Lullaby of love von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: 1 ------------ „Mann! Das hat gut getan!“, rief Yuu glücklich, während er sich auf die weiche Decke des Bettes in seinem ihm zugeteilten Zimmer warf, gekleidet in einem hell gelben Pyjama, „Ich kann mich nicht an das letzte Mal erinnern, wann ich mich so erfrischt nach einer Dusche gefühlt hab, oder in so einem Bett schlafen konnte.“   „Yuu-Chan.“, sagte Mika seinen Namen im Befehlston, nachdem er den Raum betrat und die Tür hinter sich schloss, „Ist ja schön und gut, dass du dich so amüsierst, aber…trockne wenigstens deine Haare vorher gründlich. Sie sind immer noch total nass und wenn du so schlafen gehst, dann-“   Er verstummte, als er Yuu dabei beobachtete, wie er sich von der einen Seite des Bettes zur anderen rollte wie ein kleines Kind und ihm überhaupt nicht zuhörte. Mika seufzte nur schwer, da er nur zu gut wusste, wie stur Yuu war und, dass er bei ihm mit seiner Predigt nur auf taube Ohren stieß, deshalb ließ er ihm seinen Willen.   „Das Bett ist so weich!“, kommentierte Yuu mit einem strahlenden Lächeln auf dem Gesicht, als er auf seinem Rücken lag und die Decke anstarrte, „Es ist Monate her, dass ich in einem normalen Bett geschlafen hab, das heißt, wenn du es als normal bezeichnen kannst.“   Yuu bezog sich dabei auf die Größe des Bettes. Er hatte nur jemals in normal großen Betten geschlafen, aber noch nie in solch einem großen und luxuriösen Doppelbett wie diesem. Es war sogar groß genug für drei Leute, mit einer großen und dicken Decke und sechs Kissen in all möglichen verschiedenen Größen, die am Kopfende platziert waren.   Es war wahrlich ein Bett passend für Adlige und jedem, der darüber stand und es war viel besser als auf dem Boden einer alten, schäbigen Hütte zu schlafen, aber da diese ganze Villa Ferid gehörte, gefiel Mika der Gedanke nicht, die Nacht dort zu verbringen. Überhaupt nicht.   Tief im Innern konnte er spüren, dass es schrecklich falsch war, dass sie so schnell wie möglich von dort abhauen sollten, oder sonst gäbe es für sie kein Zurück mehr…aber dieses zufriedene Lächeln auf Yuu’s  Gesicht zu sehen und angesichts der Tatsache, dass es die erste Nacht seit Monaten war, in der normal schlafen konnte, da sie ihn all die vorherigen Nächte an einer Wand hatten anketten müssen um seinen Dämon davon abzuhalten Amok zu laufen…beschloss Mika seine Zweifel nicht darüber zu äußern.     Ich schätze…für eine Nacht sollte es in Ordnung gehen.     Plötzlich bemerkte er, dass Yuu nicht mehr die Decke ansah, sondern ihn und ihn von Kopf bis Fuß musterte.   „…Was?“, fragte Mika mit einem kleinen Lachen.   „Nichts.“, entgegnete Yuu ruhig, „Dachte nur, dass es das erste Mal ist, dass ich dich etwas anderes tragen sehe, als deine Uniform.“   „…“   Es war auch das erste Mal für Mika zur Abwechslung mal nicht seine Uniform zu tragen, oder genauer gesagt, einen Pyjama. Es ist Jahre her seit dem letzten Mal, dass er sowas getragen hatte. Eigentlich, war das letzte Mal, an das er sich erinnern konnte, als er noch im Hyakuya Waisenhaus lebte. In Sanguinem hatten sie nicht solchen Luxus wie Nachtgewände, nur ihre Nutzvieh Kleidung und nachdem er in einen Vampir verwandelt wurde…bestand sowieso dafür keine Notwendigkeit mehr.   Und selbst jetzt dachte er so. Aber da seine alte Uniform ziemlich ausgetragen und zerrissen aufgrund all der Kämpfe, die sie bis jetzt durchgemacht hatten, war und Crowley gesagt hatte, dass er eine neue für ihn am nächsten Morgen hätte, beschloss Mika für die Nacht etwas anderes zu tragen.   