Que faire si? Oder: Was wäre, wenn ...? von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 5: Die Erkenntnis ------------------------- Laut seufzend ließ sich Takeru auf seinen Bürostuhl fallen. Das Gespräch mit seinem Vater war nicht so gelaufen, wie er sich das vorgestellt hatte, denn Hiroaki kannte die neue Fotografin persönlich. ‚Klasse – hoffentlich machte sie sich das nicht zum Vorteil. Bei ihrem großen Mundwerk wäre ihr das zu zutrauen. In welchem Verhältnis stehen Hiroaki und Frau Yagami? Wer ist dieser Jemand, den Vater einen Gefallen tut?‘ Der Blonde entsperrte seinen Computer. Sein Blick fiel auf die Bewerbungsunterlagen von Hikari. Diese hatte er sich noch einmal angeschaut, bevor er zum Vorstellungstermin mit ihr gegangen war. Irgendwie blieb Takeru an dem Blick der jungen Frau hängen. Diese braunen Augen strahlten ihn voller Lebensfreude an. Die braunen schulterlangen Haare trug sie offen. Eine kleine Spange fixierte eine Haarsträhne, damit ihr diese nicht in das Gesicht fallen konnte. Verwirrt blinzelte Takeru. Wieso sah er Hikari jetzt mit anderen Augen? War er wirklich voreingenommen gewesen, da er nur die Frau aus dem Park gesehen hatte? Die Frau, die ihren Kaffee auf seinen neuen Anzug gekippt hatte? Jene Frau, die ihn einen ‚eingebildeten Fatzke‘ genannt hatte? Oder gab es einen anderen Grund? Kurz schloss der Blonde seine Augen. Als er wieder auf das Bewerbungsfoto blickte, sah er, warum er der jungen Japanerin keine Chance geben wollte, beziehungsweise nicht konnte. Schwer schluckte er einen harten Kloß runter. „Das darf doch nicht wahr sein!“, fluchte er laut. Takeru zerknüllte wütend ein Blatt Papier und warf es gegen die Wand. Er stand so abrupt auf, dass sein Bürostuhl gegen die Wand donnerte. Sein Blick fiel auf den Beratungstisch, auf dem eine große Mappe lag. Auf dieser klebte ein kleiner Zettel: ‚Schauen Sie sich die Bilder an. Dann wissen Sie, warum wir uns für Frau Yagami entschieden haben. Yamamoto.‘ Takeru schlug Hikaris Fotomappe auf. Das Foto der Yagami-Hochzeit überging er dabei, schließlich hatte er es schon gesehen. Als der Blonde umblätterte blickte er in die blauen Augen seines Bruders. Yamato war dort mit seiner Band zu sehen. Er wirkte sehr entspannt. Er hatte ein offenes Lächeln auf den Lippen und die Augen strahlten Zufriedenheit aus. Es war nicht sein typisches Pokerface, sondern ein aufrichtiges Lächeln, welches sonst von seinem Bruder gar nicht auf beruflichen Fotos zu sehen gab. Dies war ein offizielles Foto – es handelt sich um das Cover des neuen Albums - welches vor kurzem auf dem Musikmarkt erschienen war. Kurz zuckte Takeru mit den Schultern und blätterte um. Es folgten viele Bilder von anderen japanischen Persönlichkeiten. Takeru musste zugeben, dass eines besser war als das andere. Das nächste Bild ließ ihm den Atem anhalten. Natürlich erkannte er die Umgebung sofort. Der Eingang war zwar mit japanischen Zeichen verziert und das Gebäude, welches an einen Schrein erinnerte, stand in einem japanischen Garten. Die beiden Skulpturen - die ihn an eine Löwen und Dachen gleichzeitig erinnerten - waren auf dem Bild zu sehen. Würdevoll stellten diese ihre Vorderpfoten auf runden Steinen ab. Das Foto war in seiner Ausführung wieder perfekt. Es hatte etwas Geheimnisvolles an sich und der Blonde kam nicht darauf, was es war. Trotzdem wusste Takeru sofort, dass dies ‚Étoile Pagode‘ – ein japanisches Kino in Paris - war. Er war sehr oft dort gewesen. Vor allem, wenn er Japan vermisst hatte. So fühlte er sich seinen japanischen Familienangehörigen näher. Schwach lächelte Takeru, als er sich an seinen letzten Besuch dort erinnerte. Er war mit seiner Mutter dort gewesen. Sie hatten sich im Garten ihren Tee schmecken lassen und verbrachten einen schönen Nachmittag. Zwei Tage später hatte Takeru Paris verlassen. Takeru schaute sich erneut das Foto von seinem Bruder und dessen Band an. ‚Dieses Lächeln und der offene Blick. Was wäre, wenn mein Bruder diese junge Frau persönlich kannte? Was wäre, wenn mein Bruder unseren Vater um diesen Gefallen gebeten hatte? Dann hätte ich wirklich ein riesiges Problem. Ein Bruder, der auf mich sauer ist, darauf kann ich gut verzichten.