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Que faire si? Oder: Was wäre, wenn ...?

von

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Das Eis bricht

„Wo sind wir?“ Überrascht sah Takeru die junge Frau vor sich an.

„Wir sind im ‚Shiba Park‘. Dieser ist einer der ältesten Parks in Minato. In der Mitte des Parks befindet sich eine ehemalige Tempelanlage. Hier kann man den Gedenkstein des Kartografen Inō Tadataka sehen. Dieser hat die erste vollständige Landkarte von Japan erstellt“, informierte Hikari ihren Gesprächspartner.

Takeru versuchte, sie zu necken. „Wissen Sie auch, wann er gelebt hat?“

„Klar, weiß ich das! Inō lebte von 1745 bis 1818. Er wurde in Kozeki als Sanjirō geboren. Später wurde er von der Familie Inō adoptiert und nannte sich Tadataka.“

„Das denken Sie sich gerade aus!“, kam es ungläubig vom Blonden.

„Sie glauben mir nicht? Schauen Sie im Internet nach.“

„Du bist dir deiner Sache sehr sicher.“
 

Nachdenklich zog er sein Handy aus der Tasche. Kurz las er sich die aufgerufen Informationen durch. Verwundert schaute Takeru seine Gesprächspartnerin an.

„Woher wissen Sie das alles?“

„Ich bin in Tokio aufgewachsen. Außerdem habe ich in der Schule aufgepasst“, kam die Antwort mit einem Grinsen im Gesicht. „Können Sie sich entscheiden, ob Sie mich siezen oder duzen? Ich bekomme Kopfschmerzen bei dem hin und her.“

„Ich habe Sie nicht geduzt -“

„Doch.“

„Nein.“

„Natürlich.“

„Sicher nicht.“

„Ich bin doch nicht blöd.“

„Das habe ich nicht gesagt.“

Hikari stöhnte auf. „Das kann doch nicht so schwer sein. Sie oder Du?“

„Ich habe Sie nicht geduzt.“

„Klar haben Sie das. Sie sagten: ‚Du bist dir deiner Sache sehr sicher.‘“

„Habe ich das?“

Sie verdrehte die Augen. „Männer! Ja, ja und nochmals ja. Sonst würde ich es nicht sagen.“

„Okay. Dann bleiben wir dabei. Ich bin Takeru.“

Er reichte ihr seine Hand.

„Ähm … Bitte was?“

„Frauen! Da hat man eine Entscheidung getroffen und du kannst nichts dazu sagen.“

„Klar kann ich das: Mein Name ist Hikari.“ Lächelnd griff sie nach seiner Hand.

„War das so schwer, Hikari?“

Er blickte in die braunen Augen seiner Gesprächspartnerin. Sie erwiderte seinen Blick.

„Das sagt der Richtige, Takeru.“
 

Hikari und Takeru fingen gleichzeitig an zu lachen. Beiden wurde klar, dass dies der erste zaghafte Schritt war, um das Eis zu brechen. Sie waren dabei, einen normalen Umgang miteinander aufzubauen.

Hikari zeigte einen Weg entlang.

„Du hast die Wahl. Entweder gehen wir in diese Richtung, dann wird es sportlich. Oder wir gehen Richtung Westen. Wir können dort ein Stück Paris finden. Die Entscheidung liegt bei dir.“

Takeru blickte erst in die eine und dann in die andere Richtung.

„Paris!“

Hikari schmunzelte. „Warum wundert mich das nicht? Du kannst nicht aus deiner Haut.“

„Nein, kann ich nicht. Paris ist meine Heimat. Ich habe die meiste Zeit meines Lebens dort gewohnt.“
 

Er ging Richtung Westen. Der junge Mann blieb stehen, als er merkte, dass Hikari ihn nicht folgte. Takeru drehte sich um. Nachdenklich schaute er sie an.

