Küss mich, wenn du dich traust von Pragoma ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Deidara trat an das Grab seiner Mutter heran, warf eine gelbe Rose auf den Sarg, der langsam in die Erde gelassen wurde. Weinend brach er zusammen, Naruto versuchte ihn zu stützen und griff ihm unter die Arme. Immer mehr Freunde, Verwandte und Bekannte traten heran, nahmen Abschied von Mikoto Uchiha und gingen anschließend nach Konoha zurück, wo eine Trauerfeier stattfand. Deidara und Itachi verließen den Friedhof als letztes und gingen langsam zum Wagen, der sie zurückfuhr. „Ich vermisse sie jetzt schon", schniefte er leise und schnäuzte sich seine Nase. Itachi versuchte für seinen Bruder stark zu sein und ließ sich seine Trauer nicht anmerken. Auch wenn er ihm auf seine Aussage gerne zugestimmt hätte, ließ er es und schwieg. Sie gingen langsam und er betrachtete die traurige Gestalt neben sich. Die vier Jahre seit Deidara bei ihnen war, vergingen wirklich schnell und er war traurig, da Deidara Mikoto sehr ins Herz geschlossen hatte. Auch wenn er zu Anfangs sehr ruhig und zurückhaltend gewesen war, hatte er sich schnell an sie gewöhnt und sie hatten sich gut verstanden. Deidara stieg langsam, nachdem sie am Auto angekommen waren ein, schnallte sich an und blickte starr durch die abgedunkelten Fensterscheiben. Noch immer konnte er nicht begreifen, dass Mikoto nie mehr wieder kommen würde, dass ihn niemand mehr morgens mit einem fröhlichen Lächeln weckte und mit der Sonne um die Wette strahlte. Nun würde es ruhig werden und die vielen, schönen Blumen würden im Garten wohl vertrocknen, weil sie keiner mehr um sie kümmerte. Schweigend und mit den Händen im Schoss, wartete Deidara, dass Itachi in den Wagen stieg und sie endlich losfahren konnten. Kurz nach Deidara stieg er auch in den Wagen und schnallte sich an. Doch bevor er losfuhr, sah er zu seinem Bruder und betrachtete ihn schweigend. Die Trauer war wirklich nicht zu übersehen. Zu gerne hätte er ihm ein paar nette, aufmunternde Worte entgegengebracht, aber er wusste nicht, was er sagen sollte. Kurzerhand fuhr er los und überlegte auf der Fahrt, wie er mit ihm nun umgehen sollte. Immer noch schweigend schaute Deidara aus dem Fenster, sah, wie die ersten dicken Regentropfen fielen und seufzte kurz auf. "Es regnet, selbst der Himmel weint um sie", murmelte er leise, fing an, mit den Fingerspitzen auf der Glasscheibe zu malen und blickte dann wieder starr nach vorn. "Ja...", murmelte Itachi nur kurz angebunden und fuhr weiter. Der Weg war weit und sie würden lange sich wohl anschweigen. "Behalte sie im Herzen und vergiss sie nicht!" Itachi wusste nicht, was er genau sagen sollte, aber er würde sie nie vergessen! "Ich werde Mikoto ganz sicher nicht vergessen, sie war wie eine Mutter, die ich nie hatte", erwiderte Deidara leise, blickte dann wieder raus in den Regen und hoffte, dass dieser bald abklingen würde. Dem Garten tat das sicher gut, aber in der Stadt wäre dann wieder alles schlammig und dreckig und es würde Tage dauern bis alles weg wäre. "Sie hat dich sehr geliebt...", sprach Itachi leise und es fiel ihm schwer, diese Worte auszusprechen. Mikoto war schon immer ein fröhlicher Mensch gewesen, aber erst seit Deidara bei ihnen war, war sie richtig in ihrer Rolle aufgegangen. Itachi sah ihn kurz an und nicht viel später kamen sie bei sich zuhause an. "Ja, ich weiß, ich hab sie auch sehr lieb", gestand Deidara leise, aber auch traurig. Kurz danach stieg er aus dem Auto aus, ging langsam die Veranda hoch und ins Haus rein. Alles war still, alles war so ungewohnt ohne Mikoto, ohne seine Mama. So hatte er sie