‘ Er schüttelte bei seinen Gedankengängen seinen Kopf. Schließlich schlug Takeru nochmal das letzte Foto auf. Der junge Mann kam zu einem Ergebnis. Sicher, dieses würde nichts an der Entscheidung ändern, die Hiroaki getroffen hatte, aber er musste mit ihr zusammenarbeiten. --- Mit hängenden Schultern verließ Hikari das Verlagsgebäude. Sie war sich sicher, dass sie diesen Job nicht bekommen würde. Dazu war der heutige Tag eine Katastrophe gewesen. Wieso musste sie ausgerechnet dem Mann den Kaffee über seinen Anzug kippen, der mit ihr das Vorstellungsgespräch führen sollte? Wieso konnte sie ihren Mund nicht halten? ‚Was für ein schlechtes Karma.‘ Hikari seufzte auf. Sie musste weiter nach einen neuen Job suchen. Ihr Handy riss sie aus ihren Gedanken. Verwundert blickte sie auf die unbekannte Nummer und nahm das Gespräch an. Als das Gespräch beendet war, drehte sich Hikari um und ging wieder in das Verlagsgebäude. Leise klopfte sie an die Tür und trat ein, als sie die Erlaubnis dazu bekam. „Sie wollten noch einmal mit mir sprechen?“ Schüchtern eröffnete sie das Gespräch. „Was ist mit Ihnen los? Kein frecher Spruch auf den Lippen?“, erwiderte Takeru und grinste sie dabei an. Verwirrt blinzelte Hikari ihn an. „Es tut mir leid, wie alles gelaufen ist“, kam es ruhig über ihre Lippen und sah sie ihm in die blauen Augen. „Normalerweise bin ich nicht so aufbrausend.“ „Ich war auch nicht gerade freundlich“, entschuldigte sich der Blonde. „Kann es sein, dass Sie vergesslich sind?“ „Eigentlich nur, wenn ich verwirrt bin.“ „Habe ich Sie etwa durcheinander gebracht?“ „Bilden Sie …“ Hikari brach den Satz ab. Der Blonde lächelte, als er sah, wie sich seine Gesprächspartnerin auf Unterlippe biss. „Wie kommen Sie darauf?“, fragte sie stattdessen verwundert nach. „Sie haben Ihre Fotomappe bei uns vergessen.“ Takeru deutete auf seinen Beratungstisch. „Ich glaube, dass diese bei Ihrem beruflichen Werdegang sehr nützlich ist.“ „Danke sehr. Mir ist noch gar nicht aufgefallen, dass ich sie liegen gelassen habe.“ Hikari ging auf den Tisch zu und wollte ihre Mappe an sich nehmen. Als sie spürte, wie sich der junge Mann hinter sie stellte, versteifte sie sich kurz. Über ihre Schulter hinweg sprach er sie auf ein bestimmtes Foto an. „Könnten Sie bitte das letzte Foto aufschlagen? Ich habe dazu eine Frage.“ Die Braunhaarige tat, was er verlangte. Sie liebte dieses Foto. Es entstand in ihrem Urlaub, den sie zusammen mit ihrem damaligen Freund, Taichi, Mimi, Yamato, Sora und deren Sohn Haru in Paris gemacht hatte. Wobei Yamato und seine Familie eher für sich alleine war. Sie wollten die Angehörigen des Sängers besuchen. „Wie haben Sie es geschafft, dass ‚Étoile Pagode‘ so mysteriös wirkt? “ Erstaunt drehte sich Hikari um und sah in die blauen Augen Takerus. Er trat schnell einen Schritt zurück, als er ihre Bewegung spürte, da sich sonst ihre Oberkörper berührt hätten. „Es war fast Sonnenuntergang, als ich dieses Foto erstellt hatte. Woher wissen Sie, wo dieses Foto entstanden ist? Die Meisten denken es wurde irgendwo in Japan aufgenommen.“ Der Blonde lachte kurz auf. „Ich kenne Paris sehr gut“, antwortete er schnell. Sein Blick blieb an den erstaunten braunen Augen hängen. Takeru nickte und schluckte einen Kloß im Hals herunter. „So magisch habe ich ‚Étoile Pagode‘ noch nie gesehen“, kam es bewundernd über seine Lippen. Hikari drehte sich wieder, um ihre Fotomappe an sich zu nehmen. „Ich danke Ihnen. Es gibt wenige Orte auf der Welt, die mich so in den Bann ziehen, wie Paris. Es gibt so viele Motive, die man dort fotografieren kann. Außerdem ist der Ausblick über Paris, egal von wo, atemberaubend und viele Fotos wert.