„Du sagtest doch Richtung Westen. Hier geht es lang. Oder sind in Japan die Himmelsrichtungen anders angeordnet als in Frankreich? Beim Straßenverkehr stimmt es ja. Hier herrscht Linksverkehr.“

Hikari lachte: „Nein, die Himmelsrichtungen sind gleich.“

Eine kurze Pause entstand in dem sich die Beiden wieder einmal in die Augen schauten. Die Braunhaarige unterbrach die Stille:

„Du vermisst Paris. Würdest du wieder zurückgehen, wenn du die Chance dazu hättest?“

Takeru dachte nach. „Manchmal ziehe ich es in Erwägung, wieder nach Paris zu gehen. In solchen Momenten denke ich mir, dass es einfach Heimweh ist und ich mich erst richtig in Tokio einleben muss.“

Hikari hatte zu Takeru aufgeschlossen.

„Das kann ich verstehen. Tokio ist eine wunderschöne Stadt.“

Gemeinsam gingen sie Richtung Westen.

„Das weiß ich. Ich habe hier oft Urlaub gemacht. Ich muss mich erst an die Mentalität gewöhnen. Mit meinem europäischen Temperament ecke ich oft an.“

„Das ist mir noch gar nicht aufgefallen“, kam es ironisch von Hikari.

Takerus Blick war undurchschaubar.

Schnell wechselte er das Thema:

„Ich würde mir gerne den Tokyo Tower anschauen. Der soll größer als der Eiffelturm sein, gleichzeitig aber leichter. Vielleicht hat die waschechte Japanerin vor mir dazu auch ein paar lehrreiche Informationen für mich.“

Herausfordernd schaute Hikari zu ihrem Gesprächspartner auf.

„Die kann ich dir gerne zum Tokyo Tower geben. Einen Vergleich zum Eiffelturm kann ich nicht herstellen. Ich habe mich mit dem Original nicht auseinander gesetzt. Ich weiß nur, dass dieser für eine Weltausstellung erbaut wurde und irgendetwas mit der französischen Revolution zu tun hat.“

Wieder musterte Takeru Hikari anerkennend.

„Richtig. Die Weltausstellung war im Jahr 1889. Hundert Jahre nach Beginn der französischen Revolution. Die Weltausstellung und der Eiffelturm wurden am gleichen Tag eröffnet. Als der Turm erbaut wurde, waren die Pariser nicht gerade glücklich über dieses monströse Eisenunikum. Sie fanden den Turm nutzlos und hässlich. Heute lieben die Franzosen den Eiffelturm. Dieser ist ein Wahrzeichen geworden. Ursprünglich sollte der Turm zwanzig Jahre nach der Entstehung wieder abgerissen werden. Wir wissen beide, dass dies nicht der Fall ist.“

„Wieso sollte der Eiffelturm abgerissen werden?“

„Dieser war für die Pariser ein Bauwerk ohne Nutzen. Um die Jahrhundertwende hatte Gustav Eiffel – der Erbauer – erste Funkversuche unternommen. Die drahtlose Telegrafie tat ihr Übriges dazu. Ich glaube um 1920 wurden vom Eiffelturm die ersten Radiosendungen ausgestrahlt. Später kamen erste Fernsehversuche dazu. Der Eiffelturm ist die wichtigste Sendeanlange im Großraum Paris. Was weniger bekannt ist: Der Eiffelturm, sowie der Großteil von Paris, sollten 1944 eigentlich zerstört werden. Choltitz - Stadtkommandant von Groß-Paris - hatte sich geweigert, den Befehl auszuführen. Was ihn dazu bewogen hat ist sein Geheimnis geblieben. Gut für die Nachwelt ist es allemal. Sonst würde es Paris, so wie wir es heute kennen, nicht geben.“

Hikari kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. „Woher weißt du das alles?“

Takeru lächelte sie an. „Ich habe sechszehn Jahre in Paris gelebt. Es ist ein wenig Allgemeinwissen und Neugier gepaart mit meinem Journalismus Studium. Die französische Geschichte ist sehr interessant. Von dem Haus der Bourbonen über die Jakobiner und dem Hause Bonaparte bis hin zu de Gaulles war alles vertreten. Monarchie, die Schreckensherrschaft der Jakobiner, die Kaiserreiche und verschiedene Republiken. Die Republik hat sich als Staatsform durchgesetzt. Das ist die absolute Kurzfassung. Sagen dir die Worte‚Liberté, Égalité, Fraternité‘ etwas?“

Ohne groß darüber nachzudenken antwortete Hikari: „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. War das nicht das Motto der französischen Revolution?“

„Nicht nur. Dieser Wahlspruch gilt bis heute. Mittlerweile hat Frankreich seine fünfte Republik.“

„Das hört sich an, als wenn du ein Streber warst“, stellte sie mit einen Grinsen fest und sah ihn an.

