Red Silver von minowari (Vampire AU) ================================================================================ Kapitel 10: Kiss ---------------- Shizuo wanderte wie ein Tiger in seiner Wohnung auf und ab. Das Handy hatte er zur Seite gelegt – aus reiner Vorsichtsmaßnahme – er wollte nicht, dass es ihm vor Wut kaputt ging. Er könnte sich nicht verzeihen, wenn er Toms Eigentum zerstören sollte… Zum gefühlt zehnten Mal fuhren seine braunen Augen unruhig zu seiner Uhr und es war nicht wirklich viel später, als vor einigen Minuten. Es war kurz vor neunzehn Uhr und es konnte nicht mehr lange dauern, bis die Bruderschaft auftauchen würde. Aber was viel wichtiger war: Wer würde als Erstes auftauchen? Er traute es Izaya zu, einfach so in seine Wohnung zu spazieren. Aber genauso gut, würde das die Bruderschaft machen. Ein Ausruf nahm ihm die Warterei ab. „Heiwajima!“ Er zuckte beinahe zusammen, als er ein lautes Hämmern und eine bekannte Männerstimme vernahm. Unter seinem Atem grummelnd trat er zur Tür und öffnete. Saigos Gesicht erschien und als sich ihre Blicke trafen, begann der Rekrut zu grinsen. „Da bist du ja, hab schon gedacht, du hast den Schwanz eingezogen.“, begrüßte er ihn, als wäre Shizuo gar nicht abgehauen; als hätte er gar nicht versucht die ganze Mission zu kappen. Saigo gab ihm einen Klaps auf die Schulter, bevor er in seine Wohnung trat und es sich auf seinem Sofa gemütlich machte. Hinter Saigo befanden sich vier weitere Rekruten, vermutlich, um Shizuo im Notfall kontrollieren zu können. Sie alle starrten ihn an – zwar nicht in ihrer üblichen weißen Aufführung – doch Shizuo konnte sie an ihren Blicken erkennen. Sie gingen an ihm vorbei und folgten ihrem Teamleiter in Shizuos Wohnung. „Wo ist Muroko?“, fragte Shizuo als erstes, „Ich muss mit ihm sprechen!“ Das war seine verdammte Chance diesen elendigen Bastard in eine Falle zu locken. Izaya hatte gesagt, er würde zu ihm kommen, also brauchten sie nur hier bleiben und die Pest in ihre Gewalt bringen. „Der hat anderweitig zu tun.“, antwortete Saigo knapp und sah zu, wie Shizuo die Tür schloss. Anderweitig zu tun? Wenn er mal wichtige Neuigkeiten für ihn hatte, war er also nicht erreichbar, aber sonst kam und ging er in seine Wohnung ein und aus, wie es ihm passte? Shizuo zischte. Dann musste Saigo halt ausreichen… „Hör zu! Es geht um Izaya Orihara-“, begann Shizuo knurrend, doch Saigo unterbrach ihn. „Von dem du offensichtlich genauso besessen bist, wie Muroko. Ehrlich man, kannst du über nichts anderes reden?“ Ein unmenschliches Knurren ging von Shizuo aus und Saigo hob abwehrend die Hände. „Ich sag nur die Wahrheit. Andauernd geht es nur um Izaya Orihara. Murokos Erzfeind ist wohl auch dein Erzfeind. Schön. Deshalb fährt er so auf dich ab.“ Shizuo zwang sich dazu sein Geschwafel zu ignorieren. „Deswegen haben wir jetzt die Gelegenheit, ihn zu fangen!“, rief Shizuo barsch und Saigo blinzelte. „Ihn zu fangen? Jetzt?“, Saigo lachte kurz auf, „Nein, nein, wir sind heute hier um dich abzuholen, Kumpel. Deine nächste Mission wartet und Muroko hat mich explizit darauf hingewiesen, dass-“ „Er wird hierherkommen!“, unterbrach Shizuo und hatte sich so nahe vor Saigo positioniert, dass dieser kurz schluckte, bevor er sich aufrappelte. „Und das kann jeden Moment der Fall sein! Also quatsch‘ mich hier nicht voll sondern gib mir meine Waffe!“ „Du…du meinst, Izaya Orihara ist auf dem Weg hierher?“, gab Saigo sprachlos von sich und in seiner Stimme lag Nervosität. „Ja verdammt!“, raunzte Shizuo und entriss einem der Rekruten seine mitgebrachten Schlagringe. Vielleicht würde Muroko ja Einsicht haben, wenn er wahrhaftig dabei half diesen Bastard gefangen zu nehmen. Vielleicht könnte er dann sein Leben endlich weiterleben, wie bislang. „Und das sagst du erst jetzt?“, rief Saigo plötzlich mit leichtem Anflug von Panik in der Stimme. „Wir sind ihm zahlenmäßig völlig unterlegen, so können wir uns ihm nicht stellen! Wir…“ Saigo verstummte, während er fieberhaft nachzudenken schien. „Ich könnte Verstärkung anfordern, doch noch mehr Leute hier in der Siedlung wirkt verdächtig. Außerdem würde es dauern, bis sie hier sind…“ Shizuo schnaubte. „Also echt, und letztes Mal dachtest du, ich hätte Muffensausen…nun sieh dich selbst mal an.“, höhnte Shizuo belustigt, als er beobachtete, wie Saigo unruhig im Raum hin und her stapfte und eindeutig nervös war, wenn er nicht sogar Angst zeigte. Saigo stoppte auf Shizuos Worte und blickte ihn stur an. „Izaya Orihara ist Stufe zehn verdammt!“, rief er dann laut und wandte seinen Blick von einem Rekrut zum anderen. „Jeder hier wird mir zustimmen, dass es lebensmüde ist, sich mit ihm anzulegen!“ Die anderen nickten und murmelten Zustimmungslaute. Stufe zehn? Shizuo runzelte die Stirn. Ah, da war ja was. Irgendwann in dem langweiligen Geplänkel namens Unterricht wurde es von Muroko mal erwähnt… „Merkt euch die zehn Stufen der Vampire. Unsere Feinde werden regelmäßig beschattet und in Stufen unterteilt.