Besonders nachdem er eine Dusche genommen hatte um seinen Kopf etwas klarer zu bekommen, war er wirklich nicht in der Stimmung seine alte Kleidung wieder anzuziehen, deshalb entschied er sich für den hell roten Pyjama, der für ihn bereit gelegt wurde und den er in diesem Moment trug.   „Es steht dir.“, bemerkte Yuu mit einem kleinen Lachen.   „…H-halt die Klappe.“, sagte Mika verlegen und sah von ihm weg mit einem leichten Rotschimmer auf dem Gesicht.   Er musste zugeben, dass es viel komfortabler und angenehmer war als seine Uniform, aber das bedeutete nicht, dass er es gerne trug. Er war es immerhin nicht gewohnt und er fühlte sich etwas fehl am Platz darin, aber vor allem…fühlte er sich so viel verletzbarer…entblößt, so unbeschützt und unvorbereitet im Falle eines Angriffs, besonders ohne sein Schwert an seiner Hüfte, für ihn jederzeit bereit zu ziehen.   Als er seine verlegene Reaktion sah, konnte sich Yuu ein kleines Lächeln nicht verkneifen, das auf seinem Gesicht erschien, bevor er mit sanfter Stimme fragte:   „Hey…Mika?“   „Hm?“, entgegnete Mika und sah ihn dabei wieder an.   „Würde es dir was ausmachen dich zu mir zugesellen?“   „Für was?“   „Um die Welt zu übernehmen.“, sagte Yuu mit einem kleinen Lachen und in sarkastischem Ton, „Was denkst du denn? Dich hier zu mir zugesellen.“, fügte er hinzu und klopfte auf die Stelle neben sich auf das Bett.   „I-ich denke nicht, dass das so eine gute Idee ist.“, lehnte Mika ab, während er erneut den Blick von ihm abwand.   „Warum nicht? Das Bett ist groß genug.“   „Deshalb solltest du es lieber für dich behalten. Ich brauche sowieso nicht zu schlafen, also kann ich ruhig bis morgen früh Wache halten und-“   Als er seinen Blick wieder auf ihn richtete, bemerkte Mika, dass Yuu sich aufgesetzt hatte und die Hand nach ihm austreckte.   „Bitte?“, bat er ihn mit einem warmen Lächeln auf den Lippen.   Mika sah ihm für einige Sekunde in seine smaragdgrünen Augen, bevor er seufzte und sich damit seine Niederlage eingestand. Er konnte unmöglich 'nein' zu ihm sagen, wenn er ihn so anlächelte und er befürchtete, dass Yuu das wahrscheinlich auch wusste.   „Na gut.“, gab Mika nach, ging auf ihn zu und ergriff seine austreckte Hand, was ihm ein größeres Lächeln von Yuu bescherte, bevor er plötzlich Mika zu sich zog.   Mika schnappte überrascht auf bei dieser unerwarteten Aktion und landete Kopfüber auf dem Bett direkt neben Yuu, der aufgrund seines verblüfften Gesichtsausdrucks  in Gelächter ausbrach und es dauerte nicht lange…bis Mika nicht anders konnte und mit ihm mitlachte.     ----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------     Nachdem sie sich wieder von ihrem Lachanfall erholt hatten, lagen sie auf dem Rücken, direkt nebeneinander und starrten die Decke über ihnen an, während man nichts außer ihrem Atmen hören konnte.   Es war Yuu, der als erster nach einer Weile diese komfortable Stille zwischen ihnen unterbrach, indem er fragte:   „Ist schon eine Weile her, was? Seit dem wir uns das letzte Mal ein Bett teilten.“   „Du bezeichnet das, wo wir damals in Sanguinem geschlafen haben, wirklich als ‘Bett’?“, wollte Mika ungläubig wissen.   „Niemals. Es waren schließlich nur ein paar alte, zerlumpte Decken. Und wir mussten jede Nacht auf dem Boden schlafen. Mann, ich erinnere mich noch gut daran was für Rückenschmerzen ich deswegen bekommen hab.