Nicht Zu Spät von scippu ================================================================================ Kapitel 13: Kapitel 13 ---------------------- Als Zelda die Augen aufschlug, fühlte sich alles anders an. Es war keine dramatische Veränderung. Die Farben sahen nicht anders aus und die Luft roch genauso wie immer. Es war ein schleichendes Gefühl, eine tiefe Gewissheit, die sie bereits in ihren Träumen begleitet hatte. So würde es sich also anfühlen. So würde es sich anfühlen, wenn Link nicht mehr Teil ihres Lebens wäre. Zelda musste all die inneren Reserven ihrer Willenskraft beschwören, um die Decke von ihrem starren Körper zu schieben und die Füße auf den Boden zu stellen. Ihr war, als würde sie sich seltsam verlangsamt bewegen. Unsichtbare Seile hielten ihre Gliedmaßen, ihren Geist eingeschnürt und sie musste sich anstrengen, um dem Drang der Lethargie nicht anzugeben. Vielleicht war es albern. Er war nur für einige wenige Tage fort. Und der Grund dafür von äußerster Wichtigkeit. Doch es war, als hätte er irgendetwas mit in Reich der Zora genommen, das Zelda zum Leben brauchte. Als fehlte nicht nur ihr Leibwächter, sondern in lebenswichtiges Teil ihres Körpers. Eine Schraube. Ein Zahnrad. Auch das Gebet an diesem Morgen konnte die Leere in ihrem Inneren nicht füllen. Sie erhielt ein wenig Lebenskraft zurück, eine Frische, die sie durchfuhr und die Lethargie ein wenig vertrieb. Aber das konnte genauso gut an der Morgenluft liegen. Vielleicht hatte sie sich ihre spirituellen Fortschritte nur eingebildet. Oder sie konnte diesen speziellen Pfad zur Göttin nur einschlagen, wenn Link in der Nähe war. Die Vermutung ergab Sinn. Link war ein Kind Farores. Ein Kind des Mutes. Und Zelda hatte die erste starke Veränderung an der Quelle des Mutes gespürt. Mit Link hinter sich. Zelda seufzte und erhob sich mit der Schwerfälligkeit einer alten Frau aus ihrer knienden Position. Für einen Moment verharrte sie an der Wehrmauer. Tat einige Schritte hinaus in die Morgenluft und betrachtete das Geschehen vor dem Torhaus. Die Wachen am Wall. Die wehenden Fahnen. Ihr Blick fiel auf die Gestalt eines Ritters in hylianischer Rüstung. Das Metall schimmernd im frühen Sonnenlicht, ein glänzendes Schild auf dem Boden, neben sich abgestellt. Wegen Helm und Federbusch konnte Zelda sein Gesicht nicht erkennen, aber da der Ritter so nah am Aufgang zu ihrem Turm stand, konnte es nur Fado sein: Links Vetter. Kurz zitterten ihre Mundwinkel. Dann raffte sie ihr Gewand und kehrte in ihr Gemach zurück, wo man ihr bereits ein Frühstück aus Früchten und Honigbrot aufgetan hatte. Zelda versuchte sich vor Augen zu halten, dass Link kaum eine Ewigkeit fort sein würde. Wahrscheinlich wäre er in wenigen Tagen wieder hier. Es gab überhaupt keinen Grund in tiefer Melancholie zu versinken. Nur dass es nicht allein das war. Es war nicht nur seine Abwesenheit. Es waren die Umstände derselben. Die Gerüchte. Sie hatte Link in reale, akute Gefahr gebracht. Und sie fühlte sich nicht nur schrecklich schuldig, sondern auch auf ungeahnte Weise niedergeschlagen. Deprimiert wie nie zuvor. Wie sollte sie sich in Zukunft davon abhalten aus Versehen so zu handeln, dass es für fremde Augen verdächtig aussah? Sie hatte vage Vorstellungen davon, was schicklich und was unschicklich war. Sie wusste um die grundlegenden Vorgänge zwischen Mann und Frau. Aber eigentlich würde sie nie wirklich wissen, ab wann man ihrem Verhalten etwas anhängen konnte, das die Gerüchte verdiente. Sie wusste nicht, was sie nicht tun durfte, wenn sie keinen Verdacht erwecken wollten. Bis auf grundlegende, vage Vorstellungen, war Zelda unwissend wie ein Neugeborenes. Zumindest was die wirklichen Vorgänge betraf. Die Feinheiten der Beziehung zwischen Mann und Frau. Natürlich, es war offensichtlich, dass es keine Küsse, keine Umarmungen geben durfte. Aber was war mit den anderen Tausenden von Möglichkeiten dazwischen? Um ganz sicher zu sein, würde Zelda Link mit absoluter Distanziertheit begegnen müssen. Der Gedanke war deprimierend. Und wahrscheinlich auch unmöglich. Was das ganze Rad wieder zum Drehen brachte. Sie musste mehr darüber erfahren, wie sie sich verhalten sollte. Außerdem fühlte es sich für sie absolut unerträglich an, in einem Gebiet so furchtbar wenig zu wissen. Sie kannte die Spielregeln nicht. Wusste nicht um die Verbote. Sie war vollkommen blind in einer Welt aus Fallen. Entschlossen warf Zelda das Tuch, mit dem sie sich gerade die Mundwinkel betupft hatte, auf das Holzbrett mit den Speisen zurück. Sie würde etwas unternehmen müssen. Damit sie bei Links Rückkehr ganz genau wusste, wie sie ihn vor ihren eigenen Gefühlen schützen konnte. Zelda öffnete die Tür ihres Gemachs und streckte den Kopf heraus. Der Ritter der draußen Wache hielt, zuckte ein wenig zusammen. „Guten Morgen, Soldat“, begrüßte Zelda ihn. Der Ritter antwortete mit einer tiefen Verbeugung. „Bitte gib Nachricht an Mina. Sie soll sich bei mit einfinden.“ Der Ritter nickte stumm, ein wenig perplex, denn sonst steckte Zelda weder den Kopf aus der Tür heraus, noch ließ sie nach ihren Hofdamen rufen. Doch bevor er hätte etwas erwidern können, zog sich Zelda in ihr Gemach zurück. Dort wartete sie ungeduldig. Flocht sich das Haar und trank einen Becher Wasser. Setzte den königlichen Reifen auf ihr Haupt und rückte ihn bestimmt zehn Mal in eine andere Position, bis sie mit ihrem Spiegelbild zufrieden war. Ein Versuch so gefasst wie nur möglich auszusehen. Für das Gespräch das sie führen musste benötigte sie jedes Hilfsmittel. Und es war wichtig, dass sie dabei königlich und absolut unantastbar aussah. Nicht zu vergessen tugendhaft.   Mina betrat das Zimmer nicht lange nachdem Zelda nach ihr geschickt hatte. Dennoch hatte sie in der Zwischenzeit begonnen eine Korrespondenz von Purah zu beantworten, die immer mehr Fortschritte mit der sonderbaren, antiken Höhle auf dem Plateau machte. Die Shiekah waren ins Innerste des alten Schreins vorgestoßen und hatten einen so spektakulären Fund gemacht, dass Zelda lange darüber hatte nachdenken müssen. Anscheinend gab es dort eine antike Einrichtung, die zur Heilung gedacht war. Ein Wunderwerk der Technologie, das Verletzungen behandeln konnte. Zelda wollte Purah ein paar Fragen dazu stellen und hatte begonnen den Brief zu verfassen, um sich die Wartezeit bis zu Minas Eintreffen zu verkürzen. „Ihr habt mich rufen lassen, Prinzessin?“ Mina klang etwas atemlos. Entweder weil sie hier her gerannt war, oder der Grund der Vorladung sie besorgte. „Ja“, antwortete Zelda und richtete sich aus der gekrümmten Haltung auf, in der sie über ihren Tisch gebeugt an dem Brief geschrieben hatte. „Ja“, wiederholte sie, nun, da Mina tatsächlich vor ihr stand, ein wenig unsicher, wie sie das Gespräch beginnen sollte. „Setz dich doch!“ Zelda wies auf die kleine Sitzgruppe aus gepolsterten Stühlen, die in der Mitte des Raumes standen. Mina betrachtete erst die Stühle, dann Zelda mit einer hochgezogenen Augenbraue. Es kam selten vor, dass Zelda ihre Hofdamen zum Bleiben aufforderte. Geschweige denn zum Sitzen. „Gut“, antwortete Mina deswegen in einem Tonfall vorsichtiger Skepsis und nahm auf einem der tiefen Sessel Platz. Sie presste ihre Knie aneinander und legte sorgfältig beide Hände darauf ab. Ordnete ihr Kleid und sah dann erwartungsvoll zu Zelda hinauf. Zelda betrachtete kurz die elegante Haltung ihrer Hofdame. Wie sehr sie sich auch anstrengte, diese Art sanftmütige Stille hatte sie selbst nie so gut präsentieren können. Minas Augen folgten ihr durch den Raum, als Zelda in die Nähe der Sessel trat. Sie hatte die Hände vor ihrem Körper gefaltet, bemüht darum selbstsicher und souverän zu wirken. „Ihr seid dafür da, mir in allen Fragen zur Seite zu stehen“, begann sie, nachdem sie einen tiefen Atemzug genommen hatte. Mina schien von der Aussage überrascht. Auf ihrem Gesicht zeigte sich ein Ausdruck milder Freude. „Ja, Prinzessin“, Mina neigte den Kopf in einer Geste von selbstzufriedenem Stolz. Es kam nicht häufig vor, dass Zelda die Anwesenheit ihrer Hofdamen positiv bewertete. Wahrscheinlich wollte Mina den Moment nutzen und in dem Gefühl schwelgen. „Es ist unsere Aufgabe, darauf zu hoffen, Euch mit unserer ganzen Weisheit Hilfe und Stütze sein zu können.“ Zu Minas sonst staubtrockenem Tonfall – eine Reaktion auf Zeldas ungeduldiger Gleichgültigkeit ihr gegenüber – mischte sich eine warme Note. Dann schwieg die Hofdame und eine kleine Falte bildete sich zwischen ihren zarten Augenbrauen. „Obwohl Eure Fragen schon vor langer Zeit für uns unbeantwortbar wurden.“ Mina starrte auf den Tisch vor ihr. Ihre Stirn runzelte sich noch stärker. „Wahrscheinlich könnt ihr unsere Fragen mittlerweile sogar weit erfolgreicher beantworten, als wir die Euren.“ Zelda blinzelte. Ihre Hofdame betrachtete immer noch die Tischplatte vor ihr. Sie wirkte ganz so, als wäre ihr dieser Gedanke das erste Mal gekommen. „Nun“, sagte Zelda ein wenig ungeduldig, nachdem Mina nach einiger Zeit immer noch nicht aufgesehen hatte. „In diesem Fall denke ich, dass du mir durchaus helfen kannst.“ Zelda hob ihr Kinn und stählte sich gegen die Röte, die ihren Hals hinauf kroch. Sie würde sich nicht schämen. „Meine Fragen sind … delikater Natur“, gestand sie und verstärkte den Druck ihrer Hände, um sich ein wenig mehr Halt zu geben. „Oh“, machte Mina und für einen kurzen Moment wurde es in ihrem Gesicht ganz weich. Dann setzte sie einen wissenden Blick auf. „Macht Euch keine Sorgen, Prinzessin. Eure Monatsblutung war nur einige Tage zu spät. Ihr seid noch in einem zarten Alter, in dem die Dinge oft noch nicht ganz rund laufen. Und Ihr steht unter einer Menge Druck, Ihr-“ „Nein, darum geht es nicht“, unterbrach Zelda sie ungeduldig und unterdrückte das Verlangen die Augen zu verdrehen. Also wirklich. Nicht nur, dass sie das Rätsel der monatlichen Blutung längst gelöst hatte. Minas Vermutung deutete auch noch darauf hin, dass Zelda viel zu wenig Privatsphäre hatte. Nicht einmal den Zustand ihrer Unterwäsche konnte sie für sich behalten. Mina schwieg, einen kleinen Knoten zwischen den Augenbrauen. „Worum geht es?“, fragte sie in resolutem Ton, die Schultern gestrafft. Gewillt, sich von nichts aus der Ruhe bringen zu lassen. „Nun“, begann Zelda erneut. „Ihr seid mir der weibliche Rat, der Teil in meinem Leben, der mir die Mutter ersetzen soll. So gut es geht.“ „Oh, Prinzessin. Niemand kann Euch die Mutter ersetzen. Aber wir versuchen Euch zur Seite zu stehen. Mit Gesellschaft. Und Rat. Wann immer ihr es brauchen solltet.“ Zelda schluckte. Sie tat einen Schritt auf die Sitzgruppe zu und strich mit den Fingern ihrer rechten Hand über eine der Stuhllehnen. Das Holz war kühl an ihrer Haut. Glatt und hart zugleich. „Ich dachte die Verbindung zwischen Mann und Frau sei mir klar“, begann Zelda zögerlich, die Augen nach unten gerichtet. „Ein Band, durch Liebe geknüpft, aus dem, zum rechten Zeitpunkt, Kinder hervorgehen können.“ Sie warf Mina einen schnellen Blick zu. Ihre Hofdame hatte ihre Hände in die schweren Stoffbahnen ihres Kleides gekrallt und war scheinbar mitten in einem Atemzug erstarrt. „Und mir ist der Akt, der dazu führt im physiologischen Sinne logisch“, fuhr Zelda wesentlich unsicherer als vorher fort. Vielleicht war das hier doch keine so gute Idee. „Aber … in der letzten Zeit … haben sich Fragen aufgetan.“ „Was für Fragen?“, fragte Mina mit strenger Stimme. Sie klang wie einer der Offiziere, wenn die Ritter auf dem Exerzierplatz übten. Zelda begann, an ihrer Unterlippe zu kauen. Ihre Hand fand die Triforce Brosche oberhalb ihrer Taille und krallte sich daran fest. „Ich dachte immer Küsse, Umarmungen, all das sei... sehr romantisch.“ Sie gestikulierte mit der freien Hand in der Luft. „U-und der Zeugungsakt dagegen, an sich recht … nun... eher praktischer, schneller Natur. Wie bei den Schafen und Hunden im Frühling.“ Zelda schluckte und kratzte sich an der Wange. „Doch nun bin ich mir nicht mehr sicher. Es haben sich Fakten aufgetan-“ „Prinzessin“, unterbrach Mina Zelda laut. Auf den Wangen der Hofdame hatten sich rote Flecken gebildet und ihr Atem ging hektischer. Alles in einem wirkte sie ein wenig panisch. Fasziniert verstummte Zelda. Mina wirkte nie irgendwie anders als absolut kontrolliert. Wahrscheinlich fragte sie sich, was geschehen war, um diese Fragen aufzuwerfen. Und sie dachte wohl an das Schlimmste. Mit dem Hintergrund der aktuellen Gerüchte, die vielleicht, vielleicht auch nicht die Ohren der Hofdamen erreicht hatten, machte das Zelda ein wenig nervös. „Da Ihr mir als Schützling an die Hand gegeben wurdet, fühle ich mich verpflichtet Euch daran zu erinnern, dass eine Prinzessin einem anderen Handlungskodex unterworfen ist als das normale Bauernmädchen.“ Minas Rücken war steif wie ein Besenstiel, noch gerader als vorher und jedes ihrer Worte wurde von einer hackenden Handbewegung begleitet. Als würde sie Zelda eine Lektion einhämmern wollen. Die Hofdame atmete tief ein. Schien ein wenig Ruhe in diesem Ritual finden zu können, denn danach konnte sie Zelda das erste Mal wieder in die Augen sehen. „Ohne Euch zu nahe treten zu wollen, Prinzessin. Aber ist etwas vorgefallen, dass dieses … dieses Interesse ...“ Mina stockte, wortlos ob der delikaten Situation. Zelda strich sich mit der Hand über ihr geflochtenes Haar. „Keine Sorge, Mina. Ich habe nichts getan, das unschicklich ist. Und ich habe es nicht vor. Meine Fragen sind rein akademischer Natur.“ Mina schien sich ein wenig zu entspannen. Dennoch blieben Haltung und Gesicht sichtlich skeptisch. Zeda sollte sich wegen des mangelnden Vertrauens beleidigt fühlen. Sie verzog das Gesicht. Mina schien es nicht zu bemerken, denn sie starrte irgendwo in die Luft. Wirkte nachdenklich. Eine Weile geschah gar nichts, außer dass Zelda versuchte sich in Geduld zu üben. „Wenn das so ist, Prinzessin“, begann Mina, nachdem unendlich viel Zeit vergangen war – zumindest für Zeldas aufgereiztes Empfinden – und ihre Stimme senkte sich zu einer vertraulicheren Tonlage, „dann ist es wohl an der Zeit, Euch ein Buch zukommen zu lassen.“ Zelda horchte auf. Fragend runzelte sich ihre Stirn. Winkelte ihren Kopf ein wenig zur Seite. „Das mit der Königin und ihren drei Söhnen?“ Mina blinzelte und ihr Blick fand wieder zurück, begegnete Zeldas mit großen braunen Augen, die einfach nur perplex drein schauten. Für einen Augenblick konnte Zelda sehen, dass ihre Hofdame eigentlich noch eine recht junge Frau war. Die Aura unantastbarer Würde, die sie für gewöhnlich umgab, ließ sie nur wesentlich älter wirken, als sie eigentlich war. „Nun“, sagte Mina und nickte einige Male langsam mit dem Kopf, „ja.“ Sie öffnete den Mund, um erneut zu sprechen, doch die Worte schienen den Weg aus ihrer Kehle nicht zu finden. Und so erstarrte sie in einer komisch anmutenden Pose. Mit schräg gelegtem Kopf, geöffnetem Mund und zusammen gezogenen Augenbrauen, den Blick überlegend zur Decke gerichtet. „Hm“, machte Zelda und winkte ab. Begann wieder vor ihrem Bett auf und ab zu gehen. „Das kenne ich schon.