Nicht Zu Spät von scippu ================================================================================ Kapitel 14: Kapitel 14 ---------------------- Als Link ohne auch nur in die Richtung der Stallungen zu sehen auf das Schlosstor zuhielt, quittierte Zelda an diesem Morgen das erste Mal seine Anwesenheit. „Keine Pferde?“, fragte sie knapp – ihr löchriger Stolz gebot es ihr, ihm die Geschehnisse am Abend zuvor, zumindest ein bisschen übel zu nehmen. Auch wenn sie nicht genau sagen konnte, worüber sie sich eigentlich ärgerte. Wahrscheinlich über sich selbst. Link schien es ohnehin nicht zu stören. Er hatte schon immer gut schweigen können. Doch nun, da sie das Wort an ihn richtete, warf er ihr einen kurzen Blick zu. Er wirkte äußerlich ruhig, auf dieselbe beherrschte, disziplinierte Art, die ihn als einen Ritter Hylias auszeichnete, aber Zelda spürte dennoch eine gewisse Anspannung. Für einen kurzen Moment ließ sie die Befriedigung darüber, diese kleine Veränderung seiner Stimmung wahrzunehmen, durch ihren Körper fließen. Vielleicht beschäftigte ihn ebenfalls, was am Abend zuvor vorgefallen war. Etwas von ihrem Unmut bröckelte. „Ja“, antwortete Link ebenso knapp und setzte seinen Weg zielstrebig fort. Keine Pferde, auf dem ganzen Weg nach Phirone. Sie würden Ewigkeiten unterwegs sein. Ein Lächeln wollte sich auf ihr Gesicht stehlen und Zelda fuhr sich mit der Zunge kurz über die Schneidezähne, um den Impuls zu unterdrücken. „Es ist ein langer Weg nach Phirone ohne Pferde“, sagte sie in lauerndem Tonfall, nachdem sie das Schlossportal durchschritten hatten. Links Antwort war ein einziges klickendes Zungenschnalzen. Wie passend, dass die erste patzige Reaktion seinerseits vollkommen wortlos ausfiel. Zeldas Mundwinkel zuckten belustigt. „Ich schätze, eine Pilgerreise ist keine Pilgerreise, wenn man die ganze Strecke jemand anderen für sich laufen lässt“, bemerkte sie leichthin. „Auch wenn wir doppelt so lange brauchen werden“, fügte sie so nonchalant hinzu, als würde sie das Wetter kommentieren – das sich am heutigen Tag so trübe zeigte, dass es keinen Kommentar wert wäre. Link antwortete dieses Mal überhaupt nicht. Er lief einfach stur vor ihr her, den Kopf geradeaus gerichtet, während er sie auf dem kürzesten Weg durch das Labyrinth an kleinen, engen Straßen führte. Es war früh am Morgen, doch die Händler und Bürger waren bereits auf den Beinen und tummelten sich geschäftig in den Gassen und auf den Plätzen. Zelda liebte das bunte Treiben der Stadt, die wehenden Fahnen und Girlanden, die Springbrunnen und glänzenden, blauen Dächer. Die sauberen, ordentlichen Straßen und liebevoll hergerichteten Häuschen, die sich eng aneinander schmiegten. Dennoch war sie Link dankbar, dass er sie so effizient und ungesehen an dem Treiben vorbei führte. Beinahe ohne eines Blickes gewürdigt zu werden, gelangten sie an den Stadtrand und befanden sich draußen auf der grünen Ebene, noch bevor die Stunde vom frühen Morgen zum Vormittag fortgeschritten war.   Sie sprachen nicht viel, während sie den direkten Weg in Richtung Phirone einschlugen. Vorbei an wohlhabenden Farmen und hindurch zwischen dem Flötengras Hügel und dem Bodenlosen Sumpf. Sie übernachteten in einer Herberge am Hylia Fluss, in einem Zimmer mit Balkon, der über die saftige Flusslandschaft hinaus blickte. Der Tag in der freien Natur hatte Zelda gut getan. Ihr Teint fühlte sich frisch an und ihre Glieder angenehm träge, nach dem langen Gang zu Fuß. Einzig und allein Links Schweigsamkeit, ausgelöst durch ihre eigene Unsicherheit ihm gegenüber, störte ihr Wohlgefühl. Selbst während der schmackhaften Mahlzeit aus saftigen Fleischpasteten und süßem Obst hatten sie kaum ein Wort gewechselt. Seufzend warf Zelda ihrem Leibwächter einen Blick über die Schulter zu. Link saß auf dem Holzboden des Zimmers und glättete die Federn an einigen seiner Pfeile, den halb vollen Köcher vor sich auf dem Schoß. Er sah nicht einmal auf, obwohl er ihren Blick bemerken musste. Zelda sah wieder hinaus auf den schnell und gurgelnd dahin fließenden Fluss. Gedankenverloren strich sie mit den Fingerspitzen über das rissige Holz der Balustrade ihres kleinen Balkons. Sanfter Nebel stieg in der kühlen Abendluft vom Wasser auf und spielte mit den immer dunkler werdenden Schatten Verstecken. Manchmal vergaß sie, wie wunderschön das Land war, in dem sie lebte. Selbst wenn die Geheimnisse der Dunkelheit sich darüber legten und man kaum noch sehen, sondern nur noch fühlen konnte, liebte sie Hyrule mit jeder Faser ihres Herzens. Ein kleines, verzweifeltes Stechen durchfuhr sie bei dem Gedanken daran, dass sie es vielleicht nicht würde retten können. Unwillkürlich faltete sie die Hände zu einem Gebet. Sie wandte ihr Gesicht himmelwärts und schloss die Augen. Richtete ihren Geist in die Weite, hinaus in die Welt, hinein in die Zeit.   Bitte, Hylia. Lass mich würdig sein. Lass dieses Land nicht vergehen. Vergib mir meine Verfehlungen. Doch rette dieses Land. Dein Land.   „Ist es nicht ein bisschen früh dafür?“, durchdrang eine Stimme ihr Bewusstsein und die dicke, schwere Decke aus Nichts, die sich um Zelda gelegt hatte, lüftete sich ein wenig. Desorientiert öffnete sie die Augen. Blinzelte gegen das trübe Licht, das sie kurz darauf als Kerzenschein erkannte. „Was-“, murmelte sie mit rauer Stimme und fuhr sich langsam mit der Hand an die Kehle, als könnte sie auf diese Weise die Enge dort loswerden. Sie hatte sich unbewusst zum Herkunftsort der Stimme umgedreht: Link, der nicht länger auf dem Boden saß, sondern seltsam leger in einem der Sessel fläzte. Es war dieser Anblick, der sie wieder zurück in die Welt holte. Sie hatte Link noch nie fläzen sehen. Doch Zelda konnte es nicht anders bezeichnen. Arme und Beine von sich gestreckt, lag er mehr auf dem Rücken, als das er wirklich im Sessel saß. Er hatte den Hinterkopf auf dem höchsten Punkt der gepolsterten Lehne abgelegt und betrachtete sie herausfordernd, einen sardonischen Zug um die Mundwinkel, die Lider halb geschlossen. Auf ihre verwirrte Reaktion hin, hob er langsam eine seiner Augenbrauen. Immer noch herausfordernd. Zelda wusste nur nicht wieso. Sie war immer noch ein wenig benommen, wohl von der Trance ihres Gebets. Sie verstand seine Haltung nicht. Seinen Habitus, der so anders, so viel direkter war. Er wirkte nicht nur herausfordernd, er wirkte beinahe … geladen. Nicht wirklich wütend, auch nicht einfach nur angespannt. Zelda löste sich von ihrer Position auf dem kleinen Balkon und trat zurück in den, nun von ein paar Kerzen erhellten Raum. Sie schloss die Tür hinter sich und zog die Vorhänge vor das Holz, um vor eventueller Zugluft zu schützen. Sie schwieg, als sie zu der Anrichte an der rechten Wand des Raumes ging, um sich aus der Karaffe, die dort stand, etwas Wasser einzugießen. „Wieso hast du mich gestört?