“, sagte er mit einem Seufzen.   „Bist du sicher, dass es nicht eher daran lag, dass du ständig Streit mit Leuten angefangen hast, die viel stärker als du waren und sie dir meiste Zeit in den Hintern getreten haben?“, fragte Mika sarkastisch.   „Hey, das ist nur ein, oder zweimal passiert!“, konterte Yuu und wollte nicht zugeben wie viele Male es eigentlich waren, „Und außerdem, ich wette meine Rückenschmerzen wären nicht mal halb so schlimm gewesen, wenn mich ein gewisser jemand nicht so oft dazu gezwungen hätte ihn Huckepack zu nehmen!“   „Oh? Willst du etwa sagen, dass ich zu schwer für dich war? Mein Fehler. Wusste nicht, dass ich mit einem alten gebrechlichen Mann für vier Jahre zusammen gelebt hab.“   „Huh?! Sag das noch mal!“, rief er und sah dabei verärgert zu ihm hinüber, was Mika erneut in Gelächter ausbrechen ließ und Yuu ihn kurz darauf leicht erstaunt ansah.   Es war schon eine Weile her seit Mika so entspannt zu sein schien. Er war eher angespannt und unruhig seit sie in diese Villa kamen und Yuu konnte ziemlich genau sagen, was der Grund dafür war, dass er absolut nicht dort sein wollte, aber es ging nicht anders.   Dies war vielleicht die einzige Möglichkeit, die sie hatten Akane und die Kinder zurück ins Leben zu holen, Narumi seine Kameraden wieder zu geben, Kimizuki’s Schwester zu helfen…und selbst Mika wieder zurück zu verwandeln…und Yuu kümmerte es nicht wessen Hilfe er dafür annehmen musste, oder was er dafür tun musste, solange er damit seiner Familie helfen konnte.   Selbst wenn es bedeutete zum Teufel selbst zu werden.   Er wusste nur zu gut, dass Mika dieser Plan nicht gefiel, überhaupt nicht. Dass er noch immer mit ihm zu einem weit entfernten Ort fliehen wollte, wo niemand sie finden würde. So sehr ihm diese Vorstellung auch gefiel und er schätzte wie sehr er sich um ihn sorgte, um seine Sicherheit…er konnte vom Plan keinen Rückzieher machen.   Und er nahm an, dass Mika das auch wusste. Aber trotzdem…versuchte er verzweifelt ihn umzustimmen und lächelte dabei immer weniger.   Deshalb zauberte es ein kleines Lächeln auf Yuu’s Lippen sein Lachen wieder zu hören, zu sehen, dass er Spaß hatte und wie er seine Sorgen wenigstens für eine kleine Weile vergessen konnte.   „Wenn ich so zurück denke…“, sagte er mit ruhiger Stimme nachdem Mika sich von seinem Lachanfall erholt hatte, „Eine Menge ist seitdem passiert, was? Es ist nicht nur, dass wir keine Kinder mehr sind. Es ist…du weißt schon, anders. In diesen Krieg mit hineingezogen worden zu sein und so…Mehr und mehr über Dinge herauszufinden, während wir weiter vorangehen…“   „Selbst über Dinge, von denen wir gar nichts erfahren wollten. Ja, es ist definitiv nicht dasselbe wie damals, als wir noch Kinder waren, als wir noch nichts über die Welt wussten, in der wir leben, als…“, Mika hielt für einige Sekunden inne und sagte dann mit leiserer Stimme, „…ich noch ein Mensch war…“   „Mika…“, sagte Yuu, während er zu ihm hinüber schaute und seinen trauriges Gesicht sah, bevor er wieder zur Decke hinauf sah und entschlossen verkündete, „Mach dir keine Sorgen. Ich hab doch versprochen, dass ich dich wieder zurück verwandele, richtig? Ich habe nicht vor mein Wort zu brechen. Niemals. Vielleicht nicht heute, oder morgen, oder der Tag danach, aber eines Tages werde ich es, egal was es kostet. Ich mache dich definitiv wieder zum Menschen, das schwöre ich.