“ Mina schloss ihren Mund und stürzte die Lippen. Sah immer noch die Decke an. Sie schien scharf nachzudenken. Dann durchfuhr sie ein merklicher Ruck. Sie wandte ihren Blick wieder Zelda zu. Mit einem entschlossenen Ausdruck auf dem Gesicht. Man musste es ihr lassen. Sie gab sich große Mühe gefasst und professionell zu wirken. Vielleicht zollte Zelda ihren Hofdamen nicht genügend Respekt. Es war deutlich, dass Mina mit der Situation Schwierigkeiten hatte, aber sie hatte sich nicht von Zelda abgewandt. Sie nicht mit oberflächlichen Phrasen abgespeist und auch nicht die Stimme, oder den Zeigefinger zur Predigt erhoben. Sie versuchte ernsthaft, eine Hilfe zu sein. Eine jähe Welle der Zuneigung für diese strenge Frau mit der staubtrockenen Art überkam Zelda. Sie nahm sich vor, ihren Hofdamen in Zukunft nicht nur mit mehr Respekt, sondern auch mit mehr Geduld zu begegnen. Mit mehr Dankbarkeit. „Dann“, sagte Mina und holte Zelda aus ihrer Selbsterkenntnis, „werde ich Euch ein anderes zukommen lassen.“ Mina schluckte. „Da Ihr die … Grundlagen bereits gemeistert zu haben scheint.“ Zelda blieb stehen. Ihr Interesse war geweckt. „Was für ein Buch?“, fragte sie neugierig. Mina strich sich mit beiden Händen über ihr von Stoff verhülltes Haar. Glättete die kleinen Fältchen und ordnete ihre aufgewühlte Aura. Danach schien sie zu ihrem normalen, gefassten Selbst zurückgefunden zu haben. „Eines, um das Ihr mir dankbar sein werdet“, antwortete sie trocken und erhob sie in einer eleganten Bewegung. „Und für das Mistress Ires mich erwürgen wird, sollte sie jemals heraus finden, dass ich es Euch gegeben habe“, fügte sie düster hinzu. Dann schenkte sie Zelda eines ihrer seltenen Lächeln. „Ich werde es Euch selbst vorbei bringen. Noch heute.“ Ein Hauch von Wärme schwang in ihrer sonst so strengen, trockenen Stimme mit. Eine Wärme, die Zelda berührte und sie ebenfalls Lächeln ließ. „Ich danke dir, Mina.“   Ihre Hofdame verließ das Gemach ohne viel weitere Worte und Zelda verbrachte die Wartezeit damit, den Brief an Purah zu Ende zu verfassen und in ihrem Forschungsjournal die Fortschritte mit der Entdeckung am Plateau niederzuschreiben. Als sie aus ihrem Labor zurückkehrte, fand sie eine Nachricht von ihrem Vater vor. Eine der Wachen musste sie unter der Tür hindurch geschoben haben. Von Mina und dem versprochenen Lesematerial gab es keine Spur. Seufzend las Zelda die Nachricht. Ihr Vater verlangte ihre Anwesenheit. Und sie konnte sich nur zu gut vorstellen, worüber er mit ihr zu sprechen hatte. Sie beschloss den Weg über das Schlossgelände zum Thronsaal zu nehmen. Am Fuße der Treppe begegnete sie Fado, der sie mit einer galanten Verbeugung begrüßte, aber ansonsten vollkommen still blieb. Zelda antwortete mit einem Nicken und einem Lächeln, das sich ein wenig künstlich anfühlte. Es war seltsam, andere Schritte hinter sich zu hören. Nicht Links leichten, schnellen Gang. Fado ließ ihr viel Raum. Er lief weiter hinter ihr, als Link es anfangs getan hatte, bevor er begonnen hatte, neben ihr, statt hinter ihr zu laufen. Sie vermisste ihn. Auch wenn er noch nicht einmal einen Tag fort war. Zelda schob die heutige Rührseligkeit auf ihre monatliche Blutung.   Der König erhob sich bei Zeldas Ankunft und kam ihr zur Begrüßung entgegen. Er empfing ihren Kuss mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck und deutete ihr dann an, zwischen die Säulen nach draußen zu gehen. „Es ist eine Weile her, dass wir Gelegenheit hatten zu sprechen“, begann ihr Vater nachdem sie eine Weile in einvernehmlichem Schweigen über die blitzenden, dunkelblauen Dächer der Stadt geblickt hatten. „Du warst sehr beschäftigt, meine Tochter.“ Es war ein unschuldiger Satz. Eine unschuldige Aussage. Trotzdem ließ etwas darin Zeldas Nackenhaare zu Berge stehen. Sie leckte sich nervös über die Unterlippe und warf ihrem Vater einen schnellen Blick zu. Der König hatte die Hände hinter den Rücken gefaltet und sah geradeaus, auf die Ebene hinaus. Das Kinn erhoben. Es war Zeldas jahrelanger Erfahrung, die die Missbilligung in seinen Worten hörte und aus seinem Habitus herauslesen konnte. „Ich gehe meinen Pflichten nach“, antwortete sie knapp, versuchte sich ihre Anspannung und den aufkeimenden Unmut nicht anmerken zu lassen. Versuchte, nicht rechtfertigend zu klingen. „So, tust du das …“ Es war keine Frage. Es war ein Infragestellen. Mit der Absicht Schuldgefühle in ihr zu wecken. Zelda atmete tief ein. „Vater, ich-“ „Nein“, unterbrach der König sie, bevor Zelda sich erklären konnte. Ihm verständlich machen konnte, dass sie ihr Möglichstes tat. Ihr Bestes. Dass es nicht mehr gab, was sie tun konnte. Dass sie Fortschritte machte. Aber unter dem strengen Blick, mit dem er sie bedachte zerbröselten ihre Worte zu feinem Staub. Eine urplötzliche Erschöpfung kam über sie und ihr Schultern sanken nach vorne. „Das wird ein Ende haben. Dieses ziellose Umherstreifen. Die Ablenkungen.“ Der König erhob nicht die Stimme. Das brauchte er gar nicht. Aus seinem Ton sprach so viel stille Autorität. So viel ruhige Zurechtweisung, dass Zelda ein leichtes Zittern durchfuhr. Nicht wirkliche Angst, aber irgendeine Vorstufe davon. „Wenn ich gewusst hätte, dass du die Erforschung der Relikte als Ausrede benutzen würdest, um deinen wahren Pflichten den Rücken zu kehren, hätte ich nie erlaubt, dass du dich damit befasst.“ Die schiere Ungerechtigkeit seiner Aussage ließ Zelda erbleichen. Sämtlicher Atem entwich ihrer Brust und sie hatte für einen kurzen Moment das Gefühl zu ersticken. Ihren Pflichten den Rücken kehren? Das dachte er von ihr? Fassungslos öffnete sie den Mund. Riss die Augen auf und schüttelte den Kopf. Wollte etwas erwidern. Die Dinge richtig stellen. Wollte sagen, dass sie beinahe pausenlos betete. Dass sie tieferer in Trance versinken konnte, als je zuvor. Dass sie sich so sehr auf ihre spirituellen Übungen konzentrierte, dass sie davon träumte. Aber ihr Vater schnitt ihr mit einer knappen Geste das Wort ab, bevor sie etwas sagen konnte. „Nein“, fuhr er sie an. Immer nur gefährlich ruhig. „Es ist schlimm genug, dass du deine eigenen Pflichten vernachlässigst. Aber dass du einen ehrbaren, disziplinierten und loyalen Ritter dadurch der Schande aussetzt, geht zu weit. Ich habe jetzt keine Geduld mehr.“ Zelda schloss ihren immer noch geöffneten Mund. Scham fuhr ihr in heißen Wellen durch den Körper. Daher wehte also der Wind. Link. Es sollte sie nicht überraschen, dass ihr Vater mit unbeirrter Präzision zur Basis der Gerüchte vordrang. Zelda schluckte. Der König konnte unmöglich verstehen, wie es wirklich in ihr aussah. Wie immer kam er auf seine ganz eigenen Schlussfolgerungen. Aber spielte das eine Rolle? Es entsprach der Wahrheit. Zu einem gewissen Teil. Sie brachte Link mit ihrem Verhalten in Gefahr. Gedemütigt und verletzt zog sie sich in einen hinteren Ort ihres Geistes zurück. Fuhr die Schutzgitter ihrer Seele hinunter, um die Ungerechtigkeit der Worte besser aushalten zu können. Nicht unter der Erniedrigung, der Hoffnungslosigkeit in die Knie zu gehen. Sie reckte ihr Kinn in die Höhe. Straffte die Schultern und ballte ihre Hände zu Fäusten. Eine Haltung, die sie lange nicht eingenommen hatte. Es war bezeichnend für die Beziehung zu ihrem Vater, dass sie es nun, in seiner Gegenwart, wieder tat. „Die Erforschung der antiken Technologien ist bedeutend für unseren Sieg gegen die Verheerung Ganon“, begann Zelda mit hohler Stimme. Sie klang ruhig und gefasst, aber auch vollkommen leer. Wenigstens zitterte ihre Stimme nicht. Anders als ihre Hände. „Unsere Vorfahren wussten das“, fuhr sie fort, als ihr Vater noch keine Anstalten machte sie zu unterbrechen. „Und es ist meine Pflicht als Prinzessin Hyrules, das Wohlergehen meines Volkes an-“ „Zelda“, fuhr der König ihr ins Wort und mit einem schnaubenden Ausatmen verstummte sie. „Wir haben darüber gesprochen. Beleidige nicht meine Intelligenz, in dem du mir weiß machen willst, du würdest dich nicht erinnern.“ Seine Stimme klang so hart, dass Zelda zusammenzuckte. Der König atmete tief ein. Dann glätteten sich die Falten auf seiner Stirn ein wenig. „Mir ist die Wichtigkeit der antiken Technologien durchaus bewusst. Ich war es, der noch vor deiner Geburt die Shiekah mit deren Erforschung betraut hat. Aber unsere Vorfahren wusste genauso gut wie wir heute, deine oberste Pflicht als Prinzessin Hyrules ist es, war es und wird es immer bleiben, die Siegelkräfte zu erwecken.“ Er klang jetzt wesentlich ruhiger. Weicher. Die aufkeimende Wärme in seiner Stimme löste eine schreckliche Sehnsucht in Zelda aus. Das Verlangen sich an seine starke, väterliche Brust zu werfen. Ihm all ihr Leid zu klagen. Ihn um Verzeihung zu bitten. Sie tat doch schon, was sie konnte. Wenn sie wüsste, was sie ändern, was sie mehr tun könnte, dann würde sie es tun. Ohne zu zögern. Aber sie wusste es nicht. Niemand wusste das. Wieso konnte er das nicht verstehen. „Ich weiß“, antwortete Zelda stattdessen und rang das Verlangen nieder. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie der König bei ihrem leeren Blick und der emotionslosen Stimme lautlos aufseufzte. „Ich tue das nicht gerne, glaub mir“, sagte er nach einer Weile und suchte ihren Blick. Zelda sah an ihm vorbei ins Nichts, unfähig ihm in die Augen zu schauen. Sie fürchtete, sie würde dann in Tränen ausbrechen. Und das wäre nur ein weiteres Zeichen für ihren Vater, dass sie sich nicht unter Kontrolle hatte. Dass sie nicht wusste, wo ihr Platz war und wie sie ihn auszufüllen hatte. Das konnte sie nicht zulassen. Würde sie nicht zulassen. „Aber du wirst die Forschungsarbeit einstellen und dich mehr auf deine Gebete konzentrieren. Es gibt keinen anderen Weg.“ Bei seinen Worten fühlte Zelda, wie bodenlose Hoffnungslosigkeit sie zu ertränken drohte. Sie stählte ihren ganzen Körper gegen das Gefühl, ließ ihr Gesicht zu einer emotionslosen Maske erstarren, während sie sich innerlich vor Schmerz und Gram zusammenkrümmte. „Verlangt Ihr sonst noch etwas von mir, mein König?“, fragte sie ihn mit leerer Stimme. Erneut seufzte ihr Vater schwer auf. Etwas in seinen blauen Augen wurde weich und Zelda musste alles an geistiger Kraft auffahren, um nicht auseinanderzubrechen. Sie musste hier weg. „Zelda“, sagte er Vater mit sanfter, leiser Stimme. Eine unausgesprochene Bitte in der Stimme. Sei nicht so. Versteh mich doch. Ich bin nicht nur dein Vater. Ich bin der König. Zelda wusste das. Zelda verstand das. Aber das machte nichts leichter. Gar nichts. „Mit Eurer Erlaubnis, werde ich mich jetzt zurück ziehen.“ Ihr Vater nickte stumm. Er wirkte nun nicht länger wie der große, stolze König Rhoam. Sondern wie ein alter, von Sorge gekrümmter Mann. Und hätte Zelda nicht mit ihrem eigenen Schmerz kämpfen müssen, hätte sie sicherlich nicht ihr Herz vor ihm verschließen können. Doch die Dolche seiner Worte steckten noch immer in ihrer Seele, und auch wenn sie es nicht wollte, konnte sie ihm in diesem Moment nicht vergeben. Sie erwiderte das Nicken mit so viel Würde, wie sie aufbringen konnte, dann wandte sie sich zum Gehen. „Zelda“, rief ihr Vater ihr hinter her, nachdem sie ein paar Schritte gegangen war. Sie blieb stehen, drehte sich jedoch nicht nach ihm um. „Ich möchte, dass du von nun an beim Abendessen in der Halle erscheinst. Der Hof hat ein Recht auf deine Anwesenheit. Keine Ausreden mehr.“ Ohne zurück zu sehen oder zu antworteten, ging Zelda davon.   Es war ein Wunder, dass ihre Schritte keine Funken in die Luft aufsteigen ließen. Als sie den Weg vom Thronsaal hinab lief, fühlte sie sich, als könne die Wut, die sie von innen zu versengen drohte, alles in Brand stecken, mit dem sie in Berührung kam. Sie biss sich auf das Innenfleisch ihrer Wange, um einen Schrei zu unterdrücken. Ihre Schritte beschleunigten sich. Sie musste irgendwo hin, wo sie ungestört wäre. Allein. So niemand sie hören konnte, wenn sie auseinanderbrach. Aber so einen Ort gab es nicht. Nicht hier im Schloss, wo tausend Augenpaare jeden ihrer Schritte beobachteten. Auf jede noch so kleine Verfehlung lauerten. Ein kleiner Teil in Zelda wusste, dass sie dem Hof damit Unrecht tat. Doch im Moment konnte sie nicht klar denken. Zu aufgewühlt waren ihre Emotionen. Zu rau der Garten ihrer Gefühle, den sie sonst so sorgfältig glatt hegte. Um nicht zu fühlen, was sie jetzt fühlte. Wut und Verzweiflung, die ihr gleichzeitig die Brust zerrissen. In ihrer Kehle begannen die ganzen unterdrückten Schluchzer zu brennen. Heiße und kalte Schübe schüttelten abwechselnd ihren Körper. Darauf bedacht nichts davon auf ihrem Gesicht zu zeigen. So bemerkte sie kaum, wohin ihre Füße sie trugen. Bis sie mit steif gehaltenen Armen die Treppe zum Pavillon hinauf hastete. Der Pavillon, in dem sie nach der Ernennungszeremonie der Recken mit Purah und Robelo über die Inbetriebnahme der Titanen gesprochen hatte. Er war leer und schattig. Eine gnädige Präsenz inmitten all der Ungnade. Mit einem gebrochenen Ausatmen nahm Zelda auf der steinernen Bank Platz und vergrub ihr Gesicht in beiden Händen. Der kühle Stoff ihrer langen Ärmel schmiegte sich an ihre Wangen und verschloss die Welt vor ihrem Blick. Zelda versuchte ihr aufgewühltes Gemüt zu beruhigen. Die gehässigen Stacheln zu bändigen, die sich ausfahren wollten, um die Welt zu bestrafen. Die gemeinen Worte, die durch ihren Verstand rasten. Versuchte ruhige und gleichmäßige Atemzüge zu nehmen, um ihre Brust von der brennenden Sensation zu befreien. Von der erdrückenden, zittrigen Hoffnungslosigkeit. Wie? Wie nur, sollte es ihr gelingen? Wie sollte sie die Siegelkräfte erwecken? Welchen Weg gab es noch? Was war es, für das sie so blind blieb? War es überhaupt möglich? Link war davon überzeugt, dass die Kräfte bereits Teil von ihr waren. Dass sie geprüft wurde, um am Ende stärker zu sein als vorher. Aber Zelda fühlte sich nicht stärker. Jedes Mal, wenn ihre Bemühungen als ungenügend entlarvt wurden, wenn sie sich aus der Asche ihrer Hoffnungen erhob, um den Zweifeln erneut die Stirn zu bieten und dann wieder am Boden endete, starb sie ein wenig mehr. Wie sollte es weiter gehen? Sie betete den halben Tag und die halbe Nacht. Wenn sie nicht betete, schlief sie, aß sie oder versuchte die Rätsel der Vergangenheit zu entschlüsseln. Und sie brauchte diese Pausen. Sie brauchte diese Momente, in denen sie sich fühlte, als gäbe es etwas, in dem sie gut war. Etwas, in dem sie nicht versagte. Und nun sollte ihr das verboten sein? Es war unmöglich. Für einen Moment erschien es Zelda beinahe komisch, wie tief ihre Verzweiflung geworden war, an dem einen Tag, den Link nicht an ihre Seite war. Sie konnte nicht anders, als darin ein Omen zu sehen. Mit einem zittrigen Seufzen richtete Zelda sich auf. Ließ ihre Hände auf ihren Schoß fallen und starrte in die Leere vor sich. Sie wusste nicht wie viel Zeit verging, in der sie einfach nur so da saß. Blind vor sich hin starrte und einfach an nichts dachte. Sich von den Gefühlen überspülen ließ. Unterbrochen von langen Perioden, in denen sie absolut gar nichts fühlte.   „Prinzessin.