immer in Gedanken genannt, hatte es sich aber nie getraut, es wirklich auszusprechen und das tat nun doppelt und dreifach weh. Itachi sah Deidara nach und seufzte innerlich. Er konnte Mikoto nicht ersetzen! Sie war ganz anders, als er gewesen und Deidara hatte in ihrer Gegenwart immer gestrahlt vor Glück. Doch das konnte er ihm nicht geben! Er war nicht so eine Frohnatur wie sie! Aber er würde sich Mühe geben seinen Bruder wieder lachen zu sehen, alleine seiner Mutter zuliebe. Sie würde nicht wollen, dass sie sich jetzt anschwiegen und in Trauer vergingen. Deidara verzog sich gleich nach oben in sein Zimmer, legte sich bäuchlings auf sein Bett und starrte die Wand an. Er war immer noch fassungslos, dicke Tränen kullerten seine Wangen herunter und er wollte einfach nur noch schreien. Doch seine Stimme versagte, er rollte sich auf die Seite und weinte einfach still in sich hinein. Sein Herz verkrampfte und er wollte nur noch sterben, bei Mikoto sein und ihr beistehen. Doch so sehr er sich dies auch wünschte, es ging einfach nicht. Deidara lag einfach nur da, lauschte und ließ die Gedanken schweifen, der Schmerz brannte sich tief in ihn, seine Seele schrie, Tausend messerscharfe Klingen in der Brust, jeder Atemzug sang ein Klagelied. Es war einfach nicht fair, es durfte so nicht enden. Deidara fühlte sich wie leergefegt, zerrissen und zerfetzt, sein Herz blutete und sein Verstand wollte nicht mehr. In seiner Trauer riss er sein Kissen an sich und schrie seine Wut und die Trauer aus sich heraus. Fest umklammerte er den leblosen Gegenstand. Er vermisste Mikotos leuchtend und lachende Augen, die ihn nie mehr ansahen. Nie wieder würde sie ihm gute Nacht sagen können, nie wieder würde sie ihn anlächeln. Nie wieder würde er Mutter zu ihr sagen. Sein gesamtes Leben würde sie einfach nicht mehr mitbekommen. Itachi saß lange unten auf der Couch und dachte nach. Wie sollte es weiter gehen? Seine Mutter hatte ihm Halt gegeben, sie war immer für Deidara und ihn da gewesen! Egal was war, sie hatte zugehört und versucht zu helfen. Und jetzt war sie weg! Er stand auf und ging hoch zu seinem Bruder. Leise öffnete er die Tür und sah ihn auf dem Bett zusammengekauert liegen. Er hatte ihn noch nie so verletzlich und zurückgezogen gesehen. Aber er musste selbst erst mit seinen Trauergefühlen klarkommen und so ging er wieder. Er würde ihm keine Hilfe sein! Nicht jetzt! Deidara hatte sich auch vorgenommen, das alleine schaffen, er wollte alleine über seinen Schmerz kommen, ohne Hilfe, ohne Trost, einfach ohne alles und jeden. Sein Körper fühlte sich leer, schwer und unendlich schwach an, seine Augen waren rot unterlaufen, wiesen dichte Augenringe auf und auch sonst sah er aus, wie ein Häufchen Elend. Er hatte kein Gefühl mehr für das eigene "Ich". Mitmenschen in seiner Normalität waren kaum ertragbar, ziellose Schritte in eine ziellose Zeit. Zugreifen und ins Nichts fassen, gefangen in dieser fremden Welt. Offene Augen, die nichts sahen. Sonne am Himmel, die nicht wärmte,Fragen suchten vergeblich nach Antworten, Müdigkeit und Leere lähmten die Pflichten, Trost konnten nicht ankommen, Gedanken machten fast schwindlig. Immer wieder unkontrollierbare Tränen, diese Angst vor den dunklen, stillen Nächten, keine Lust auf den neuen Tag , Verlangen nach dem Zauberspruch, der alles ungeschehen machte, unbändiges vergebliches Suchen. Die Sehnsucht quälte Deidara mehr und mehr und er rollte sich mit allerletzter Kraft auf die Seite und blieb bewegungslos liegen. Die Tage vergingen und beiden sprachen so gut wie gar nicht miteinander. Itachi musste arbeiten und Deidara hatte Schule. Doch