Spherium von Yuugii (Kaiba/Yuugi) ================================================================================ Kapitel 4: Kapitel 4 -------------------- Das war das Ende seines Battle Citys. Wie konnte er nur verlieren? Das war unmöglich. Seine Strategie war perfekt. In jeder Hinsicht hatte er seine Schwächen ausgeglichen. Jede Karte war aufeinander abgespielt und es war praktisch unmöglich, dass Yuugi ihn besiegen konnte. Hier oben wollte er stehen, zum Horizont sehen und seine Vergangenheit voll und ganz auslöschen. Doch das konnte er nicht mehr. Jetzt, wo er verloren hatte, war alles umsonst. Wie sollte er Gozaburou nun besiegen? Wie sollte er nun seine Vergangenheit auslöschen? Alles um ihn herum wurde unscharf. Verloren. Verloren. Er hatte verloren. Nur der Sieger überlebte. Wer verlor, starb. So einfach war das. Und trotzdem stand er hier. Lebendig. Er spürte die Demütigung. Dieses Gefühl, dass seine Gliedmaßen taub werden und ihm schlecht werden ließ. Sein Magen drehte sich. Einmal mehr hatte Mutou Yuugi ihn besiegt und nun musste er ihm auch noch Obelisk geben. Sein Ziel war es die Sangenshin zu erhalten und somit der mächtigste Duellant aller Zeiten zu werden. Doch stattdessen stand er hier und hatte einmal mehr verloren. Hatte er überhaupt noch das Recht weiterzuleben? Die Schwachen hatten keine Chance. Kaiba hatte sich stets darum bemüht, stark zu sein. Er musste stark sein, durfte niemals aufgeben und es gab nur den Weg nach vorne. Das hatte Gozaburou ihn gelehrt. Zu verlieren, bedeutete nichts anderes, als das Recht auf sein Leben zu verlieren. Stärke. Er brauchte Macht. Vollkommen verwirrt von diesen Gedanken und diesem inneren Konflikt, blendete er seine Umgebung aus. Verzweiflung. Dunkelheit. Für einen Moment holten ihn seine Ängste aus der Vergangenheit ein und all die Emotionen, die er sonst unterdrückte, brachen über ihn ein, verschlangen ihn und ließen ihn in einem Meer von Hoffnungslosigkeit ertrinken. Wofür hatte gekämpft? Nur für sein Ego? War diese Macht, nach der er strebte, wirklich alles, was es in seinem Leben gab? Mit der Niederlage gegen Mutou Yuugi hatte er nicht nur Battle City verloren, sondern auch sein Licht. „Kaiba. Dein Hass bringt dir niemals den Sieg.“ Yuugis klare Stimme erreichte ihn nicht. Sie war wie ein Echo, das ungehört verhallte. Zu groß war der Abstand zwischen ihnen. Zu tief der Abgrund, der sich vor ihm auftat. Hier oben wollte er stehen, auf dem Symbol seiner Rache. Das war sein Ziel. All der Hass, den sein Stiefvater ihn gelehrt hatte, brachte ihm nicht den erwünschten Sieg. Die stärksten Fallen und Zauber hatte er in seinem Deck. Die stärksten Monster. Und dennoch hatte es nicht gereicht. Auch Mokubas Schrei kam nicht bei ihm an. Die Tränen seines Bruders nahm er nicht wahr. „Uns trennt zwar Sieg und Niederlage...“, begann sein Gegenüber. Dieses Mal erreichte ihn die Stimme, sie löste jedoch noch mehr Verwirrung in ihm aus. „Aber wir sind gleich stark!!“ Kaiba zuckte zusammen. Yuugi wagte es tatsächlich, ihn noch zu bemitleiden? Ein Verlierer verdiente es nicht angesehen zu werden. Er musste behandelt werden wie Abschaum. Also war es Yuugis Pflicht ihm den Rest zu geben und das bisschen, das sein Wesen definierte, restlos auszulöschen, um so an der Spitze stehen zu können. Für ihn da gab es auch keinen Grund mehr weiterzumachen. Seine Rache war gescheitert. Er konnte weder Yuugi noch seinen Stiefvater besiegen. Die Erniedrigungen aus der Vergangenheit, all die Scham, seine Ängste und auch sein Trauma würden ihn bis zu seinem Lebensende verfolgen. So konnte er ihn niemals besiegen. Er würde für den Rest seines Lebens in seinem Schatten stehen und niemals wahre Freiheit erreichen. So wollte er nicht leben. Also gab es für ihn nur noch den Tod. Doch sein Kontrahent bemitleidete ihn. Welch Schmach. „Bemitleidest du mich, Yuugi?