“ Die Stimme unterbrach sie irgendwann, nachdem sie sich ein wenig hatte sammeln können. Der Schmerz war ein wenig tiefer in ihr Bewusstsein verbannt worden und war nicht mehr ganz so akut. Nicht mehr so schneidend. Die Verzweiflung kam nicht mehr in Wellen. Vielmehr fühlte Zelda sich wie gelähmt. Erdrückt von der Gewalt der Schuld. Lethargisch und schwer. Geschwollen und staubig, wie eine trockene Zunge in der Gerudowüste. Blinzelnd hob sie den Kopf. Brauchte einen Augenblick, bis sie erkannte, was sie sah. Ein junger, hochgewachsener Mann in eleganter Kleidung. Das helle, beinahe weiße Haar wies ihn als einen der Shiekah aus. Zelda richtete sich ein wenig auf, drehte kurz den Kopf, um sich ein wenig zu orientieren, bevor sie antwortete. Bis auf dem Fremden im Eingang zum Pavillon befand sie niemand in unmittelbarer Nähe. Nur Fado, der mehrere Hundert Schritte entfernt neben einem Baum stand. Zelda räusperte sich und fuhr sich mit ihren Händen kurz über Gesicht und Haar. Versuchte sich schnell ein wenig Leben einzuhauchen. Sie konnte nicht wie ein sterbendes Elend hier sitzend gesehen werden. Kurz dachte sie daran, dass sie dann wohl besser in ihren Turm gegangen wäre. Dort hätte sie tatsächlich niemand sehen können. Aber dazu war es nun zu spät. „Guten Tag“, bemühte Zelda sich um eine höfliche Antwort. Ihre Stimme klang rau und trocken in ihren Ohren und sie unterdrückte das Verlangen, eine Grimasse zu ziehen. Der Shiekah hatte sich nicht bewegt. Beobachtete sie nur mit diesen seltsam hellen Shiekah Augen. Stand absichtlich so, dass er ihr seine Präsenz nicht aufzwang. Mit höflichem Abstand und unaufdringlicher Körperhaltung. Zelda erkannte so viel von Links natürlicher Zurückhaltung darin, die kaum übersehbare Shiekah Ausbildung, dass ihr Herz schmerzhaft kontrahierte. „Verzeiht mir“, sagte Zelda und zwang sich zu einem Lächeln. Es erstaunte sie, wie wenig es wackelte. „Ich fürchte, ich war in Gedanken versunken.“ Der Fremde neigte galant den Kopf. „Bittet niemals um Verzeihung, Prinzessin. Für jede unglückliche Seele, die in diesen Gefilden ihr Schicksal finden muss, ist Euer Anblick ein Tropfen puren Glücks auf der ausgedorrten Ebene des fahlen Alltags der Normalität.“ Er besaß eine kultivierte Stimme, seine Vokale rund und deutlich, die Endungen der Worte weder zu lang gezogen, noch zu knapp ausgesprochen. „Das Geschenk, einen Blick auf die ungeschützte Welt Eures Geistes werfen zu dürfen, werde ich auf ewig kostbar und eifersüchtig hüten.“ Zelda blinzelte. Starrte den Fremden an. Er erwiderte ihren Blick schweigend. Beinahe bewegungslos. Nur das langsame Heben und Senken seiner Brust, das vereinzelte Bewegen seiner Augenlider unterschied ihn von einer Statue. Zelda betrachtete ihn genauer. Die feinen, hellen Augenbrauen unter einer hohen Stirn. Elegant geschnittene Gesichtszüge. Eine sinnlich geschwungene Oberlippe. Anders als die Shiekah die sie kannte, trug er das helle Haar nicht in einem Knoten auf dem Kopf gebunden, sondern in einem glatten, glänzenden Vorhang links und rechts gescheitelt. Etwas an seiner Erscheinung kam Zelda seltsam bekannt vor, doch würde sie sich an ihn erinnern, wenn sie ihn schon einmal getroffen hätte. Dazu war seine ganze Erscheinung zu schillernd. Niemand, den man so leicht übersah oder vergaß. „Ich hoffe, ich störe Euch nicht. Es scheint, ich habe Euch aus den Tiefen Eurer Seele hervorgeholt.“ Kurz dachte Zelda daran, dass er, wenn das seine Sorge war, sie wohl besser gleich in Frieden hätte lassen sollen. Der Höflichkeit halber schüttelte sie jedoch den Kopf. Wieso hatte Fado ihn zu ihr durchgelassen? „Was genau-“, begann Zelda zögerlich, nicht gewillt den Fremden vor den Kopf zu stoßen, aber dennoch daran interessiert, was er von ihr wollte. Damit sie so schnell wie möglich wieder allein sein und in den Tiefen ihrer Seele versinken konnte. So wie der Shiekah es ausgedrückt hatte. Wie geschwülzt er sprach. Beinahe wie ein … in diesem Moment erkannte sie ihn. „Ihr seid einer der Barden“, sagte sie mit ruhiger Feststellung in der Stimme. Und zwar nicht irgendein Barde. Der Barde, der als Einziger nicht von Links Heldentaten gesungen hatte, in diesem ersten Jahr nach seinem Auftauchen mit dem Bannschwert. Der Barde, der auf Zeldas Ablehnung reagiert hatte, obwohl sie diese angestrengt zu verbergen versucht hatte. Ein kluger und aufmerksamer Mann. Jemanden, dessen Auffassungsgabe man nicht unterschätzen sollte. Zelda richtete sich noch ein wenig mehr auf. Der Barde schenkte ihr zu Antwort ein Lächeln. Zwischen seinen hohen Wangenknochen und dem scharf geschnittenen Kinn bildete sich ein Grübchen, das nicht so ganz zu diesem kultivierten, eleganten Mann passen wollte. „Ich versuche die Essenz der Welt in Wort und Musik zu fassen, das ist wahr. Die Schönheit der Dinge in einem Lied noch schöner strahlen zu lassen.“ Sein Lächeln wurde feiner und das Grübchen verschwand. Zelda ertappte sich dabei, wie sie die Stelle anstarrte, an der es eben noch gewesen war. „Meist bleibt es jedoch bei dem Versuch. Wie könnte ich den Zauber in Musik bannen, wenn doch der Liebreiz eines Mädchens vor meinen sehenden Augen so unendlich viel heller erstrahlt, als ein Ton in meinem Ohr es je vollbringen könnte?“ Er hatte eine Art zu sprechen, die Zelda das Gefühl hab, dass er versuchte sie auf einer tieferen Ebene zu erreichen, als es mit Worten allein möglich war. Als versuche er sie an etwas zu erinnern. In seinen Worten lag ein Rätsel und die Aufforderung, dessen Lösung zu suchen. Sie spürte, wie sie errötete. Sich gegen ihren Willen geschmeichelt, berührt fühlte. Vielleicht war es auch der Blick, mit dem er sich betrachtete. Als wollte er jedes Detail von ihre aufsagen. Aufmerksam und suchend. Eine vollkommen neue, aufregende Erfahrung. Eine, die ihr entschieden unangenehmer sein sollte. Zeldas Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln. Und das, obwohl sie gedacht hatte, nie wieder lächeln zu können. Dann wandte sie den Blick ab. Lehnte sich auf der Bank ein wenig zurück und sah hinaus auf die Ebene. Zwischen den Säulen hindurch, die das Dach des Pavillons trugen. Der Barde schien es als Einladung zu verstehen, einen Schritt auf sie zu zugehen. „Verzeiht mir, wenn ich Euch damit zu nahe trete, Prinzessin“, sagte er vorsichtig. Mit warmer, ruhiger Stimme, in der keinerlei Unsicherheit zu spüren war. „Aber Ihr wirkt niedergeschlagen.“ Beinahe hätte Zelda geschnaubt. Niedergeschlagen reichte nicht einmal zur Hälfte aus, um die tiefe Grube zu beschreiben, in die sie hineingefallen war. „Vielleicht wünscht Ihr ein Lied, um Euch aufzuheitern …“ Er war deutlich näher gekommen, hielt aber immer noch respektvollen Abstand. Zelda warf einen kurzen Blick zu ihm hinauf. Auf dem Gesicht des Barden zeigte sich keinerlei Mitleid. Nur eine Art neutrale Offenheit. Und immer noch diese suchende Qualität, die Zelda nervös machen sollte, es aber seltsamerweise nicht tat. Irgendwas daran wie er sie ansah, reichte zu der Talsohle ihrer Hoffnungslosigkeit. Ein kleiner, dünner Sonnenstrahl, der es schaffte, ein wenig Licht in die Dunkelheit zu tragen. Zelda schüttelte den Kopf. „Es gibt Dinge, die ein Lied nicht in Ordnung bringen kann“, antwortete sie leise. Ein klein wenig erschreckte sie die Offenheit ihrer Worte. Die Botschaft zwischen den Zeilen. Sie sollte nicht so vertraulich mit einem Fremden sprechen. Mit einem reisenden Barden noch dazu. Einem Künstler, der ohne Zweifel immer auf der Suche war nach Inspirationen für seine Werke. Aber etwas an seiner Art erweckte in Zelda den Wunsch ihm zu vertrauen. Und ihr Gefühl sagte ihr, dass sie von ihm nichts zu befürchten hatte. Auch wenn ihr Gefühl und sie sich momentan nicht sonderlich nahe standen. „Nun“, entgegnete der Barde, eine kleine Note sanfter Belustigung hatte sich in seine Stimme geschlichen und ließ sie angenehm vibrieren. „Ich sehe das natürlich anders.“ Es war nicht ihre Aussage, die ihn amüsierte. Er lachte nicht über ihren Schmerz. Er sprach mit dem Tonfall eines Mannes, der sich selbst nicht immer ganz ernst nahm. Diese entwaffnende Selbstironie war so sympathisch, dass Zelda noch eine Stufe auf der Leiter tat, die in Grube hinab gelassen worden war, in der sie sich seit dem Gespräch mit ihrem Vater befand. „Ich danke Euch“, antwortete Zelda und meinte es ehrlich, „aber momentan steht mir der Sinn nicht nach Liedern.“ Sie wandte wieder den Blick ab. Starrte vor sich hin in das Nichts aus Luft und Staub. Es dauerte eine Weile, bis der Barde wieder das Wort erhob. „Auch nicht nach einem, das von der Tapferkeit eines Mädchens handelt, das entgegen aller Schwierigkeiten, trotz aller Hindernisse, die ihr von den Göttern in den Weg gestellt werden, immer und immer wieder den Mut findet, der Welt mit Hoffnung und Wohlwollen, mit Neugierde und der Anmut ihres Lächelns zu begegnen?“ Langsam drehte Zelda den Kopf. Die Stimme des Barden war leicht und unverfänglich gewesen. Ohne jeden Hinweis darauf, ob er den Worten die tiefere Bedeutung beimaß, die Zelda darin gehört hatte. Doch in seinem Blick las sie, dass sie richtig verstanden hatte. Ein Verständnis, eine Wärme, eine Hitze, die sie vollkommen unvorbereitet traf und ihr das Atmen schwer machte. Zelda brauchte einen Moment, bis sie ihre Sprache wieder fand. „Ihr habt ein Händchen für Worte“, stand sie ihm zu. Sie betrachtete ihn nachdenklich. Interessierter als vorher. Ihr fiel auf, dass er attraktiv war. Nicht dass sie das nicht schon vorher bemerkt hätte. Aber es hatte keine Rolle gespielt. Es hatte sie kein Bisschen berührt. Das Aussehen eines Mannes hatte sie nie sonderlich interessiert. Lange Zeit war sie für etwas Dergleiches einfach zu jung gewesen. Dann viel zu beschäftigt mit ihren spirituellen Verpflichtungen und dem Druck, der auf ihr lastete. Und dann hatte es für sie sowieso nur noch den einen gegeben. Link. Dessen goldene, jungenhafte Attraktivität alle anderen männlichen Wesen derartig überstrahlte, dass sie genauso gut geschlechtslos hätten sein können. Doch nun, aus keinem anderen Grund als dem, dass ein galanter Shiekah mit silberner Zunge ihr schmeichelte, bemerkte sie es: hier vor ihr, stand ein Mann. Ein Mann der kein Geheimnis daraus machte, dass er sie durchaus als weibliches Wesen wahrnahm. Ihr mit offener Bewunderung begegnete. Der Barde lächelte und wieder zeigte sich das Grübchen auf seiner Wange. „Nun“, antwortete er in diesem milde amüsiertem Tonfall, „Das sagt man mir manchmal nach, ja.“ Zeldas Mundwinkel zuckten. Gegen ihren Willen belustigt. Und ein klein wenig geschmeichelt. „Was tut die Prinzessin in diesem Lied“, begann sie nach kurzem Überlegen, „wenn die Hindernisse zu groß werden, um sie zu überwinden?“ Zelda legte den Kopf schief, betrachtete den Shiekah Barden ohne zu blinzeln. „Was tut sie“, fuhr sie fort, ihre Stimme immer leiser und harscher, „wenn die letzte Leiter unter ihren Füßen in Brand gesteckt wird?“ Der Shiekah begegnete ihrem konzentrierten Blick mit offener Kapitulation. Er ließ nicht erkennen, ob er verstand, was sie sagte. Doch Zelda war überzeugt, dass er die Sprache der Ambiguität besser beherrschte als sie und die tiefere Bedeutung ihrer Worte ganz genau erfasste. Sie sollte sich nicht auf diese Weise vor ihm offenbaren. Aber der Barde hatte irgendeinen Weg zu ihr gefunden. Eine Brücke gebaut, die hinter die Mauern aus Pflicht und Schuld führte. „Ich denke“, begann der Shiekah mit eindringlicher Stimme, „in diesem speziellen Lied erinnert sich die Prinzessin daran, dass sie die Prinzessin ist und das Reich ihr zu Füßen liegt.“ Sein Blick war so eingehend, dass er beinahe hypnotisch wirkte und Zelda ertappte sich dabei, wie sie aufhörte zu atmen, um ja keines seiner Worte zu versäumen. „Sie findet jemanden. Jemanden der ihr treu ergeben ist. Der sie ganz und gar bewundert, für ihre Liebe und ihr Leben, ihr Glück und ihr Heil, ganze Welten in Bewegung setzen würde. Und sie findet in ihm eine neue Leiter.“ Auch wenn der Shiekah keinen einzigen Schritt getan hatte, seit er begonnen hatte zu sprechen, hatte Zelda das Gefühl, dass er sehr viel näher gekommen war. Seine Stimme, seine Augen, seine Worte hatten einen Bann um sie gewebt und hielten sie gefangen. „Und dann“, sagte er, seine Stimme nun ein schmeichelndes Flüstern, seidig und dunkel, ein schwarzes Tuch, das ihre Ohren umschlang, „Dann erkennt die Prinzessin, dass sie die Leiter ohnehin nie gebraucht hat.“ Zelda atmete zittrig aus, bemerkte erst jetzt, dass sie die Luft angehalten hatte, ohne zu wissen, wie lange schon. Sie wusste, dass seine Worte eine tiefere Bedeutung hatten. Eine, die ihr weiter helfen sollte. Die sie verstehen musste. Doch es ergab keinen Sinn. Der Barde schien ihre Verwirrung zu spüren, denn er sprach weiter: „Denn die Kraft, sich über die Hindernisse zu erheben, stammte von Anfang an aus der Prinzessin selbst.“ Es verging eine lange Zeit, in der Zelda über seine Worte nachdachte. Das angebliche Lied nachdachte. Das Lied, das eine Hommage an ihr Leben darstellte, so meinte sie zumindest zu verstehen. Die Worte des Shiekah schmeichelten ihr. Und ähnelten in verblüffender Weise denen von Link. Beide sprachen ihr mehr Kraft zu, als Zelda in sich spürte. Beteuerten, dass sie ihr Bestes tat. Dass sie am Ende ihr Ziel erreichen würde. Woher nahmen sie nur die Gewissheit? Link hatte Bilder gesehen, Fetzen uralter Erinnerungen. Aber dieser Shiekah? Waren es nur leere Worte? Nein. Zelda konnte das nicht glauben. Es sprach eine Ehrlichkeit, eine tiefe Überzeugung aus der Dringlichkeit seiner Worte. „Ich glaube nicht, dass mir dieses Lied besonders gut gefällt“, sagte Zelda irgendwann, nachdem sie aufgegeben hatte, nach einer klugen Antwort zu suchen. Sie gab sich keine Mühe die Erschöpfung in ihrer Stimme zu verbergen. „Dann ist es gut, dass ich meine Rotta nicht dabei habe und es nicht werde singen können.“ Zelda warf dem Shiekah einen sardonischen Blick zu. Ein wenig amüsiert, aber nicht gewillt es aufrichtig zu zeigen. Wie zuvor schien er sie zu verstehen, ohne dass sie sich deutlich ausdrücken musste. Er lächelte. „Ihr könnt ohne die Begleitung Eures Instrumentes nicht singen, Barde?“ Sein Lächeln wurde breiter. Eine Reihe weißer Zähne zeigte sich. Und ein zweites, kleineres Grübchen zeigte sich auf der anderen Gesichtshälfte. Nun, das sie es einmal bemerkt hatte, fiel es Zelda wirklich schwer, seine elegante Attraktivität nicht sehen. Es sprang ihr förmlich ins Gesicht. „Bei Euch würde ich sie brauchen“, sagte er galant, seine Stimme dunkler Samt, der Zelda ein unruhiges Gefühl in den Knöcheln verursachte. Dieser verdammte Shiekah war sich seines Charmes nur zu bewusst. „Warum?“, fragte sie, obwohl sie es eigentlich besser wusste. Zelda hatte genug Erfahrung mit höfischer Tändelei um zu wissen, wenn eine Schmeichelei eingeleitet wurde. Doch dieses Mal ertappte sie sich dabei, wie sie es hören wollte. „Ich würde sie brauchen, um das Zittern meiner Hände zu verbergen, das mich immer quält, wenn ich Eurer lieblichen Gestalt angesichtig werde.“ Es sollte kitschig sein. Es war kitschig. Aber die Überzeugung mit der er es aussprach veränderte die Worte auf eine Weise, die sie ernst machten. Sie starrte ihn an. Dann spürte sie zu ihrer Beschämung, dass ihr das Blut in die Wangen schoss. Berührt, und geschmeichelt, sah sie zu Boden. Es war erstaunlich, dass sie zu der Sorte Mädchen gehörten sollte, deren tiefe Niedergeschlagenheit durch ein paar hübsche Worte aufgeheitert werden konnte. Sie lernte in letzter Zeit eine Menge Dinge über sich selbst. Kaum etwas davon war sehr erfreuend. „Danke“, sagte sie irgendwann. Denn auch wenn sie sich dafür schämte, so fühlte sie sich dennoch ein wenig besser. „Das war hilfreich.