„Vielleicht, vielleicht auch nicht. Du sprichst Französisch?“

„So wie du grinst warst du einer.“ Verlegen schaute Hikari zur Seite. „Ein wenig. Matt hat mir während meiner Schulzeit viel geholfen.“

„Das geht sicher über Grundkenntnisse in der Sprache hinaus.“

„Keine Ahnung. Ich kann es einigermaßen sprechen. Wir sind da.“ Während sie sprach, deutete sie auf einen Turm.

„Das ist der japanische Eiffelturm. Der Architekt von dem Tokyo Tower war Tachū Naitō. Er hat viele Fernsehtürme in Japan gebaut, unter anderem auch die in Nagoya und Sapporo. Außerdem gilt er als Vorreiter der erdbebensicheren Bauweise in Japan. Der Tokyo Tower ist 333 Meter hoch und wurde in den Fünfzigern gebaut. Falls ich es richtig in Erinnerung habe, dient dieser dreiundzwanzig Fernseh- und Radiosender als Sendestation. Er ist in vielen Filmen zu sehen. Unter anderem in ‚Godzilla‘ und im James Bond Film ‚Man lebt nur zweimal.‘

„Wow! Du kennst James Bond Filme?“ Bewundert sah Takeru Hikari an. Zumal er sich diese Filme gerne anschaute.

„Hör mal: Ich habe einen älteren Bruder. Matt gehört zu meinen besten Freunden. Reicht das als Erklärung?“

„Ich glaube schon“, kam es lachend vom Blonden.

Er schaute zum Tokyo Tower.

„Durch die ganzen Gebäude geht der Turm richtig unter. Man kann diesen gar nicht richtig wahrnehmen. Obwohl die Farbe schon sehr auffällig ist“, stellte Takeru fest.

„Die Farbe soll Flugzeuge rechtzeitig warnen. Mit dem Rest hast du Recht. Der Eiffelturm ist omnipräsent. Der Tokyo Tower wird von den Wolkenkratzern ein wenig verschluckt. Trotzdem haben beide Türme den gleichen Zweck. Diese werden von den Medien genutzt, von den Menschen geliebt und bieten einen gigantischen Ausblick über die Städte. Bei klarem Wetter kannst du den Fuji sehen.“ Hikari sah verträumt in die Richtung des Berges.

Das leise Lachen von Takeru holte sie wieder in die Realität zurück.

„Was ist?“

„Ich frage mich gerade, wer von uns beiden der Streber ist.“

„Ich lebe seit vierundzwanzig Jahren in Tokio. Das ist ein wenig Allgemeinwissen, gepaart mit Neugier.“

„Klasse! Du schlägst mich mit meinen eigenen Waffen.“

„Ich hatte gute Lehrer“, konterte Hikari.

Takeru stöhnte auf: „Sag mir bitte nicht, dass du von Matt sprichst.“

„Matt ist in der Hinsicht gut. Mein Bruder ist in der Sache auch nicht von schlechten Eltern. Ich würde sagen, dass ich von beiden viel gelernt habe.“

„Das ist keine schöne Vorstellung. Du wirst mich wohl öfter mit meinen eigenen Waffen schlagen. Schließlich habe ich auch von Matt gelernt.“

„Das werden wir sehen. Es kann auch andersherum sein. Immerhin bist du Matts Bruder.“

Takeru lachte auf.
 

Nachdenklich schaute Hikari auf ihre Spiegelreflexkamera. Sie hatte die Augenbrauen leicht zusammen gezogen und biss sich leicht auf ihre Unterlippe.