“, rief er ihm entgegen und zeigte mahnend mit einem Finger auf ihn. Die Hoffnungslosigkeit machte Platz für Wut und Ärger. Hass. Zorn. „Ich sehe, dass du ein starker Duellant bist. Doch eines sage ich dir.“, begann Yuugi mit ruhiger und unglaublich fester Stimme. In seinen Augen lag Wärme. Zuversicht. Mut. Hier vor ihm stand ein Mann, der Niederlagen erlitten hatte und aus diesen gewachsen war. Dieser Blick, diese Amethystfarbenen Augen verschlangen ihn und zum ersten Mal seit Langem erreichten ihn die Worte seines Gegenübers und berührten seine Seele. Etwas, das er verloren geglaubt hatte, kam wieder zum Vorschein. „Du hast nur gegen ein Monster verloren. Das Monster namens Hass, das in dir wohnt. Bei einem Duell kämpfen nicht nur die Kartenmonster. Wut... Trauer... Hass... Gier... Der Feind existiert oft in der eigenen Seele. Sobald du sie alle besiegt hast, öffnet sich der Weg, um ein wahrer Duellant zu werden!“ Ihm stockte der Atem. Er hörte den Worten seines Gegenübers aufmerksam zu. Sein Verstand weigerte sich, zu verstehen, was er da sagte, doch sein Herz verstand schon längst. Kaiba Seto war schwach. All die Stärke, die er nach außen zeigte, hatte ihn seine Menschlichkeit gekostet. Um seine Ängste zu vernichten, hatte er seine Seele weggesperrt und nach etwas gesucht, das ihm einen Sinn im Leben gab. Der Sieg über Yuugi – nein, über Gozaburou Kaiba – sollte ihm endlich Frieden geben. Doch er war tot. Der Mann, der seine Seele mit einem Fleischermesser zerstückelt hatte und ihn schwer verwundete, war schon lange nicht mehr da. Er konnte sich nicht rächen. Er konnte die Erniedrigungen, die er über sich ergehen lassen musste, nicht ausmerzen und dieses Gefühl, sich nicht wehren zu können und ohnmächtig Befehlen Folge leisten zu müssen, würde für immer wie ein gigantischer Fels auf seiner Seele lasten. Yuugi wandte den Blick nicht ab. Er betrachtete ihn, als wären sie ebenbürtig. Wie schaffte er es, ihn so anzusehen? Ohne Abscheu? Ohne Hass? „Ohne den schwarzen Drachen in meiner Hand hätte ich verloren. Die Seelenkarte, die ich für meinen Freund aufbewahre... Die Macht der Freundschaft hat mir den Sieg gebracht.“ Yuugi hob die Karte hoch und das Bild des Schwarzen Drachen funkelte einmal auf. Nein, Freundschaft brachte einem keinen Sieg! Nettigkeit allein half niemandem. Nettigkeit und Liebe ernährte keine hungrigen Bäuche oder gab einem ein Dach über den Kopf! Nur Macht und Stärke war verlässlich. Dass Yuugis wahre Macht 'Freundschaft' sein sollte, konnte er nicht glauben. Das wollte er nicht akzeptieren. Dies ging ihm gewaltig gegen den Strich und stellte das exakte Gegenteil von dem dar, was er in seinem Leben gelernt hatte. Das Gegenteil von dem, was er ihm gelehrt hatte. „Freundschaft...?!“, keifte er wütend und ballte seine Hand zur Faust, als wollte er seinen Gegenüber ins Gesicht schlagen. Da er dies nicht konnte und körperliche Gewalt auch gegen seine eigenen Prinzipien gingen, nutzte er die Macht der Worte und wollte ihn verbal besiegen. „Albern! Ein so errungener Sieg bedeutet gar nichts! Ich brauche keine Freunde!