“, fragte sie verhalten, nachdem sie einige Schlucke getrunken hatte, und drehte sich dann mit dem Becher in der Hand zu Link um. Sie wusste nicht, ob sie wütend auf ihn sein sollte. Er hatte sie gestört. Sie hatte sich tief in ihrem Gebet befunden. Ein Gebet, das fast ohne Anstrengung zu ihr gekommen war. Aber so tief sie auch in sich suchte, alles, was sie fand war eine beinahe aufgeregte Neugierde. Sie selbst konnte sich vielleicht nicht vorstellen, wieso er sie ganz bewusst aus der Trance gerissen hatte. Aber ihr schneller schlagendes Herz verriet ihr, dass etwas in ihr, daraus bestimmte, hoffnungsvolle Schlüsse zog. Törichtes Mädchen! Zelda runzelte die Stirn. Wollte er ihre Aufmerksamkeit? Nun, so viel war klar. Aber warum? Und wieso jetzt? Den ganzen Tag war er so still wie ein Stein gewesen. Und nun war der Drang, mit ihr so sprechen so stark, dass er den Respekt vor dem heiligen Hintergrund ihrer Abwesenheit absichtlich in den Wind schlug? War er wütend auf sie? Wollte er sie verärgern? Link rutschte noch ein wenig tiefer in den Sessel hinein – insofern das möglich war – und eine gewisse Zufriedenheit tröpfelte über seine Gestalt. Zelda verschränkte die Arme, den halb leeren Becher immer noch in der Hand und legte den Kopf schief, während sie ihn betrachtete. So sehr er sich auch bemühte entspannt auszusehen, schien Anspannung von ihm abzustrahlen wie vor Hitze flimmernde Luft. Die blauen Augen hinter den schweren Lidern – dunkel im Halbschatten des Zimmers – besaßen eine harte, suchende Qualität, als er ihren Blick erwiderte. „Morgen, Prinzessin“, antwortete er und hob dabei sein Kinn, konnte die Angriffslust in der kleinen Geste nicht ganz verbergen. Zelda spürte, wie ihre Augen sich ein wenig zusammenzogen, als sie versuchte schlau aus ihm zu werden. Sie öffnete den Mund, um eine Erklärung zu erlagen, aber Link sprach weiter, bevor sie etwas sagen konnte. „Morgen kannst du in irgendeiner Welt fernab von Raum und Zeit verschwinden. Wenn wir an der Quelle sind. Aber heute …“, ein kleines dunkles Lächeln zeigte sich auf seinen Zügen, „heute bleibst du hier!“ Sie konnte nicht anders. Ihr blieb der Mund offen stehen. Fassungslos starrte sie ihn an. Er starrte zurück. Mit diesem verwirrenden, berechnenden, herausfordernden Ausdruck auf dem Gesicht. Fast schien es so, als würde er sie tatsächlich wütend machen wollen. Und es hätte beinahe funktioniert. Wenn eine Stimme in ihrem Inneren nicht voller Überzeugung dafür plädierte, dass Link sie nie einfach so verletzen wollen würde. Verletzen, verärgern, oder irgendetwas anderes, das ihren Seelenfrieden stören würde. Von ein wenig gutmütigem Spott einmal abgesehen. Sein Verhalten hatte einen Grund. Und vielleicht wusste sie auch welchen. Dieser halbherzige Versuch einen Streit zu provozieren, um die schrecklich aufgeladene Stimmung zwischen ihnen zu entladen, die seit seiner Rückkehr zwischen ihnen herrschte, sollte sie eigentlich nicht belustigen. Es sollte sie froh machen. Aber einmal entlarvt, konnte sie einfach nicht anders, als darüber zu lachen. Vor Glück vielleicht. Weil er die angespannte Atmosphäre ebenso wenig mochte wie sie. Wieso hatte er dann aber den ganzen Tag geschwiegen? Langsam hob Zelda das Kinn. Winkelte den Kopf ein wenig nach hinten. Betrachtete konzentriert den abwarteten Ausdruck auf seinem Gesicht. Dann spitzte sie die Lippen und drehte sich nach hinten, um ihrem halb leeren Becher auf die Anrichte zu stellen. „Meine Güte“, sagte sie in gespielter Empörung, „hast du einen Befehlshaber verschluckt? Seit wann bist du so gebieterisch?“ Link konnte die Überraschung, die ihn bei ihren Worten durchfuhr, offensichtlich nicht ganz verbergen. Seine Augen weiteten sich kaum merklich. Dann huschten in schneller Abfolge eine Reihe anderer Emotionen über sein Gesicht: Verwirrung. Erleichterung. Zufriedenheit. Zelda konnte sehen, wie er sich langsam entspannte. Wie hatte sie diesen blauen Augen nur jemals für ausdruckslos halten können? Es war erstaunlich, wie schnell er sich in den ihr so bekannten Link zurück verwandelte. Tiefe Erleichterung durchfuhr sie. Sie hatte ihn so sehr vermisst. „Es würde mir im Traum nicht einfallen, Euch Befehle zu erteilen, Prinzessin“, antwortete er. Nun nicht länger herausfordernd, sondern mit diesem ihm so typischen selbstironischen Charme. Ein weicher Schauer durchfuhr Zelda, als ihr bewusst wurde, dass er ebenso froh schien wie sie, dass die Luft zwischen ihnen nicht länger vor unterdrückter Anspannung flimmerte. Das Lächeln, das daraufhin aus der Tiefer ihrer Seele heraufstieg, konnte sie nicht ganz unterdrücken. „Ach ja? Dann muss es wohl etwas anderes sein, das dich dazu bringt, mich herumzukommandieren!“ Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, aber er hatte ihr den ein oder anderen Befehl gegeben. Und heute war von dem sonst so mühelos dargebotenen Respekt ihr gegenüber, wenig zu spüren gewesen – nicht dass sie sich daran störte. Links rechter Mundwinkel zuckte. Zelda nutzte den ruhigen Moment, um sich von der Anrichte abzustoßen und ein paar Schritte auf ihn zu zugehen. Sein entspanntes Fläzen wurde wachsamer. Dann ließ sich Zelda auf die gepolsterte Bank fallen, die dem Sessel gegenüber stand. Die mit weichen Federn gefüllten Kissen fingen ihren Schwung ab, trotzdem knackte das hölzerne Gerüst des Möbelstücks, als es ihr Gewicht so plötzlich abfangen musste. Links amüsierter Blick flackerte an der Bank hinunter, suchte wahrscheinlich nach Anzeichen akuter Gefahr, rührte sich aber ansonsten kein Stück. Zelda ignorierte ihn und kickte ihre Stiefel von den Füßen. Erst als sie die Beine angewinkelt hatte und dabei war, sich in eine bereitliegende Decke aus fröhlich bunt gefärbter Wolle zu wickeln, richtete sie das Wort an ihn. „Ich hoffe, du kannst mit etwas Gutem als Entschädigung aufwarten“, sagte sie und wackelte mit der Schulter, damit die Decke an ihrem Schulterblatt keine unangenehmen Falten warf, „jetzt wo du mich von meiner Andacht abgehalten hast.“ Sie zog erwartungsvoll eine Augenbraue hoch und sah Link an. Sein Blick wanderte über ihre Gestalt, die angezogenen Knie, die wollene Decke und blieb schließlich an ihrem Gesicht hängen. Fixierte sie mit seinen auffallenden Augen. Zelda redete sich ein, dass das wohlige Kribbeln in ihrem Bauch, mit der plötzlichen Wärme ihres Überwurfs zu tun hatte, nicht mit seiner Musterung, die sich nur in ihrer Einbildung wie ein sanftes Streicheln angefühlt hatte. Seine halb liegende Position, der zurückgeworfene Kopf, die halb geschlossenen Lider verliehen ihm eine sinnliche Aura, von der er nicht wissen konnte. Und die ganz sicher nicht gewollt war. Zelda stählte sich gegen den Effekt, den er auf sie hatte. Sie würden ein ganz normales Gespräch führen. So wie sie es schon vorher getan hatten, bevor ihr Herz angefangen hatte, verrückt zu spielen. Wenn sie Links Worten, wenn sie dem Schwert Glauben schenkte, dann taten sie das bereits seit Jahrhunderten: Gespräche führen. Freunde sein. Sie waren Freunde. Ein warmes Gefühl breitete sich in ihrer Brust aus, das rein gar nichts mit der leichten Wolle der Decke zu tun hatte. „Wie wäre es mit einem Bericht über die Fischleute?“, schlug Zelda mit einem gespielt überlegten Ausdruck auf dem Gesicht vor. Link ließ ein uncharakteristisch lautes Schnauben verlauten. „Sie haben es nicht besonders gern, wenn man sie so nennt“, antwortete er sardonisch. „Glaub mir!“, fügte er hinzu und Zelda wollte schon nach dem Grund für die Sicherheit in seiner Stimme zu fragen. Aber sie ließ davon ab, da sie so vieles andere wissen wollte. „Erzähl mir von Mipha! Wie kommt sie mit Ruta voran?“ Link zuckte kurz mit den Schultern, eine Bewegung, die wegen seiner Position und der Polsterung des Sessels ein wenig unrund ausfiel. „Sie scheint keine Probleme zu haben, den Titanen als volles Mitglied der zoranischen Bevölkerung einzubinden“, sagte er und richtete sich ein wenig in seinem Sessel auf. „In meiner kurzen Anwesenheit hat sie ihn dazu gebracht ein Stück Land unterhalb der Klippen zu bewässern, einen Sprühnebel zur Erheiterung eines ganzen Kindergeburtstages zu erzeugen und hat mit seiner Hilfe eine Gruppe Veteranen in Schnelligkeit und Reflexen trainiert.“ Wieder zuckte er mit den Schultern. Diesmal war es eher ein Beiwerk zu der lockern Art wie er über seinen Besuch sprach. Es war wirklich erstaunlich, auf wie viele Arten er mit den Schultern zucken konnte. Zelda lächelte. „Sie war von Anfang an die Begabteste unter den Recken.“ Ihr Lächeln wurde breiter. „Wahrscheinlich, weil sie zu Ruta eine besondere Verbindung gespürt hat und ihn als mehr als eine Kampfmaschine betrachtet.