“, begann Muroko bedeutend und hob den rechten Zeigefinger. „Beginnen wir von unten. Stufen 1-3. Das sind die Kategorien für schwache bis mittelmäßig starke Vampire. Wir kürzen diese Stufen auch SM ab.“ Gekicher kam aus einer Ecke der Klasse. Erst als Muroko einen finsteren Blick in die Ecke sendete, wurde es wieder still. „Mischlinge befinden sich in diesen Kategorien. Aber seid trotzdem auf der Hut. Nur weil sie eine niedrige Stufe haben, dürfen Vampire niemals unterschätzt werden. Sie sind wie wilde Tiere. Handeln instinktiv und sind unberechenbar.“ Shizuo schnaubte, doch Muroko ignorierte ihn. „Als nächstes kommen Stufen 4-6, auch als ‚M‘ abgekürzt. Die Mittelklasse. Darunter sortieren wir Mischlinge ein, die nützliche Kräfte besitzen.“ Der alte Mann begann durch den Klassenraum zu stolzieren und blickte einzeln in die Gesichter seiner Schüler. „Nun kommen die wichtigsten Stufen. Merkt sie euch gut.“, sagte Muroko, während er besonders Shizuo dabei betrachtete. „Stufen 7-8 kürzen wir auch mit ‚S‘ ab. Weil sich diese Vampire zwischen Mischling und Reinblüter bewegen. Ihr solltet einem Vampir diesen Stufen niemals allein gegenüber treten. Die Chance, dass ihr einen Kampf überlebt ist verschwindend gering.“ Einige der Schüler grinsten überheblich. Andere schauten verängstigt aus der Wäsche. „Aber noch bedeutsamer sind die letzten beiden Stufen: 9-10. Darunter fallen alle Reinblüter. Die letzte Stufe ist für besonders starke Vampire gedacht, die auch besondere Fähigkeiten besitzen. Wir nennen diese Stufe auch SSF.“ Ein Schüler hob die Hand. „Welche Vampire sind in Stufe 10? Haben Sie schon gegen einen gekämpft?“ Nun wandten sich alle Rekruten zu Muroko um und blickte ihn mit neugierigen Augen an. Der alte Schnösel verdunkelte seinen Blick. „Ja. Und das war vor vielen Jahren…“ „Shizuo!“, riss ihn Saigo aus den Erinnerungen und Shizuo schüttelte seinen Kopf. Saigo tigerte neben ihm hin und her. „Alleine werden wir ihn nicht bewältigen können. Wir brauchen auf jeden Fall Verstärkung. Am besten ist es, wenn wir uns erstmal zurückziehen und-“ „Also doch Muffensausen.“, gab Shizuo von sich und ignorierte die innere Stimme, dass er in Wahrheit auf Saigo hören sollte. Tom hatte ihn ebenfalls gewarnt, doch seine Sturheit interessierte das nicht. Er würde diesen verdammten Bastard umbringen! Sei der Floh doch Stufe 10 oder was auch immer! Es war ihm egal. Saigo blickte ihn entgeistert an. „Wenn du glaubst, ich zieh mich grundlos zurück, dann irrst du dich man! Orihara ist nicht umsonst auf der höchsten Stufe!“ „Ich habe Tom versprochen, ihm die Fresse zu polieren, wenn ich ihn das nächste Mal sehe, und genau das werde ich tun!“, rief Shizuo ungeduldig und setzte bereits die Schlagringe an seine Hände. Saigo schüttelte unwirsch den Kopf. Dann fischte er eilig sein Handy hervor und tippte darauf herum. In den nächsten Sekunden sprach er schnell und ungeduldig mit jemanden, aber Shizuo konnte die laute Stimme am anderen Ende deutlich erkennen. Hasaki Daichi. Doch ein schrilles Klingeln an der Haustür ging wie eine erschütternde Warnung durch alle Körper. Saigo war verstummt, und blickte von Shizuo zu seinen Rekruten. „Shizu-chan~!“ Alle hatten ernste Gesichtsausdrücke, wobei einigen die Knie schlotterten. Shizuo hätte beinahe gelacht. Es war doch nur diese alberne Pest! Was machten sie eigentlich so einen Aufstand? Saigo wippte mit seinem Kinn zu der Tür und Shizuo folgte ihm. Sie positionierten sich an beiden Seiten des Einganges und als Saigo seine eigenen Schlagringe anhob und nickte, öffnete Shizuo die Tür. Beinahe sofort rauschte Saigo nach vorne, doch flog nicht mal eine Sekunde später durch einen harten Schlag zurück, und durchquerte einmal das gesamte Wohnzimmer, bevor er keuchend an der Wand aufkam. „Du siehst aber nicht aus wie Shizu-chan…“, kam die dreckige Stimme, die Shizuo bereits mehr als nur einmal gehört hatte. Seine Augen weiteten sich, als der Informant gemächlich in die Wohnung trat, die anderen Rekruten im Raum betrachtete, bevor er schließlich Shizuo entdeckte. Für einen Moment blickten sie sich nur perplex an. Shizuos Hals begann zu brennen und er fuhr mit der Hand über die Stelle wo Izaya ihn erwischt hatte. Seine Augen leuchteten plötzlich blutrot auf und Shizuo erinnerte sich unheilvoll an die eine Nacht. Izaya bewegte sich auf ihn zu. Instinktiv wollte Shizuo weg, doch er rührte keinen Muskel. Stattdessen schwirrten ihm tausend Fragen durch den Kopf. Was zum Teufel? Wieso rühre ich mich nicht? Wieso gehorcht mir mein Körper nicht? Wieso brülle ich nicht vor Zorn und schlage ihm die Faust ins Gesicht? Wieso habe ich stattdessen… ein seltsames Gefühl? Izaya war nun sehr nahe und es fehlten nur noch wenige Zentimeter. Doch bevor der Informant Shizuo erreichen konnte, wurde er von zwei Rekruten aufgehalten. Der