zum Glück waren nach zwei Wochen für ihn Ferien und er konnte sich ausruhen. Itachi war froh, dass er arbeiten gehen konnte, denn somit lenkte er sich von dem unerträglichen Schmerz ab, der in seinem Inneren wohnte. Es war, als hätte man ihm einen weiteren Teil von sich weggenommen. Den Teil, der positiv nach vorne sah und sich nicht kleinkriegen ließ. Meist kam er erst spät nachhause und sah seinen Bruder kaum noch. Dieser ging kaum noch aus seinem Zimmer und versank immer mehr in Depressionen! Wie sollte er ihm nur helfen? Die letzten Tage und Wochen lief er wie eine Marionette umher und vom Wesen her, glich er mehr einem wandelnden Etwas, als dem früheren, fröhlichen Deidara. Er hatte aufgehört zu leben, zu existieren. Er lebte nur noch vor sich hin, lebte nur noch so, um es anderen recht zu machen. Er wollte nicht essen, nicht trinken, nicht atmen und nicht schlafen, alles was er wollte, war seine Mutter, doch Mikoto war nicht mehr hier und somit hatte er aufgehört richtig zu leben. In den Wochen in denen Itachi sich in die Arbeit hängte, hatte er es auch geschafft, es zu verarbeiten, dass Mikoto nicht mehr war. Sie würde nie wieder kommen. Auch wenn er immer wieder nachts von ihr träumte, würde sie nicht wieder auftauchen. Als er Abends heim kam, ging er zielstrebig hoch in Deidaras Zimmer und setzte sich zu ihm an den Bettrand. Er strich ihm eine Haarsträhne aus dem Gesicht und lächelte ihn aufmunternd an. "Meinst du, Mum würde sich freuen, dich so zu sehen?", fragte er leise und sah ihn an. Dass sich sein Bruder immer mehr zurückgezogen hatte, war ihm nicht entgangen, aber erst jetzt, da er es selbst soweit überwunden hatte, fühlte er sich in der Lage, mit Deidara darüber zu sprechen. Deidara hatte Itachi nicht wahr genommen, noch nie war er so verschlossen, so verwirrt und so geistesabwesend. Er regierte noch immer nicht, zuckte nicht mal zusammen oder schlug Itachis Hand weg, er starrte immer wieder einen gewissen Punkt an und summte leise vor sich hin. Seine Seele war gebrochen, sein Herz war kalt wie Stein und nichts schien ihm helfen zu können, nicht mal die Anwesenheit seines Bruders kümmerte. Fühlte er noch irgendwas, oder hatte ihn Gleichgültigkeit und die Leere schon völlig eingenommen? Itachi seufzte und zögerte kurz, bevor er ihn von hinten umarmte. Er wollte ihm zeigen, dass er nicht alleine war, dass er jederzeit mit ihm reden konnte. Dass Deidara so schweigsam und kalt war, kannte er nicht von ihm, da dieser sonst immer so fröhlich war. "Deidara bitte rede mit mir. Verschließe dich nicht! Es tut dir nur weh, wenn du niemanden zu dir lässt...", hauchte er in das Ohr des Anderen und wollte ihn nicht weiter so betrübt und ausdruckslos sehen. Deidara blickte seinen Bruder ausdruckslos ins Gesicht, hörte ihm zwar zu, doch antwortete er nicht. Stattdessen kaute er auf seiner Unterlippe. Warum war sein Leben nur so eine Qual? Was in seinem Herzen war, blieb unausgesprochen und nichtig. Es kam nicht über seine Lippen, fand einfach keine Worte. Sein Herz weinte, seine Augen füllten sich mit Tränen. Nichts hatte Platz in seinem Herzen. Immer wieder erinnerte er sich, der Schmerz, die stummen Tränen auf seiner Haut. Warum hört es nicht auf? Es blutete, er hatte das Gefühl, dass sein Herz zerriss ... warum konnte er nicht vergessen, was geschah? Es gab Wunden, die niemals heilten, seine waren scheinbar zu tief. Er hatte Angst, Angst vor diesen Wunden. Sie schmerzen, ein Schmerz, der nicht verging. Der Name des Schmerzes war Einsamkeit, warum konnte Deidara nicht mehr zeigen was er fühlte? Er wollte weinen, doch keine Träne bahnt sich ihren