“   „ ‘Egal, was es kostet’, was?“, wiederholte Mika seine Worte langsam, ließ sie vollständig in sich einsinken und dachte über ihre Bedeutung nach, aber fragte sich auch…wie weit er wirklich vorhatte zu gehen, „Sag…Yuu-Chan…“   „Hm?“   „Hast du…möglicherweise…vor das ‘Seraph of the End’ zu benutzen…um mich wieder in einen Menschen zu verwandeln?“, fragte er und sah dabei zu ihm hinüber.   „Wenn das möglich ist.“   „Selbst…wenn das bedeutet erneut Zerstörung über die Welt zu bringen? Jeden und alles dabei zu töten? Nur…um mich wieder zum Menschen zu machen?“   „Ja.“, antwortete Yuu prompt und unterbrach ihn damit fast, „Wenn es für dich ist, kümmert es mich nicht, was ich dafür tun muss.“, fügte er nüchtern hinzu, während er ebenfalls Mika ansah.   An seinem Gesichtsausdruck konnte er erkennen, dass Yuu das nicht zum Spaß sagte, oder übertrieb…er meinte es ernst. Er hatte wirklich vor das Ende der Welt herbeizuführen, wenn es notwendig war…nur für ihn.   Mika konnte es nicht fassen. Die Tatsache außer Acht gelassen, dass es schon verrückt genug klang, aber das er dazu bereit war so viele Leute zu töten nur um ihn wieder in einen Menschen zu verwandeln. Es entzog sich seinem Verstand.   Nachdem er sein entschlossenes Gesicht für einige Sekunden ansah, setzte er sich auf, während Yuu’s Blich ihm folgte.   „…Warum? Warum…würdest du soweit für mich gehen?“, fragte Mika ungläubig und sah dabei in diese leuchtenden smaragdgrünen Augen unter ihm, „Ich…bin nur ein Vampir. Ich bin es nicht wert das Tabu zu brechen…oder die Welt zu opfern. Ich bin es nicht einmal wert, dass du überhaupt nach einem Weg suchst mich zurück zu verwandeln. Ich…“, er hielt kurz inne, bevor er in einer viel leiseren Stimme sagte, fast einem Flüstern, „…bin gar nichts wert. Also…warum?“   „…“   Yuu beobachtete in für einen kurzen Moment schweigend und ließ sich nicht anmerken wie erstaunt er eigentlich über seine Worte war, über die Art wie er über sich dachte.   Als er Mika’s Gesicht betrachtete, erleuchtet vom Mondlicht, dass durch das Fenster schien und diesen bittenden Blick in seinen traurigen blutroten Augen sah, in denen er seine eigene Reflektion erkennen konnte, konnte Yuu nicht anders, als ihn in diesem Moment…bezaubernd zu finden.   Mika war in seinen Augen schon immer attraktiv gewesen. Es war nicht die Art von ‘attraktiv’, von der Leute sprachen, wenn sie jemanden mochten, für ihn…war Mika wie ein Gemälde, das man in einem Museum sah und nicht anders konnte als es zu bewundern, weil die Farben und Komposition einfach angenehm für das Auge waren.   Das hatte Yuu all diese Jahre in ihm gesehen, ästhetisch betrachtet…aber in diesem Moment…sah er nicht länger ein ‘Gemälde’ in Mika…sondern eine Person. Eine Person…die er als bezaubernd empfand. Ein Wort, das er noch nie zuvor benutzt hatte um jemanden zu beschreiben.   Und er konnte such nicht sagen, warum er plötzlich so von ihm dachte…   Aber für den Moment beschloss er nicht weiter darüber nachzudenken und sich eher auf das gegenwärtige Thema und auf Mika’s Frage zu konzentrieren.   Deshalb schenkte ihm Yuu ein warmes Lächeln, bevor er seine Hand nach ihm austreckte und ihm vorsichtig etwas Haar aus dem Gesicht strich ohne auch nur ein einziges Mal den Blick von ihm abzuwenden.   „Weil du für mich…es wert bist die Welt aufzugeben…Und viel, viel mehr als das.