“ Takeru entging nicht wie die junge Frau von seiner Heimatstadt schwärmte. „Danke sehr, dass Sie sich die Zeit genommen und sich meine Fotos angeschaut haben.“ Ein schüchternes Lächeln zierte ihr Gesicht. Erschrocken zuckte Takeru, der aus seinen Gedanken gerissen wurde, zusammen. Schnell sammelte er sich. „Gerne doch. Darf ich Ihnen unsere Entscheidung schon mitteilen, oder soll ich Sie morgen anrufen?“ Eigentlich wollte Takeru Hikari erst morgen mitteilen, dass sie die Jobzusage hatte. Irgendwie kam er von seinem Vorhaben ab, als er die strahlenden Augen und das schüchterne Lächeln der jungen Frau sah. Der Ausdruck in ihren Augen verfinsterte sich schlagartig. „Sie können mir morgen mitteilen, dass ich den Ansprüchen des Verlages nicht entspreche. So habe ich noch die Hoffnung vernünftig schlafen zu können“, fuhr Hikari den jungen Mann schroff an. Sein kurzes Lachen erhellte den Raum. „Da ist die kleine Kratzbürste, die ich im Park kennengelernt habe.“ „Ich bin keine Kratzbürste. Ich bin Realistin“, konterte die Braunhaarige. „Darf ich fragen, in welcher Realität Sie sich befinden?“, fragte Takeru schelmisch nach. „In der Realität, in der Sie sich auch befinden. Schließlich sind wir in ein und demselben Raum“, schoss es aus ihr heraus. Warum musste er jetzt so dämlich Grinsen? Machte er sich über sie Lustig? „Das schon. Ich wollte eigentlich etwas anderes sagen. Wenn Sie die Entscheidung nicht hören möchten, kann ich diese auch schriftlich mitteilen.“ Das Grinsen des Blonden wurde größer. Es war amtlich: Er machte sich lustig über sie. „Ich könnte etwas erwidern, aber ich lasse es bleiben“, kam es beleidigt von seiner Gesprächspartnerin. „Ach ja? Was wäre das?“, provozierte Takeru sie weiter. „Eigentlich ist es auch egal.“ Hikari holte Luft bevor sie weitersprach: „So wie der Tag gelaufen ist, wären Sie dämlich, mir diesen Job zu geben. Ich gebe zu, dass ich heute Morgen nicht freundlich war. Sie hatten mich auf dem falschen Fuß erwischt. Dafür entschuldige ich mich nochmals. Es entspricht aber der Tatsache, dass Sie voreingenommen sind und keine Krawatten binden können.“ Hikari hatte ihren Kopf zur Seite geneigt und sah Takeru entschlossen in die Augen. Wieder erklang sein Lachen. „Sie haben Recht. Unser Kennenlernen ist unglücklich gelaufen. Dass ich keine Krawatten binden kann ist auch wahr. Wollen wir noch einmal von vorne beginnen?“ Verwundert sah Hikari den jungen Mann an. „Wie meinen Sie das?“ „Wir werden bald zusammenarbeiten. Wie würde es aussehen, wenn wir uns ständig angiften?“ „Wir werden was?“ Der Braunhaarige stand der Mund offen, als sie die Worte des Blonden verstanden hatte. „Sie haben den Job“, klärte Takeru die junge Frau auf. „Veralbern kann ich mich alleine.“ Beleidigt schaute Hikari in seine Augen. „Wer sagt, dass ich Sie veralbere?“ Der Blonde hielt ihrem Blick stand. „Ähm …“ Takeru überging ihre Sprachlosigkeit. „Versprechen Sie mir nur, dass Sie die Beziehungen zur Chefetage nicht ausnutzen werden.“ „Ich habe … Sie veralbern mich nicht … Woher wissen Sie das?“ Ungläubig sah Hikari ihren Gesprächspartner an. Takeru überlegte kurz was er sagen sollte. „Ich hatte ein Gespräch mit beiden Inhabern.“ „Ich habe mich nicht bei diesem Verlag beworben, weil ich Herrn Ishida persönlich kenne, sondern weil ich bei dem besten Verlag in Tokio arbeiten wollte“, kam es schnell über ihre Lippen. Der Blonde nickte leicht. Sie schien nichts von einem Gefallen, ihr den Job zugeben, zu wissen. „Das werde ich mal als Versprechen ansehen. Da wir von Null anfangen, fangen wir bei der Vorstellung an: Ich heiße -“ Durch das Klingeln seines Telefons wurden die Beiden in ihrem Gespräch unterbrochen. Takeru sah auf das Display. „Entschuldigen Sie bitte. Das ist ein sehr wichtiges Gespräch. Kann ich sie Morgen anrufen?“ „Sicher, kein Problem. Auf Wiedersehen.“ „Danke für Ihr Verständnis. Auf Wiedersehen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)