Weg. Er wollte sagen, was er fühlte, doch kein Wort verließ seine Lippen. In seiner Seele gefangen, erlosch das Licht, was einmal war. Finsternis beherrschte seiner-selbst. Weder Tränen noch Worte, das Einzige was blieb, war der Schmerz. Als Deidara ihn anblickte, war Itachi entsetzt, wie leer der Ausdruck im Gesicht seines Bruders war. Hatte ihn der Tod seiner Mutter so sehr mitgenommen? Wie konnte das sein? Er war immer sehr aufgeweckt und fröhlich gewesen und so von einem Tag auf den anderen sprach er nicht mehr und wirkte wie eine Hülle ohne Willen. "Deidara", sprach er etwas lauter und drehte ihn zu sich, nahm dessen Gesicht in die Hand und sah ihm in die Augen. "Bitte rede mit mir! Sag mir was dich bedrückt, alles in sich reinzufressen bringt nichts! Es zerstört einen..." murmelte er am Schluss und sah weiter zu ihm. Nebelschwaden zeichneten Bilder längst vergangener Tage an die Wand. Der Wind verschleierte gnadenlos alles, was er sagte. In den Tiefen seiner Seele war Deidara fast schon tot. Als Mikoto sie verlassen hatte, hatte er seinen Weg verloren. Selbst in den kalten Fluten fühlte er seine Mutter. Er reagierte einfach nicht, er war in seiner eigenen Welt gefangen. Jenseits der Schatten – der Vergangenheit. Jenseits seiner Träume – in seiner Dunkelheit. Fast zwei Monate waren nun vergangen und Deidara schien von Tag zu Tag schwächer zu werden. Er hatte seinen Lebenswillen verloren und Itachi wusste nicht, wie er ihm ihn zurückgeben sollte. Er würde es nicht ertragen noch einen geliebten Menschen sterben zu sehen! Er liebte Deidara und wenn dieser ihn auch noch verlassen würde, wäre das sein seelisches Ende! Aber genau dieses Ende schien sein Bruder bereits erreicht zu haben. Dass er so labil war, hätte er nicht für möglich gehalten, denn das lachende und fröhliche Kind hatte nie Anzeichen gemacht, sich so schnell kleinkriegen zu lassen. Itachi ging jeden Tag nach der Arbeit zu Deidara und redete mit ihm. Na ja er sprach und hoffte, dass Deidara irgendwann reagieren würde, doch dieser schien ihn nicht sehen zu wollen, oder zu bemerken. Deidara zuckte zusammen, spürte, wie jemand hinter ihm stand und wieder versuchte mit ihm zu sprechen. Kurz hielt er den Atem an, traute sich nicht sich zu bewegen. Irgendwas sagte ihm aber, dass es sich bei der Person um Itachi handelte und so hob er leicht seine Hand und legte sie schweigend auf die seines Bruders. Sein Blick war dabei auf die Uhr gerichtet, blickte diese an, als wolle er sie durch bloße Gedankenkraft zu Fall bringen. Um ihn herum schien sich alles zu drehen, er wollte ihm vieles sagen, unterdrückte aber den Drang es zu tun. Schweigend ließ er die Minuten ziehen und bewegte sich keinen Millimeter. Kein Wort, kein Laut sollte diese Stille, diesen Augenblick der Verbundenheit nehmen. Jedoch blickte er ab und an zu Itachi, sah ihn aber nicht richtig und senkte den Blick. Seine komplette Außenwelt kam ihm schrecklich verschwommen und kalt vor, laut und unlieb, dreckig und doch so unscheinbar. In Deidara kleiner sich zusammengebauten Welt gab es außer ihm und die Leere rein gar nichts, nicht mal ein Staubkorn oder das Ticken der Zeit. Scheinbar lief alles stumm an ihm vorbei. Die Sorgen um seinen Bruder wurden immer größer. Wie sollte er zu ihm durchdringen? Ihm zeigen, dass er nicht alleine war? Er freute sich schon darüber, dass Deidara wenigstens seine Hand berührte und ihm somit zeigte, dass er ihn wahrnahm. Doch was sollte er tun, um ihn wieder herzuholen, in diese Welt, aus der traurigen dunklen Welt, die er sich geschaffen hatte? Irgendwas musste es doch geben, dass ihn wieder aufblicken