eine hatte eine Waffe, die aussah, wie ein Kunai, mit dem er Izayas rechten Arm aufschlitzte. Triumphierend gab dieser ein Geschrei von sich und Shizuo sah, wie Izayas blutrote Augen sich wütend weiteten. Der Vampir wirbelte herum, stand nun mit dem Rücken zu Shizuo und rammte mit einer einzigen Bewegung seinen rechten Arm ins Gesicht des Rekruten, bevor dieser ausweichen konnte. Der Mann gab ein seltsames Geräusch von sich, bevor er in sich zusammen sackte. Shizuo blickte verdutzt auf Izayas rechten Arm. Man sah genau, wo der Rekrut ihn getroffen hatte, denn das Material seiner Plüschjacke war aufgerissen. Doch die Haut darunter…war vollkommen unbeschädigt. „Ah…hast du dir also Verstärkung geholt, um mir…wie war das noch gleich…die „Fresse zu polieren“?“, sprach Izaya ihn plötzlich an, während der zweite Rekrut – eine Frau, wie Shizuo nun vom Nahem erkennen konnte – zwei kurze Schwerter in Izayas Richtung schwang. Shizuo hörte, wie der Informant nur lachte, ehe er mit Leichtigkeit auswich und ihr schließlich den Ellenbogen in den Nacken stieß. Es gab ein widerliches Knacken und die Frau sackte in sich zusammen. Nein… Die anderen beiden Rekruten, die noch übrig waren, hatten kaum Zeit zu blinzeln, da lagen sie ebenfalls neben ihren Kameraden auf dem Boden. Was- Wie konnte… Er hatte die Bewegung nicht einmal gesehen. Shizuo stand da wie versteinert und hatte bislang keinen einzigen Muskel bewegt. „Wenn ihr mich schon angreifen wollt, dann macht es wenigstens richtig.“, sagte Izaya missbilligend zu den am Boden liegenden Rekruten und wandte sich nun wieder Shizuo zu. „Wirklich Shizu-chan? Musste das hier sein?“ Izaya gestikulierte mit den Händen durch den Raum und es sah aus wie das reinste Chaos. Als Shizuos Blick auf Saigo fiel, um den sich eine beunruhigende Blutlache gebildet hatte, schien seine Wut wie eine Explosion zurückzukommen. „Du dreckiger Bastard!“, brüllte er schließlich und rauschte nach vorne. Izaya grinste ihn an und schien darauf nur gewartet zu haben, denn er wich mit Leichtigkeit aus, sodass der blonde Mann nur Luft zwischen seinen Fingern spürte. Shizuo blickte wild nach links und konnte den anderen sehen. Jedoch nur für einen Bruchteil einer Sekunde. Instinktiv wollte Shizuo dem anderen folgen, doch blieb dann wie angewurzelt stehen. Izaya schien von einem Punkt zum anderen zu teleportieren. „Bleib stehen, du Mistkerl!“, rief er und versuchte ihn zu erwischen, doch stattdessen wurde er von etwas Hartem getroffen und wirbelte mit einer heftigen Wucht gegen die Wand. Er keuchte, bevor er versuchte seinen Feind ausfindig zu machen. Doch Izaya ließ ihm keinen Moment. Shizuo blinzelte nur einmal und plötzlich war er vor ihm. Seine schwarzen Haare wehten noch leicht durch die schnelle Bewegung, während seine Augen so rot leuchteten wie noch nie zuvor. Shizuo war wie gelähmt. Es war wie vorhin. Er konnte keinen einzigen Muskel rühren. Er konnte nur dabei zusehen, wie sich Izaya Shizuos Arme mühelos schnappte und gegen die Wand drückte, während er es sich auf den Schoß des blonden Mannes bequem machte. Unbewusst schoss Shizuos Puls in die Höhe, während sein Atem wild durch die Lungen hechtete. Ein unbeschreibliches Kribbeln durchfuhr seinen gesamten Körper, als der Informant seinem Hals ganz nahe war. Shizuo wollte etwas sagen. Er wollte sich bewegen. Er wollte den anderen ins Gesicht schlagen. Doch nichts davon passierte. Dann hörte er ein Stöhnen, das von Izaya kommen musste. Wie eine Statue, konnte Shizuo nur mit geweiteten Augen zusehen, wie Izaya sich noch weiter herunter beugte und schließlich mit seinem Mund Shizuos Haut berührte. Nein... Er würde… Er würde ihn… Izaya würde ihn…beißen! Dann kam der Biss. Das Gefühl, das danach auf ihn einströmte, war völlig anders, als er es vom letzten Mal in Erinnerung hatte. Nicht schmerzhaft, nicht schön, aber auch nicht…schrecklich. Er hörte auch keine Sauggeräusche. Stattdessen spürte Shizuo wie ihm schummrig zumute wurde, wie sein Körper schwächer wurde, doch es war bei weitem nicht so schlimm, wie das erste Mal. Und je mehr Zeit verstrich, desto besser fühlte es sich an. Ein seltsames Gefühl, das beinahe einem Glücksgefühl ähnlich war, schlich sich bis in seine Fingerspitzen. Was… Was zum Teufel? Wieso fühlte es sich…gut an?! Shizuo kämpfte unter seinem Atem gegen alle Gefühle gleichzeitig, während die Ohnmacht langsam an ihm rüttelte und ihn in einen dunklen Schlaf schicken wollte. Doch der blonde Mann war noch lange nicht am Ende! So leicht machte er es dieser Pest bestimmt nicht! Immer noch unfähig, sich zu bewegen, wartete Shizuo ab, bis Izaya von ihm lassen würde. Irgendwann musste dieser dreckige Bastard ja genug haben. Shizuo kam es wie eine Ewigkeit vor, als Izaya sich endlich bewegte. Schon halb bewusstlos merkte Shizuo, wie Izaya ganz langsam von ihm ließ – fast so als würde er es bedauern, nicht noch mehr von ihm getrunken zu haben. Shizuo erzitterte, als ein paar Bluttropfen hinunter auf seinen nackten Hals tröpfelten. Izaya fuhr zurück und als Shizuo ihn ansehen konnte, saß ein ganz anderer Izaya vor ihm. Seine Augenfarbe hatte ein sehr dunkles Braun angenommen, sein Blick war beinahe glasig und er starrte Shizuo mit halb offenen Mund an. Wenn Shizuo ihn nicht kennen würde, hätte er gesagt, Izaya hatte Drogen genommen. Doch irgendwo in seinem Gehirn, wusste Shizuo aus Murokos Unterricht auf jeden Fall eines. Izaya hatte keinen Durst mehr. „Shizu-chan…“ Izayas Atem war an seinem Gesicht, als er die Worte nur hauchte. „Geh von mir runter, du Bastard!