“ Sie runzelte die Stirn, als sie an Revali dachte. „Oder als Möglichkeit dem eigenen Namen mehr Ruhm beizumessen.“ Ihr Stirnrunzeln verlor sich, als sie in Gedanken wieder zu Mipha zurückfand. Sie lehnte sich ein wenig entspannter gegen die weiche Lehne der gepolsterten Bank. „Ich weiß auch nicht, wieso mich ihr Talent so überrascht.“ Zelda schlang die Arme um ihre angezogenen Knie und starrte auf die Maserung der Sitzpolster. Eine filigrane Ranke überzog die schneeweißen Kissen, gefolgt von den roten Tupfern zarter Blüten. Eine hübsche, sehr feine Arbeit für ein einfaches Zimmer in einer einfachen Herberge, die dem Raum eine elegante Note verlieh. „Vielleicht habe ich in ihr nur die Prinzessin gesehen“, murmelte Zelda. Eine Weile war nur das schnelle Rauschen des Flusses zu hören, dessen entferntes Raunen sogar durch die geschlossenen Fenster an ihre Ohren drang. Dann knarzte Links Sessel und Zelda sah auf. Er hatte sich aufgerichtet und betrachte sie mit einem eindringlichen Blick. „Du bist voller Zweideutigkeit in den letzten Tagen, was?“ Zelda blinzelte und runzelte verwirrt die Stirn. Verstand nicht. Zweideutig? Wann hatte sie sich zweideutig ausgedrückt? Dann fiel es ihr ein. Die Sache mit dem Prinzessinenenzian. Da hatte sie von den Parallelen ihres eigenen Lebens zu dem der Pflanze gesprochen. Und Link hatte sie verstanden. Hatte ihre Worte sogar an gestrigen Abend wiederholt und als Begründung für ihre Pilgerung zur Quelle des Mutes herangezogen. Und jetzt hatte er ebenfalls aufgeschnappt, dass sie eigentlich nicht allein von Mipha gesprochen hatte. Sondern von ihrem eigenen Versagen als Prinzessin, das sie auf Mipha übertragen und ihr unbewusst Kompetenz abgesprochen hatte. Zelda öffnete den Mund, um ihm zu antworten. Um ihm zu erklären, dass sie nicht beabsichtigt hatte, das Thema auf sich zu lenken. Dass es ihr, ohne nachgedacht zu haben, herausgerutscht war. Aber bevor sie etwas sagen konnte, seufzte er und etwas in seinem Blick wurde sanft. „Es gibt viele Arten von Stärke, Zelda“, sagte er leise. Seine blauen Augen suchten ihre, dunkel im flackernden Halblicht der Kerzen und von den Schatten, die seine dichten Wimpern auf seine Wangen warfen. Zelda atmete tief ein und bewegte abwehrend den Kopf, ein abgebrochener Halbkreis, der damit endete, dass sie die Mundwinkel nach unten zog und die Augen schloss. Sie wollte nicht über ihr Versagen reden. Nicht schon wieder. Sie wollte seine ermutigenden, vertrauensvollen Worte nicht hören. Sie wollte dieses berauschende Gefühl der Hoffnung nicht spüren. Nicht die zittrige Unsicherheit, die darauf folgte. Was, wenn sie diese Erwartungen am Ende doch enttäuschte? Wie viel schlimmer wäre es, vor Links unerschütterlichem Vertrauen in sie, nicht bestehen zu können, als vor dem restlichen Land; ihrem Vater. Die ohnehin nicht an sie glaubten. Zeldas Brust hob sich in einem schweren Atemzug. Sie öffnete die Augen. Begegnete Links suchendem Blick entschlossen.   „Du wolltest mir doch von Mipha erzählen!“ Link brauchte eine Weile, um zu antworten. Sie konnte den exakten Moment sehen, in dem er ihrem Streben nach einem Themawechsel nachgab. Ein unhörbares Seufzen durchfuhr ihn und er besah sie mit einem Blick nachsichtiger Enttäuschung, auf den Zelda sich nicht einlassen würde. Dann bewegte er sich ein wenig in seinem Sessel. Nahm, angesichts der abfallenden Ernsthaftigkeit, eine gelassenere Haltung ein. „Wollte ich das?“ „Du konntest es kaum erwarten“, sagte Zelda und ihre Augen wurden schmal. Drohte ihm mit Tonfall und Mimik jetzt bloß nicht ironisch zu werden. Sein Gesicht nahm einen gequält belustigten Ausdruck an, der auf seinem hübschen Gesicht beinahe komisch aussah. Er ließ einen ergebenen Laut ertönen, irgendetwas zwischen einem Stöhnen und einem Summen. „Mipha richtet Grüße aus“, sagte er irgendwann und betrachtete Zelda mit einem Blick, der ihr wohl zeigen sollte, dass er davon ausging, das würde als Bericht seines Besuchs genügen. „Ja“, entgegnete Zelda ein wenig ungeduldig. „Schön. Und weiter?“ Sie löste ihre rechte Hand von ihrem Schienbein und gestikulierte kurz, dass er weiter sprechen sollte. Woraufhin Link doch tatsächlich die Augen zur Decke verdrehte. „Sie ist der Augapfel ihres Vaters, der Stern ihres Volkes und die Heldin ihres Bruders. Bald wird der oberste Bildhauer die Statue von ihr beendet haben, an der er seit Monaten arbeitet.“ Eine schmale Augenbraue zog sich nach oben. Eine stumme Herausforderung. Zelda sah ihn einfach nur weiter an. Genoss diese nicht ernst gemeinte Stichelei, das Gefühl von Vertrautheit und Freundschaft. Von Normalität. Link musste es ebenso gehen, denn seine Mundwinkel zuckten in diesem Halblächeln, bevor er die Tirade vollkommen aufgab und begann von seinem kurzen Ausflug in das Reich der Zoras zu erzählen. Und Zelda genoss es ihm einfach nur zu zuhören. Genoss seine lockere, entspannte Haltung. Liebte es, wie er von Mipha und den Zoras berichtete. Wie er deren Art zu sprechen nachahmte, wann immer er eine der Lobworte für Mipha aus den Mündern eines ihrer Untertanen wiedergab. Seine scharfen Z's und S-Laute brachten Zelda so sehr zum Lachen, dass sie sich irgendwann krümmend die Tränen aus den Augen wischen musste. Auf ihr Nachfragen hin berichtete er ihr von Sidons Fortschritten beim Hinaufschwimmen von Wasserfällen und beim Gedanken an den kleinen Charmeur lächelte Zelda wehmütig. Er erzählte ihr, dass Mipha die Wunde an seinem Arm geheilt hatte, während sie auf dem höchsten Punkt des Wassertitanen saßen – inmitten von wehendem Wind und feinem Sprühnebel aus Rutas Rüssel, ganz Hyrule zu ihren Füßen. Wie schade, dass Mipha nie Hilfe bei der Steuerung des Titanen benötigt hatte. Zelda hätte nur zu gern dieselbe Aussicht genossen. Während sie der Vorstellung nachhing, bemerkte sie zuerst nicht, dass Link still geworden war. Erst nach einer Weile sah sie seine gerunzelte Stirn und den nachdenklichen Gesichtsausdruck. „Was ist los?“, fragte sie unvermittelt und hätte sich für ihre Neugierde am liebsten sofort auf die Zunge gebissen. Link blinzelte und sah auf, anscheinend aus tiefen Gedanken aufgeschreckt. „Hm?“ „Du warst auf einmal so weggetreten.“ Kurz sah er so aus, als würde er nicht antworten. Dann straffte sich etwas in ihm und er begegnete ihrem Blick beinahe forsch. „Oh. Ja. Ich habe über etwas nachgedacht, das Mipha gesagt hat.“ Wenn er darüber sprechen wollen würde, hätte er ihr jetzt erzählt, was genau Mipha gesagt hatte, das ihn jetzt so nachdenklich stimmte. Er hatte es nicht getan. Deswegen wollte er nicht, dass Zelda es wusste. Trotzdem konnte sie nicht anders, als nachzuhaken. „Was hat sie gesagt?“, fragte sie zögerlich. Irgendetwas Intuitives in ihrem Inneren sagte ihr, dass sie es vielleicht gar nicht wissen wollte. Ein bedauernder Ausdruck huschte über Links Gesicht. Dann trat unversehen eine Härte in seine Augen, die Zelda zurückschrecken ließ. „Es ist Zeit Schlafen zu gehen, Prinzessin“, sagte er, anstatt zu antworten und erhob sich abrupt. Es war in Ordnung. Zelda versuchte, sich das zumindest einzureden. Es war in Ordnung, wenn er nicht darüber sprechen wollte. Und sie sollte wirklich nicht verletzt sein. Aber der Wunsch, dass er sich ihr offenbart hätte, löste sich trotzdem nicht in Luft auf.   *   Zelda wusste, dass sie erleichtert sein sollte. Zwischen Link und ihr war alles wie zuvor. Normal. Wie vor den Geschehnissen am Todesberg und am königlichen Institut. Bevor sie verstanden hatte, dass sie ihn mit aller Macht ihres kleinen, törichten Herzens liebte und ihn damit in Gefahr gebracht hatte. Bevor sein eigener Vater das Gefühl gehabt hatte, ihn zur Rechenschaft ziehen zu müssen und ihn im Kampf der darauf folgte, verletzt hatte. Bevor Link sich von Mipha hatte heilen lassen und Zelda dafür allein hatte lassen müssen. Bevor Rafayl sie mit süßen Worten eingehüllt und sie sich deswegen mit Link gestritten hatte. Sie redeten miteinander. Tauschren Blicke und kleine, unschuldige Gesten. Sie sorgte für sein Frühstück, er für ein Kissen, auf dem sie schlafen konnte, wenn sie an der Quelle des Mutes ihr Lager aufschlagen würden. Er zog sie damit auf, dass sie es überhaupt nicht eilig zu haben schien, in Phirone anzukommen und den Morgen vertrödelte. Sie lachte über die Pedanterie, mit der er das Bannschwert auf seinem Rücken zurechtrückte, bis er mit dessen Position zufrieden war. Alles war gut. Wirklich. Er machte sich keine Sorgen um die Gerüchte, die im Schloss auf sie lauerten. Er war nicht befangen in ihrer Gegenwart. Er war nicht wütend. Bei den guten Göttinnen, er hatte sogar darüber gelacht, als Zelda es kurz zur Sprache gebracht hatte. Und sie war erleichtert. Doch sie kam nicht umhin, sich die Vehemenz, mit der er diese Gerüchte über sie als lächerlich abtat, ein wenig zu sehr zu Herzen zu nehmen. Zelda wusste, dass sie zu empfindlich war. Schließlich hätte sie diese Reaktion von ihm überhaupt nicht gebraucht, um zu wissen, dass er für sie sowieso nicht mehr als platonische Ergebenheit und Loyalität empfand. Sie wusste es bereits. Und es war gut so. Zelda wusste, dass sich ihrer beider Situation dramatisch verkomplizieren würde, wenn er etwas anderes für sie empfinden würde. So etwas, wie es in Sinder & Jawine beschrieben war, dem Buch das nun unter ihrer Matratze versteckt war. Aber stattdessen war sie enttäuscht. Und ein kleines bisschen wütend. Vielleicht fielen ihre Sticheleien deswegen heute besonders kreativ aus. Glücklicherweise schien Link das aber nicht verdächtig zu finden. Er lachte nur weiterhin gutmütig, wenn sie ihm scherzhafte Ritternamen gab, oder versuchte ihn an den Haaren zu ziehen – was ihr nicht ein einziges Mal gelang. Lag es an ihr? Rafayl hatte doch Interesse an ihr gezeigt. Wenn das auch nicht ernst gemeint und zudem äußerst oberflächlich war. Zelda zweifelte zwar stark daran, dass Link mit seinen Vermutungen über die unehrenhaften Absichten des Barden richtig lag. Wahrscheinlicher war, dass sie der überfürsorglichen Natur ihres Leibwächters entsprangen. Außerdem wusste Zelda, dass Rafayl sie nicht wirklich begehrt hatte. Dennoch hatte Zelda seine Aufmerksamkeit genossen. Sie hatte sich geschmeichelt gefühlt. Auch wenn es nur ein Spiel gewesen war. Stirnrunzelnd dachte Zelda darüber nach, während sie Link durch die dichte Landschaft des Damsel Waldes folgte. Konnte sie keine echten Gefühle, keine wahre Leidenschaft wecken? Würde sie nur wegen ihrer Geburt, ihrer Rolle in der Geschichte Hyrules Bewunderung inspirieren, aber keine tief empfundene, herzerfüllende Liebe? Diese Art der Selbstzweifel waren neu für Zelda. Und sie mochte sie nicht. Sie zurückzudrängen, viel ihr deswegen schwer. Oder war es Link? Würde er sich überhaupt erlauben, je auf diese Weise zu empfinden? Für irgendjemanden? Zelda warf dem Rücken ihres Leibwächters einen nachdenklichen Blick zu. Das Licht der Sonne spielte mit den dichten Baumkronen Verstecken und tauchte Links aufrechte Gestalt in ein Wechselbad aus Hell und Dunkel. Sie befanden sich auf Höhe des Banmesa Sees und hatten einige Zeit des Schweigens hinter sich. Das war in Ordnung. Zelda stand der Sinn nicht mehr nach Reden. Es war zu warm und sie waren zu lange gelaufen. War es lächerlich, dass sie sich wünschte, Links Verhalten gegenüber Rafayl hätte nicht Sorge, sondern Eifersucht zugrunde gelegen? Ja. Es war lächerlich. Trotzdem gestattete sie sich, diesem Tagtraum nachzuhängen. Sie hatte ohnehin nichts Besseres zu tun. Schließlich kam sie auf ihren vorherigen Gedanken zurück. Hatte Link Erfahrung in der Liebe? Die Vorstellung verhalf Zelda zu heißen Wangen und einen noch schwitzigeren Nacken. Ungerichtete Eifersucht und unerträgliche Neugierde ballten sich zu einem pulsierenden Knoten und sie musste sich gegen den heftigen Impuls zur Wehr setzen, die wenigen Schritte zu Link vor zu sprinten und die Antworten auf ihre unzähligen Fragen aus ihm herauszuschütteln. Himmel. Als wäre sie für diese Antworten bereit. Sie dachte an Sinder & Jawine und ihre Phantasie beschwor eine Abfolge bewegter Bilder vor ihrer Stirn herauf. Ineinander geschlungene Körper. Heißer Atem. Sinnliche Berührungen. Nur dass die Gesichter nicht länger die von Fremden waren, geschmolzen aus den Beschreibungen des Buches, sondern ihr eigenes. Und das von Link. Beinahe wäre Zelda gestolpert. Gerade noch rechtzeitig konnte sie sich fangen. Schockiert starrte sie den Boden an. Sie würde schnell ein Lochen finden und darin versinken müssen, wenn Link sie jetzt ansprechen würde. Oder sie berühren würde. Ein Schauer durchfuhr sie. Sie war sich sicher, dass ihre Gedanken so offensichtlich waren, dass sie sich durch ihre Stirn brannten. Für jedermann zu sehen. Für ihn zu sehen! Glücklicherweise hatte ihr Leibwächter genug damit zu tun die Umgebung im Auge zu behalten. Er drehte sich nicht zu ihr herum. Und ein wenig ihrer kostbaren Würde blieb erhalten. Nach einigen Schritten beruhigte sich auch Zeldas Herzschlag wieder. Wenn die klebrig schweißige Feuchtigkeit in ihrem Nacken auch bestehen blieb. Aber wahrscheinlich würde die sich erst mit der rituellen Reinigung in der Quelles des Mutes verflüchtigen. Erleichtert atmete Zelda auf und unwillkürlich fanden ihre Gedanken zurück zum Thema. Links Gefühle. Beziehungsweise deren Abwesenheit. Oder hatte es einmal jemanden für ihn gegeben? Himmel, gab es jemanden in seinem Leben und Zelda wusste nichts davon? Aber das war nicht möglich oder? Er hätte keine Zeit dazu. Aber nur weil er nicht die Möglichkeit hatte, eine Liebschaft zu unterhalten, während er als ihr Leibwächter diente, hieß das nicht, dass nicht irgendwo ein Mädchen auf ihn wartete. Oder dass er auf seinen Reisen nicht die Zuneigung und Gesellschaft von zarten Armen genossen hatte. Ohne eine bewusste Verknüpfung schallten ihr Urbosas gefühlt so lang vergangene Worte durch den Kopf. Einige meiner Kriegerinnen kennen ihn. Damals hatte sich Zelda nicht viel dabei gedacht. Aber jetzt fragte sie sich, ob es mehr damit auf sich hatte. Zelda spürte, wie sich ihre Stirn zusammenzog, als sie zu entscheiden versuchte, ob die Vorstellung sie störte oder nicht. Hätte sie eher ein Problem damit, wenn Link der Liebe mit Abwehr gegenüberstand oder er sich für dergleichen einfach nicht interessierte? Oder wäre es schlimmer, wenn er solche Gefühle durchaus empfand, allerdings für ein unbekanntes Mädchen? Während die erste Vorstellung sie mit stumpfer Traurigkeit erfüllte, ließ der Gedanke an eine Armee aus gesichtslosen Frauen, die Link glücklich machen konnten, einfach nur, weil sie anders waren als Zelda, eine Stichflamme zielloser Eifersucht in ihr auflodern. Nun, das erklärte zumindest die Frage danach, womit sie größere Schwierigkeiten hätte. Dann tanze Miphas Gesicht vor ihrem inneren Auge vorüber. Mipha, mit ihrer sanften Stimme, ihrer juwelenbesetzten Eleganz und der Fähigkeit einen wilden Bären mit einem gezielten Hieb ihres Speeres aufzuspießen. Mipha mit den heilsamen Händen. Mipha, die eindeutig Gefühle für Link hegte. Die Falte auf Zeldas Stirn wurde noch ein wenig tiefer. Dass Mipha Link auf ihre stille Weise heftig bewunderte und wahrscheinlich innig liebte, war Zelda schon so früh klar gewesen, dass sie nie weiter darüber nachgedacht hatte. Vor allem hatte sie sich nie gefragt, ob Link davon wusste. Und wie es um ihn bestellt war. Mit der Plötzlichkeit eines Wassereimers, der über ihr ausgeleert wurde, durchfuhr Zelda eine kalter, feuchter Schauer. Er war dort gewesen. Bei Mipha. Alleine. Für einen Moment musste Zelda all ihre geistige Kraft darauf