ließ! "Bitte rede doch endlich! Ich mache mir Sorgen!", meinte er leise und hielt die Hand fest. Noch nie hatte er ihm gesagt, dass er sich um ihn sorgte. Nur, dass er reden sollte, hatte er ihm jeden Tag gesagt. Erneut blickte Deidara nach Itachis Bitte auf und wieder tat und sagte er nichts. Es kam ihm vor, als hätte er seine Stimme verloren, als hätte er alles verloren. Emotionen, Gefühle, Denken und Handeln ... als hätte dies alles seinen Körper verlassen und eine gähnende Leere in seinem Innern hinterlassen. Er hörte nicht mal, wie sein Herz schrie, wie es nach Liebe, nach Geborgenheit und Wärme schrie. „Ich möchte ... ich ... weiß nicht", stammelte er leise und rubbelte dabei immer wieder leicht nervös über seine Arme. Scheinbar hatte er doch seine Stimme nicht verloren, scheinbar war sie noch immer da. Aber wo war der Rest? Wo war der Rest, der ihn erst ausmachte? Das Lächeln, die strahlenden Augen ... Einfach alles was einen zufriedenen Menschen ausmachte. Als Deidara anfing zu reden, war es wie ein Stein, der von Itachis Herzen fiel. Er war froh, ihn reden zu hören, auch wenn es nicht viel war, war es doch ein Anfang. Die Erleichterung sah man ihm an und er lächelte seinem Bruder freundlich zu. Sanft zog er ihn zu sich und nahm ihn einfach in den Arm. Vielleicht war es gar nicht nötig etwas zu sagen, wahrscheinlich musste Deidara nur spüren, dass er für ihn da war, ihn nicht alleine in der Dunkelheit ließ. "Wir haben Zeit, sag mir bitte was dir auf dem Herzen liegt!" Seit Mikoto gestorben war, hatten sie das Grab nur am Tag der Beerdigung gesehen, ob Deidara sich besser fühlen würde, wenn sie sie besuchen würden? "Was geschehen ist, ist geschehen. Die Welt dreht sich trotzdem weiter. Sie wird sich immer weiter drehen..." Und damit öffnete Deidara langsam wieder seine Augen, spürte wie er von seinem Bruder in den Arm genommen und festgehalten wurde. In seinem Kopf herrschte noch immer das Chaos, herrschte immer noch ein wildes Durcheinander. Alles, was er dachte oder denken wollte, ergab für ihn keinen Sinn. Es war, als hätte er alles vergessen. "Das stimmt schon, aber alles was einen belastet, in sich zu vergraben, bringt nichts! Nur Schmerz und Leid für einen selbst. Sag mir bitte, was los ist, dann kann ich dir vielleicht auch helfen", erwiderte Itachi leise und hielt ihn fest im Arm. Es war lange her, dass er ihn in den Arm genommen hatte, aber jetzt war es nötig, fand er und war froh, dass Deidara ihn nicht wegstieß und sich noch mehr verkroch. Deidara blickte Itachi kurz an, senkte aber wieder den Blick und kaute sich auf der Unterlippe. "Sie fehlt mir, alles ist so still im Haus und diese Stille frisst mich auf. Sie macht mich kaputt, sie verwandelt scheinbar alles Glück in mir in tiefe Trauer und in seelischen Schmerz", fing er an seinem Bruder zu erzählen, entfusselte dabei die Bettdecke und seufzte niedergeschlagen auf. Es müsste eigentlich guttun zu reden, aber es wühlte Deidara nur noch mehr auf und er glaubte schon ernsthaft Stimmen in seinem Kopf zu hören. Dass Deidara wirklich anfing, mit ihm zu reden, freute ihn und er hörte ihm zu. Auch wenn er geahnt hatte, dass ihm Mikoto fehlte und er traurig war, hatte er nicht erwartet, dass es so schlimm war, wie er nun hörte. "Es ist richtig, dass sie dir fehlt. Sie gehörte schließlich zu uns, sie war ein Teil von uns. Aber du musst versuchen gegen diese Trauer in dir anzukommen, dich befreien und für sie weiter leben. Sie wäre bestimmt traurig, wenn sie dich so sehen würde. Sie wollte immer das Beste für dich und das möchte ich auch. Ich weiß, dass ich sie nicht ersetzen kann, aber