“, rief Shizuo und war überrascht, seine Stimme wieder zurück zu haben. Seine Worte jedoch, schienen nichts zu bringen. So, als ob Izaya sie gar nicht hören konnte. Der Vampir kam erneut näher. Shizuos Verstand setzte aus. Nein… Er wollte doch nicht… Nicht wieder…? Nein. Das musste aufhören! Dieser verdammte Dreckskerl hatte ihn erneut gebissen, obwohl er das letzte Mal extra sagte, er wollte es gar nicht! Also was zum Teufel war los mit ihm? Wütend versuchte Shizuo sich zu bewegen. Es klappte, doch nur sehr schwerfällig und er fühlte sich so schwach, wie seit Langem nicht mehr. „Scheiße…“, fluchte er leise. Dieser verdammte Körper! Nie gehorchte er, wenn er sollte! Izayas schwarze Haare kitzelten ihm schon im Gesicht. „Nun wach schon auf, du Parasit!“, rief Shizuo nun fast verzweifelt, da er nicht glaubte, eine weitere Mahlzeit des anderen überstehen zu können, ohne ohnmächtig zu werden. Doch noch immer sah Izaya so aus, als könnte er nichts anderes sehen, als Shizuo. Er blickte ihn mit einem paralysierten Blick an, kam näher und hob seine Hände an Shizuos Gesicht. Da war dieses Kribbeln wieder! Shizuo zuckte zusammen, wollte ausweichen, doch Izayas Griff war hart. Jeweils eine Hand an einer Wange. Während Shizuo die Augen zusammenkniff und auf den erneuten Biss wartete, begann er zu fluchen. „Du elendiger, verfluchter, mieser, dreckiger-!“ Shizuo stoppte. Aber nicht weil er es wollte. Izayas Mund war nicht an seinem Hals. Es konnte nicht schlimmer werden, hatte Shizuo gedacht, doch es war noch schlimmer gekommen. Diese Pest küsste ihn! Wenn es nur ein kurzes Zusammentreffen von Mündern gewesen wäre, hätte man es ja noch als ein Versehen abtun können – aber Izaya war von einer Art Inbrunst ergriffen, die Shizuo nicht verstand. Denn während Shizuo vor Schock völlig gelähmt war, bewegte Izaya seine Lippen gegen die von Shizuo, und ein paar Sekunden später spürte er sogar eine Zunge auf seiner Unterlippe. Fuck! Das schien den blonden Mann aus seiner Starre zu holen. Shizuo versuchte seine Arme zu bewegen, und als er es nach einer gefühlten Ewigkeit endlich konnte, zögerte er keine Sekunde. Mit aller Kraft, die er aufbringen konnte, schlug er den Informanten ins Gesicht. Izaya wurde hart getroffen und wirbelte durch den Druck quer durch den Raum und kam beim Bücherregal auf, das dadurch umkippte. Shizuo Augen waren geweitet, er blieb immer noch gegen die Wand gelehnt sitzen und fasste sich schwer atmend an seine Lippen. Das durfte doch nicht wahr sein… Hatte Izaya ihn wirklich geküsst? Warum? Shizuo bemerkte gar nicht, wie ihm die Hitze über das Gesicht kroch. Das… Das hatte er doch mit Sicherheit extra gemacht! Er wollte ihn nur auf den Arm nehmen! Dann regte sich etwas unter den Büchern und Shizuo rappelte sich so schnell auf, wie er konnte. Noch schwindelig und schwach stand er zitternd auf seinen Beinen, während er seine rehbraunen Augen über das Bücher-Chaos gleiten ließ, worunter sich sein Gegner bewegte. Als sich Izaya ruckartig aus dem Bücherhaufen befreit hatte, starrten die beiden Männer sich an. Shizuo sah sofort, dass Izaya aus seiner seltsamen Drogen-Starre zurückgekehrt war. Sein Blick war wieder normal, seine Augen dunkelbraun, während ein wütender Ausdruck sein Gesicht verzerrte, welchen Shizuo nur selten sah. Und noch etwas anderes machte sich bemerkbar. Auf Izayas Wangen hatte sich ein rötlicher Schimmer gebildet. Oder bildete er sich das ein…? „Was-“ Noch bevor Shizuo etwas sagen konnte, war Izaya verschwunden. Unruhig und skeptisch blickte Shizuo in alle Richtungen und wartete auf den Angriff, doch nichts geschah. Als er ein paar Sekunden länger abwartete, war er sich sicher, dass der Vampir fort war. Dieser Bastard! Er knurrte wütend. Doch als sein Augenmerk auf eine bestimmte Person fiel, verflog die Wut für den Moment. „Saigo!“ Als ihm bewusst wurde, dass sein Verbündeter noch immer blutend dort lag, stürzte er zu ihm. In Gedanken fluchend, kniete er sich zu Saigo hinunter, der immer noch bewusstlos in seinem Blut verweilte. Verdammte Scheiße! Was sollte er denn nun tun? Er wusste nicht einmal, woher diese beunruhige Blutlache kam. Aus dem Bauch? Bein? Rücken? Herzen? Letzteres wollte er sich gar nicht erst vorstellen! Unbeholfen versuchte Shizuo vorsichtig den Körper hochzuheben, doch eine Stimme stoppte ihn. „Lassen Sie ihn, Heiwajima.