“ Sie hob den Kopf, um den Barden anzusehen, dessen Blick nichts von seiner Intensität verloren hatte. Dennoch fühlte sich Zelda nicht länger unwohl darunter. „Trotz fehlender Rotta.“ Der Shiekah antwortete auf ihren Versuch der Ironie mit einem charmanten Lächeln. „Dennoch blicken Eure schönen Augen düster und auf Eurer Anmut lastet der Schleier der Traurigkeit.“ Fast hätte Zelda gelacht. Nicht vor Bitterkeit, wie sie es noch vor kurzer Zeit getan hätte, sondern weil der Vorwitz des Barden sie ehrlich amüsierte. „Das ist mein normaler Gesichtsausdruck“, widersprach sie, nun mit einem Lachen in der Stimme. Die Augen des Shiekah begannen zu leuchten. „Nein“, sagte er daraufhin und sah sie lange an. „Normal ist es, wenn mich das Strahlen Eurer Schönheit mit dem Feuer tausend sterbender Sterne verbrennt. Ich kaum in Eurer Anwesenheit stehen kann, weil Euer Zauber den Boden unter meinen Füßen zum Wanken bringt.“ Er sprach mit ihr, als würde er es ernst meinen. Als wären seine Worte nicht eine hübsche Ansammlung poetischer Dummheiten, die amüsieren und schmeicheln sollten, aber wenig Wahrheit enthielten. Zelda kam sich lächerlich vor, dass ihr das Blut erneut in die Wangen schoss. Ihr der Atem in der Brust stecken blieb und ein heißer Schauer über ihren Nacken fuhr. „Heute allerdings, Prinzessin“, fuhr der Shiekah mit sanfter Stimme fort. „Heute ist Euer Glanz nicht zu blendend für meine unwürdigen Augen. Und würde diese Tatsache nicht bedeuten, dass Ihr unglücklich seid, würde ich Euch sagen, dass diese süße, zarte Flamme das schönste ist, was ich auf dieser Welt je erblicken werde.“ Er senkte seine Stimme herab zu einem fein intonierten Flüstern. „Und auch wenn diese Flamme mein Herz auf immer in Brand gesteckt hat, so würde ich dessen Explosion angesichts der ganzen Strahlkraft Eurer Seelentiefen Schönheit gern in Kauf nehmen, wenn ihr nur glücklich wäret.“ Bevor Zelda etwas erwidern konnte, oder auch nur ihren Atem wieder gefunden hatte, verbeugte sich der Barde – lang und tief – und drehte sich um. Er war beinahe aus Ihrem Blickfeld verschwunden, als Zelda ihm hinterher rief. „Wartet!“ Der Shiekah wandte sich ihr wieder zu. „Wie heißt Ihr, Poet?“ Das helle Haar des Barden funkelte wie ein von Sonne beglitzerter Schnee. Seine gesamte Erscheinung war unwirklich. Schillernd.Wie aus einer Legende entsprungen. „Für Euch würde ich jeden Namen annehmen, Prinzessin. Doch meine Eltern nannten mich Rafayl.“ „Danke, Rafayl.“ Er verbeugte sich. Eine langsame, bedachte Bewegung, in der er nie den Blick von ihr nahm. Dann drehte er sich um und verschwand die Treppe hinunter. Und hinterließ Zelda allein und einigermaßen verwirrt.   *   Beim Mahl in der Halle erfuhr Zelda, dass es sich bei ihrem nachmittäglichen Gast nicht einfach nur um einen Barden handelte. Die Frau des Zeremonienmeisters, eine große, rothaarige Frau mit kräftigen Augenbrauen, flüsterte ihr hinter vorgehaltener Hand zu, dass es sich bei Rafayl um den Barden handelte. Jahrelang hatte er Hyrule durchwandert, Geschichten und Lieder gesammelt und komponiert. Um seine Stimme rankten sich Legenden, die aufgeregt tuschelnd immer wieder erzählt wurden. Ein gut aussehender, junger Künstler mit silbrigem Haar und geschickter Zunge. Bei dem letzten Kommentar hatte die Matrone beinahe einen Kicheranfall erlitten. Was Zelda kurz von Rafayl abgelenkt hatte, den sie heimlich zu beobachten versuchte. Sie besah die Frau des Zeremonienmeisters mit einem strengen Blick, wovon diese sich aber nicht beeindrucken ließ. Stattdessen fechelte sie sich einfach nur Luft zu. „Wisst Ihr, Prinzessin, es ist ein Wunder, dass er bereits so lange bei Hofe weilt“, flüsterte die Dame, nachdem sie sich ein wenig beruhigt hatte. „Wie das?“, fragte Zelda, um Gleichgültigkeit bemüht. Täte sie zu interessiert, würde das womöglich noch mehr Gerüchte in Umlauf bringen. „Nun“, begann die Dame verschwörerisch leise und ließ sich Zeit mit der Antwort. Sie genoss es sichtlich, dieses saftige Stück Klatsch in ihrer Gewalt zu haben. „Er war lange Zeit ein Reisender. Wollte sich nirgendwo niederlassen, egal was für Geschenke und Ausgleiche man ihm für seine Dienste auch vorschlug. Aber dann, vor wenig mehr als einem Jahr, hat er aufgehört durch das Land zu ziehen.“ Die Frau zog reißerisch eine Augenbraue in die Höhe, offensichtlich genoss sie es, in der Prinzessin eine so interessierte Zuhörerin gefunden zu haben. „Er ist hier geblieben. Und dichtet für den königlichen Hof allein.“ Zelda gab sich Mühe ihr Interesse an dieser Geschichte zu verbergen. Sie musste zugeben, dass der Shiekah eine faszinierte Gestalt war. Mit wunderbarer Stimme, die gewaltig und einnehmend und sanft und schwebend sein konnte. Er verstand es Gefühle zu entfachen, den Raum zu füllen und das Publikum ganz nach seinem Willen in ein Reich jenseits des Hier und Jetzt zu entführen. Es war wirklich erstaunlich, dass ihr das vorher nie aufgefallen war. Aber sie hatte dem abendlichen Mahl auch nie sehr häufig beigewohnt. „Es heißt, der Stoff für seine Lieder stammt aus dem Anbeginn der Zeit. Er sucht überall nach Inspiration. Auch in den alten Texten und Schriften. Wahrscheinlich ein Wirken seiner Shiekah Herkunft.“ „Tatsächlich?“, fragte Zelda, nur noch interessierter als vorher. Der Barde forschte in alten Schriften nach Stoff für seine Lieder? Eine Gemeinsamkeit an unerhoffter Stelle. „Der König ist sehr erfreut über die verlängerte Spielzeit hier im Schloss“, fuhr ihre Gesprächspartnerin mit einem Blick auf den König fort. Auf ihrem Gesicht zeigte sich der befriedigte Ausdruck einer Katze, die eine unbeaufsichtigte Schüssel mit Sahne entdeckt hat. Zelda folgte dem Blick auf ihren Vater, der eine ähnliche Miene zur Schau trug. Er hatte einen Becher in der Hand, wahrscheinlich gefüllt mit einem edlen Tropfen der vergangenen Jahrzehnte, schien aber vergessen zu haben, daraus zu trinken. So sehr war er in das Spiel des Barden vertieft. Zelda musste das Lächeln unterdrücken, das in ihr aufstieg. Sie hatte ihren Vater nie für einen Conosseur der schönen Künste gehalten. Aber vielleicht hatten die schwierigen Zeiten in denen er König war, auch von ihm recht viele Opfer verlangt. Der Gedanke stimmte sie traurig und Verständnis und Mitgefühl durchfluteten sie, spülten ein wenig von dem Groll fort, der sich seit dem Gespräch am Morgen in ihre Brust gefressen hatte. Das Lied des Barden endete auf einer hohen, süßlich-melancholischen Note und Stille senkte sich über den Saal. Es meldete sich kurz ihr Gewissen – sie hatte mehr Zeit damit verbracht nachzudenken, als Rafayls Darstellung zu folgen. Dann brandete ein ohrenbetäubender Beifall durch die Halle und Zelda vergaß sich schlecht zu fühlen. Rafaly nahm den Dank seiner Zuhörer mit einer eleganten Verbeugung entgegen. Ein feines Lächeln umspielte seine Lippen, während seine Augen über die Gesichter wanderten. Zelda wandte den Blick ab, nicht gewillt sich von ihm dabei ertappen zu lassen, dass sie ihn angestarrt hatte. Stattdessen konzentrierte sie sich auf ihr Abendessen, das sie bis zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger ignoriert hatte. Zu Unrecht. Die Pastete aus süßlichen Rüben und zart gegartem Fisch war köstlich. So vertieft, bemerkte sie die Veränderung in der Halle erst, als die Frau des Zeremonienmeisters neben ihr sie ansprach. Das gehauchte „Prinzessin“ ließ Zelda den Kopf heben. Alle Blicke waren auf Rafayl gerichtet, der neben den langen Tischen entlang ging. In ihre Richtung kam. Langsam ließ Zelda ihr Besteck sinken. Er würde doch nicht den Fehler machen, zu ihr zu kommen. Vor den neugierigen, wertenden Blick der anderen. Seine beunruhigend hellen Augen glitten über die Köpfe der Höfischen, die in Zeldas Nähe saßen. Dann blieb sein Blick an ihr hängen. Fixierten sie. Für einen kurzen Moment geriet sie in Panik. Was Blödsinn war, dennoch ertappte sie sich dabei, wie sie mit huschenden Augen die Umgebung nach Link absuchte. Eine automatisierte Reaktion, die keine Verbindung zu ihrem bewussten Denken hatte. Schließlich wusste sie, dass Link nicht hier war, um sie zu beschützen. Er war bei Mipha. Um sich heilen zu lassen. Wegen einer Wunde, an der Zelda Schuld hatte. Die Reaktion war bezeichnend dafür, wie sie sich mittlerweile auf ihn verließ. Außerdem brauchte sie in diesem Moment kaum seinen Schutz. Zelda hielt den Atem an. Rafayl war fast bei ihr angekommen. Nur noch einige wenige Schritte von ihrem Platz entfernt. An der langen Seite der Tafel, ganz in der Nähe des Königs. Im letzten Moment jedoch, hob der Barde den Blick und ging an ihr vorüber. Die Luft, die sie angespannt eingehalten hatte, entfuhr ihr in einem tiefen, erleichterten Seufzen. Wovor hatte sie Angst gehabt? Dass Rafayl sie vor aller Augen blamieren würde? Dass er offenbaren würde, dass sie vor wenigen Stunden ein vertrauliches Gespräch geführt hatten, unbeaufsichtigt und ohne einander vorgestellt worden zu sein? Jetzt kam sie sich absolut lächerlich vor. Ein Mann wie dieser, jemand der das Wort und dessen Wichtigkeit zu seinem Lebensinhalt erklärt hatte, würde nicht den Fehler machen, den höfischen Wölfen ein so unbedachtes Opfer zum Fraß vorzuwerfen. Vielleicht fühlte sie sich einfach zu sehr außerhalb ihres Elementes, um nicht ständig vom Schlimmsten auszugehen. Es war weiterhin bezeichnend, dass sie Links Abwesenheit für dieses Gefühl des Balanceverlustes, diese ständige Nervosität verantwortlich machte.   „- Euch einen besonderen Wunsch erfüllen kann, zum Dank für Eure Kunst und die Unterhaltung. So zögert nicht, darum zu bitten.“ Anscheinend hatte Zelda – tief in die Gedanken um ihre seltsame Anspannung versunken – nicht mitbekommen, wie der König dem Barden gegenüber seine Hochachtung ausdrückte. Blinzelnd drehte sie den Kopf, um sich wenigstens nicht noch mehr des Gesprächs entgehen zu lassen. „Euer Dank, mein König, ist mir Lohn genug“, antwortete Rafayl und senkte Kinn und Blick mit galant auf die Brust gelegter Hand. Ihrem Vater gefiel diese Antwort, Zelda erkannte es an der Art, wie er sich in seinem Stuhl zurücklehnte, einen Ellenbogen auf die Lehne gestützt. „Und dennoch möchte ich Euch einen Wunsch erfüllen.“ Ein Lächeln beschwor das Grübchen in Rafayls Wange herauf und ein Kollektiv weiblicher Seufzer erklang in der Nähe. Zelda musste sich sehr darum bemühen, nicht den Kopf zu schütteln. Wer war sie schon, die Frauen für deren Faszination zu verurteilen? Sie neidete ihnen nur die Freiheit diese Faszination öffentlich zur Schau zu stellen. „Nun“, begann der Barde im untertänigsten Tonfall von jemanden, der genau wusste, wie man das höfische Spiel spielte. „Nichts läge mir ferner, als Eurer Majestät diese Freude zu verwehren.“ Wieder neigte er den Kopf und der König lachte. „Also, was ist es?“ Er hob auffordernd die Hand, eine Geste, der die Trägheit seiner natürlichen Autorität anhaftete wie eine dicke klebrige Harzschicht. Rafayl legte in gekonnt inszenierter Geste den Kopf schief und schwieg für einen Moment. Hielt die Spannung für genau die richtige Länge, bevor er sprach. „Ich hörte, dass die Forscher meines Volkes am Schloss eine Ausgrabung begonnen hätten“, eröffnete er in neutralem Tonfall. Er war gut darin, die Intensität seines Blickes zu verschleiern, so zu tun, als wäre es ihm eigentlich gar nicht wichtig. „Es heißt“, fuhr er fort, nun mit deutlich leiserer Stimme, „sie suchen nach einem Geheimnis aus alter Zeit.“ Ein leichtes Lächeln ließ seinen linken Mundwinkel in die Höhe zucken. „Und mein eigenes Forscherherz ist fasziniert.“ Er schwieg. Ließ die Anwesenden ihre eigenen Schlüsse ziehen. Zeldas Atem beschleunigte sich. Die Ausgrabung. Sie interessierte ihn? Zelda war schon eine Weile nicht mehr dort gewesen, hatte immer nur niederschmetternde Nachrichten erhalten – keine Neuigkeiten, nichts gefunden, ändern den Grabungswinkel auf zwei Grad südlich. Robelo hatte die Suche nach den Pfeilern aufgegeben. Ein anderer Shiekah leitete nun die Ausgrabung. Und Zelda machte sich ebenfalls keine großen Hoffnungen, dass sie finden würden, was in den alten Schriften beschrieben war. Aber nun, da sie die Ausgrabung nicht mehr würde besuchen können, ohne den Zorn ihres Vaters auf sich zu ziehen, wollte sie auf einmal nichts lieber, als sich den geänderten Grabungswinkel mit eigenen Augen anzusehen. Das Lächeln ihres Vaters wurde nachdenklicher. Als würde er sich fragen, wie man eine solche Bitte äußern konnte, wenn der König des Landes einen freien Wunsch gewährte. „Wenn Ihr sie sehen wollt, werde ich ein Treffen mit dem Ausgrabungsleiter arrangieren.“ Er nickte kurz in Rafalys Richtung, mit den Gedanken schon wieder ganz woanders, der enttäuschende Wunsch des begehrten Barden nicht länger interessant für ihn. „Eigentlich“, erwiderte Rafayl, bevor der König sich ganz abwenden konnte, „hatte ich gehofft, dass Eure Tochter mir Führerin und Lehrerin sein könnte.“ Der Tonfall des Barden war unverfänglich und leicht, dennoch flocht sich ein Stahl durch seine Stimme, die Zeldas Atem stocken ließ. Niemand sprach je so mit dem König. Auf eine solch fordernde Weise, die ihre Unerbittlichkeit hinter sanfter Höflichkeit versteckt hielt. Die Augenbrauen ihres Vaters zogen sich leicht zusammen und Zelda erwartete schon ein Donnerwetter, doch Rafayl sprach weiter, bevor etwas geschehen konnte. „Zweifellos ist der Leiter der Ausgrabung ein Meister seines Fachs und wird viel zu beschäftigt sein einem unbedeutenden Künstler unwichtige Fragen zu beantworten.“ Rafyal senkte leicht das Kinn, fixierte den König mit einem durchdringenden Blick und etwas in seinen Augen wurde scharf wie die Klinge eines hylianischen Schwertes. „Fragen“, fuhr er fort und betonte das Wort auf eine Weise, die ihm ungeahnte Bedeutung verlieh, „die ich ohne Zweifel stellen werde müssen, um das Gesehene verstehen und in einem Lied verarbeiten zu können. Einem Lied über die besonderen Anstrengungen und das ehrwürdig Band, das Hylianer und Shiekah nach all den Jahren der Entzweiung aneinander bindet.“ Der Barde hob den Kopf, sein hypnotischer Blick riss mit einem fühlbaren Schnappen und alle Zuhörer erwachten aus seinem Bann. Beinahe hätte Zelda gelächelt. Oh, er war gut. Er war ein Meister. Er manipulierte so gekonnt, dass er sich nicht einmal die Mühe zu machen brauchte, es zu verbergen. Ihren Vater spielte er mit ebenso viel Geschick wie das Instrument, das seinen Gesang begleitete. Er hielt dem König gleichzeitig die Wichtigkeit des öffentlichen Bildes vor Augen. Shiekah und Hylianer, die friedvoll für eine gemeinsame Sache Seite an Seite arbeiteten: Die Rettung des Landes. Ließ das Versprechen eines Liedes, das König Rhoam als Begründer dieser Allianz heroisch darstellte, vor seiner Nase baumeln. Ein Lied das er, als eben nicht nur unbedeutender Künstler, sondern einflussreichster Barde des Zeitalters, schaffen würde, wenn seine Wünsche erfüllt werden würden. Was nun wirklich nicht zu viel verlangt war. Schließlich verkaufte er seinen Wunsch als vorausschauende Lösung eines eventuellen Problems. Natürlich sollte der Ausgrabungsleiter nicht bei der Arbeit gestört werden. Und so schien der König ganz zu vergessen, dass es eigentlich Zelda war, die er nicht gestört sehen wollte. „Euer Wunsch sei erfüllt. Prinzessin Zelda wird Euch morgen zur Mittagsstunde zur Ausgrabung begleiten. Und Eure Fragen beantworten. So lange sie sich um die Ausgrabung drehen.