ich kann versuchen ein guter Bruder zu sein!", erklärte er ruhig und betrachtete ihn. Ob seine Worte etwas helfen würden? "Ich weiß nicht, wie ich dagegen ankommen soll, ich weiß es einfach nicht. Ich bilde mir schon ein, Stimmen zu hören und das ist sicher nicht normal. Ich werde wohl langsam aber sicher verrückt oder gar krank im Kopf", erwiderte Deidara erneut leise, blickte Itachi dabei nun wieder an und drückte leicht dessen Hand. "Ich möchte raus, einfach raus und etwas spazieren gehen... Kommst du mit?", fragte er vorsichtig, sah ihm bittend in die Augen und wartete ab. "Du wirst nicht verrückt! Du warst nur zu lange alleine in diesem Zimmer", seufzte Itachi ruhig. "Natürlich komme ich mit" lächelte er letztendlich und war erleichtert, dass Deidara freiwillig aus seinem Zimmer gehen würde. Glücklicherweise war Freitag und er konnte sich nun so viel Zeit nehmen, wie er wollte, um mit seinem Bruder zu reden. Hoffentlich würde sich dieser danach auch besser fühlen. Itachi stand auf und reichte Deidara die Hand. Deidara nahm die Hand seines Bruders in die seinige, stand langsam vom seinem Bett auf und suchte mit eisernem Blick seine Schuhe. "Danke, Nii-san", murmelte er leise, fand seine Schuhe unter dem Schreibtisch vor und zog sich diese eben noch schnell an. "Wir können dann los, ich bin soweit", fügte er schließlich hinzu und versuchte irgendwie mühsam zu lächeln, was ihm aber nicht ganz gelingen wollte. Lange war es her, dass Deidara „Nil-san" gesagt hatte und es nun wieder zu hören, war wirklich schön. Er wartete, bis sein Bruder die Schuhe an hatte und wuschelte ihm leicht durchs Haar. "Na gut...", meinte er und ging mit ihm los. Sie gingen gemütlich und langsam, da sich Itachi Zeit nehmen wollte, um für ihn da zu sein. Das Wetter heute war schön und angenehm. Richtig geeignet für einen Spaziergang. Eine Weile lief Deidara einfach schweigend neben seinem Bruder her, genoss den leichten Wind, der um seine Nase wehte und streckte sich. "Hmmm~ tut gut die Sonne", murmelte er leise, schaute sich dann aber nach einer Sitzgelegenheit um und setzte sich kurze Zeit später auf eine Holzbank. "Ja, stimmt. Angenehm warm..." Als sich Deidara setze, folgte Itachi ihm und setze sich zu ihm. "Geht es dir schon besser? Manchmal sind ein bisschen frische Luft und jemanden zum Reden wie ein Wundermittel!", lächelte er und sah ihn neugierig an. Zumindest war sein Blick nicht mehr so leer. Deidara hörte seinem Bruder erst zu, nahm alles, was dieser sagte in sich auf und schmunzelte kaum wahrnehmbar vor sich hin. "Ja, ich denke schon, dass es mir nun etwas besser geht", nickte er zur Antwort und blickte dann kurz zu Itachi herüber. "Wundermittel? Na ja an solche glaub ich eher nicht, aber die frische Luft tut wirklich gut. Mir ist, als würde sie alles negative hinwegfegen." "War nur bildlich gemeint! Es hilft eben, wenn man mit jemanden redet! Ich war früher wie du, die letzten Monate jedenfalls. Ich habe mit niemandem geredet und wurde immer schweigsamer! Bis kaum noch jemand mit mir was zu tun haben wollte! Aber ich habe doch den Mut gefunden, darüber zu reden, was mich stört! Und mir ging es dann viel besser. Also ich weiß annähernd, wie du dich fühlst..." lächelte er. "Warum habt ihr mich eigentlich adoptiert? Ich meine, ich war immerhin fast zwölf Jahre alt", wollte Deidara wissen. Er konnte sich gar nicht richtig vorstellen, dass Itachi mal genauso war, dass dieser ebenfalls so verschwiegen, wie er selbst war. Doch es interessierte ihn, er wollte es so gern wissen und vielleicht half es ihm auch über seinen Schatten zu springen und wieder Spaß am Leben zu