“ Yuugis Blick blieb weiterhin unerschütterlich. In diesen Augen lag Stärke und es war genau diese Stärke, die ihn heute in die Knie zwang. Kaiba wollte sich dies nicht eingestehen und schloss die Augen. Freundschaft...? „Ha. Sprüche klopfen ist das Recht des Siegers. Ich schweige und ziehe mich zurück.“ Für einen Bruchteil einer Sekunde zögerte er, doch er war ein rechtschaffener Mann und würde die Regeln des Turniers auch bei sich anwenden. Er holte Obelisk heraus und warf sie ihm entgegen. Für ihn war dieses Turnier zu Ende. Sein Leben wurde verschont und nun konnte er nichts anderes mehr tun, als sich seine Niederlage einzugestehen und einmal mehr über eine neue Strategie nachzudenken. Irgendwann würde er Yuugi besiegen und somit auch seine Vergangenheit, die wie ein Schatten um ihn lungerte und stets drohte ihn in einen unendlichen Sumpf der Verzweiflung zu ziehen. Mokuba verhielt sich unnatürlich ruhig. Entweder hielt er Abstand, um Kaiba nicht noch unnötig mehr zu verärgern und ihm die Zeit zu geben, die Niederlage zu verarbeiten oder aber es lag ihm etwas auf den Herzen, das er nicht aussprechen wollte. Kaiba schenkte dem eigenartigen Verhalten seines Bruders keinerlei weitere Beachtung. Wenn es wichtig war, würde er schon von allein zu ihm kommen. Yuugi würde das Turnier gewinnen. Einen anderen Ausgang akzeptierte er nicht. Auch Jounouchi war wieder von den Toten erwacht und tollte wie ein Hund herum. Diese Freude nervte ihn, aber auch ihm wollte er nicht mehr Aufmerksamkeit schenken als nötig. Einmal mehr hatte er verloren. Trotz der Niederlage fühlte es sich jedoch so an, als hätte er etwas gewonnen. Was genau es war, konnte er nicht beim Namen nennen. Er stieg die Stufen des Turms hinab. Dieses Symbol der Rache war nichts weiter mehr als ein Zeichen seiner eigenen Schwäche und er würde dies mit seinen eigenen Händen vernichten. Zerstörung und Hass verstand er am besten. Die Möglichkeit seine Vergangenheit zu vernichten gab ihm Sicherheit. „Mariks finstere Macht ist bis zur Grenze angewachsen.“ Diese schöne, melodische Stimme erkannte er sofort. Isis kam ihm entgegen und sie schien allein gekommen zu sein, um ihn zu verhöhnen. War sie gekommen, um ihn wieder mit ihren Quatsch des Schicksals zuzutexten und ihn doch noch zum Esoteriker zu konvertieren? Dabei sollte sie schon längst verstanden haben, dass dies bei ihm nichts brachte und sie gegen eine eiserne Wand sprach. „Seto. Du glaubst, Yuugi kann selbst mit den beiden Götterkarten Mariks Deck und Raa nicht besiegen.“ Die Wahrscheinlichkeit ging praktisch gegen Null. Er erklärte ihr die Sachlage und machte seinen Standpunkt klar. Für ihn war das Turnier vorbei und er plante, den Turm im Meer zu versenken. Den Zeppelin würde er ihnen da lassen, damit sie die Insel verlassen konnten. Doch diese exotische Frau gab einfach nicht auf. Sie erklärte, dass Yuugi seine Hilfe brauchte und versuchte ihn dazu zu bringen, zu bleiben. Doch für ihn war die Sache erledigt. „Ein Gebet für einen Toten – Perit Cheru.“ Kaiba blieb stehen, riss schockiert die Augen auf. Dieses Gefühl, das ihn wie ein Blitz traf und Erinnerungen in ihm weckte, die eindeutig nicht ihm gehörten. Wieso glaubte er, dieses Gebet zu kennen und wieso fühlten sich diese Worte so vertraut an? Schon damals, als er zum ersten Mal im Museum ankam und diese riesige Steintafel sah, war ihm aufgefallen, dass er die Hieroglyphen lesen konnte. Er verstand die Worte und die Botschaft. Zwei Seelen, weit voneinander getrennt, auf der Suche nach einander und dem Ort, der sie einmal mehr verbinden wird. Dass dieser Ort Alcatraz war und diese beiden Seelen der Andere Yuugi und er war klar, doch das wollte er nicht