“ Zelda musste sich auf das Fleisch an der Innenseite ihrer Lippe beißen, um das Lächeln zu unterdrücken, dass sich auf ihr Gesicht schleichen wollte. „Sieh dich vor, Tochter“, sagte er König an sie gewandt, mit einem gespielt verstimmten Gesichtsausdruck. „Ein Mann wie dieser, wird dir alle Regierungsgeheimnisse entlocken, bevor du überhaupt bemerkt hast, dass er dir eine Frage gestellt hat.“ Die Anwesenden lachten über den Witz des Königs und die allgemeine Aufmerksamkeit teilte sich. Wandte sich wieder den Speisen und Gesprächen zu. Der König bewegte seine Hand in die Richtung des Barden, ein Zeichen dafür, dass er entlassen war und beugte sich ohne einen Blick in Rafayls Richtung zu einem seiner Berater hinüber. Der Barde betrachtete den König für einen Moment schweigend. Dann verbeugte er sich mit der ihm so eigenen überladenen und dennoch eleganten Art, die an einem anderen Mann affektiert oder gar beleidigend ironisch gewirkt hätte. Als er sich umdrehte, begegneten sich ihre Blicke. Zeldas angestrengt neutral, während sie versuchte ihre Freude über diese unerwartete Wendung zu verbergen, seiner mit der subtilen Zufriedenheit einer Katze, die selbst mit geschlossenen Augen einen vagen Eindruck von Selbstgefälligkeit vermittelt. Seine Lippen kräuselten sich zu einem kleinen Lächeln und Zelda konnte nicht anders als es zu erwidern, während sie gleichzeitig leicht den Kopf schüttelte. Rafayl neigte das Kinn in einem respektvollen Nicken und schritt aus der Halle. Das silbrig glänzende Haar wie ein langer Umhang hinter sich. Langsam sah Zelda wieder auf ihren Teller hinunter. Um sie herum hatte die Gesellschaft wieder in die geschäftige, gesprächige Stimmung zurückgefunden, in der sie sich befunden hatte, bevor Rafayl die ersten Takte auf seinem klagend klingenden Instrument angestimmt hatte. Aber Zelda fühlte sich anders als zuvor. Nach einer Weile bemerkte sie, dass es Hoffnung war. Eine kleine tänzelnde Flamme in ihrem Bauch, die einen sanften Bann um sie gesponnen hatte. Ein Lächeln bewegte ihre Lippen und sie spürte, wie ein wenig von der desaströsen Anspannung von ihr abfiel. Wärme durchflutete sie, die nichts mit den Körpern neben ihr oder dem Kaminfeuer oder dem Licht der vielen Kerzen zu tun hatte. Seit Rafayls Auftauchen hatte er ihr stets eine helfende Hand gereicht. Eine Hand, die stark genug war, ihr aus der Schlucht ihrer Depression zurück ins Sonnenlicht zu helfen. Eine Hand, die mit einem Verstand verbunden war, der als einer der wenigen begriff, dass sie sich überhaupt in dieser Schlucht befand. Etwas das Zelda gut zu verbergen wusste. Unwillkürlich musste sie an Rafayls Worte denken. Sie findet jemanden. Jemanden der ihr treu ergeben ist. Der sie ganz und gar bewundert, für ihre Liebe und ihr Leben, ihr Glück und ihr Heil, ganze Welten in Bewegung setzen würde. Und sie findet in ihm eine neue Leiter. Bisher hatte sie gedacht, dass diese Leiter Link wäre. Eigentlich hatte sie gar nicht viel darüber nachgedacht, da es ihr so offensichtlich schien. Aber jetzt war Zelda sich nicht mehr so sicher. Vielleicht gab es noch eine andere Leiter. Vielleicht war es ihre Pflicht nach einer anderen Leiter zu suchen. Denn auf Links Schultern lastete genug Verantwortung, ohne dass er ihr Gewicht tragen musste. Wenn sie ihn schützen wollte, musste sie versuchen, ihn vor dem tiefen Sturz bewahren, den es bedeuten würde, wenn sie auf dem Weg aus der Schlucht heraus abrutschte.     Tief in Gedanken versunken betrat Zelda ihr Gemach. Es war dunkel geworden und sie musste sich beeilen, ihre Abendandacht zu beginnen. Doch es fehlte ihr an der nötigen Dringlichkeit. Leise schloss sie die Tür hinter sich. Die Gespräche zu Tisch hatten sie nach Rafayls Abschied gänzlich unberührt gelassen. Die Frau des Zeremonienmeisters hatte ohne viel Antworten zu verlangen geplappert, bis Zeldas Kopf geschmerzt hatte. Aber sie war für das bereitwillige Gerede der Frau dankbar gewesen. So war es nicht weiter aufgefallen, dass Zelda selbst kaum ein Wort gesprochen hatte. Wenn man nun auch noch begann ihr eine Schwärmerei für einen Shiekah Barden vorzuwerfen, würde sie wohl auch noch den letzten Respekt des Volkes verlieren. Zumal es nicht der Wahrheit entsprach. Anders als die anderen Gerüchte. Zelda konnte in ihrem Herzen keine Zärtlichkeit für den Barden finden. Nicht wenn es meilenweit entfernt, bei einem anderen Mann weilte. Zelda seufzte und nahm den goldenen Reifen von ihrem Kopf, um ihn auf die Kommode zu legen. Als sie einen Blick auf ihr Spiegelbild warf, bemerkte sie ein Päckchen auf ihrem Kissen und drehte sich danach um. Ihr Herz begann schneller zu klopfen. Das Buch. Aufgeregt griff Zelda nach dem Paket. Ein Zettel lag darauf, mit einem kurzen Satz in Minas enger Handschrift.     Ich hoffe, das hier wird alle Fragen beantworten. ~ M.   Zelda lächelte. Dann strich sie das Papier von dem kostbaren Inhalt. Riss vor lauter Ungeduld an der Schnur, die es umwickelt hielt. Das Buch selbst war unauffälliger als erwartet. Auch wenn Zelda nicht wusste, was sie genau erwartet hatte. Sicherlich keinen leinenen Einband, der kaum zweihundert Seiten zusammenhalten konnte. Zelda wendete das Buch und betrachtete die Rückseite. Keine Aufschrift. Nur drei Worte auf dem Buchrücken. Sinder und Jawine Zelda begann an ihrer Lippe zu kauen. Sie hätte zu gerne einen Blick hinein geworfen. Aber sie befürchtete, dass sie sich nicht würde loseisen können. Und sie war ohnehin schon spät dran für ihre Abendandacht. Nach einem kurzen Moment inneren Kampfes, legte Zelda das Papier zur Seite und versteckte das Buch unter ihrem Kissen. Dort würde hoffentlich niemand die Dreistigkeit haben nachzusehen. Dann schlüpfte sie in ihr weißes Priesterinnenkleid und erklomm mit schnellem Schritt die Treppe nach oben. Wo sie fast sofort tief im Gebet versank.   *   „Das ist nicht die erste Ausgrabung die Ihr besucht“, stellte Zelda nach einer Weile des Schweigens fest, in der sie Rafayl im Licht der von Wolken überschatteten Sonne betrachtete. Sein Gesicht zeigte den zufriedenen Ausdruck eines Mannes, der genau da war, wo er sein wollte. Aber nicht die Aufregung eines Geschichtsenthusiasten, der das erste Mal dabei zu sieht, wie die Vergangenheit ans Licht gebracht wird. Die hellen Lippen des Shiekah zeigten ein feines Lächeln als er ihren Blick erwiderte. Es dauerte einen Moment bis er sprach. „Ich war gerade drei Jahre alt, als meine Tante mich zu einem Schrein in der Nähe unseres Dorfes mitnahm. Es ist meine älteste Erinnerung.“ Sein Blick schweifte in die Ferne. Eine gekonnt inszenierte Reise in die Vergangenheit. Zelda kaufte ihm die Rührung nicht für einen Moment ab. „Seit dem haben mich die Rätsel meiner Vorfahren nie mehr losgelassen.“ Beinahe hätte Zelda gelacht. Stattdessen lächelte sie ein skeptisches Lächeln, ein Zeichen, dass sie ihn genau durchschaute, ihm aber nicht die Befriedigung geben würde, es auszusprechen. Sie wandte den Blick ab. Sah in die Grube zu ihren Füßen und beobachtete das halbe Dutzend Shiekah dabei, wie sie mit Schaufeln und Hacken das Erdreich aufwühlten. Sie waren bereits so tief vorgestoßen, dass es einfach nur entmutigend war, ihnen bei der Arbeit zu zusehen. Zelda seufzte. „Also“, begann Rafayl neben ihr, aber Zelda starrte weiterhin in das tiefe Loch hinunter. „Der Grund der Suche ist ein Hinweis auf weitere Wächter unter dem Schloss, wenn ich mich nicht irre?“ Zelda befeuchtete kurz ihre Unterlippe mit der Zunge und atmete dann tief ein. „Rafayl“, begann sie, sich sehr bewusst, wie unpassend es war, den Barden mit seinem Vornamen anzusprechen. Im Augenwinkel sah sie, wie er ihr den Kopf zuwandte, sein Haar ein silbriger Schleier, der sie beinahe blendete. „Wir beide wissen, dass Euch die Ausgrabung nicht interessiert.“ Sie drehte sich, bis sie dem Barden direkt gegenüber stand. Im hellen Mittagslicht, wenn auch gedämpft durch die dicke Wolkendecke die Regen versprach, wirkte er weniger mysteriös als im Kerzenschein der großen Halle. Allerdings nicht weniger eindrucksvoll. „Warum also sagt Ihr mir nicht, warum Ihr wirklich hier seid?“ Ihre Offenheit schien ihn für einen kurzen Moment zu überraschen. Dann lächelte er. Nicht das höfische Lächeln, das sie am Abend zuvor an ihm gesehen hatte. Belustigte Konzentration mit einem Hauch Selbstgefälligkeit. Sondern ein wirkliches, echtes Lächeln. Das die beiden Grübchen in seinen Wangen zeigte, die ihn Jahre jünger aussehen ließen. Wie alt er wohl tatsächlich war? „Warum sagt Ihr es mir nicht, Prinzessin? Wo Ihr doch mit so außergewöhnlicher Beobachtungsgabe gesegnet seid.“ Zelda lachte und schüttelte den Kopf. „Ich denke nicht. Nein. Ich werde nicht Eure Belustigung sein und Euren geschickt ausgesuchten Worten lauschen, mit denen ihr jede Wahrheit abstreiten werdet.“ Mit einem letzten Blick auf ihn, wandte sie sich wieder der Ausgrabung zu. Wahrscheinlich wäre es besser sie abzubrechen. Zu akzeptieren, dass sie nichts finden würden. Zumindest nicht an dieser Stelle. Egal wie tief sie gruben. Aber das war nicht länger ihre Aufgabe. Rafayl neben ihr hob eine Hand an seine Brust. „Hundert Stiche wütender Bienen können nicht so schmerzhaft sein, wie die eisernen Spitzen Eurer Worte, Prinzessin.“ Er klang rein gar nicht verletzt, eher amüsiert und Zelda lachte erneut. Es war wirklich seltsam, wie gut sie sich fühlte. Obwohl sie hinunter in das trübe Loch einer weiteren Enttäuschung sah. „Ich gebe zu, dass mein Anliegen nicht allzu viel mit dem Verlangen zu tun hatte, Shiekah Männern beim Schlammwühlen zu beobachten“, gestand Rafayl mit einer so komischen Ernsthaftigkeit in der Stimme, dass Zelda erneut lachen musste. Dann warf sie dem Barden einen strengen Blick zu. Zumindest versuchte sie es. „Aber“, fuhr Rafayl fort, ganz und gar nicht betrübt von Zelda bedrohlich aufragender Augenbraue, „ich bin hier wegen eines Liedes.“ Zelda betrachtete ihn skeptisch. „Tatsächlich?“, erwiderte sie trocken und betrachtete ihn für einen kurzen Moment. Rafayl schien sich unter ihrem zweifelnden Blick ganz und gar nicht unwohl zu fühlen. Er sah ihr mit derselben entspannten Konzentration entgegen, die er auch schon am Tag zuvor gezeigt hatte. „Ein Lied über im Schlamm wühlende Männer?“, fragte sie süßlich und lächelte unschuldig. Rafayl antwortete nicht sofort. Er erwiderte ihren Blick nur mit einer Intensität, die sie langsam nervös machte. Sie musste sich zwingen, nicht die Augen niederzuschlagen. „Nein“, antwortete er irgendwann, nachdem Zelda ihre Füße nicht daran hatte hindern können, ein wenig auf der Stelle zu treten. „Ein Lied über die faszinierende Fähigkeit eines Mädchens, die langweiligsten, staubüberzogenen Fetzen der Vergangenheit zu einer spannenden, fesselnden Geschichte zusammen zu fügen“, sagte er und senkte seine Stimme dabei auf eine eindringliche, dunkle Tonlage hinab. „Und dabei das Herz eines Mannes für alle Ewigkeiten zu binden.“ Zelda blinzelte. Ihre Standardreaktion auf die plötzliche, vorstoßende Kraft seiner Worte und deren Macht all ihre Vorbehalte mit Leichtigkeit zu durchschlagen. Es war ihr für einen Moment nicht möglich den Blick abzuwenden. Seine hellen Augen fixierten sie, tief und suchend in ihrer Intensität, saugten sich an ihrfest, sodass sie sich nicht davon lösen konnte. Zelda spürte, wie ihr Pulsschlag sich beschleunigte. Fühlte es an ihrem Hals und den Schläfen. In ihrem Bauch. Sie konnte sich nicht gegen die Welle aus Hitze wehren, die sie durchflutete. Konnte dem Effekt seiner schmeichelnden Worte nicht standhalten, auch wenn sie wusste, dass sie kaum ernst gemeint waren. „Ihr sprecht mir mehr Talent zu, als mir gebührt“, brachte sie irgendwann zustande zu antworten. Ihre Kehle fühlte sich trocken an und ihre Stimme klang zittriger als sie es gern gewollt hätte. Es gefiel Zelda nicht, dass dieser schöne, mysteriöse Mann die Fähigkeit hatte, sie mit Halbwahrheiten und leeren Worten in einen so nervösen Zustand zu bringen. Sie sollte ihm diese Macht verwehren. Zumindest die Stärke haben, es ihm nicht zu zeigen. Aber gleichzeitig fühlte es sich gut an. Schmeichelnde Worte zu hören, wenn es auch Phrasen waren, die sie nicht als Einzige oder gar Erste empfangen hatte. Sie mochte das Gefühl. Das Kribbeln. Die Hitze. Das Aufblühen von etwas, das ihr bisher fremd gewesen war. Deswegen wies sie ihn nicht zurecht, sondern ging auf seine koketten Narreteien ein. Wenn auch mit unerfahrener Zurückhaltung. Sie wusste nicht so ganz, wie man das Spiel spielte, das er ihr anbot. Außerdem konnte sie die Traurigkeit nicht ganz zurück halten, die sie überkam. Sie würde nie die Freiheit haben, auf dieselbe Weise mit jemanden zu tändeln, wie andere Mädchen sie hatten, wenn sie auf Bräutigamschau gingen. Wenn Zelda dieses Alter erreichen würde, gäbe es für sich keine geheimen Treffen und gehauchte Zärtlichkeiten. Keine verstohlen ausgetauschten Küsse. Sie würde nie die Freiheit haben jemanden zu küssen, als Austausch für eine Blume oder ein Lied. Also genoss sie diese Komplimente, solange sie unschuldig genug waren. Solange sie aus dem Mund eines erfahrenen Poeten kamen, der auf Kommando Süßholz raspeln konnte und es ohne Zweifel jede Gelegenheit dafür nutzte. Es war ungefährlich. Sie konnte mit dem Feuer spielen, ohne der Flamme jemals zu nah zu kommen. An Rafayls süßen Worten konnte sie sich nicht verbrennen. Aber sie ermöglichten ihr in dem unmöglichen Traum zu schwelgen, dieselben Worte von anderen Lippen zu hören. Lippen, die sie in Brand stecken konnten, wenn sie auch nur halb so geschickt von Zeldas Schönheit sprechen würden. „Verzeiht mir Prinzessin, aber ein Talent für das Geschichtenerzählen erkenne ich besser als jeder andere.“ Rafalys Worte holten sie zurück auf den Boden neben dem Oststollen, vor das tiefe Loch der Ausgrabung. Zelda seufzte und schüttelte den Kopf. Sie hatte dem Barden nur ein wenig von dem zusammengefasst, was sie über die alten Shiekah herausgefunden hatten. Und da er Teil dieses Volkes war, wusste Zelda mit Sicherheit, dass wenig davon neu für ihn gewesen war. Aber wenn er das Spiel weiter spielen wollte, würde sie ihn nicht davon abhalten. Dazu fehlte ihr ohnehin die Kraft. „In Ordnung“, erwiderte sie mit einer aufgebenden Handgeste, die deutlich zeigte, dass nur mit Worten zustimmte, nicht im Geiste. Rafayl antwortete mit einem wissenden Lächeln. „Vielleicht solltet Ihr nun besser anfangen Eure Fragen zu stellen“, sagte Zelda nach einer Weile des einvernehmlichen Schweigens, das sie damit verbracht hatte den Ausgrabungsleiter – ein älterer Shiekah mit besonders großem Traditionsbewusstsein und noch größerem Hut – dabei zu beobachten, wie er mit hektischen Gesten in Richtung Boden gestikulierte. „Schließlich habt Ihr meinem Vater ein Lied versprochen.