verwenden, sich zum Weitergehen zu zwingen. Dann fand sie in den gewöhnten Rhythmus ihrer Atmung zurück und ihr Herzschlag beruhigte sich so weit, dass sie einige logische Gedanken zu fassen bekam. Er war nicht lange dort gewesen. Er war nicht freiwillig gegangen, sondern der König hatte ihn angewiesen zu gehen. Link würde nicht lügen. Er hatte nicht gehen wollen. Aber etwas war vorgefallen, während er sich dort aufgehalten hatte. Etwas, das ihn verschlossen und nachdenklich machte. Etwas, das ihn gestern dazu gebracht hatte, sich von ihr abzuwenden, obwohl es offensichtlich etwas zu berichten gab. Zelda hob die Hand, um sich am Schlüsselbein zu kratzen, wo ein kleiner Tropfen Schweiß ein unangenehmes Kribbeln hinterlassen hatte. Die warme, schwüle Gegend von Phirone war in ganz Hyrules wohl am wenigsten geeignet, um wilde Büsche paranoider Wahnvorstellungen im eigenen Kopf wachsen zu lassen. Aber Zelda konnte sich nicht stoppen. In ihren Gedanken erdachte sie ein Szenario nach dem anderen. Fügte Fiktion an Fiktion und kam einer nachvollziehbaren Lösung trotzdem nicht näher. Wenige Schritte später war sie kurz davor, sich mit der flachen Hand vor die Stirn zu schlagen, nur damit es endlich aufhörte. Ihr Blick fiel erneut auf Links Rücken. Würde er erneut abweisend reagieren, wenn sie ihn einfach fragte? Wahrscheinlich. Aber vielleicht würde er es ihr erzählen, wenn sie nicht nachgab. Wenn das auch die für sie am wenigsten schmeichelhafteste Lösung war. Zelda verfiel ins Grübeln. Und ergab sich bereits nach wenigen Augenblicken. Es war einfach zu heiß, um lange standfest zu bleiben. Vielleicht würde es Link ja ebenso gehen. Mit dem letzten Bisschen ihres Stolzes, tat die das Beste was sie tun konnte, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen, ohne ihn direkt zum Warten auffordern zu müssen: Sie blieb stehen. Er machte genau drei Schritte, dann stoppte auch er. Drehte sich um. Auf diese ganz bestimmte Art und Weise, die ihr das Herz hinauf in den Hals schlagen ließ. Nicht auf den Ballen und mit einer Drehung. Sondern mit einem seitlichen Schritt. Es war etwas so Link-typisches. So vertraut. Zelda lächelte. „Was ist los?“ Sie nahm sich die Zeit, ihn zu betrachten. Halb zu ihr umgedreht, der Griff des Bannschwerts über seiner Schulter, das blonde Haar in Strähnen um Kopf und Schulter. Das Aufblitzen von Blau an den Ohren. Rauschende Zärtlichkeit durchflutete ihre Brust und Zelda musste sich auf die Innenseite ihrer Unterlippe beißen, um nicht ebenso verliebt zu lächeln, wie sie sich fühlte. Stattdessen setzte sie sich in Bewegung. Überbrückte die Distanz zwischen ihnen. Zelda betrachtete ihn von der Seite, während sie nebeneinander herliefen, nahm den Blick von ihm, außer wenn sie den Weg vor neu auskundschaftete, um nicht in Gefahr zu laufen zu stürzen. Link schien es erst gar nicht zu bemerken. Dann drehte er immer häufiger den Kopf zu ihr. Begegnete ihrem forschenden Blick mit leicht amüsierter Verwirrung. „Was?“, fragte er mit dieser irritierten Belustigung in der Stimme, die seine Mundwinkel zu einem Lächeln formte. Zeldas Augen wurden schmal, während sie ihn konzentriert anstarrte. „Ich frage mich“, begann sie rätselhaft und brach dann ab, legte den Kopf schief und grub ihre untere Zahnreihe in die Oberlippe. Link hob eine Augenbraue. Fragend. Auffordernd. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er nicht weiter nachhaken würde. Entweder sie sprach aus, was ihr im Kopf herumging, oder sie tat es nicht. Selbst wenn es ihn brennend interessierte, würde er sie nicht drängen. Sie entließ ihre Oberlippe aus dem nagenden Griff ihrer Zähne. „Ich frage mich“, begann Zelda erneut, „was eine zarte Seele wie Mipha gesagt haben könnte, dass es dem Helden Hyrules seine stets so unantastbare Ruhe geraubt hat.“ Bereits während Zelda sprach, spürte sie, wie Link sich anspannte. Er warf ihr einen gequälten Blick zu und machte sich dann mit großer Geste daran, die großen Blätter einer Bananenstaude aus dem Weg zu biegen. Nach wenigen Schritten seufzte er und betrachtete sie mit einem Ausdruck ebenso amüsierter wie verdrossener Kapitulation auf dem Gesicht. „Ich hätte es wissen sollen“, sagte er und eine Falte bildete sich zwischen seinen Augenbrauen. Dennoch wirkte er nicht wirklich abweisend. Zelda gestattete sich ein kleines triumphales Hüpfen in ihrem Inneren. „Also?“, hakte sie nach, während sie ihm durch den dichter werdenden Dschungel folgte. Ihr Gefühl sagte ihr, dass es nicht mehr allzu weit bis zur Quelle war. Dieses Mal brauchte Link so lange bis er antwortete, dass Zelda sich innerlich schon zu einem erneuten Vorstoß wappnete. Doch dann stieß er ein tiefes Seufzen aus, als der letzte Widerstand in ihm brach und er begann zu sprechen. „Meine Freundschaft zu Mipha war immer geprägt von einer gewissen Wildheit“, sagte er zögerlich, als wüsste er nicht so ganz, wo er beginnen sollte. „Als ich sie kennenlernte, waren wir uns sehr ähnlich.“ Er warf ihr einen schnellen Blick zu und gestikulierte erklärend mit der Hand. „Wir waren gleich groß und liebten das Abenteuer. Die Wildnis und das Kämpfen.“ Er lachte kurz, während seine Augen irgendwie nach vorne starrten, durch die dichte grüne Feuchtlandschaft hindurch in die Vergangenheit. „Zumindest was wir damals für Kämpfen hielten.“ Mit einem Lächeln in Zeldas Richtung fand er wieder in die Gegenwart zurück. „Ich mochte sie, weil sie das erste Mädchen war, das ich kannte, mit dem man raufen konnte.“ Zelda erwiderte sein Lächeln, während sie dem inneren Bild in ihrem Kopf Raum gab. Ein kleiner, draufgängerischer Link und eine spitzbübische Mipha, die sich lachend jagten und ihre Grenzen und Fähigkeiten austesteten. „Aber das hielt nicht lange an“, fuhr Link fort und ein ernster Schatten huschte über sein Gesicht. „Mir war es nicht sofort klar, weil ich es nicht verstehen konnte, aber unsere Wege kreuzten sich in einer Zeit, in der unsere Leben für einen kurzen Moment im gleichen Takt schlugen.“ Wieder schweifte sein Blick in die Ferne. „Aber ich bin voran galoppiert, mit einem Schwert in der Hand und einem Bogen in der anderen, während Mipha zurückblieb, um mir hinterher zu sehen.“ Link wandte ihr wieder den Blick zu. Das offene Bedauern auf seinem Gesicht sandte ihr ein Stich durch das Herz. „Es war so schnell vorüber, dass wir Beide es erst nicht begriffen haben. Aber irgendwann wurde mir klar, dass ich nicht der Freund sein kann, den Mipha wünscht und braucht. Und dann ...“ Er fuhr sich mit der Hand durch das Haar. Eher eine Geste die zeigte, dass es ihm nicht unbedingt angenehm war über das Thema zu sprechen, als das wirkliche Verlangen die dicken, goldenen Strähnen zu ordnen, „und dann kamen die ersten Träume.“ Zelda wusste sofort, von welchen Träumen er sprach. Das Bannschwert, das ihn zu sich rief. Die Verantwortung, die auf ihm lastete, sein Leben, das sich mit einem Schlag änderte. „Das muss schwer gewesen sein“, sagte sie leise. „Ich habe nie darüber nachgedacht, aber ich bin mit den Geschichten aufgewachsen.“ Sie warf ihm einen kurzen Blick zu, den er mit derselben Konzentration erwiderte, mit dem er alles tat, das ihm wichtig war. Ermutigt sprach sie weiter. „Ich wusste, was mein Leben für mich bereithalten würde. Von Anfang an. Aber du dachtest, dein Leben würde in anderen Bahnen verlaufen. Für dich muss es ein großer Schock gewesen sein.“ Link schwieg und betrachtete den kleinen, schmalen Pfad, auf dem sie nun liefen. Schließlich zuckte er mit den Schultern. „Ich habe auch nie wirklich darüber nachgedacht“, gab er zu, klang aber nicht wirklich erstaunt von dieser Erkenntnis. „Aber ich schätze, dass mein Leben nicht so viel anders verlaufen wäre. Immerhin wäre ich sowieso Ritter geworden.