“, sagte Yuu sanft und sah ihm dabei zärtlich in die Augen, „Mich kümmert die Welt nicht. Für dich…führe ich gerne ihr Ende herbei. Immer und immer wieder. Egal wie viele Male. Weil sie mir nichts bedeutet. Weil du…meine Welt bist.“, gestand er, während er beobachtete wie Mika’s Gesichtsausdruck sich von Zweifel in Überraschung wandelte und ein leichter Rotschimmer anfing bei diesen Worten seine Wangen zu bedecken.   Erneut kam Yuu das Wort ‘bezaubernd’ in den Sinn bei diesem Anblick, bevor er im selben sanften Ton wie vorher fortfuhr:   „Damals…nachdem mich meine Eltern verstoßen hatten…hatte ich nichts mehr. Die Leute, die mich eigentlich bedingungslos lieben sollten, hatten versucht mich umzubringen und schließlich einfach so weggeworfen.“, erinnerte er sich mit einem kleinem, aber traurig klingendem Lachen, „Ich hatte Angst. Angst, dass…jeder das früher, oder später tun würde und mir sogar selbst irgendwann eingeredet, dass ich nicht mehr als ein Dämon bin, dass ich es nicht besser verdient hatte und…ich hab eine Mauer um mich herum errichtet, sodass mir nie wieder jemand wehtun konnte.“   „…“   „Oder zumindest, hab ich das versucht, aber…dann hab ich dieses seltsame und nervige Kind kennen gelernt, das verzweifelt versucht hat mich dazu zu bringen ihn als Familie anzusehen, der sich mir aufgezwungen hat und mich nicht mal für eine Sekunde allein lassen wollte. Ich hab ihn so viele Male weggestoßen, aber er kam immer wieder zurück, hatte immer dasselbe Lächeln, mit dem er mich schon bei unseren ersten Treffen begrüßt hatte, als ich beim Waisenhaus ankam, hat mir Wärme in der Nacht gegeben, mich nach Alpträumen beruhigt und irgendwann…hatte ich genug davon gegen seine Sturheit anzukämpfen und hab aufgegeben, ihm seinen Willen gelassen. Ich hab nur auf den Tag gewartet, an dem ich verletzt werden und von ihm zurück gelassen werde würde, erneut wie Müll weggeworfen werden würde. Aber dieser Tag kam nie. Weil du mich nie allein gelassen hast, weil du immer für mich da warst…weil du mich nie verletzt hast.“   „…“   „Du hast mir das Gefühl gegeben gewollt zu werden…gebraucht…und geliebt zu sein. Du warst der erste, der mich je all diese Dinge spüren ließ und deswegen…bin ich zu dem geworden, der ich jetzt bin. Ohne dich…wäre ich nicht mehr hier.“   Mit seinem Blick noch immer auf ihn fixiert, zog Yuu seine Hand wieder zu sich zurück und ergriff vorsichtig Mika’s, bevor er sie auf seine Brust legte.   „Es ist dir zu verdanken…dass ich noch hier bin, dass mein Herz noch schlägt. Weil du mir damals das Leben gerettet hast. Weil du dein Leben für meines gabst. Ich hätte nie gedacht, dass mal jemand so weit für mich gehen würde.“   "Es war sowieso eine Falle von Ferid gewesen.“, entgegnete Mika mit traurigem Gesicht und sah dabei zur Seite, „Er hatte von Anfang an vor dich entkommen zu lassen, also selbst wenn ich es nicht getan hätte, hättest du dennoch überlebt. Deshalb war alles ziemlich sinnlos…“   „Nein, war es nicht!“, wiedersprach Yuu, während er leicht seine Hand drückte, „Du konntest das damals nicht wissen. Deshalb ist es egal, ob alles von ihm geplant war, oder nicht. Weil du trotzdem dazu bereit warst dich zu opfern damit ich leben konnte…und wurdest deswegen selbst in einen Vampir verwandelt.“   „Ich hab nur bekommen, was ich verdient hab.“, sagte Mika leise und mit einem kleinen, traurig klingenden Lachen.   „Das ist nicht wahr.“   „Doch ist es!