haben. Itachi seufzte, denn die Frage, die Deidara stellte, musste ja irgendwann kommen. „Weißt du, ich hatte damals einen kleinen Bruder. Sasuke. Er war ein liebes Kind, dazu sehr verspielt", fing Itachi an zu erzählen und musste schlucken, da so langsam wieder die Erinnerungen hochkamen. Nun war Deidara aber gespannt, was Itachi zu erzählen hatte, spitzte ganz genau die Ohren und lauschte der Vergangenheit seines Vaters. "Du hattest einen Bruder? Wo ist er?", wollte Deidara wissen , drehte dabei aber noch immer unsicher Däumchen und blickte geradeaus auf den kleinen See, mit den vielen Enten und ein paar Schwänen. Schwer schluckte Itachi, dann aber sah er auf und direkt Deidaras an. „Er ist bei einem Autounfall gestorben. Genauso wie mein Vater. Das ist einige Zeit schon her, aber Sasuke wäre nun fast dreizehn Jahre alt und du bist ihm recht ähnlich. Wenn du lachst, macht es einem auch gute Laune", murmelte er dann leise, sagte es nicht, um Deidara aufzumuntern, sondern weil es stimmte! Erstaunt blickte Deidara seinen Bruder an und rieb sich kurz über die Nase. "Dabei sind wir nicht mal wirklich verwandt, aber schön, dass ich ihm ähnlich bin, so bleibt etwas von ihm auf dieser Welt erhalten und wenn es ein Lächeln ist", gab Deidara schmunzelnd, gar poetisch von sich. "Mum meinte immer, dass es schade ist, dass du nicht ihr richtiges Kind bist" sprach Itachi leise weiter. Sie hatte ihn wirklich wie ein eigenes Kind geliebt. "Wollen wir ihnen Blumen ans Grab bringen?" "Ich habe mich auch immer sehr wohl bei euch gefühlt", nickte Deidara und hörte, wie Itachi ihn fragte, ob sie ihnen Blumen bringen sollten. "Ich war lange nicht bei ihr, es ist also an der Zeit dies zu ändern und sie zu besuchen", sagte er dazu und erhob sich langsam von der Bank. "Sie hat dich sehr geliebt! Manchmal hatte ich schon Angst, dass sie dich mehr mag als mich" lachte Itachi scherzhaft und kannte die Gefühle von seiner Mutter ihm gegenüber. "Ich würde mich freuen, wenn man mich besuchen würde...", hauchte er dann und stand ebenfalls auf. "Meinst du, wir können ihre Blumen weiterhin so schön blühen lassen?" Deidara ging einige Schritte vor, drehte sich dann aber zu Itachi um und grinste. "Ich bin immer noch ein halbes Kind, also von daher brauchst du nun wirklich keine Angst haben", versuchte er seinen Bruder die übertriebene Angst zu nehmen. Ob sie die Blumen im Garten so schön erhalten konnte, wusste er nicht wirklich, aber er würde es versuchen. "Ich denke schon, das wir die Blumen blühen lassen können. Mit etwas Übung und sehr viel Geduld." "Schon ... aber du schaust eben niedlich aus", lächelte Itachi ohne jegliche Hintergedanken. Es war eine Tatsache und die Mädchen in seinem Alter liefen ihm in Scharen nach. "Naja Geduld ... ob ich die habe? ... ich versuche es", grinste er und ging weiter. "Schön, dass du wieder redest und auch mal lächelst." Nun wurde Deidara etwas rot um die Nase und blickte beschämt zu Boden. "Ach sag so was nicht", winkte er leise ab, schritt langsam weiter und war mehr als peinlich berührt, so was von seinem Bruder zu hören. "Wenn du keine Geduld hast, dann musst du sie dir nehmen und ja, es ist schön wieder zu reden und das Lächeln klappt auch schon wieder ganz prima", nickte er eifrig, vergrub die Hände in den Hosentaschen und lief die Straße zum Friedhof rauf. "Schon gut, schon gut ... ich sage aber nur die Wahrheit!", lachte er und ging neben Deidara her. Es war schön, ihn so gelassen zu sehen. Sein ganzes Auftreten war wieder so wie früher. Genau so wollte er ihn sehen. Sie kamen am Friedhof an und gingen schweigend zum Grab. Es lagen ein