„Dieser blöde Schatten“, meckerte sie rum.

Die Braunhaarige hatte nicht mitbekommen, dass sich Takeru hinter sie gestellt hatte und das Foto mit anschaute.

„Das ist ein wunderschönes Foto. Von was für ein Schatten sprichst du?“

Hikari zuckte erschrocken zusammen, als er sie über ihre Schulter hinweg ansprach.

„Bist du wahnsinnig? Kannst du dich nicht bemerkbar machen? Ich war in Gedanken versunken.“

„Das ist mir gar nicht aufgefallen“, amüsierte sich der Blonde. „Entschuldigung, ich wollte dich nicht erschrecken. Was für ein Schatten meinst du?“

„Hier …“, die Braunhaarige deutete auf das Foto. „… siehst du den Fleck?“

„Um ehrlich zu sein: Nein.“

Sie stöhnte genervt auf.

„Du bist kein Fotograf. Da ist ein Schatten, oder besser gesagt: Da war Dreck auf der Linse. Das ruiniert das ganze Bild.“

„Wo?“

„Da! Bist du Blind?“

„Ich weiß, dass ich sehr gut sehen kann. Einen Schatten sehe ich trotzdem nicht. Kann es nicht der Lichteinfall sein?“

„Lichteinfall? Echt jetzt? Willst du mich auf den Arm nehmen?“

„Nein, das will ich nicht. Immerhin bist du die Expertin auf dem Gebiet. Ich erkenne den Fehler nicht, den du beanstandest. Erkläre mir den Unterschied zwischen Journalistik und Journalismus.“

Verständnislos sah Hikari in die blauen Augen von Takeru.

„Da gibt es einen Unterschied?“

Ein Lächeln schlich sich in Takerus Gesicht.

„Ja, sicher. So wie du einen Schatten auf diesen Bild siehst. Gibt es einen Unterschied zwischen diesen beiden Dingen. Journalistik ist die Wissenschaft, diese umfasst die Facetten des Journalismus.“

„Ich bin genauso schlau wie vorher“, kam es nachdenklich von Hikari.

„Mir ergeht es mit deinem Foto auch so.“

Beide sahen sich in die Augen und mussten lachen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Tasha88
2018-11-22T08:02:12+00:00 22.11.2018 09:02
Hallo Glitzersteinchen,

Das war wirklich ein sehr schönes Kapitel <3 mir hat es auf jeden Fall richtig gut gefallen :)

Kari und tk haben ohne groß zu streiten miteinander geredet <3 so sollte es doch immer sein :D

Liebe Grüße :*
Antwort von: abgemeldet
26.11.2018 20:22
Hallöchen :)

Danke dir. Dieses Kapitel hat mir viel Freude bereitet. Ich weiß nicht, ob man es gemerkt hat, aber ich liebe Paris ;)

Ich glaube, Kari und TK haben ihr Streitigkeiten erstmal auf Eis gelegt. ;)
Wer weiß, was noch kommen mag.

Liebe Grüße :*
Von:  Hallostern2014
2018-11-20T17:16:48+00:00 20.11.2018 18:16
Huhu.

Ein sehr schönes Kap.

Und endlich können beide Normal reden. Jetzt wird auch das Zusammenarbeiten besser werden. Und ich denke auch, dass da noch mehr kommt. Denn durch den Bekanntenkreis werden beide auch Privat mehr zusammen kommen.

Ich freue mich schon sehr aufs neue Kapitel.
Ganz liebe Grüße und eine schöne rest Woche 🙂
Antwort von: abgemeldet
26.11.2018 20:19
Hey und Hallo

Ich freue mich, dass dir dieses Kapitel gefallen hat.
Irgendwann mussten die Beiden ja feststellen, dass ihr beider Leben nicht nur im beruflichen Bereich überschneidet.
Wer weiß, vielleicht kommen haben die beiden viel mehr Gemeinsamkeiten als sie denken.

Ganz liebe Grüße und einen schöne Woche :)


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