“, widersprach er mit etwas erhobener Stimme, als er seinen Blick wieder auf Yuu richtete, seine Hand losriss und sie wieder zu sich zurück zog, „Hör endlich auf mich auf ein Podest zu stellen, Yuu-Chan. Ich habe auch schreckliche Dinge getan, Leute verletzt und war selbstsüchtig. Ich bin nicht der Engel für den du mich hältst. Ich bin nicht dieses fröhliche kleine Kind, das immer glücklich war und lächelte, das anderen geholfen hat und immer nett zu allen war. Das war ich nie. Es war alles nur Getue!“, gab er zu und sah ihm mit einem traurigem und verzweifelten Blick in den Augen an.   Er hatte eigentlich erwartet, dass Yuu überrascht, oder sogar schockiert davon wäre, aber seltsamerweise…sah er gar nicht danach aus. Stattdessen…sah er ihn für einen kurzen Moment nur mit einem sanften und zur gleichen Zeit ruhigen Gesichtsausdruck an, bevor er sich langsam aufsetzte und nun auf gleicher Augenhöhe mit Mika war.   „Dummkopf.“, sagte Yuu mit einem kleinen Lachen und mit zärtlicher Stimme, „Denkst du wirklich, dass ich das nicht gemerkt hätte? Dass dein Lächeln…manchmal falsch war? Dass du nur so getan hast, als wärst du tapfer und stark aber tief in Innern…warst du derjenige, der am meisten gelitten hat?“   „…“   „Natürlich wusste ich das. Du kannst mich nicht so leicht hinters Licht führen, weißt du? Aber es kümmert mich nicht, ob das alles nur gespielt war. Weil du es für uns getan hast. Damit wir nicht die Hoffnung, oder die Stärke verlieren weiter zu leben. Hast alles auf dich genommen, jeden Tag ein Lächeln aufgesetzt, positive Dinge gesagt, sogar dein Blut gegeben, damit wir einmal ein gutes Essen haben konnten. Und all das war nur für uns…also sag nicht sowas wie, dass du selbstsüchtig wärst, oder nicht nett, weil das nicht wahr ist.“   „Ist es…“   „Nein, ist es nicht.“   „Doch, ist es!“   „Mika-“, begann er und streckte dabei die Hand nach ihm aus, aber Mika schlug sie weg.   „IST ES!“, schrie Mika und ließ Yuu mit diesen plötzlichen Ausbruch leicht zusammenzucken.   Stille füllte für einige Sekunden den Raum bis Mika sich wieder etwas beruhigt hatte und mit einer leiseren, fast brechenden Stimme fortfuhr, während er zur Seite schaute:   „Ich bin nicht nett. Nicht im Geringsten. Ich meine…sie mich doch an.“, sagte er mit einem kleinen, aber traurig klingendem Lachen, „Ich bin nur…ein hässlicher, schrecklicher Vampir, der nur immer nimmt, aber nie etwas gibt und…nichts richtig machen kann. So, so viele Male konnte ich dich nicht beschützen, den einzigen, den ich noch habe, deshalb…wenn ich nicht einmal meine Familie beschützen kann…zu was tauge ich dann? Ich…bringe den Leuten um mich rum nur Unheil. Meinen Eltern…Akane und den Kindern…dir…“   „…“   „Ich bin wertlos…und nutzlos…eine Last für jeden…“, Mika richtete seinen Blick wieder auf ihn, bevor er in einem Flüsterton sagte, „Ich…hasse mich.“   Als er den letzten Teil hörte, konnte Yuu ihn nur geschockt anstarren. Er wusste, dass Mika nicht zufrieden mit seinem Leben war, aber das war verständlich, wenn man in Betracht zog, was er alles bis zu diesem Moment durchgemacht hatte, aber er hätte nie erwartete, dass er sich hasst.   Nachdem er die Fassung wieder erlangte, rutschte Yuu etwas näher an ihn ran und sagte mit ruhiger Stimme:   „Mika, hör mir zu. Du bist eine wirklich wundervolle Person, die sich um ihre Familie mehr als alles andere sorgt und sie beschützen würde, selbst wenn es ihr das Leben kosten würde. Es besteht absolut kein Grund dafür dich zu hassen, oder dir für irgendetwas die Schuld zu geben.