“   *   Die Kühle in ihrem Gemach war ihr nie so wohltuend erschienen, wie an diesem schwülen Nachmittag. Undamenhaft schnaufend riss sich Zelda den goldenen Reifen von ihrem Kopf und warf ihn schwungvoll auf das Bett, wo er ein kleines Stück weit über die glatten Laken rutschte und sich dann in ihrem Kissen verfing. Durstig trank sie ein wenig kaltes Wasser direkt aus der Tonkaraffe und störte sich kein Bisschen daran, dass die Flüssigkeit über ihr Kinn lief und ihr Brustbein hinabtropfte. Die drückende Hitze würde sich spätestens in der Nacht in einem heftigen Gewitter entladen. Hoffentlich war Link noch nicht vom Dorf der Zoras aufgebrochen. Oder befand sich irgendwo, wo er sich unterstellen konnte. Zelda strich sich das schwere Haar aus ihrem Nacken und rieb sich die von Schweiß feuchte Haut, die schrecklich juckte. Ihr gefiel der Gedanke nicht, dass Link durch Dunkelheit und Regen reiste, nur weil er ihr versprochen hatte, so schnell wie möglich wieder hier zu sein. Sie hätte ihm versichern sollen, dass er sich nicht zu beeilen brauchte. Doch sie hatte geschwiegen, weil sie gewollt hatte, dass er schnell wieder zu ihr zurückkehren würde. Und damit wieder einmal bewiesen, wie selbstsüchtig sie doch war. Zelda verzog das Gesicht und stieß ein frustriertes Seufzen aus. Manchmal wünschte sie, sie wäre besser darin, sich selbst anzulügen. Dann müsste sie sich nicht mit halb so viel Selbstzweifel herumschlagen. Genervt von sich selbst, ließ sie sich auf ihr Bett fallen. Starrte die Decke an und versuchte, nicht im Trübsal zu versinken. Es gelang ihr nicht wirklich. Stattdessen holte sie das Buch unter ihrem Kissen hervor, in das sie bisher keinen einzigen Blick hatte werfen können. Sie drehte sich auf den Bauch und begann zu lesen. Zu ihrer Überraschung war es keine akademische Schrift. Kein lehrendes Buch, das Definitionen klärte und Vorgänge beschrieb. Es war eine Geschichte. Zelda war bei der vierten Seite angelangt, als sich ihre Augenbraue hob. Als sie das zweite Kapitel begann, waren ihre Augen so groß wie Suppenteller. Mit jedem Satz den sie las, wurde ihre Atmung flacher. Ihre Finger flogen an ihre Lippen. Geschockt, verwundert, entzückt flog sie über die Worte hinweg. Sog das Beschriebene auf. Wärme stieg ihren Hals hinauf. Unaufhaltsame Hitze, die sich in ihrer Körpermitte sammelte und weiter hinunter kroch. Hektisch blätterte sie die Seiten um. Nicht gewillt auch nur ein Wort zu verpassen. Endlich ergab alles einen Sinn. Einen furchtbaren, aufregenden, schrecklich wunderbaren Sinn. Wie hatte sie nur so blind sein können? So unfassbar blind? So dumm, so unwissend? Wäre sie nicht so schockiert gewesen, hätte sie gelacht. Doch sie konnte nicht lachen. Sie war viel zu gebannt von den Geschehnissen auf den leblosen Seiten vor ihr.   Als er in ihr Gesicht sah, verstummten ihre Zweifel. Ihre Ängste, ihre Fragen. Alles was zählte, war er. Er und die Wärme seiner nackten Haut an ihrer. Seine klugen, samtigen Finger. Seine Augen, braune Tiefen, aus denen ihr die Welt entgegen blickte, die er ihr zu Füßen legen würde. Jawine erwiderte seinen Blick mit all der Liebe, die sie für ihn fühlte. Die sie für ihn gefühlt hatte, seit sie ihn das erste Mal gesehen hatte, im kühlen Zwielicht des Thronsaals ihrer Vorfahren, umgeben von Härte und Ungewissheit. Er war ihr wie eine Vision erschienen. Rau und schroff wie der Norden aus dem er stammte und doch erfüllt von einer Hitze, die sie unendlich tief berührte. Sinder griff nach ihrer Hand. Hob sie an seine Lippen und drückte sie gegen die sanfte Haut seines Mundes. Kein richtiger Kuss und doch intimer als jede andere Berührung, die Jawine sich vorstellen konnte. Er starrte sie an. Schien wortlos, fassungslos. Unfähig etwas zu sagen, genauso überwältigt von der Stärke der Gefühle wie sie. Seine Brust hob und senkte sich in kräftigen Atemzügen. Als müsse er gegen Macht der Empfindungen ankämpfen, die aus seinen Augen sprachen. Jawine reagiert mit ihrer eigenen, femininen Leidenschaft. Ihre Finger strichen an seinen Wangenknochen entlang. Hinauf zu den dichten, dunklen Locken, von demselben durchdringenden Braun wie Augen und Bart, wie die kräftigen Augenbrauen. Beinahe schwarz. Ein faszinierender Kontrast neben seiner hellen, beinahe schneeweißen Haut. Haut, die überall war. Haut, die sich samtig über Härte spannte. Muskeln und Narben, ein Mann gestählt durch Kampf und Gewalt, Loyalität und Gefahr. Sie sah, wie er leicht den Kopf schüttelte, als könne er nicht begreifen, was geschah. Dass es wirklich geschah. Jawine wollte ihn beruhigen. Ihm versichern, dass es tatsächlich geschah und dass sie genauso überwältigt war. Doch ihr fehlten die Worte. Sie stockten in ihrer Kehle und ließen Tränen in ihren Augen aufsteigen. Tränen, die Sinders Stirn kräuseln ließen. Jawine versuchte zu lächeln, wollte ihm zeigen, dass es ihr gut ging. Dass es ihr nie besser gegangen war. Doch die Worte entflohen ihr. Also ließ sie ihre Hände sprechen. Ihr Herz, ihre Augen, ihre Seele. Sie konnte nur hoffen, dass er verstand. Sie konnte sehen, wann er aufhörte nachzudenken. Ein Zittern durchlief seinen kräftigen Körper. Ein spürbares Pulsieren. Dann stieß er einem Raubvogel gleich zu ihr hinab und seine Lippen eroberten die ihren. Nahmen sie in Besitz mit einem Feuer, das sie in Brand steckte. Mit einem gebrochenen Wimmern bog sie sich ihm entgegen. Eine gespannte Sehne, die auf seine Finger wartete. Finger, die sich in ihrem Haar vergraben hatten. Finger, die ihren Nacken entlang strichen, ihre Schultern liebkosten und schließlich ihre-   „Was liest du da?“ Zelda quiekte. Wirklich, sie quiekte. Es gab keine beschönigenden Worte dafür. Sie quiekte ein schrilles ertapptes Quieken und drehte sich in einer komischen, erschrockenen, zuckenden Bewegung auf den Rücken. Richtete sich gleichzeitig. Schweiß stand auf ihrer Stirn, ihrem Nacken, ihrer Oberlippe. Ihr Herz klopfte wild und ein Pochen durchfuhr ihren ganzen Körper abwechselnd zu der Regelmäßigkeit ihres Pulsschlag. Und nichts davon hatte mit dem fürchterlichen Schrecken zu tun, den Link ihr eingejagt hatte. Link! Zelda keuchte auf, als sie verstand. Link! Er war wieder da. In ihrem Zimmer. Hektisch fuhr Zeldas Blick durch den Raum, versuchte sich Orientierung zu verschaffen. Gleichzeitig strich sie sich über ihr Haar. Ihr überaus zerzaustes Haar, wie ihre Finger ihr meldeten. „Link!“, hauchte sie und saugte seinen Anblick in sich auf. „Link!“, wiederholte, diesmal etwas lauter und klang dabei freudiger, weniger, als hätte er sie dabei ertappt, wie sie die intime Geschichte zweier Liebender gelesen hatte. Zelda leckte sich über die Lippen und robbte zur Bettkante hinüber. Link hatte sich keinen Schritt bewegt. Bewegungslos stand er neben der Tür, so weit in ihrem Zimmer, wie er nie gewesen war und sah ihr lächelnd entgegen. Sein Anblick brachte etwas in ihrem Herz zum Überfließen. Am liebsten hätte sie sich ihm entgegen geworfen. Ihn an sich gedrückt. Ihn geschüttelt. Dafür, dass er so früh hier war. Er musste sein armes Pferd zu Tode geritten haben. Zelda stolperte von ihrem Bett herunter. Fing sich und bemühte sich um eine weniger aufgeregte Erscheinung. Es war schwer. So schwer. Wenn sie doch einfach nur dem übermächtigen Verlangen nachgeben wollte, über ihn herzufallen. Dank dem Buch hatte sie jetzt einige Vorstellungen davon, wie so etwas ablaufen konnte. Die Bilder ließen ihr noch mehr Hitze in die Wangen steigen, als sie es je für möglich gehalten hätte. Um Halt bemüht, krallte Zelda sie in den Pfosten ihres Bettes. Hielt sich mit beiden Händen daran fest, den Rücken in das harte Holz gepresst. Sie bemühte sich ruhig zu atmen. Ein. Aus. Pause. Ein. Aus. Während ihr Blick alles einsaugte, was sie von ihm sehen konnte. Seine vertrauten, blauen Augen. Sanft und warm, die Haut in den Winkeln im Gleichklang zu seinem Lächeln fein gekräuselt. Er sah müde aus. Staubig und zerzaust von dem langen Weg, den er in unfassbarer Geschwindigkeit hinter sich gebracht hatte. Aber er wirkte zufrieden. Betrachtete sie schweigend und beobachtend, überzeugte sich davon, dass es ihr gut ging. Was er wohl sehen musste? Ihre Robe war vom langen Liegen und den schwülen Temperaturen des Tages faltig und klamm. Ihre Wangen rot und ihre Stirn feucht. Ihr Haar musste wilder aussehen als sogar nach dem Aufstehen – wenn sie sich auf das Tastergebnis ihrer Hände irgendwie verlassen konnte. Und auf ihrem Gesicht zeigte sich das liebeskranke Grinsen einer Verrückten. Zumindest fühlte es sich so an. Zelda räusperte sich. Versuchte ihre Lippen unter Kontrolle zu bringen. Sie räusperte sich noch einmal, während Link langsam, aber unaufhörlich eine Augenbraue in die Höhe zog. „Was hast du?“, fragte er mit deutlicher Belustigung in der Stimme. „Was bei der Göttin hast du da gelesen? Du bist ja ganz nervös.“ Link machte einen Schritt auf sie zu und Zelda quietschte erneut. Wirklich, es war zum Haare raufen. Er blieb stehen, sah sie fragend an, nun noch amüsierter. „Nichts!“, sagte Zelda und machte einen Schritt zur Seite. Kurz darauf wäre sie sich dafür am liebsten auf die Füße getreten. Ging es noch offensichtlicher? Wohl nicht. Denn Links Blick huschte hinüber zu dem Buch, das immer noch offen auf ihrem Kissen lag. Link machte noch einen Schritt. Zelda wartete genau einen einzigen Wimpernschlag. Dann drehte sie sich mit wehender Robe um und warf sich auf das Bett. Auf das Buch. Schützte den verräterischen Inhalt mit ihrem Körper. „Es ist nichts!“, quietschte sie absolut verdächtig, aber mittlerweile war es sowieso egal. Wichtig war nur, dass Link nicht zu Gesicht bekam, was sie da gelesen hatte. Oh, bei der Göttin. Allein der Gedanke ließ sie vor Scham fast im Boden versinken. Ohne viel Finesse stopfte Zelda das Buch unter ihr Kissen. Dann richtete sie sich wieder auf. Pustete eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht und musste dann mit der Hand nachhelfen. „Absolut nichts“, wiederholte sie und griff nach einem zweiten Kissen, um es auf das erste zu legen. „Nichts Wichtiges.“ Sie strich sich erneut über ihr Haar, versuchte wenigstens ein paar der wild gewordenen Strähnen an ihrem Platz nach hinten zu kämmen. Ihr Atem ging immer noch heftig. Von Links Auftauchen und der panischen Hektik ihres Hechtsprungs. Link war mitten im Raum stehen geblieben und beobachtete sie mit der interessierten Aufmerksamkeit eines Jägers. „Was denn nun“, fragte er lauernd. „Nichts oder nichts Wichtiges?“ Oh je. Das hatte man davon, wenn man einen Leibwächter an der Nase herumführen wollte. Einen Ritter, dessen Lebensinhalt es war, Details aufzusaugen wie ein Schwamm. „Nichts, das dich angeht und nichts Wichtiges für mich“, antwortete Zelda und musste sich geistig für diese schnelle, elegante Ausflucht auf die Schulter klopfen. „Du bist wieder da!“, rief sie. Zum einen um ihn abzulenken und zum anderen, weil sie es sagen wollte. EsiIn die Welt hinausschreien wollte. Link nickte. Allerdings ließ er sich von dem Vorfall mit dem Buch nicht ablenken. Seine Augen ruhten auf den Kissen, als würde er Löcher hinein brennen wollen. Glücklicherweise war er viel zu sehr ein Ritter, um sich über ihren offensichtlichen Wunsch nach Geheimhaltung hinweg zusetzen. Der Gedanke stimmte Zelda ein wenig ruhiger. Zum zweiten Mal robbte sie über die nun zerwühlten Laken ihres Betts an den Rand. Um sicher zu gehen, dass sie ihre aufgewühlten Emotionen und ihre Freude über Links Rückkehr unter Kontrolle halten würde, blieb sie an der Bettkante sitzen. Vielleicht wollte sie auch ein klein wenig für den Fall gewappnet sein, dass Link seine ritterlichen Tugenden doch über den Haufen warf und sich auf das versteckte Buch stürzte. Für das sie gleich heute Abend ein besseres Versteck suchen würde. „W-war dein Besuch bei Mipha erfolgreich?“, fragte Zelda ein wenig zittrig. Sowohl in der Stimme als auch in den Knien. Auch deswegen war es eine gute Idee sitzen zu blieben. Wenn auch etwas unhöflich. Aber sie hatte sich Link gegenüber schon schlechter aufgeführt. Links Blick wanderte von den Kissen hinüber zu ihrem Gesicht. Für einen kurzen Augenblick sah es so aus, als würde er nicht auf ihre Frage reagieren und seine Neugierde über all die ritterlichen Lektionen siegen. Doch dann gab es eine deutlich sichtbare Verschiebung in seinen Prioritäten und ein wenig Anspannung verließ seinen Körper. Zelda schluckte. „Ja“, antwortete er gelassen und bewegte seinen Arm. „Alles heil und kampfbereit.“ Sie nickte. „Gut. Wie geht es Mipha?“ Kurz meinte sie etwas Dunkles über Links Gesicht huschen zu sehen, doch es war so schnell wieder verschwunden, dass sie es sich vermutlich eingebildet hatte. Das Licht war nicht mehr allzu hell. Was sie auffahren ließ. „Oh!“, entfuhr es ihr und Zelda sprang auf. Eine so plötzliche Bewegung, dass Link zusammen zuckte. Zelda erstarrte. Ihr Leibwächter atmete tief ein und besah sie dann mit einem leicht verstimmten Blick. „Meine Güte, Zelda …“ Er schüttelte den Kopf und trat auf der Stelle, versuchte den Schrecken loszuwerden, den sie ihm offensichtlich eingejagt hatte. Trotz der Erkenntnis dass sie zu spät für das Abendessen war, nahm Zelda sich Zeit kurz Befriedigung zu empfinden. Sie betrachtete ihn ein wenig selbstgefällig. Schließlich hatte er sie zuerst erschreckt. Und das mit voller Absicht. „Das Abendessen“, sagte sie, als erklärte das alles und setzte sich in Bewegung. Wohl wissend, dass sie Link damit ziemlich im Dunkeln ließ. Sie duckte sich vor ihrem Spiegel, um diesmal ein Bild vor Augen zu haben, wenn sie versuchte, ihr Haar zu glätten. Zelda verzog das Gesicht, als sie den Zustand ihrer Frisur sah. Oder was davon übrig geblieben war. „Abendessen?“, fragte Link hinter ihr, einigermaßen verwirrt. Er stand immer noch dort, in der Mitte des Raumes und beobachtete sie mit gerunzelter Stirn. Zelda warf ihm einen Blick über die Schulter zu, während sie nach einem leinernen Waschtuch tastete. „Ja“, antwortete sie und tupfte sich fahrig über Stirn und Nacken, um die klamme Feuchtigkeit dort zu trocknen. „In der Halle“, spezifizierte sie und warf das Tuch auf den Tisch zurück. Machte sich nicht die Mühe es zu falten, da sie es nach dem Essen ohnehin noch einmal verwenden würde. Mit einem letzten Blick in den Spiegel, glättete sie ihre Augenbrauen mit dem kleinen Finger und wandte sich dann wieder zu ihm um. „Und jetzt komm, sonst wird mein Vater mich vor aller Augen ohrfeigen.“ Das war reichlich übertrieben, setzte Link aber in Bewegung, obwohl er immer noch recht verwirrt aussah. Vielleicht war es auch einfach nur der Befehl in ihren Worten gewesen. Sie verließen Zeldas Gemach durch die Tür; das erste Mal das Link ihr Zimmer durch den offiziellen Eingang betrat. Beziehungsweise verließ. Es war überhaupt das erste Mal, dass Link ihr Zimmer betreten hatte. Zelda runzelte kurz die Stirn. Dann fiel ihr ein, dass sie ihre Krone vergessen hatte und blieb abrupt stehen. Zu schnell für ihren Leibwächter mit den fixen Reflexen. Mit einem Ächzen prallte er gegen sie. Man musste es ihm zu gute halten, wie schnell er sich wieder fing und Zelda ebenfalls. Ohne Links ausgestreckte Hände wäre sie wohl direkt in den Wandteppich getaumelt, der einen Alkoven verhängte. Sie hörte ein schlecht unterdrücktes Fluchen, dann starrte sie in ein paar äußerst verstimmt dreinblickender blauer Augen, die ziemlich nah vor ihrem Gesicht auftauchten. Einmal mehr viel Zelda auf, dass sie absolut gleich groß waren. Selbst die Spitzen ihrer Nasen endeten auf derselben Ebene. Dann fiel ihr alles andere ein. Ihre Gefühle, die Gerüchte. Links Verletzung. Und sie machte sich so hektisch von ihm los, dass sie erneut ins Stolpern kam. „Verfluchter Mist!