“ Die Stimme war dunkel und drückte Autorität aus. Shizuo kannte sie. Er wandte sich um und sah, wie Hasaki Daichi an der Schwelle seiner offenen Haustür stand, durch die Izaya geflüchtet war. Sein Gesichtsausdruck war dunkel, und er trug normale Klamotten, statt seiner Sturmkleidung – vermutlich um nicht aufzufallen. Hinter ihm versteckten sich einige Rekruten, die wie Arbeiterinnen eines Bienenschwarms hinein gestapft kamen und sich umgehend um die verletzten Rekruten kümmerten. Shizuo richtete sich auf, als Hasaki auf ihn zukam. „Sie müssen ihm helfen!“, rief er. „Was ist passiert, Heiwajima?“, verlangte Hasaki zu wissen, als er mit zwei Rekruten Saigo untersuchte und sie ihn schließlich vorsichtig behandelten. „Izaya Orihara ist aufgekreuzt. Das ist passiert!“, knurrte Shizuo und wischte sich unbewusst über die Lippen. Hasaki schien es offensichtlich zu ignorieren. „Ich nehme an, er ist für Saigos Zustand verantwortlich?“ „Denken Sie etwa ich würde ihn so zurichten?“, bellte Shizuo wütend und trat einen Schritt auf den anderen zu. Hasaki Daichi blieb wo er war. „Zuzumuten würde ich es Ihnen und Ihrem Temperament.“, antwortete er wie perfekt eingeübt, bevor er Shizuo grob am Arm packte. Dieser reagierte instinktiv und wollte sich losreißen, doch Hasakis Griff war stark. „Halten Sie still.“, befahl er, als der Mann Shizuo Nacken grob zur Seite drückte. „Was ist das?“, fragte er. Shizuo wusste nicht, ob er nur so dumm tat oder ob er es wirklich nicht wusste. „Eine Bisswunde von einem Vampir.“, knurrte er, ehe er nochmals probierte sich loszureißen und dieses Mal nahm Hasaki die Hände hoch. „Sieht für mich anders aus.“, gab er von sich, während er die Augen verengt hatte. „Ach ja?“, begann Shizuo wütend, „Wonach sieht’s denn aus, huh?“ „Kommen Sie mit. Muroko erwartet Sie im Büro.“ Statt ihm zu antworten, befahl er nur. Was für ein Großmaul… Da ihm nicht viel übrig blieb, und da er leider physisch nicht auf der Höhe seiner Kräfte war, folgte er dem anderen widerwillig. Als sie aus seiner Wohnung gingen, blieb Shizuo plötzlich stehen. „Was ist mit meiner Wohnung?“ Hasaki seufzte genervt. „Unsere Leute sind unterwegs und werden die Unordnung beseitigen. Kommen Sie.“ Es gefiel ihm ganz und gar nicht, dass irgendwelche fremden Leute seine Wohnung aufräumen würden. Was dachten sie sich eigentlich? Hasaki führte ihn hinaus auf die Straße, während sie einige unbekannte Leute flankierten. Es mussten Rekruten sein, auch wenn sie sich gut getarnt hatten. Manche trugen komplette Anzüge, einige sahen aus wie Teenager und wieder andere, wie Schüler. Einige von diesen Personen starrten ihn neugierig an, und Shizuo ließ sie mit ihrem Blick spüren, sollten sie ihn nochmal so anstarren, würde es ungemütlich werden. Ein paar Ecken weiter stach an einer Straßenseite ein schwarzes, langes Auto hervor, dass zwischen den anderen kleinen Wagen ziemlich fehl am Platze wirkte. Shizuo verzog das Gesicht. „Steigen Sie ein.“, befahl Hasaki und öffnete die Tür. Shizuo gehorchte mit einem Grummeln. Sein Vorgesetzter stieg mit ihm ein, während sich der Rest der Rekruten unauffällig in der Menschenmenge Tokyos zurück verteilte. Der Wagen war groß. Er bot vermutlich für acht oder mehr Personen Platz und doch waren es nur er und dieser Hasaki Daichi. Dieser setzte sich ihm gegenüber hin und starrte ihn eindringlich an. Doch er tat nichts, um ihm seine Augen zu verbinden oder sonst irgendwie daran zu hindern, die Umgebung zu beobachten. Also nutzte Shizuo seine Chance. Zum ersten Mal konnte er ganz genau beobachten, wohin sie fuhren. Die gesamte Fahrt dauerte etwa nur eine halbe Stunde, dann waren sie bereits in Shibuya. Der blonde Mann verengte die Augen, als er sah, wo sie waren. Das schwarze Auto hielt kurz auf einer Einfahrt zu einem Firmengelände an und der Fahrer der Limousine sprach mit den Leuten in dem Zentralhaus, das nun vor ihnen war. Dann kamen ein paar Leute hinaus, die die Limousine eingehend überprüften, bevor es weiter gehen durfte. Sie waren sogar ins Auto hinein gestiegen und haben alles kontrolliert. Haben die Sitze gehoben, alles abgetastet, haben mit komischen Detektoren nach Gegenständen gesucht, doch als nichts gefunden wurde, durfte die Limousine weiter. Shizuo hatte diese merkwürdigen Männer mit ihren schwarzen Anzügen grimmig angestarrt, doch Hasaki hatte alles widerstandslos über sich ergehen lassen. Er sah sogar gelangweilt aus. „Wo sind wir?“, fragte Shizuo schließlich, als sie durch das geöffnete Tor fuhren und auf sich auf einem riesigen Parkplatz mit Limousinen befanden. „Auf dem Gelände einer Limousinen-Leihfirma.