“   „Aber-“   „Kein Reden, nur zuhören.“, unterbrach er Mika und erlaubte keine Einwände, „Ich weiß, dass du denkst, dass du zu nichts gut wärst, weil du jetzt ein Vampir bist, dass du denkst, dass du deswegen wertlos wärst, aber das bist du nicht. Besonders nicht für mich. Ich sagte es doch bereits, oder? Du bist meine Welt…mein Universum…mein ein und alles. Es kümmert mich nicht, ob du ein Vampir bist. Ich sagte es einmal und ich werde es so oft sagen wie du möchtest: Es kümmert mich nicht, was du bist. Und sag nicht sowas wie, dass du Leuten nur Unheil bringst…weil das überhaupt nicht stimmt. Mir…hast nur immer Freude…und Glück gebracht. Du hast mir über all diese Jahr, die wir zusammen verbracht haben, so viel gegeben…selbst jetzt tust du das noch und nicht einmal hast du etwas als Gegenleistung erwartet. Also hör auf zu sagen, dass du schrecklich bist, wenn du in Wahrheit die netteste Person bist, die ich kenne.“   „So magst du mich ja vielleicht sehen…“, entgegnete Mika traurig und wand dabei den Blick ab, „Was mich angeht…ich kann nichts Gutes in mir sehen. Konnte ich noch nie. Nicht als Mensch…und auch nicht jetzt als Vampir. Ich schätze…ich bin einfach nicht dazu in der Lage mich selbst zu lieben…und ich bezweifele, dass ich das je sein werde.“   „Mika, hör endlich auf so über dich zu reden. Du-“   „Nein, Yuu-Chan.“, unterbrach er ihn, seine Stimme brach noch mehr als zuvor, „Ich hab genug…“   „…“   Als er diesen traurigen und gebrochenen Blick auf Mika’s Gesicht sah, wusste Yuu nicht ganz, was er noch sagen sollte. Er konnte Mika’s Gefühle nur allzu gut verstehen, da er dasselbe vor acht Jahren durchgemacht hatte. Sich selbst hassen…sich wertlos und nutzlos zu fühlen…keinen Sinn im Leben zu sehen.   Mika war derjenige gewesen, der ihn damals aus diesen Loch herausgezogen hatte, der ihm beigebracht hatte sich selbst zu lieben, der ihm das Gefühl gab gewollt und gebraucht zu sein…der seinem Leben wieder eine Bedeutung gab.   Nun waren ihre Rollen vertauscht und es war Mika, der jemanden brauchte, der ihm all diese Dinge gab. Aber das war leichter gesagt, als getan, da Yuu wusste, wie lange er gebraucht hatte von seinem Selbsthass loszulassen, obwohl…er dennoch von Zeit zu Zeit solche Gedanken hatte.   Sich zu nichts gut zu fühlen, außer wenn jemand ihn brauchte ihn. Deshalb war er so bereit dazu sich so von anderen benutzen und manipulieren zu lassen. Weil er gebraucht werden wollte, jemanden von Nutzen sein wollte…weil er sich danach sehnte.   Seine Eltern, die ihm eigentlich das Gefühl geben sollten gewollt und geliebt zu sein haben ihn irgendwann das völlige Gegenteil spüren lassen und hatten sogar versucht ihn zu töten, verstärkten sein Verlangen danach gewollt zu werden.   Und als er endlich gefunden hatte, wonach er sich am meisten sehnte in Mika und den anderen Kindern, wurden sie ihm weggenommen, hinterließen in ihm nur ein Schuldgefühl und das Gefühl letztendlich nutzlos gewesen zu sein.   Dieses Ereignis verstärkte sein Verlangen nur noch mehr, sogar so sehr, dass er sich nicht um die Konsequenzen scherte, solange jemand ihn brauchte, solange er von Nutzen sein konnte…selbst wenn er dabei verletzt werden würde.   Yuu war nicht dumm. Er wusste ganz genau, wenn er für jemandes eigenen Ziele benutzt wurde, wenn jemand versuchte ihn zu manipulieren. Er war sich immer im Klaren darüber, aber es kümmerte ihn nicht.   