“ Link stieß ein unwirsches Geräusch aus und griff wieder nach ihr, um sie am Fallen zu hindern. Wieder wich Zelda vor ihm zurück. Drückte sich mit dem Rücken an die Wand. Und in diesem Moment schien er zu verstehen. Er stoppte in der Bewegung. Ließ langsam den Arm sinken und sah sie mit so einem verwirrten, verletzten Ausdruck an, dass Zeldas Herz schmerzhaft kontrahierte. „Mein Diadem“, sagte sie leise, eine unausgesprochene Entschuldigung in der Stimme. Unartikulierte Trauer, die Link nicht verstehen konnte. Aber irgendetwas schien er zu verstehen, denn sein Gesicht verwandelte sich vor ihren Augen in die bekannte Maske aus emotionsloser Gleichgültigkeit. Das Messer dieses Anblicks traf sie so viel tiefer als erwartet. Aber es war besser so. Das versuchte sie sich zumindest einzureden. Sie unterdrückte ein Schluchzen, dann drehte sie sich um. „Ich gehe sie holen“, teilte sie ihm über die Schulter mit, als sie bereits einige Schritte zurück zu ihrem Gemach gelaufen war. Der Ritter neben ihrer Tür hatte nicht sehen können, was geschehen war, da sie bereits um die Ecke gebogen waren, den der Gang machte. Aber er hatte etwas gehört, denn er bedachte Zelda mit einem irritierten Blick, als sie an ihm vorbei hastete. „Guten Abend“, grüßte sie ihn atemlos, etwas was vorher vergessen hatte und verschwand in ihrem Zimmer. Der goldene Reif befand sich auf dem Boden neben ihrem Bett. Wie auch immer er da hin gekommen war, wo sie ihn doch auf die Matratze geworfen hatte. Auf dem Weg zurück zu Link bemühte sich Zelda um etwas mehr Gelassenheit. Um Würde und Eleganz. Alles was sie schaffte, war ein wenig langsamer zu laufen und dabei nicht allzu sehr zu wackeln. Die Würde war ihr wohl ebenso abhandengekommen wie ihre Krone. Letzteres war an sich schon bezeichnend genug. Link war ihr einige Schritte entgegen gekommen, um die Ecke herum, so dass er sie sehen konnte, sobald sie aus ihrem Gemach heraus trat. Natürlich. Immer der aufmerksame Leibwächter. Und sie hatte ihn verletzt, als sie vor ihm zurück gewichen war. Vielleicht sollte sie mit ihm sprechen. Ihm erklären, wieso sie sich von nun an distanzierter verhalten würde. Aber das würde die Frage nach dem Warum nach sich ziehen. Und Zelda hatte zu große Angst, dass sie am Ende über ihre Gefühle für ihn sprechen würde. Und das konnte nicht gut enden. Im schlimmsten Fall beschämte sie ihn so sehr, dass es unmöglich für ihn sein würde, weiterhin als ihr Leibwächter zu dienen. Und auch wenn er nicht ihr Leibwächter wäre, so war er dennoch der Held Hyrules. Sie war die Prinzessin. Zwei Seiten einer Medaille. Zelda konnte nicht zu lassen, dass er sich in ihrer Gegenwart derart unwohl fühlte. Sie würde es nicht ertragen können. Da war ihr die vorsichtige Zurückhaltung, die neutrale Gleichgültigkeit lieber. Zumindest würde das nicht ihr Herz brechen. Zelda versuchte sich an einem Lächeln, als sie neben Link zum Stehen kam. Sein Blick wanderte zu ihren verzerrten Lippen und der stoische Ausdruck auf seinem Gesicht wurde ein wenig weicher, unterbrochen von dem fragenden Zucken einer seiner Augenbrauen. „Können wir?“, fragte Zelda viel zu laut und fröhlich, sodass sie sich erneut dazu zwingen musste, keine Miene zu verziehen. Absolut lächerlich. Sie verhielt sich absolut lächerlich. Link deutete mit der Hand an voraus zugehen. Er schloss sich ihr an. Zwei Schritte hinter ihr. Es war seltsam, ihn wieder hinter sich zu wissen. Und es war nicht das, was Zelda hatte erreichen wollten. Sie hatte eigentlich gar nicht bewusst gehandelt. Sie wusste nur, dass sie nicht dabei gesehen werden durften, wie sie sich berührten. So viel war ihr mittlerweile klar. Berührungen waren intim. Es sei denn, es gab einen Notfall. Wie zum Beispiel, wenn die Hose eines Mannes Feuer gefangen hatte und man dabei half, sie mit klopfenden Bewegungen zu löschen. Berührungen jedweder Art, so unschuldig sie auch eigentlich sein mochten, würden immer als etwas Intimes angesehen werden, gerade von Außenstehenden. „Mein Vater hat mir offenbart, dass er beim Abendessen in der Halle meine Anwesenheit wünscht“, erklärte Zelda Link nach einigen Schritten, die sie in betretendem Schweigen verbracht hatten. Sie sah über ihre Schulter zu ihm nach hinten. Hoffte, dass er durch diesen Blickkontakt und ihre Erklärung verstand, dass sie ihn nicht schneiden wollte. Dass sie nicht wollte, dass er unwissend hinter ihr herlief. Dass sie mit ihm sprechen würde. Link betrachtete sie mit einem vorsichtig nachdenklichen Blick. Als würde er versuchen, aus ihren Tiraden schlau zu werden. Er antwortete ihr mit einem Nicken. Stumm. So wie zum Anfang seines Dienstes. Zelda seufzte unglücklich. Na super. Wann würde sie damit anfangen, nachzudenken, bevor sie handelte? Jetzt hatte sie Link verletzt, obwohl sie nur versucht hatte das Richtige zu tun. Und nun gingen sie schweigend hintereinander her. Obwohl Zelda ihn nach der Reise und nach Mipha fragen wollte. Bei dem Gedanken daran, wie er es so schnell zum Schloss geschafft hatte, fiel Zelda ein, dass sie ihn mit sich zum Abendessen geschleift hatte, ohne ihm die Möglichkeit zu geben, sich von der Reise auszuruhen. Sein plötzliches Auftauchen und ihre Verspätung hatten sie kopflos gemacht. Außerdem hatte sie ihn einfach in ihrer Nähe haben wollen. Mit ihm sprechen wollen. Wieder einmal handelte sie selbstsüchtig. Betroffen sah Zelda auf Boden des Ganges. Sah die goldenen Streifen des roten Teppichs in ihrem Augenwinkel vorbei ziehen. „Wenn du in die Kaserne gehen möchtest, um die von der Reise auszuruhen, solltest du das tun, Link“, sagte Zelda, als sie beinahe bei den großen Flügeltüren angekommen waren, die in den Speisesaal führten. Stimmgewirr der Geruch von gebratenem Fleisch wehte daraus zu ihr hinüber. Sie blieb stehen und wartete, dass Link zu ihr aufschloss. Betrachtete seinen stoischen Gesichtsausdruck und hoffte, dass er ihre Worte nicht falsch verstehen würde. Sie wollte ihn nicht loswerden. Sie wollte, dass er sich nicht verpflichtet fühlte dem Mahl beizuwohnen. Links Blick flackerte kurz hinüber zu den offenstehenden Türen, dann wieder zurück zu ihr. „Dauert es lange?“, fragte er kurz angebunden. Auf seinem Gesicht zeigte sich kein noch so kleiner Hinweis auf seine Gedanken. „Ewigkeiten“, antwortete Zelda wahrheitsgemäß und zuckte mit den Schultern. Link nickte. „Dann bin ich hier, wenn es vorbei ist.“ Zelda betrachtete ihn für einen Moment schweigend. Dann nickte auch sie. Versuchte die langsam dahin plätschernde Trauer nicht zu zeigen. „Ist gut“, bestätigte sie und lächelte. Link bewegte sich nicht. Wartete, dass sie in der Halle verschwand. Sie hob eine Hand zum Abschied und wandte sich ab. Er war nur kurze Zeit wieder da und sie hatten kaum ein Wort miteinander gesprochen. Es hatte eine schreckliche Verschiebung in ihrem Miteinander gegeben, von dem sie noch nicht wusste, ob er permanent wäre. Aber dennoch vermisste sie seine Präsenz so frisch wie vor zwei Tagen, als er das Schloss verlassen hatte.   Ihr Vater kommentierte ihre Verspätung nur mit einem kurzen Blick, doch Zelda zweifelte nicht daran, dass er es später mit Worten nachholen würde. Es war nicht seine Art, sie vor so vielen anderen Ohren zu schelten. Und sie war dankbar dafür. Auch wenn sie vermutete, dass es weniger mit dem Wunsch zu tun hatte, sie nicht vor der Öffentlichkeit zu blamieren, als damit, sie vor dem Volk als starke Prinzessin verkaufen zu wollen. Das Abendessen erschien ihr fad und konsistenzlos und sie musste sich zwingen, mehr als nur ein paar Löffel Suppe zu essen. Die meiste Zeit über, starrte Zelda auf ihren Teller. Beantwortete nur die Fragen, die ihre Sitznachbarin ihr stellte, dieses Mal die Tochter des Zeremonienmeisters. Ein Mädchen ein wenig älter als Zelda selbst, mit rotem Haar und vorwitzigen Sommersprossen, die sich über ein hübsches Gesicht sprenkelten. Zelda bereute, dass sie nicht mehr Elan für das Gespräch aufbringen konnte und dass das Mädchen sich recht schnell ihrem anderen Sitznachbarn zu wandte. An einem anderen Tag hätte Zelda den Austausch mit einer Gleichaltrigen genossen. Sie kannte das Mädchen nur flüchtig, aus einer Zeit, in der Zelda noch die Freiheit gehabt hatte, mit den Töchtern bei Hofe zu spielen. Sie lauschte den Barden nur am Rande, selbst als Rafayl seine Rotta zur Hand nahm, hörte sie ihm kaum zu. Viel zu versunken in ihren eigenen Gedanken. Sie sehnte sich danach, aufstehen und gehen zu können. Doch das wäre erst möglich, wenn die Reihen an Nachspeisen serviert worden wären, die das Mahl am Abend zu einer solch rauschenden Angelegenheit machten. Honig- und Nusskuchen, Obst und feiner Ziegenkäse, ertränkt von einem Strom sahnigem Honig. Eierpudding mit Beeren und Weinsauce. Nur vom Kuchen brach Zelda eine Ecke ab, ansonsten konnten auch die süßen Speisen sie nicht reizen. Sie wurde ungeduldig. Beobachtete die Anwesenden. Feuerte sie gedanklich an, ihr Abendessen doch einfach schneller hinunterzuwürgen. Ihr Blick huschte zur Tür. Immer und immer wieder. Bis sie schließlich sah, was sie gesucht hatte. Link, der im Gang stand. Mit dem Rücken an die Wand gelehnt und mit einem der dort stationierten Wachleute plaudernd. Ihre Blicke trafen sich über die vielen Köpfe hinweg und Zelda lächelte. Ein Lächeln, das Link mit einem knappen Nicken beantwortete. Es war nicht unhöflich oder abweisend. Es war vorsichtig. Und beobachtend. Aus der Blase ihres Glücks darüber ihn wieder zu sehen, entwich ein wenig Luft. Es war besser so. Wirklich. Rafayls Lied endete auf einer hohen, tragischen Note und Applaus brandete auf. Ein Zeichen dafür, dass die musikalische Unterhaltung für den Abend beendet wäre. Ein Zeichen dafür, dass Zelda endlich aufstehen konnte. Sie wartete einen Augenblick. Dann noch einen. Dann betupfte sie mit dem bereitliegenden Tuch ihre Mundwinkel und erhob sich. Sie küsste ihren Vater auf die Wange und knickste vor den wohlwollenden Blicken der nahebei sitzenden Würdenträger, dann wandte sie sich zum Gehen. Es fühlte sich an, als würde sie Link entgegen schweben. Selbst wenn er sich vor ihr zurückgezogen hatte, weil er glaubte, sie wolle seine Nähe nicht, so würde sie seine Gesellschaft, selbst stoisch und schweigend, allen anderen vorziehen. Immer. Und vielleicht würde er irgendwann verstehen, dass sie nicht vor ihm zurückgezuckt war. Sondern vor allem anderen. Sie lächelte ihm zu und kurz war es, als würde sich auf seinem unbeweglichen Gesicht etwas bewegen. Doch dann zuckte sein Blick seitwärts. Seine Augen wurden scharf und er machte einen Schritt nach vorne, genau in dem Moment, in dem Zelda neben ihm zum Stehen kam. Alles an ihm verwandelte sich in lauernde Vorsicht, abwartende Aggressivität. Verwirrt von seiner Reaktion, drehte Zelda sich um. Und sah Rafayl, der ihr durch die hohen Türen auf den Gang hinaus gefolgt war, seine Rotta in der Hand. Zelda blinzelte. Überrascht und irritiert von Links offensichtlicher Schutzhaltung, die in diesem Umfeld völlig unnötig und ebenso unangebracht war. „Link“, sagte Zelda und klang verwirrt und auffordern zugleich. Ihr Leibwächter reagierte nicht. Verharrte nur in einer Haltung aggressiven Abwartens. Die Knie leicht gebeugt, die Hände erhoben. Nicht um zu zuschlagen, sondern um das Schwert auf seinem Rücken ziehen zu können, falls es nötig werden würde. Zelda hielt den Atem an. Was sollte das? Ihr Blick huschte zwischen den beiden Männern hin und her. Konnte nicht anders, als deren Anblick zu vergleichen. Die hochgewachsene Eleganz des Barden, gegenüber Link agiler Vitalität. Es irritierte Zelda beinahe noch mehr, dass Rafayl nicht nur nicht überrascht von Links Reaktion schien, sondern ihr mit einem Ausdruck milden Verdruss' zu begegnen schien. Er betrachtete Link mit dunkler Miene, völlig frei von dem Hauch rechtmäßiger Überheblichkeit. Er wirkte … schlicht und ergreifend genervt. Zeldas Augenbrauen zogen sich zusammen. Was? Rafayl warf einen letzten Blick auf Link, der ihm bedrohlich gegenüberstand und hob den Kopf. Er bemühte sich um einen Ausdruck galanter Gelassenheit, wurde den leicht angestrengten Zug um seine Augen allerdings nicht los. Warum auch immer, aber Links Anwesenheit und dessen seltsam schützende Position, störten ihn gewaltig. Und nicht aus dem offensichtlichen Grund: weil es ihn beleidigte. Rafayl verhielt sich nicht wie ein in seiner Ehre getroffener Unschuldiger. Er wirkte genervt wie jemand, der von etwas abgehalten wird, was er gern getan hätte. Was auch immer das war. „Ich wünsche Euch einen guten Abend, Prinzessin“, sprach er Zelda über Links Kopf hinweg an. Sein Lächeln erreichte immer noch nicht seine Augen und es war nicht stark genug, um das Grübchen auf seiner Wange zu zeigen. Kein ehrliches Lächeln also. „Eure Anwesenheit zu Tisch am heutigen Abend ist der Grund für wunderbare Träume sein, derer ich mich diese Nacht würdig zu erweisen versuchen werde“, fuhr er mit seiner samtigen Stimme fort. „Und“, fügte er hinzu und sein Blick glitt von Zelda zurück zu Link, ein unergründliches Glimmen in seinen hellen Augen, „das Ende eines perfekten Tages.“ Triumph. Es war Triumph. Zeldas Stirn runzelte sich, doch bevor sie etwas erwidern konnte, hatte Rafayl sich gekonnt verneigt und war einige Schritte rückwärts gegangen. Sie sah ihm ein wenig fassungslos hinterher, während er sich umdrehte und den Gang hinunter verschwand. Für einen Moment versuchte sie die Ereignisse zu ordnen, zu verstehen, was gerade vorgefallen war. Doch es wirkte zu komplex. Verwirrend. Als würde ihr ein wichtiges Teilglied fehlen, um das Rätsel zu lösen. Also schüttelte sie leicht den Kopf. Versuchte die lähmende Verwirrung loszuwerden. Es war schließlich das Geräusch das Link ausstieß, das sie zurück holte. Sie blinzelte und starrte ihn an. Hatte er gerade geknurrt? Das musste sie sich eingebildet haben. Langsam fand Link in seine entspanntere, aufrechte Haltung zurück. Nicht länger darauf vorbereitet einem Angreifer mit gezücktem Schwert entgegen zu springen. Es war ihr immer noch ein Rätsel, welche Gefahr er in einem Barden hatte sehen können. Und warum besagter Barde reagiert hatte, als gäbe es dabei kein furchtbares Missverständnis. Kannten sich die Beiden aus Kakariko? Hatte sie hier einen lange zurückliegenden Streit beobachtet? Allerdings war Link eigentlich nicht nachtragend. Ihr selbst hatte er ihre Entschuldigungen immer hinterher geworfen. „Link“, sagte Zelda, nachdem ihr Leibwächter sich langsam zu ihr umgedreht hatte und ihr mit dem Kinn wies, voraus zugehen. Seine Kiefer waren so hart aufeinander gepresst, dass die feinen Muskeln in seinen Wangen hervortraten. Seine Nasenflügel blähten sich. So hatte er ausgesehen, als er die Monster am Todesberg bekämpft hatte. „Was sollte das?