glauben. Isis' Entschluss mit ihrem Bruder in den Tod zu gehen, ihre Loyalität und diese unglaubliche Stärke beeindruckten ihn, doch ihre Worte machten ihn rasend. Wie konnte eine Frau so viel Unsinn reden und nicht einmal merken, wenn ihr Gegenüber kein Interesse zeigte? Sie redete weiter und weiter, bis er es nicht mehr aushielt. Diesen Turm, dieses tolle Heiligtum der Seelen, würde er versenken und sämtliche Spuren zur Vergangenheit tilgen. Als er Mokuba den Befahl gab, den Timer zu stellen, rührte sich dieser nicht. Wieso stellte sich heute jeder gegen ihn? Fragend betrachtete er seinen jüngeren Bruder, der einfach nur den Kopf senkte und nicht reagierte. Kaiba war es gewohnt, dass sein Bruder immer auf ihn hörte. Hätte er ihm aufgetragen den Eiffelturm nach Japan zu bringen, hätte er dies ohne zu zögern getan. Vollkommen egal, wie abwegig und realitätsfern die Forderung. Doch Mokuba stand einfach nur da und stellte sich gegen ihn. Ein Verhalten, das ihm neu war. „Seto! Unser Hass, unsere Wut, die wir in uns tragen... Wir können Yuugi und seine Freunde da nicht mit reinreißen!“ Mokubas Augen waren mit Tränen gefüllt, seine Lippen bebten und sein Körper zitterte. Es war das erste Mal, dass Mokuba sich gegen ihn aussprach und das tat weh. Mehr als seine Vergangenheit. Mehr als sein Trauma. Mehr als die Niederlage. Dass Mokuba sich gegen ihn stellte und ihm nicht gehorchte, weckte ihn auf. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wofür er gekämpft hatte. Für wen. Er kämpfte für Mokuba. Sein geliebter, kleiner Bruder, der seine Welt erhellte. Wie konnte er das nur vergessen? „Ich... Am Anfang fand ich sie zum Kotzen und habe sie gehasst. Aber auf Pegasus' Insel haben sie todesmutig für mich gekämpft. Sie haben mich gerettet, als ob ich ihr Freund wäre...“ Mokuba schluchzte. Dies war das erste Mal, dass Kaiba erkennen musste, dass Mokuba nicht 100%ig hinter ihm stand und dass sie unterschiedlich waren. Aber er hatte dies akzeptiert. Er akzeptierte, dass Mokuba mit Yuugi und den anderen befreundet sein wollte und er hatte ihm nie verboten, sich mit anderen Leuten zu treffen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie mit ihren Weltanschauungen aneinander geraten würden. Auch wenn er selbst keine Freunde brauchte, so brauchte Mokuba diese. Und Kaiba brauchte Mokuba. Was er seinem geliebten Bruder gerade angetan hatte, schmerzte ihn und es war das erste Mal in acht Jahren, dass er wirklich darüber nachdachte, ob er nicht vielleicht doch einen Fehler gemacht hatte. Was nur sollte er jetzt tun? Er musste sich bei Mokuba entschuldigen und die Distanz, die sich zwischen ihnen aufbaute, endlich aufholen. Er wollte Moki nicht verlieren. Er war doch alles, was er in seinem Leben hatte. Bereits damals hatte ihm der Andere Yuugi sehr deutlich gemacht, dass er niemals siegen konnte, weil er dieses Monster in seiner Seele nicht vernichten konnte und erst heute erschloss sich ihm der Sinn der Sinn dieser Worte. Nein, erst heute war er bereit, diese Worte nicht nur mit seinem Herzen, sondern auch mit seinem Verstand zu verstehen. Er hatte Ruhm, Reichtum und Erfolg, doch niemand freute sich mit ihm. Er hatte niemanden mit dem er dies teilen konnte. Außer seinem Bruder. Er ließ sich auf seinem Bürostuhl fallen, das Leder knarzte unter ihm und er verharrte für einige Sekunden bewegungslos, schloss die Augen, ehe er zu seinem Hörer griff und die Nummer der Personalabteilung wählte. „Nakamura-san, ich brauche Ihre Hilfe.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)