Solange er sein Verlangen und seine Gier, die sich in ihm über all diese Jahre manifestiert hatten, stillen konnte, konnte es ihn nicht weniger kümmern.   Aber Mika’s Wunden schienen sogar noch tiefer als seine eigenen zu sein, hatte seine eigene Existenz schon gehasst als er noch ein Mensch war, deshalb brachte es nichts ihm noch einmal zu versprechen ihn in einem Menschen zurück zu verwandeln.   Yuu konnte es nicht ausstehen zu sehen wie er sich selbst so fertig machte und Dinge über sich sagte, die überhaupt nicht stimmten, zumindest seiner Ansicht nach, also wollte er nichts sehnlicher, als ihm zu helfen, ihm zu sagen, wie großartig er als Person eigentlich war, aber er wusste nicht wie er überhaupt anfangen sollte, da Mika so ziemlich alles ‘nette’, was er über ihn sagen würde, verneinen würde. Er hatte das Gefühl, dass alles, was er sagen würde einfach nicht ausreichte, dass Mika ihm sowieso nicht zuhören würde, egal was er sagte.   „Mika.“, sagte Yuu seinen Namen sanft und versuchte ihn zumindest wieder zum Reden zu bringen.   „…“   „…Hey.“, versuchte er es erneut, aber weder sagte Mika etwas, noch sah er ihn an.   Er…starrte einfach ins Nichts.   Nun steckte Yuu wirklich in der Zwickmühle. Wenn er nicht einmal mehr antworten wollte…gab es nichts, was er dagegen tun konnte.   Aber er wollte nicht so einfach aufgeben, so wie Mika ihn damals nicht aufgegeben hatte, deshalb versuchte er sich verzweifelt etwas einfallen zu lassen um ihn wieder etwas aufzumuntern, aber egal wie sehr er es auch versuchte, ihm fiel nichts ein.   Da er wenigstens versuchen wollte seine Aufmerksamkeit zu erwecken, legte Yuu eine Hand auf Mika’s Wange, das ihn dazu brachte seinen Blick wieder auf ihn zu richten, ohne sie diesmal wieder wegzuschlagen.   Aber selbst als sich ihre Blicke trafen…fiel Yuu nichts ein, dass er zu ihm sagen konnte.     Komm schon, denk nach. Es muss doch etwas geben, das du sagen kannst, damit er sich besser fühlt. Irgendetwas…egal was.     Dachte er und bemerkte nicht einmal wie er unbewusst anfing Mika mit dem Daumen währenddessen über die Wange zu streicheln.     Verdammt. Mir fällt einfach nichts ein. Vielleicht sollte ich es erstmal dabei belassen und…versuchen das Thema zu wechseln um ihn abzulenken, oder-     Plötzlich wurden seine Gedanken unterbrochen, als er sah wie sich ein Lächeln auf Mika’s Lippen bildete, während er die Augen schloss und sich in die Berührung lehnte.   Es war das erste echte Lächeln, das Yuu in dieser Nacht von ihm sah. Er konnte spüren wie sein Herz bei diesem Anblick kurz aussetzte und auch…ein seltsames unbekanntes Gefühl, das durch seinen Körper strömte und ihn langsam von innen heraus wärmte.   Eine Emotion…die er noch nie zuvor in seinem Leben gespürt hatte.   Als er spürte wie Yuu aufhörte seine Wange zu streicheln, öffnete Mika wieder seine Augen…und bemerkte einen seltsamen Blick in seinen Augen, während er ihn ansah.   „Y-Yuu-Chan?“, fragte er verwirrt und wunderte sich, was mit ihm los war.   Es war nicht so, dass Yuu nicht wusste, was er tat, er war sich dessen völlig bewusst und er wusste…was er in diesem Moment tun wollte.   So anstatt zu antworten…legte Yuu vorsichtig seine freie Hand auf seine andere Wange, sodass er nun sein Gesicht in beiden Händen hielt, bevor er seine Augen schloss, sich vorbeugte und seine Lippen zärtlich auf Mika’s legte.   Und in diesem einen Moment…stand die Zeit für beide still. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)