“ Shizuo hatte nicht einmal mit einer Antwort gerechnet. Er beäugte Hasaki scharf, doch der sah ihn nicht einmal an. Stattdessen tippte er auf seinem Handy herum und schien Wichtigeres zu tun zu haben. Der blonde Mann ignorierte ihn, und drückte weiter den Kopf gegen die Scheibe und versuchte sich alles einzuprägen, was er konnte. Vielleicht war es seine einzige Gelegenheit herauszufinden, wo genau er war. Ein riesiger Parkplatz mit vielen schwarzen Limousinen erstreckte sich vor ihnen und schließlich auch ein massives graues Gebäude, das von außen ziemlich herunter gekommen aussah. Kein Logo oder Name war an dem Gebäude zu erkennen. War das etwa das Hauptquartier der Bruderschaft? Shizuo blinzelte und staunte nicht schlecht, als sie durch ein weiteres Tor in eine Art Garage fuhren und dann alles um sie herum dunkel wurde. Für einen Moment wusste er nicht was passieren würde. Als nächstes verspürte Shizuo ein Druckgefühl. Der Boden bebte kurz und fuhr hinab wie ein Fahrstuhl. Nach einigen Sekunden kam wieder Licht und Shizuo konnte schließlich die Halle wiedererkennen, in der Saigo und er vor kurzem noch ihre erste Missionsanweisung erhalten haben. „Aussteigen.“, kam der dumpfe Befehl von Hasaki, der ihm offensichtlich mit der ausgestreckten Hand den Vortritt ließ. Shizuo schnaubte nur, öffnete die Tür und stieg aus. Hasaki kam nach ihm heraus und der Wagen brauste davon. „Hier entlang. Muroko wartet schon.“, sagte Hasaki. Shizuo blickte grimmig in die Runde. Mehrere Rekruten wuselten durch die Gegend, sprachen gemeinsam über Taktiken oder testeten gerade einige Waffen aus. Doch die meisten unter ihnen, starrten ihn unverhohlen an. Shizuo ignorierte sie so gut er konnte, doch es fiel ihm nicht besonders leicht und er konnte nicht verhindern, einigen der besonders vorlauten und hinter der Hand flüsternden Rekruten, einen Was-guckst-du-so-Blick zuzuwerfen. Daraufhin wandten sie schnell den Blick ab und Shizuo stolzierte grimmig weiter. Es dauerte nicht lange, da waren sie nach kurzem Fußmarsch wieder in den gewöhnlichen, metallischen Gängen, die Shizuo noch aus seiner ersten Nacht wieder erkannte. Dann kamen die seltsamen Pflanzen, die den Gang wohl nicht ganz so trist darstellen lassen sollte und Shizuo wusste, dass Murokos Büro nicht mehr weit war. Als sie endlich ankamen – Shizuo erkannte den Eingang an den großen Flügeltüren wieder – klopfte Hasaki zweimal, bevor er eintrat. Shizuo folgte ihm. Dort, hinter dem klobigen Eichenschreibtisch saß er. Muroko Akaguchi. Dieses Mal in einem bordeaux farbenen Anzug, der ihm viel besser stand, als die vorherigen Farben, wie Shizuo unterbewusst feststellte. Dadurch bekam die dunkle Farbe seiner Haut eine ganz andere Geltung. „Hasaki-kun.“, begrüßte Muroko mit offenen Armen, während er sich erhob, „und natürlich Heiwajima-san. Vielen Dank, dass Sie so schnell gekommen sind.“ Shizuo schnaubte nur auf Murokos formelles Gequatsche und verschränkte ungeduldig die Arme. Hasaki schien überraschend ähnlich zu denken, denn er antwortete nicht auf Murokos Begrüßung, sondern machte einen direkten Cut zum Thema. „Es ist bestätigt worden, Sir. Izaya Orihara wurde auf dem Gelände gesichtet und ist verantwortlich für die verletzten Männer.“, berichtete er und klopfte mit einem Ruck die rechte Hand gegen die Brust. Shizuo runzelte die Stirn. Muroko bedachte Hasaki mit einem dankbaren Blick. „Wie viele Verletzte gab es?“ „Insgesamt sechs, Sir.“ Sechs? Es waren doch vier Rekruten und Saigo in seiner Wohnung gewesen, wenn Shizuo sich richtig erinnerte. Oder hatte er einen der Rekruten übersehen? „Ich verstehe. Sie dürfen gehen, Hasaki-kun. Bitte kümmern Sie sich darum, dass alle Spuren, die auf uns hinweisen vernichtet werden. Und bitte setzten Sie Watanabe-san in Kenntnis; sie scheint sich bereits auf ein Update zu freuen…“ Hasaki nickte und schlug sich erneut die Hand gegen die Brust. „Jawohl Sir.“ „Sie dürfen gehen.“ Ein letztes Mal verneigte Hasaki Daichi seinen mächtigen Kopf, bevor er sich umwandte und den Raum verließ. Shizuo wollte ihm hinterher, doch Murokos Worte stoppten ihn. „Heiwajima-san. Ich möchte, dass Sie mir Bericht erstatten.“ Tch. Was wollte er denn noch großartig von ihm hören? Sein Versuch die Pest zu vermöbeln ist in die Hosen gegangen. Das war ja wohl offensichtlich. „Hasaki-kun berichtete mir, Sie haben probiert Izaya Orihara in eine Falle zu locken. Ist das wahr?“ Muroko starrte ihn mit seinen dunklen Augen durchringend an und Shizuo fiel kein Grund ein, warum er ihm die Wahrheit enthalten sollte. „Ja.“ „Warum?“ Shizuo schnaubte. Warum? Er fragte ernsthaft nach dem Warum? „Bin ich nicht genau aus dem Grund von Ihnen angeheuert worden? Um die Pest umzulegen?“ Muroko gab ein trockenes Lachen von sich. „Ja, hauptsächlich ist das ihr Job, Heiwajima-san. Aber nicht alleine. Sie wissen, auf welcher Stufe er steht.“ „Ich war nicht alleine!“, protestierte Shizuo. Er wäre fast alleine gewesen. Aber nur…fast. „Saigo und seine Männer sind ja bei mir aufgekreuzt. Dann dachte ich, können wir Izaya in eine Falle locken und Saigo kann den Bastard mit seinen Männern gefangen nehmen.