Schicksal je zurück ins Leben geduldet hatte.   Aber er würde einen Teufel tun, auch nur eine Sekunde lang zu zögern, wenn er die Chance bekam, denen zu helfen, die er liebte.   Artemis erfuhr nichts von dem Vorhaben. Bizarro zu überreden kam einer Sisyphusarbeit gleich, doch mit Jasons wiederholten Versicherung der eigenen Zusage und Lexʼ Versprechen, alles in seiner Macht stehende zu tun, damit es nicht zu Komplikationen kam, sowie dem festen Gelöbnis das Experiment zu stoppen, sollte es auch nur ansatzweise lebensgefährlich für Jason werden, ließen den Klon endlich einknicken.   Noch in derselben Nacht starteten sie die Behandlung.   Jason und Bizarro stießen noch ein letztes Mal die Fäuste aneinander, bevor sie sich auf ihre Seiten der Maschine begaben und sich von den Angestellten mit allen erforderlichen Geräten anschließen ließen.   Während sich seine Glasröhre rasant mit grünlicher Flüssigkeit füllte, die ihn entfernt und nicht sonderlich angenehm an jene der Lazarusgruben erinnerte, aber er nicht die Gelegenheit bekam, in Panik zu verfallen, da er durch das Inhalationsanästhetikum, das man ihm über eine Beatmungsmaske zuführte, sein Bewusstsein zunehmend schwinden fühlte, fiel Jason auf einmal benommen ein, dass er sich vielleicht hätte verabschieden sollen – nur für den Fall, dass doch etwas schief lief. Vielleicht hätte sich Bruce ja doch einen kleinen Dreck um ihn geschert, Richard und Timothy sich ihre Belehrungen und Verurteilungen seiner Voreiligkeit gespart und Damian nochmal für ihn Partei ergriffen. Es hatte gut getan, vor ein paar Tagen, als er sich den unfairen Vorwürfen seines Mentors nicht ganz allein zur Wehr hatte setzen müssen.   Hätten sie ihn aufgehalten?   Oder hätten sie dieses Mal eingesehen, dass es keinen anderen Weg gab?   Bereits vollkommen benebelt schüttelte er den Kopf.   Nein, er würde nicht sterben und wenn er sie vorher mit sentimentalen Abschiedsworten konfrontiert hätte, wäre das nächste Wiedersehen umso peinlicher ausgefallen.   Selbst wenn. Selbst wenn etwas passieren würde, Artemis war da. Sie würde kochen vor Wut, sein Andenken denunzieren wo immer sie konnte, fluchen, toben ... Aber letztendlich würde sie es-   ---   „Du bist ein Narr.“   Nicht, was er beim Erwachen von ihr erwartet hätte. Aber es war besser als der befürchtete rechte Haken.   Mit wiederholtem Blinzeln versuchte Jason, das Brennen in seinen Augen zu lindern und sah sich bei der Gelegenheit vorsichtig um. Er befand sich nicht mehr im Labor, nicht einmal auf irgendeiner sterilen Krankenstation.   Er lag im Bett des ihm in Lexcorp zugewiesenen temporären Quartiers, Artemis mit verschränkten Armen und steinernem Blick im Sessel neben ihm hockend und ihn sehr streng musternd. Mit sichtlicher Mühe schluckte er – keine Apparate mehr an, um oder in seinem Körper, großartig – und krächzte verhalten, sehnte er sich doch so sehr nach einer Antwort wie er sie fürchtete: „Biz?“ „Geht es gut“, sagte sie geradeheraus und er atmete erleichtert auf, „Luthor meint, dass der Zellabbau signifikant verlangsamt wurde und noch immer zurückgeht. Er ist nicht vollständig geheilt, aber die Regression ist erheblich abgesunken. Wir haben eine Schonfrist erhalten.“   Das war gut, richtig? Der Klon genoss nun vielleicht keine Super-Unkaputtbarkeit mehr, aber sie hatten zumindest erreicht, dass sich sein Hirn nicht mehr jede Sekunde selbst zerstörte.   Artemis atmete tief durch und massierte sich die Stirn. Dann wiederholte sie ihren liebevollen Gruß mit mehr Nachdruck: „Du bist ein so dreimal verfluchter Schwachkopf.“   Jason schmunzelte, doch es war nur zu einem kleinen Teil Humor, der ihn dazu trieb – der überwiegende war verlegenes Mitgefühl. „Hättesʼ dʼselbe gʼtan“, flüsterte er und sie sparte sich einen Einwand, denn sie wussten beide, dass es stimmte. Stattdessen runzelte sie finster die Stirn: „Zwei Wochen, Jason. Zwei Wochen habt ihr in diesen verdammten Röhren gesteckt und mich vorher nicht einmal eingeweiht, ganz zu schweigen nach meiner Meinung gefragt. Es brauchte vier Tage und eine sehr eindringliche Warnung, Türen alsbald mit Mistress zu öffnen, ehe Luthor mit der Sprache rausgerückt ist. Und danach konnte ich nichts machen. Es wäre gefährlich gewesen, euch gewaltsam aus der Prozedur zu reißen, und ihr wart nicht in unmittelbarer Gefahr, und ich habe gehofft ... Bei Rao, ihr habt mir eine furchtbare Verantwortung aufgebürdet.“   „ʼs ʼer Grund, warum wiʼs dir nichʼ g’sagt ha’n.“   „Schwachköpfe! Alle beide!“   Sie seufzte schwer und er kicherte leise in sich hinein. Dann stutzte er und räusperte sich lautstark, um seine enge Kehle zu weiten: „W’s ʼs mit meinʼm Hals los? Kl’ngt als wʼnn ich Helʼum gʼschluckʼ hätte ...“   Artemis musterte ihn lange schweigend und als er vor Nervosität schon auf kleiner Flamme schmorte, griff sie neben sein Kopfkissen und präsentierte ihm einen Handspiegel, mit der Reflexionsseite zu sich gedreht. Bedrückt sah sie hinein und schloss schließlich die Augen: „Schonfrist, Jason. Zwei Wochen. Zwei Wochen für sechs Jahre.“ Sie drehte den Spiegel: „Es ist nicht umkehrbar.“   Der spitze Schrei einer Frau drang durch die oberen Etagen Lexcorps.   Oder der eines kleinen Kindes.   Nein, war Jason sich sicher, diese Nebenwirkung hatte Lex während seiner langwierigen Erklärungen nie auch nur angerissen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)