“ Er lächelte sie kurz an. Ein Aufblitzen von ehrlicher Belustigung und der ihm so eigenen, entwaffnenden Ironie. „Vielleicht wäre ich ohnehin dein Leibwächter geworden.“ Zelda konnte sein Lächeln nicht erwidern. Stattdessen betrachtete sie ihn schweigend, während sie darüber nachdachte, dass dieser Gedanke ihr nicht neu war. Wahrscheinlich wären sie sich tatsächlich auf eine ähnliche Art begegnet, selbst wenn er nicht der Auserwählte des Schwertes gewesen wäre. „Ich schätze, es spielt ohnehin keine Rolle“, sagte er und riss Zelda damit aus ihren Gedanken. Sie sah ihn fragend an. „Schicksal, der Plan der Göttin. Mir scheint, dass es nur diese eine Möglichkeit für uns gab. Von Anfang an“, erklärte er mit einer ruhigen Akzeptanz in der Stimme, die Zelda wie so oft beschämte. „Du meinst, dass wir ohnehin nie eine Wahl haben, wie unser Leben verlaufen wird?“, fragte sie irgendwann, nachdem sie einige Zeit schweigend nebeneinander hergegangen waren. Aus dem Augenwinkel sah Zelda, dass er mit den Schultern zuckte. „Ich weiß es nicht“, sagte er und klang rein gar nicht so, als würde ihn diese Tatsache stören. „Aber ich denke, dass es ohnehin vor allem darauf ankommt, wie wir mit dem umgeben, das das Leben für uns bereit hält.“ Seine Aussagen warfen so viele Fragen auf, dass Zelda davor kapitulieren musste. Bevor ihr Verstand begann sich zu überschlagen, ließ sie in ihrem Kopf eine Blockade herunter. Versuchte sich zu sammeln, um ihre geistigen Kapazitäten wieder in die Aufnahme des ursprünglichen Gespräches fließen zu lassen. „Wieso glaubst du, dass du nicht der Freund sein kannst, den Mipha braucht?“, fragte sie und betrachtete ihn von der Seite. Link schien nicht überrascht, dass sie das Thema wieder aufnahm. Aber er ließ sich Zeit mit seiner Antwort. „Während sie mich geheilt hat, saßen wir auf dem Titanen“, begann er nachdenklich. „Und sie hat gesagt, sie würde gern mehr Zeit mit mir verbringen. Nachdem die Gefahr, die die Verheerung darstellt, gebannt ist.“ Zelda runzelte die Stirn, als Link nicht weitersprach. Sie begriff erst nach einem Augenblick, dass das die Erklärung gewesen war. Etwas in seinen Worten stimmte sie nachdenklich. Ließ sie eine tiefer gehende Botschaft vermuten, wenn die Unschuld dieses Wunsches, sie auch kurz ratlos hinterließ. Zelda sah zu Link hinüber. Zwischen seinen Augenbrauen hatte sich eine konzentrierte Falte gebildet. Er wirkte unzufrieden und angespannt. Vorsichtig setzte Zelda dazu an, zu sprechen. „Link-“, begann sie und brach dann wieder ab. Nicht sicher, ob sie sagen sollte, was sie sagen wollte. Nicht sicher, wie sie es sagen sollte. „Ist dir bewusst, dass Mipha ...“, wieder stoppte sie. „Ich meine, dass sie... dass ihre Gefühle-“ Bevor sie weiter sprechen konnte, wurde sie von Link unterbrochen. „Ich bin kein Dummkopf, Zelda“, sagte er so harsch, dass sie erschrocken den Kopf hob. Ihre Augen wurden groß und sie warf ihm einen überraschten Blick zu. Sie war schon dabei den Kopf zu schütteln, um abzustreiten, dass sie das hatte sagen wollen, doch er hob die Hand. um sie zu unterbrechen. „Mipha ist wundervoll. Sanftmütig und warmherzig. Ihrem Volk treu und ehrenhaft ergeben. Sie ist stark. Und wunderschön.“ Der Granit, aus dem sein Gesicht für einen Moment gemeißelt zu sein schien, schmolz bei seinen Worten dahin. Ein erschöpfter, gequälter Ausdruck huschte über seine Züge. „Ihre Gefühle ehren mich“, fuhr er fort, nun mit einer gebrochenen Qualität in der Stimme, die Zelda das Herz gebrochen hätte, wäre sie nicht so schrecklich angespannt gewesen. Von der Angst, der Hoffnung, der wilden Freude Einblick in die Tiefe seiner Gefühle zu erhalten. „Aber ich bin nicht frei.“ Der Nachdruck in seiner Stimme, machte aus dieser einfachen Feststellung ein Mantra. Freude blubberte in Zeldas Brust auf, nur um, wie eine Schneelawine in ein tiefes Tal der Verzweiflung zu stürzen. Er war nicht frei... Was sollte das bedeuteten. „Ist das wahr?“, hauchte Zelda und blieb stehen. Link erwiderte ihren Blick nicht sofort. Die Spannung, die plötzliche Erkenntnis, dass die Antwort auf diese Frage alles ändern konnte, war kaum aushaltbar. Dann hob Link den Kopf und Zelda befand sich inmitten des Lichtkegels seiner kristallenen Augen. Und alles Denken verdampfte unter der plötzlichen Hitze des Augenblicks. Er betrachtete sie mit einem unlesbaren Blick. Zelda erkannte Bewegung hinter seiner verschlossenen Miene. Aber sie wusste nicht, was sie da sah. Eine ruhelose Qualität huschte über sein Gesicht, dann wandte er den Blick ab. „Mein Leben gehört dir“, antwortete er, ebenso ernst und nachdrücklich wie immer und doch lauerte etwas in seiner Stimme, das es ihr schwer machte zu atmen. Mit großen Augen verfolgte sie, wie er sich von ihr abwandte und von Neuem einen Weg durch das dichter werdende Gelände bahnte. War es Frustration gewesen, die sie gehört hatte? Bedauern? Sie hatte so oft darüber nachgedacht, was seine Pflicht als ihr Leibwächter für sein Leben bedeuten würde. Dass es ihm nicht möglich wäre, eine eigene Familie zu gründen, sein eigenes Leben zu leben, während er das ihre schützte. So wie es auch für die Leibgarde des Königs der Fall war. Ihn selbst darüber sprechen zu hören, so vorsichtig er sich dem Thema auf genähert haben mochte, kam einem Schock gleich. Und auch wenn sie keinerlei Sicherheit hatte, dass er mit Verdruss auf seine Aufgabe sah, auch wenn sie nicht wusste, ob es ihn frustrierte an ihrer Seite kleben zu müssen, auch wenn er ihr so viele Hinweise gegeben hatte, dass er Vertrauen in ihre Zukunft hatte, hinterließ die Möglichkeit, dass er es doch fühlte, sie taub und erschlagen. Ein stumpfes, starres Gefühl, das sie nicht los ließ, selbst als sich der Dschungel um sie herum öffnete und Blick auf den verborgenen Eingang der Quelle freigab. Zelda versuchte Oberhand über ihren Geist zu erlangen. Versicherte sich mental immer und immer wieder, dass es ohnehin egal war, wie Link empfand. Doch sie konnte sich nicht überzeugen. Sie konnte die schockierte Verletzung, das Gefühl der Zurückweisung nicht auflösen, so sehr sie sich auf bemühte, sich die Fakten vor Augen zu halten. Sie wusste nicht, wie Link fühlte. Er hatte sie nie fühlen lassen, dass er seine Position an ihrer Seite mit etwas anderem als Ergebenheit und Pflichtgefühl erfüllte. Aber all die Jahre des Misstrauens in sich und ihre Fähigkeiten hatten sie zermürbt und mit einer tiefen Unsicherheit erfüllt. Sie konnte nicht anders, als an seiner Freundschaft zu zweifeln und ihm aus der ersten Aussage, die ihr missverständlich vorkam, einen Strick zu drehen. Sie war paranoid und suchte nach Zeichen seines Verdruss' ihr gegenüber. Zelda wusste das. Aber sie brachte es nicht fertig, damit aufzuhören. Schweigend folgte sie Link in den uralten Gang hinein, der zur Quelle führte. Die Dorfbewohner in der Nähe mussten die Fackeln an den Wänden entzündet haben, denn anders als bei ihrem letzten Besuch, erfüllte glühendes Licht die Dunkelheit und tauchte den feuchten Boden in schimmerndes Feuer. Sie befand sich in keinem guten Zustand, um der Göttin gegenüberzutreten. Voller Bedauern versuchte Zelda etwas von der Hoffnung zu generieren, von der sich seit ihrem letzten Besuch hier erfüllt gewesen war. Mit der sie auf diesen Besuch geblickt hatte. Dachte an die Fortschritte, die sie gemacht hatte, das besondere Gefühl, das sie das letzte Mal erfasst hatte, als sie in das Wasser gestiegen war. Doch sie wollte sich nicht entfachen lassen. Mit einem tiefen Seufzen trat Zelda aus dem Gang hinaus in das sanfte Licht der eingefassten Quelle. Sah hinauf in das gütig lächelnde Gesicht der Göttin, für die Ewigkeit in den Stein der Statue gemeißelt. Dann wandte sie den Blick ab. Sie würde trotzdem in das Wasser steigen. Vielleicht konnte sie die