“ Muroko seufzte schwer, als er aufstand und auf ihn zuging. „Meinen Sie nicht auch, dass wir ihn schon längst in unserer Mangel hätten, wenn es wirklich so einfach wäre?“ Dass es überhaupt nicht einfach war, hatte Shizuo am eigenen Leibe gespürt. Er verzog wütend das Gesicht und ersparte sich eine Antwort. „Warum war er bei Ihnen, Heiwajima-san?“, fuhr der alte Mann fort, als er Shizuos grimmiges Stillschweigen als eine Zustimmung sah. „Er hat mich ange-“ Shizuo stoppte abrupt. Stattdessen schloss er schnell den Mund. „Ja…?“, hakte Muroko skeptisch nach und verengte die Augen. Shizuo konnte es ihm nicht sagen. Sonst würde er wissen, dass er ein neues Handy hatte. Er konnte nicht riskieren dass- Moment. Er hatte sein Handy in seiner Wohnung zurück gelassen. Dort, wo momentan die Rekruten die Unordnung beseitigen. Sie würden sein Handy finden. Mit Sicherheit. So oder so, würde er kein Handy mehr besitzen. Shizuo ballte vor Wut die Fäuste. Diese verdammte Bruderschaft! „Die Pest hat mich angerufen, okay? Er sagte, er wollte mit mir sprechen. Ich hab ihm gedroht, dass ich ihm eins auf’s Maul gebe, wenn er vorbei kommt. Und dann-“ „Dann ist er tatsächlich aufgetaucht, nicht wahr?“, beendete Muroko seinen Satz. Shizuo wunderte es, warum er ihn nicht hinterfragte, wie er überhaupt mit Izaya hatte telefonieren können. Doch ihm sollte es Recht sein. „Unglücklich für Saigo-kun und sein Team, dass sie zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort waren.“, fuhr Muroko leise fort und immer weniger machte es Sinn für Shizuo. „Unglücklich? Ohne Saigo hätte ich nicht einmal meine Waffe gehabt!“, rief der blonde Mann. „Heiwajima-san.“, sagte Muroko in einem strengen Ton, der so viel wie heißen soll, dass er seinen Mund zu halten hatte. „Sie hatten eine andere Mission heute Abend. Diese galt es auszuführen und dennoch sind Sie geblieben und haben versucht, es mit Izaya Orihara aufzunehmen.“ Shizuo traute seinen Ohren nicht recht. „Warum sollte ich mir so eine Chance entgehen lassen, huh? Ich schulde ihm noch ein paar harte Schläge ins Gesicht!“ Shizuos Gesicht war wütend verzogen, als er erneut daran denken musste, was Izaya Tom angetan hatte. „Hören Sie zu, Heiwajima-san!“ Muroko wurde ungehalten, als seine Stimme lauter und dringlicher wurde. „Izaya Orihara hat einige selbst aufgestellte Regeln in seinem Leben als Vampir. Einige dieser Regeln konnten wir erst nach acht langen Jahren wirklich bestätigen. Eine davon ist, dass er seine Opfer nicht tötet. Unter keinen Umständen. Er lässt sie immer am Leben. Das scheint wohl eines seiner Prinzipien zu sein. Auch wenn er es nicht nötig hätte…“ Muroko ging einen weiteren Schritt auf ihn zu und lehnte sich mit beiden Händen auf seinen Gehstock ab, worin sich immer noch das silberne Schwert befand, wie Shizuo sich erinnerte. „Das heißt aber nicht, dass er nie tötet.“, fuhr er mit gesenkter Stimme fort und bedachte Shizuo mit einem bedeuteten Blick, der ihm ungewollt eine Gänsehaut verursachte. „Bei uns Vampirjägern und bei feindlichen Vampiren zögert er nicht, sie aus dem Weg zu räumen, wenn es nötig ist.“ „Izaya kann einfach so irgendwelche Leute umbringen?!“, fuhr Shizuo aus seiner Haut und war nahe dran vor Wut auf diesen Bastard sich Murokos Krawatte zu schnappen. Muroko lachte bitter. „Er hat einen Pakt mit der Regierung, die ihm mehr Handlungsspielraum erlaubt.“ „Natürlich…“, schnaubte Shizuo. Als hätte es nicht anders sein können. Der Parasit hatte natürlich überall seine Finger im Spiel… „Und genau aus diesem Grund war es unklug von Saigo und seinem Team keinen Rückzug anzufordern.“ „Für sowas hatten wir keine Zeit, Sie Schnösel!“, verteidigte Shizuo seinen Kameraden, als er sich ganz genau an Saigos panischen Gesichtsausdruck erinnerte. Muroko ignorierte die Beleidigung. „Ich glaube schon, dass genug Zeit war, um sich zurückzuziehen. Und jetzt müssen wir mit den Konsequenzen leben. Wir haben heute drei Menschen verloren, Heiwajima-san.“ Für einen Moment herrschte Stille in dem Büro. Muroko war nicht laut geworden oder war erzürnt. Stattdessen lag in seiner Stimme ein trauriger Unterton. „Was…?“, murmelte Shizuo. „Ja ganz recht.“ Es blieb still, als Muroko die Worte im Raum hängen ließ, um den gewünschten Effekt zu erzielen. „Ich…wer ist gestorben?“, bekam Shizuo schließlich ungeschickt zustande. „Du hast sie heute vermutlich zum ersten Mal gesehen. Aber denke immer an ihre Namen: Amy Clearwater, Shinja Sakamoto und Ren Uzuma.“, listete der alte Mann auf, während er sich seine Fedora ein Stück tiefer ins Gesicht schob.“ Sie waren alle langjährige Rekruten in Saigos personellen Team.“ Beklommenheit stieg in Shizuo auf. Es waren tatsächlich Menschen gestorben? Rekruten? Wann? Wo? Die Rekruten, die bei ihm in der Wohnung waren, hatte Izaya doch nur ausgeknockt…oder? „Und was…was ist mit Saigo?