paar Blumen darauf aber wirklich viele. "Sie wird immer in meinem Herzen sein...", hauchte Itachi und kniete sich davor. Als sie beide am Friedhof und vor Mikotos Grab standen, legte Deidara seine Hand auf die Schulter seines Bruders und blickte stumm auf den Hügel, der vor ihm war. Der Grabstein war noch nicht da, aber lange würde er sicher nicht mehr auf sich warten lassen, immerhin hatten sie ihn bestellt. Da lag nun seine Mutter, die er lieben lernen durfte, die ihn aber von nun an nicht mehr in die Arme nahm, die nie mehr für ihn da war. Kurz seufzte Deidara leise auf und klammerte sich ein wenig fester in Itachi seine Schulter. Itachi schloss die Augen und schwieg. Er dachte an die gemeinsame Zeit und an den Tag, an dem sie Deidara zu sich geholt hatten. Wie schüchtern er gewirkt hatte und Mikotos strahlendes Lächeln, als sie ihn in den Arm nahm. Er spürte die Hand auf seiner Schulter und lächelte leicht. Deidara war wirklich ein lieber Junge und er liebte ihn sehr. Für ihn gehörte er dazu und das würde sich nie ändern. Deidara dachte ebenfalls an die vergangenen Zeiten, erinnerte sich, wie Mikoto ihm damals beigebracht hatte, zu kochen und wie er immer wieder beim Kuchen backen heimlich genascht und dann Bauchschmerzen hatte. Auch wie sie gern mit ihm im Garten Fußball gespielt hatte, doch war sie immer darauf bedacht zu schauen, dass ihre Blumen ja nicht abgeschossen wurden. Ja, die Blumen waren eben ihr ganzer Stolz und wehe es wagte sich jemand diesen etwas anzutun, der hätte sich aber warm anziehen können. Mikoto hätte sofort das Kriegsbeil ausgegraben und denjenigen mit Flüchen belegt. Einige Zeit standen sie da und schwiegen. Doch dann sah Itachi auf und in das Gesicht seines Bruders. "Können wir wieder gehen?", fragte er und spürte, wie ein stärkerer Wind aufkam. "Wir sollten zurück. Es dürfte bald ein Sturm aufziehen", sprach er ruhig und sah in den Himmel. Es wurde kalt und schon begann es zu regnen. Schnell nahm er ihn an der Hand und ging los. Deidara konnte nicht so schnell wie sein Bruder in bei der Hand nahm und mitzog, antworten und so beließ er es beim Nichtantworten. "Ich hasse dieses aufschwingende Aprilwetter, nie weiß man, was wirklich kommt und auf den Wetterbericht kann man sich auch nicht verlassen", schimpfte er etwas lauter und fing, nachdem der Platzregen eingesetzt hatte, an zu rennen. "Ja, das ist wirklich unmöglich ..." Sie rannten zurück, aber es dauerte nicht lange und sie waren durchtränkt vom Regen. Jetzt war es eh schon egal und Itachi ging wieder langsamer. "Na ja, dann müssen wir eben duschen", meinte er und sah an sich runter. Es würde dauern bis sie zuhause waren, aber die Zeit mit Deidara war wirklich schön. Deidara tropfte, als sie daheim waren wie ein Wasserhahn, war nass bis auf die Unterhosen und zitterte leicht. Eine heiße Dusche war jetzt genau das Richtige, um sich nicht noch eine Erkältung einzufangen. Rasch zog er sich seine nassen Schuhe draußen aus, huschte in Socken rauf und suchte sich warme und trockene Kleidung aus dem Schrank. Mit dieser verzog er sich nun erst mal im Badezimmer und stellte sich, nachdem er sich entkleidet hatte unter die Dusche. So schnell wie Deidara im Bad verschwand, konnte Itachi gar nicht schauen. Er zog sich jedoch auch aus und wickelte ein Handtuch um sich, das er zuvor aus dem Schrank geholt hatte. Die verbrachte Zeit mit seinem Bruder war wirklich schön gewesen und er war froh, dass er wieder gesprochen hatte. Er wartete im Wohnzimmer und hoffte, dass Deidara nicht lange brauchen würde, da ihm wirklich kalt war. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)