quälenden Gedanken mithilfe der Göttin fortwaschen. Vielleicht würde das Gebet ihr geistige Klarheit bringen und sie aus diesem unbesonnen Fall in das Tal ihrer eigenen unsicheren Selbstzweifel hinausheben. „Ich werde das Lager aufschlagen, während du dich umziehst“, sagte Link und begann seine Ankündigung in die Tat umzusetzen. Zelda sah ihm kurz dabei zu, wie er in den Tiefen seiner magisch vergrößerten Tasche nach ihrem eigenen Gepäck suchte und es dann auf einem Stein ablegte. Sie nickte, auch wenn sie sich sicher war, dass er es nicht sehen konnte, machte aber keine Anstalten sich zu bewegen. Erst als er beinahe fertig damit war, aus totem Holz ein Feuer für den bald hereinbrechenden Abend zu schichten, rührte sie sich. Ein kurzer Blick auf Link sagte ihr, dass er ihr starr den Rücken zuwandte, um ihr die nötige Privatsphäre zu geben, während sie sich umzog. Bei ihrem letzten Besuch hatte sie in ihrem Unterkleid im Wasser gestanden. Der Gedanke konnte sie nicht belustigen. Langsam zog sie sich die Tunika über den Kopf und stieg in das weiße Kleid der Hohepriesterin. Dann entledigte sie sich der Stiefel und ihrer Hose, öffnete ihr Haar und legte den rituellen Schmuck an.   Es überraschte sie, dass die sanft prickelnde Ladung des Wassers dieses Mal schon zu spüren war, während sie in die Quelle stieg. Zelda hielt ihre Hände dicht über die Oberfläche und nahm das Gefühl in ihren Körper auf. Ich bin es. Ich bin hier, um mich meinem Schicksal und deinem Willen zu beugen. Zelda tauchte die Hände in das kühle Wasser und formte sie zu dem vertrauten Gefäß, mit dem sie das reinigende Nass über ihren Kopf gießen konnte. Wie du weißt, hat meine Mutter nicht die Möglichkeit gehabt, mir beizubringen, wie man mit dir Kontakt aufnimmt. Um ganz ehrlich zu sein, sie hat es aussehen lassen, als wäre es nicht besonders schwierig. Immer und immer wieder ließ sie sich Wasser über Haar und Gesicht rinnen. Spülte Schmutz und Schweiß von ihrem Körper, reinigte ihren Geist und ihren Verstand von den Sorgen des Alltags und der Welt. Aber irgendwie kann ich es trotzdem nicht richtig machen. Ich bitte dich, Hylia. Ich bitte dich um Gnade. Ich bitte dich um Erbarmen. Ich weiß nicht, wie es geht. Hilf mir! Hilf mir deine Dienerin zu sein. Hilf mir, nur dieses eine Mal. Zeig mir, wie es geht! Zeig mir, was ich tun muss! Bitte! Sie sah auf zu dem milde lächelnden Gesicht der Göttin und versank im Gebet.   „Zelda.“ Links sanfte Stimme an ihrem Ohr holte sie in die Welt zurück. „Genug für heute. Du musst dich aufwärmen.“ Verwirrt öffnete Zelda die Augen. „Aber ich habe gerade erst angefangen.“ Sie wandte den Kopf und sah Link, der neben ihr im Wasser stand. Zuerst verstand sie seine ernste Miene nicht. Dann sah sie, dass er zitterte. „Was-“, begann sie erschrocken, doch Links Stimme übertönte ihre. „Nein, du bist seit Ewigkeiten hier drin. Es ist weit nach Mitternacht.“ Blinzelnd sah Zelda auf. Bis auf das flackernde Feuer, dessen schwaches Licht sie kaum erreichte, umhüllte sie tiefe Dunkelheit. Nur der orangegelbe Schein des Lagerfeuers, verstärkt durch seine Ruflektion im Wasser, erhellte die Umgebung gerade genug, dass sie Link erkennen konnte. Er hatte Recht. Sie musste eine lange Zeit gebetet haben. Aber das war ein gutes Zeichen. Trotz ihres abgelenkten Geisteszustandes hatte sie in einer tiefen Trance versinken können. Und sie fühlte etwas. Jetzt noch stärker als sie in die Quelle gestiegen war. Schwach schüttelte sie den Kopf. „Nein. Ich muss weiter machen, ich-“ Link unterbrach sie, indem er ihre im Wasser versunkene Hand nahm und sie begann, daran in Richtung des Lagers zu ziehen. „Du musst dich ausruhen, sonst hast du keine Kraft mehr, um morgen weiter zu machen.“ Er hatte Recht. Zelda wusste das. Aber Verzweiflung trieb sie an. „Du verstehst nicht-“ Wieder unterbrach er sie. „Ich bin nicht dazu da, um zu verstehen“, sagte er gepresst und warf ihr von der Seite einen schnellen Blick zu. Die Hitze in seiner Stimme ließ sie zurückschrecken, aber die Sorge in seinen Augen heilte den Schock mit einem zarten Gefühl, das sich wie Balsam über eine Wunde legte, die sie vorher nicht bewusst wahrgenommen hatte. „Ich bin hier, um dich zu schützen“, fügte er nüchtern hinzu und zog sie weiter aus der Quelle. Je näher sie dem Ufer kamen und desto mehr Zelda die unterstützende Tragekraft des Wassers verlor, konnte sie spüren, wie erschöpft sie tatsächlich war. Ihre Beine konnten ihr Gewicht kaum halten und sie musste sich gegen Link lehnen, um nicht den Halt zu verlieren. Sie hatte kaum Gefühl in ihrer unteren Körperhälfte, was das Gehen zusätzlich erschwerte. Ohne ihr auch nur einen Blick zu zu werfen, stützte er sie, während sie aus der Quelle wankte. „Auch wenn ich dich vor dir selbst schützen muss“, sagte er knapp, dann zögerte er. „Oder der Göttin.“ Etwas in der Art wie er das aussprach, ließ Zelda den Kopf heben. Doch es war zu dunkel und Links Gesicht zu sehr von Schatten überzogen, als dass sie etwas hätte erkennen können. Aber er hatte verstimmt geklungen. Als wäre er nicht einverstanden damit, dass die Göttin sich Zelda nicht offenbarte. Sie wusste, dass sie ihn verbessern musste. Es war nicht die Schuld der Göttin. Es war ihrer, Zeldas Fehler. Aber sie fühlte sich mit einem Schlag vollkommen kraftlos. Also ließ sie zu, dass seine Anteilnahme sie freute. „Wo sind meine Kleider?“, fragte sie schwach und sah sich nach dem unordentlichen Haufen um, den sie zurückgelassen hatte, bevor sie in die Quelle gestiegen war. „Sie sich noch feucht“, antwortete Link und bevor Zelda die Stirn runzeln und eine Erklärung dafür verlangen konnte – sie konnte sich nicht daran erinnern, dass sie feucht gewesen waren, als sie sich ihrer entledigt hatte – hatte er ihr etwas Weiches in die Hand gedrückt. „Hier“, sagte er und ließ sie hinunter auf einen der Steine nahe dem Feuer gleiten. „Zieh das an, ich werde nicht hinsehen.“ Dann drehte er ihr den Rücken zu und Zelda sah hinunter auf ihre Hände. Sie entdeckte eines ihrer Unterkleider, allerdings nicht das, das sie am gestrigen Morgen angezogen hatte. Darum war ein dunkles, samtiges Kleidungsstück gewickelt, das sich als eine Art Umhang entpuppte, als sie genug Kraft sammeln konnte, um es anzuheben und zu betrachten. Verwirrt betrachtete sie die Kleidung. Vor allem ihr Unterkleid gab ihr Rätsel auf. Es war eines der Vielen ähnlichen Stücke aus seidig fein gesponnenem Leinen, die sie zum Schutz ihrer Kleider direkt auf dem Leib trug. Sie hatte es nicht eingepackt, also wieso war es hier? Einen Moment starrte sie es an. Dann gab sie auf. Dieses Rätsel würde sie nicht allein lösen können. „Du sollst aus dem nassen Ding raus“, unterbrach Link ihrer Gedanken und Zelda sah auf. Ihr Leibwächter hatte begonnen über dem Feuer eine Mahlzeit zu zu bereiten und drehte ihr immer noch rigoros den Rücken zu. Allerdings waren seine Ohren wohl nicht so abgewandt, wie seine Augen. Die Hitze die ihr in die Wangen schoss, als ihr klar wurde, dass er ihr beim Umziehen zuhören konnte, war eine angenehme Abwechslung zu der Kälte, die sie tief bis in die Knochen fühlen konnte. „Wo ist das Unterkleid her?