“ Auch wenn sie nicht unbedingt Freunde waren, empfand er ein gewisses Mitgefühl für den jungen Mann. „Er wird durchkommen. Voraussichtlich.“ Muroko trat noch einen Schritt näher auf ihn zu. Shizuo blickte auf und eine unheimliche Aura umwob den alten Mann wie Nebel. „Izaya Orihara darf nicht unterschätzt werden. Eigentlich dachte ich, das wäre Ihnen bereits klar.“, sagte er bedrohlich. Shizuo konnte nicht viel mehr als zu schnauben. Er wollte nicht mit dem alten Mann weiter diskutieren, nicht wenn Muroko ihn mit diesem Blick anstarrte. „Aber durch diesen Vorfall gab es eine- nun ja, mehr oder minder positive Folge.“, fuhr Muroko fort und ging um Shizuo herum, während sein Gehstock bedrohlich auf dem Boden aufkam. „Erinnern Sie sich an eine weitere Regel von Orihara Izaya?“ Muroko stand nun hinter seinem Rücken und Shizuo musste den Drang unterdrücken, sich umzudrehen. „Nein.“ Shizuo hatte sich rein gar nichts über diesen blutsaugenden Bastard gemerkt. Und was bitte hatte dieser Vorfall Positives an sich? „Nun, Heiwajima-san…“, zog der alte Mann das ganze Drama in die Länge und Shizuo musste vor Ungeduld die Fäuste ballen. „Izaya Orihara trinkt niemals zweimal von demselben Opfer. Das habe ich Ihnen in unserem ersten Gespräch erzählt.“ Muroko ging weiter um ihn herum, bis er auf seiner linken Seite wieder im Blickfeld auftauchte. „Und?!“, fauchte Shizuo. „Und?“ Muroko hob ungläubig die Augenbrauen. „Kommen Sie schon, Heiwajima-san. Sie können es nicht vor mir verheimlichen.“ Und erst als Murokos Blick auf seinen Hals fiel, dämmerte Shizuo was er meinte. Oh. Natürlich. Das hatte beinahe wieder vergessen. Diese Pest hatte ihn ja erneut gebissen. Aber woher wusste Muroko davon? „Was zum Teufel meinen Sie, alter Mann?“ „Ich kann es sehen, Heiwajima-san. Er hat seine Spuren schon wieder nicht entfernt. Er wird langsam schlampig, dieser Orihara…“, sagte Muroko amüsiert, als er näher trat und die Hand anhob, um sich seinen Hals näher anzuschauen. Shizuo wich ihm aus. Muroko blieb stehen und betrachtete ihn nun amüsiert. „Sie…Izaya, er…“ Shizuo verebbte. Muroko lachte dieses Mal und schien durch Shizuos Gestotter einen Entschluss zu ziehen. „Und dass Sie nach einem weiteren Angriff noch so gut bei Kräften sind, beweist mir erneut, dass Sie die richtige Wahl waren.“ Dieser…! Es war ihm also egal, dass Izaya ihn gebissen hatte. Sollte er nicht bestürzt sein? Ihm ein Mittel verabreichen? Dass er es nicht tat, zeigte nur, dass es ihm ganz und gar nicht um Shizuos Gesundheit ging. „Ich sehe, Sie wissen was ich meine. Also, das wirft die nächste Frage in den Raum: Warum Sie?“ Bevor Shizuo ihm genervt antworten konnte, fuhr Muroko fort. „Warum ausgerechnet Sie, Heiwajima-san? Dies ist eine Frage, die es zu beantworten gilt, wenn wir Izaya Orihara töten wollen.“ Wir? Er meinte wohl sich und seine elendige Bruderschaft! „Was weiß ich warum Izaya seine Zähne in meinen Hals schlagen musste! Ich nenne es einfach Zufall!“ Muroko blickte ihn ungläubig an. „Ach, Sie nennen das Zufall?“ „Ja verdammt! Was ist so besonders daran, wenn er zweimal von demselben trinkt?“ „Haben Sie wirklich vergessen, dass wir ihn seit Jahren beobachten, Heiwajima-san? Er hat noch nie zweimal von demselben getrunken! Begreifen Sie nicht?“ Muroko wandte sich kurz ab, als er wohl sein Temperament zügeln musste. Er schüttelte den Kopf, dann sah er Shizuo an. „Sie sind der springende Punkt, Heiwajima-san. Wegen Ihnen benimmt er sich anders. Wegen Ihnen hat er hat bereits zweimal von ihnen getrunken. Wir müssen herausfinden, wieso. Und ich erwarte Ihre volle Kooperation.“ Saigo hatte Recht, dachte Shizuo. Muroko war wirklich von Izaya Orihara besessen. Warum wollte er ihn unbedingt aus dem Weg haben? Hatte Izaya ihm etwas angetan? Waren es persönliche Gründe? Vermutlich hatte Izaya ihn um ein Geschäft gebracht oder ihn sonst irgendwie zum Nachteil geschadet. Anders wusste Shizuo nicht, warum Muroko so hartnäckig hinter ihm her war. Alle Vampire auslöschen? Alleine Izaya Orihara mochte wohl ausreichen, damit Muroko seinen inneren Frieden finden würde. Es war schon beinahe krank. „Und was genau soll ich nun tun, huh?“, fragte Shizuo und verschränkte die Arme. „Erzählen Sie mir genau was heute passiert ist. Bis ins kleinste Detail. Ich muss alles wissen.“ Als Shizuo hoch in Murokos Augen blickte, fiel ihm auf, dass sie heute ungewöhnlich hell waren. Fast so hell wie seine eigenen Augen. War Murokos Augenfarbe nicht sonst dunkler? Eher dunkelbraun? „Heiwajima-san, haben Sie verstanden?“, wiederholte der alte Mann und trat wieder auf Shizuo zu, als dieser nicht rechtzeitig reagierte. Grummelnd bestätigte Shizuo die Lage, indem er nickte. Wenn er es unbedingt hören wollte, würde er tun, was er tun musste. Doch dass die Pest ihn geküsst hatte, würde er so einem alten Knacker wie Muroko bestimmt nicht erzählen. Nur über seine Leiche. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)