“, fragte sie, um sich davon abzulenken, dass sie sich kaum einen Schritt von ihrem Leibwächter entfernt ihr tropfendes Gewand über den Kopf zog. Ein Frösteln durchlief sie, als die abgekühlte Nachtluft über ihre nasse Haut fuhr. Sie spürte ein Kribbeln in den zarten Spitzen ihrer Brüste, als nur noch Wasser und Luft ihre nackte Haut berührte. Dafür war ihr Körper natürlich nicht zu müde. Schnell zog sie sich das Unterkleid über den Kopf, wobei sie versuchte so wenig wie möglich mit der schweren Masse ihres feuchten Haares in Berührung zu kommen. Sie zog den nassen Stoff ihrer Priesterinnenrobe auseinander und versuchte ihn auf einem Stein neben sich auszubreiten. Ihre klammen, kalten Finger bereiteten ihr Schwierigkeiten und das Kleid fiel es ihr aus den tauben Händen. Seufzend betrachtete sie das Häufchen klammen Stoffs, der nun traurig und schmutzig auf dem Boden lag. Der Gedanke es morgen wieder anziehen zu müssen, erfüllte sie mit Grauen. Sie bemerkte erst, dass Link ihr Dilemma mitbekommen hatte, als er sich seufzend nach dem Gewand bückte und es, ohne ihr einen Blick zu schenken, hinüber zur Quelle trug. Ein wenig von Zeldas erschöpfter Müdigkeit verblasste, als sie beobachtete, wie ihr Leibwächter in dem heiligen Wasser das Kleid wusch, das sie jeden Morgen und jeden Abend auf dem Leib trug. Mit einem Mal hätte sie das Feuer nicht mehr gebraucht, so heiß war das erschrockene, wunderbare, verwirrende Gefühl das iht bei diesem Anblick durch die Glieder raste. Es war so ein intimer Dienst. So unschuldig und freundlich und so bedeutsam. Hilflos sah sie zu, wie Link ihr nun wieder strahlend weißes Kleid zurück zum Lager brachte und es über einem breiten Stein direkt am Feuer ausbreitete. Beobachtete, wie er in dem Topf rührte, in dem das Abendessen kochte und erstarrte, als er ihr schließlich einen genau musternden Blick zuwarf. Erst als er mit geschäftiger Forschheit näher kam und sie in die weiche Wärme des Umhangs hüllte, den sie nicht geschafft hatte überzuwerfen, fiel ihr auf, dass er ihre Frage nicht beantwortet hatte. Er war ihr so nah, als er sich vor sie kniete und das Kleidungsstück um ihre Schultern legte, dass Zelda nicht wusste, ob der wundersame Duft von Link selbst, oder dem Stoff kam, der sie nun schützend wärmte. Denn dass der Umhang von Link stammte, war unübersehbar. Sie unterdrückte den Impuls, sich tiefer in die weiche Wärme zu kuscheln. Stattdessen fixierte sie ihn mit so viel Aufmerksamkeit, wie sie aufbringen konnte, während sie versuchte, die überstürzten Empfindungen zurückzudrängen, die seine Nähe in ihr auslöste. Zelda befürchtete, nicht genug Kraft aufbringen zu können. Sie fühlte sich absolut knochenlos. Und die langsam aufsteigende Wärme, Links Nähe, sein Geruch, das umsorgte Gefühl, schwächten ihre Widerstandskräfte mehr als sonst. Sie wollte nichts mehr, als sich nach vorne zu lehnen. Erneut die sanft ruhende Stärke seines Wesens und seines Körpers zu spüren. Noch einmal in dem sicheren Käfig seiner Arme liegen und seinem Herzschlag lauschen. Noch einmal in der Illusion wiegen. Was wäre wenn? Doch sie durfte nicht. Sie konnte nicht. Es gab keine Hoffnung. Es gab nur Leid auf diesem Weg. Also stählte sie sich mit den letzten Reserven. Ignorierte das Streicheln seiner Hand, als er ihr die Kapuze über den Kopf zog, um ihr nasses Haar gegen die kühle Nacht zu schützen. Versuchte die Gänsehaut zu ignorieren, die sich prickelnd auf ihrem Nacken und ihren Armen ausbreitete. „Link?“, fragte sie müde. „Hm?“ Er klang beinahe ebenso träumerisch wie sie sich fühlte. Aber das war wahrscheinlich nur ihrer Erschöpfung zu verschulden, die sie delirös machte. „Wo hast du das Unterkleid von mir her?“ Er antwortete nicht sofort. Stattdessen erhob er sich. Abrupt. Zelda hob den Kopf. Bildete sie sich das ebenfalls ein, oder war eine leichte Farbe über seine Wangen gekrochen? Wahrscheinlich ein Lichtspiel des Feuers. „Es ist nicht dein Unterkleid“, sagte er knapp, wobei seine Stimme reichlich gepresst klang. Mental verlangsamt und so müde, dass sie am liebsten sofort eingeschlafen wäre, akzeptierte Zelda diese Erklärung zuerst. Dann runzelte sie die Stirn, als sie sich an die charakteristische Stickerei an Ausschnitt und Saum des Kleides erinnerte. „Doch“, widersprach sie kraftlos, „es-“ „Es ist egal. Hauptsache es ist trocken“, unterbrach Link sie drehte sie um, wandte sich wieder dem Feuer zu. Immer noch die Stirn gerunzelt, betrachtete sie seinen Rücken. Wieso war er so forsch? Sie hatte ihm nur eine Frage gestellt. Wahrscheinlich hatte er Recht. Wieso sollte er nicht die Wahrheit sagen? Was gab es schon für eine andere Erklärung? Dass er eines ihrer Unterkleider entwendet hatte? So betrachtet, war die Vorstellung einfach lächerlich. Zelda spürte, wie sie den Gedanken nicht länger halten konnte. „Vorsicht!“, hörte sie Links mahnende Stimme und sie zuckte zusammen. Müde blinzelte sie ihn an. Sie konnte sich nicht erinnern, gesehen zu haben, wie er sich wieder zu ihr umdrehte. Aber nun hockte er genau vor ihr, eine Schüssel in der einen und einen Löffel in der anderen Hand. Belustigung ließ seine Mundwinkel auf die ihr so vertraute Weise zucken, doch etwas anderes verwandelten seine Augen in tiefe Tümpel flüssiger Emotionen. „Nicht einschlafen“, raunte er und hielt ihr die Schüssel entgegen. „Hm?“, machte Zelda verwirrt, zu müde um zu verstehen, dass sie tatsächlich im Sitzen eingeschlafen war. „Iss es etwas“, sagte er leise und klang dabei so bittend, dass sie das Kopfschütteln unterdrückte, mit dem sie hatte verneinen wollen. „Einen Löffel“, murmelt er und griff nach ihrer Hand, um ihre Finger um den hölzernen Löffel zu legen. „Komm schon, Prinzessin“, neckte er mit einer Stimme, die sie sich als zärtlich einbildete. „Für mich.“ Mit sanftem Nachdruck führte er ihre Hand zu der Schüssel. Tauchte den Löffel in den dampfenden Inhalt und hob ihn gefüllt an ihre Lippen. Zu müde um sich zu wehren und begierig ihm seinen Wunsch zu erfüllen, öffnete Zelda den Mund. Wohltuende Wärme breitete sich erst in ihrem Mund, dann in ihrem Körper aus. Sanfte Würze kitzelte ihre Zunge und als Link ihre Hand ein zweites Mal zu der herrlich duftenden Schüssel führte, gab sie sich so viel Mühe wie sie aufbringen konnte, um die Bewegung zu unterstützen. Sie schaffte fünf Bissen. Dann fiel der Löffel aus ihren schlaffen Fingern und landete klappernd auf den Steinen. „Nicht schlimm“, murmelte Link augenblicklich, als würde er wissen, dass sie sich deswegen schlecht fühlte. Sie wollte nicht verschmähen, was er mühsam zubereitet hatte. Aber sie war so müde. Ein Protestlaut entwich ihrer Kehle. Eine Art wimmerndes Krächzen, zu weit von wirklichen Worten entfernt, um irgendetwas zu bedeuten, aber Link schien sie zu verstehen. Er stellte die Schüssel auf eine gerade Stelle auf dem Boden und nahm ihre beiden Hände in seine. „Ich weiß“, sagte er in einem Ton, in dem man mit kleinen Kindern oder Tierbabys sprach und fuhr mit einem sanften Streicheln ihren Arm hinauf bis zur Schulter. Schamlos lehnte sich Zelda in die Berührung. Zu müde um sich gegen den gewaltigen Zug zu wehren, den sie zu ihm spürte. „Ich weiß“, wiederholte er noch leiser als vorher und rieb ihre Schulter. Es fühlte sich so gut an, dass Zelda aufseufzte. „Schon gut. Du warst so tapfer“, murmelte er sanft, dann erhob er sich langsam und zog sie mit sich hinauf. Als sie protestieren wollte, schob er einen Arm an ihrem Rücken vorbei, um sie an der Taille gegen seine Körper zu ziehen. Sofort schmiegte sich Zelda an ihn. Sie war bereits viel zu weit weg, um sich für das zufriedene kleine Summen zu schämen, das sie ausstieß. Sie fühlte nur Frieden und Wärme. Ruhe und Geborgenheit. Ganz am Rande nahm sie wahr, wie Link sie an den Steinen vorbei zu dem Lager führte, das er aus weichen Decken am Boden errichtet hatte. „Noch ein Schritt, Prinzessin. Und noch einen. Vorsicht. Ja, so ist es gut.“ Ohne Widerstand ließ sie sich von ihm auf die Decken drücken. Sie hatte ohnehin kaum Kraft alleine zu stehen. Sanft führte er sie, während sie nach unten glitt. Zog die Kapuze seines Umhangs über ihren Kopf und hüllte sie in eine weiche Decke. Warm und mit dem Duft von Freiheit und Link in der Nase, drückte Zelda ihren Kopf tiefer in die lockende Weichheit. Dann fühlte und wusste sie nichts mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)