“, zischte sie, während sie sich in Bewegung setzte, leise genug, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sie zu ziehen. Die Wache neben der Tür hatte glücklicherweise eine kleine Runde zum anderen Eingang des Speisesaals gedreht, und von dem Zusammenstoß nichts mitbekommen. Aber nun kam der Ritter zurück und musterte sie neugierig. „Nichts“, erwiderte Link gepresst. Zelda verdrehte die Augen, während sie in raschem Tempo die Richtung zu ihrem Turm einschlug. „Es war nicht nichts“, widersprach sie und bedachte Link kurz mit einem strengen Blick. Innerlich gestattete sie sich ein kurzes Jubeln. Was auch immer ihn so wütend machte, hatte ihn vergessen lassen, dass er hinter ihr gehen wollte. Stattdessen passte er seine Schritte ihren an und lief genau neben ihr. „Also?“ Link warf ihr einen dunklen Blick zu. Die Sturmwolken in seinen Augen verschafften ihr ein wenig weiche Knie. Törichtes Mädchen. „Was also?“ Wieder verdrehte Zelda die Augen. „Was sollte das? Du hast ja so getan, als würde Rafayl mich angreifen wollen.“ Links Kopf schnappte so schnell zu ihr herum, dass es Wunder war, dass sie seine Wirbelsäule nicht knacken hörte. „Rafayl?“, wiederholte er mit so scharfer Stimme, dass Zelda ihn verwundert ansah. „Der Barde“, erwiderte sie irritiert. „Der, den du gerade- „Ich weiß, wer er ist“, fauchte Link. Nun war sie vollends verwirrt. Blinzelnd folgte sie Link um eine Ecke. Musste einige Schritte rennen, um mit seinem schnellen Gang mithalten zu können. „Aber-“ setzte sie an, stoppte dann aber, weil sie ohnehin nicht wusste, was sie sagen wollte. Sie verstand einfach nicht. „Er gefällt mir nicht“, knurrte Link und unterband damit Zeldas Versuch, erneut den Sinn in dem eben Beobachteten zu suchen. „Er gefällt dir nicht?“, fragte Zelda fassungslos. Ungläubig starrte sie Link an. „Aber das ist doch kein Grund ...“ sie brach ab. Schüttelte den Kopf und beschloss damit zu warten, bis sie in ihrem Gemach angekommen waren. Vielleicht wäre Link dann so weit abgekühlt, dass er wieder klar denken konnte. Für gewöhnlich hatte er damit sonst keine Probleme. Schweigend gingen sie nebeneinander her, auch wenn Zelda manchmal meinte, Link etwas vor sich hin murmeln zu hören. Aber das könnte auch Einbildung sein. Sie konnte nicht mal sehen, dass er die Lippen bewegte. Gemeinsam hasteten sie den Gang entlang auf die Tür ihres Gemachs zu. Ob sie versuchte ihn abzuhängen, oder eher mit ihm mitzuhalten, war ihr nicht ganz klar. Die Wache vor der Tür deutete eine Verbeugung an, doch Zelda war schon an ihm vorbei, bevor er seine Rüstung ordentlich zum Klappern bringen konnte. Erst als sie mit schnellem Atem mitten in ihrem Zimmer stand fiel ihr auf, dass Link ebenfalls hier war. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. Panik durchflutete sie wie ein kalter Regenschauer. Link war hier in ihrem Zimmer. Er war hier und starrte sie mit so etwas wie schlecht verhüllter Missbilligung an. Die Wache hatte Link in das Zimmer gehen sehen. Was es bedeuten würde, wenn der Ritter jemandem davon berichtete, war vor dem Abendessen Zelda nicht klar gewesen. Als Link sie mit seinem plötzlichen Auftauchen überrascht hatte. Da war er ebenfalls aus ihrem Zimmer gekommen. Vor den Augen der Wache. Schreck und Freude waren zu diesem Zeitpunkt so prominent gewesen, dass sie zuerst nicht an das Gerücht gedacht hatte. Aber jetzt … Er sollte nicht hier sein. Außerdem war sie wütend auf ihn. Das Problem war nur, dass seine Anwesenheit hier sie mit einer freudigen Erwartung erfüllte. Ein abwartendes Prickeln, so aufregend und angenehm, dass es unendlich schwer war, die richtigen Worte auszusprechen. Weswegen sie es wohl auch nicht tat. Stattdessen entschied sie sich dafür, ihn zurechtzuweisen. „Link“, begann sie in ihrem besten strengen Ton. Ihr Leibwächter legte den Kopf ein wenig in den Nacken, um sie mit besser mit den blauen Blitzen zu treffen, die aus seinen Augen schossen. Trotzdessen dass sie wütend auf seine übertriebene Reaktion war und sie sich wahrscheinlich nie in einer seltsameren Situation befunden hatte, verursachte der Anblick ein kleines nervöses Flattern in ihrer Magengegend. Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich auf einmal sehr weiblich. Zelda presste die Lippen aufeinander. Oh, bei der Göttin. Verflucht sei Mina für dieses Buch. Sie hätte sie vorwarnen müssen, dass so etwas geschehen konnte. Aber Links düsterer Blick, die zusammengezogenen Augenbrauen und der zurückgeworfene Kopf verliehen ihm eine Aura dunkler Sinnlichkeit. Das dämmrige Zimmer, nur beleuchtet von einigen Kerzen die eine Zofe angezündet haben musste, während Zelda sich beim Abendessen befand, trug erschwerend zu diesem Eindruck bei. Nicht zuletzt, weil die Schatten aufregende Dinge mit Links Gesichtszügen anstellten. Seinen rechten Wangenknochen hervorhoben und den anderen in dunkles Zwielicht tauchten. Zelda holte tief Luft. Versuchte das Kribbeln in ihrer Brust zu ignorieren und unbeirrbar und standhaft zu wirken. Ihre Fäuste ballten sich. „Weißt du wie beleidigend es ist, jemandem zu unterstellen er sei eine Gefahr für mich? Vor allem, wenn das genaue Gegenteil der Fall ist?“ Zeldas Augenbrauen zogen sich weiter zusammen, während sie Link anstarrte. Nach Anzeichen von Verständnis, oder Entschuldigung auf seinem zugezogenen Gesicht suchte. Was nicht der Fall war. Stattdessen trat so etwas wie sture Selbstgefälligkeit auf seine Züge. Was sie noch wütender machte. Eigentlich hatte sie ihm sagen wollen, wie sehr sie seine Meinung schätzte, dass sie ihm und seinem Urteil vertraute. Aber dass er bei gewissen Charakteren aufpassen musste. Manchmal war es wichtig, die richtigen Leute nicht zu verärgern. Aber diesen dickköpfigen Starrsinn hatte sie an ihm noch nie erlebt. Wahrscheinlich sollte es sie nicht überraschen. Link war zäh. Jemand der immer wieder aufstand, selbst wenn er eigentlich keine Kraft mehr hatte. Aber dass sie sich einmal an dieser Härte die Zähne ausbeißen würde, hätte sie nie gedacht. Der Gedanke entzündete ihr Temperament. Und das, obwohl sie ihm gegenüber nie wieder die Stimme hatte erheben wollen. „Du kannst nicht einfach jeden anknurren, nur weil dir seine Nase nicht passt“, fauchte Zelda und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie stürzte die Lippen. Wütend darüber, dass sie kurz davor waren zu streiten. Oder dass sie mit ihm stritt. Man konnte ihm wohl kaum eine aktive Rolle zusprechen, wenn er nichts weiter tat, als sie herausfordernd anzustarren. Und spöttisch zu schnauben. Wie er es gerade eben getan hatte. Fassungslos sah Zelda ihn an. Ihre Lippen öffneten sich, um etwas zu erwidern, doch heraus kam nur ein ungläubiges Keuchen. Der Kerl war doch wirklich unmöglich. Und er zwang sie dazu die Herrschaftskarte auszuspielen. „Nein“, sagte sie mit distanzierter, schneidender Stimme. „Du wirst dich meinem Wunsch fügen.“ Innerlich zuckte sie vor dem Befehl zusammen. Sie hasste es, so mit ihm zu sprechen. Warum tat sie es eigentlich? Wollte sie ihn in seine Schranken verweisen? Eine Stimme in ihrem Kopf sagte ihr, dass Link einen Grund gehabt haben musste, Rafayl von ihr fern halten zu wollen. Und Zelda vertraute seinem Urteil. Aber es war die Art und Weise wie er es getan hatte, die sie wütend machte. Dass er ihr nicht genügend vertraute, ihr diesen Grund zu erklären. Dass er sie wie ein unmündiges Kind behandelte. Es regte in ihr das Verlangen, es ihm mit gleicher Münze zu bezahlen. Links Augen formten sich bei ihren Worten zu Schlitzen. Die Spannung in seinem Kiefer erhöhte sich noch weiter. Bis beinahe jede Farbe aus seinen Lippen entwichen war. Aber er sagte nicht, was er so offensichtlich sagen wollte. Fast hätte Zelda vor Frustration aufgeheult. Immer noch vertraute er ihr nicht genug, um sie wie eine Gleichberechtigte zu behandeln. Eher würde er an dem Druck der aufgestauten Worte explodieren, als sie auszusprechen. Verletzt und wütend holte Zelda zum nächsten Schlag aus. „In Zukunft wirst du Rafayl nicht daran hindern, sich mir zu nähern“, teilte sie ihm schneidend mit, während sie sich innerlich krümmte. „Er war sehr freundlich zu mir und verdient es nicht, mit fadenscheinigem Verdacht beleidigt zu werden. Ich habe seine Gesellschaft sehr genossen.“ Es war der letzte Satz, der etwas in Link veränderte. Seine Brust hob sich in einem gewaltigen Atemzug, wie ein Blasebalg in der Schmiede. Sein Gesicht nahm einen so mörderischen Ausdruck an, dass Zelda einen Schritt vor ihm zurückwich. Nicht genug. Link holte den Abstand auf, war so schnell heran, ihr direkt gegenüber, dass die Luft ihr vor Schreck im Hals stecken blieb. Ein kleines Pfeifen ertönte, dann hielt Zelda den Atem an. Ihre Muskeln spannten sich. Spannten sich gegen den Impuls weiter vor ihm zurückzuweichen. Gegen den Impuls, sich ihm an den Hals zuwerfen. Sie standen sich gegenüber, im Halbdunkeln des Zimmers, ohne sich zu berühren. Draußen hörte Zelda wie die erste Donnerschläge das nahende Gewitter ankündigten, das sie schon am Nachmittag gespürt hatte. Dann öffnete der Himmel seine Schleusen und prasselnder Regen scheuchte eine Woge kalter Luft durch das offene Fenster ihres Balkons in den Raum. Zelda erschauerte. Nicht nur wegen des plötzlichen Temperaturwechsels. Sondern wegen der Spannung, die sich zwischen ihren Körpern aufgebaut hatte. So nah beieinander, das kaum ein Blatt Papier dazwischen gepasst hätte und dennoch ohne sich zu berühren. Sie konnte die Wärme spüren, die von ihm ausging. Sein Atem, der über sie hinweg wusch wie der Wind, der die Vorhänge wehen ließ. Ihre Blicke bohrten sich ineinander, aufgebracht und unnachgiebig. Stur und schneidend scharf. Alles was außer den aufschlagenden Regentropfen und dem Rauschen des Windes zu hören war, waren Links schnelle Atemzüge, während er sie aus zusammengezogenen Augen anstarrte. Ein weiterer Schauer durchfuhr Zelda, als er schließlich den Mund öffnete um zu sprechen. „Was hat er gemeint“, begann er erstaunlich gefasst, seine Stimme ein dunkles Raunen. „Das Ende eines perfekten Tages … “ Zelda brauchte einen Moment um zu verstehen, dass er Rafayls letzte Worte wiederholte. Sie wusste nicht, was sie wütender machte, die Kraft die sie benötigte, um sich gegen das raue, sinnliche Kratzen seiner Stimme zu wehren oder dass er all ihr Gesagtes ignorierte, um sich auf die Worte des Barden zu stürzen. Außer sich, ließ Zelda ein genervtes Stöhnen verlauten. Sie unterbrach den Blickkontakt, um aufgebracht den Kopf zu schütteln. „Woher soll ich das wissen? Ich kann nicht hinter seine Stirn sehen!“, fauchte sie und machte Anstalten sich von ihm abzuwenden. Ihre Drehung wurde von Links Hand verhindert, die ihren Arm festhielt. Zelda keuchte leise und sah fassungslos auf die Stelle, an der ihren Ellenbogen umklammerte. „Du hast seine Gesellschaft genossen?“, fragte er gefährlich leise und Zelda hob den Kopf. Begegnete seinem glühenden Blick. Sie unterdrückte den Impuls die Augen zu verdrehen. „Kannst du mir endlich sagen, was es mit diesem ungehobelten-“, sie begann ihren Arm zu schütteln, um Links Griff los zu werden, „Benehmen-“, sie ächzte, als Links Hand sich fester um sie schloss „auf sich hat?!“ Wieder stöhnte sie. Genervt. Wütend. Hilflos. Und gab auf sich befreien zu wollen. Stattdessen sah sie ihn auffordernd auf. Die Augenbrauen hochgezogen, die Lippen aufgebracht gekräuselt. „Zelda“, fuhr Link sie an und es war der Hauch von Verzweiflung darin, der sie aufhorchen ließ. „War er mit dir alleine?“ Sie blinzelte und befeuchtete sich mit der Zunge die Unterlippe. Kaute kurz darauf herum, um das zittrige Gefühl in ihrem Inneren abzubauen. Doch sie hörte auf damit, als Link Blick nach unten fiel, hinab zu ihrem Mund. Verlegen und hitzig senkte sie den Kopf. Sie verstand nicht, worauf er hinaus wollte. Sie wünschte, er würde ihr einfach sagen, was das alles auf sich hatte. „Er hat mich heute Mittag zur Ausgrabung begleitet“, antwortete sie nach einer Weile mit kleiner Stimme und sah wieder auf. Warum sie sich auf einmal so unsicher fühlte, wusste sie auch nicht. Sie hatte nichts Unrechtes getan. Sogar ihr Vater hatte ihr für diesen kleinen Ausflug seinen Segen erteilt. Sie wäre verdammt, wenn sie Link um Erlaubnis hätte bitten müssen. Doch was auch immer sie sich ausgemalt hatte, was immer ihr das unbestimmte Gefühl gab, irgendwie doch etwas Unpassendes getan zu haben, als sie Rafayl zur Ausgrabung begleitet hatte, es hätte sie nicht auf den Schwall an Profanitäten vorbereiten können, die sich augenblicklich aus Links Mund ergossen. Zelda starrte ihn mit großen Augen an. Zu geschockt von der Mannigfaltigkeit an Flüchen, die er ausstieß, um sich zu bewegen. Sie bemerkte sogar nur am Rande, dass er sie losgelassen hatte. Ihr Blick flog nach oben, als Link sie erneut mit seinen blauen Augen fixierte. Stürmisch und dunkel im Zwielicht des Zimmers. Während Blitze über die vom Regen aufgescheuchte Ebene Hyrules jagten. „Wo war Fado?!“ Die unverhüllte Aggressivität in seiner Stimme verunsicherte Zelda so sehr, dass sie nichts weiter tun konnte, als Link ungläubig anzustarren. Mit offenem Mund und großen, weit aufgerissenen Augen. „Wo war er?“, wiederholte Link forsch, nachdem sie nicht sofort geantwortet hatte. Zelda zuckte zusammen. Sie hatte ihn noch nie so erlebt. Selbst im Gefecht am Todesberg hatte er nicht derartig kontrolllos wütend gewirkt. Und selbst wenn sein Zorn sich gegen sie gerichtet hatte, was so gut wie nie vor kam – und für seine ungeheure Geduld sprach – hatte er es nie so deutlich gezeigt. „G-gleich hinter mir“, stotterte sie. „Also i-irgendwo hinter mir. Ich weiß nicht genau. Wieso ist das so wichtig?“ Link tat einen tiefen Atemzug und fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. Es war keine sanfte Bewegung. Eher schien es, als wollte er mit seinen Fingern seine Wangenknochen in Brand setzen, so schnell rieb er daran entlang. Wieder hörte sie dieses knurrende Geräusch. Nur dass sie dieses Mal sicher wusste, dass es von Link kam. Als er die Hände wieder senkte, war etwas von der dringlichen Angriffslust von seinem Gesicht verschwunden. Eine gewisse Müdigkeit hatte sich darüber gelegt, als hätte seine Reaktion ihn selbst erschöpft. „Es war seine Aufgabe Abschaum wie ihn von dir fernzuhalten“, sagte er dunkel, aber nicht länger mit dieser gefährlich leisen Stimme voller kaum verhohlener Aggressivität. Abschaum? Sprach er von Rafaly? „Und das Erste, was dieser Vollidiot tut, ist dich mit so einem Wüstling allein zu lassen.“ Link schloss die Augen und stöhnte leise, während er den Kopf schüttelte. Zelda starrte ihn an. „Abschaum? Wüstling?“, fragte sie ungläubig. „Wer? Ein Barde, der Interesse an der Geschichte seines Volkes zeigt?“ Link schnaubte derart laut, dass Zelda der Mund offen stehen blieb. „Geschichtsinteresse?“ Er wandte ihr den Blick zu. Das Gewitter in seinen sturmblauen Augen heftiger als das, das draußen wütete. Er blähte verächtlich die Nasenflügel. „Wenn du glaubst, das ist es was dieser Kerl von dir will“, sagte er und fuhr erbost mit der Handkante durch die Luft, „dann bist du naiver als ich gedacht habe.“ Der Stich war überraschend schmerzhaft. Auf eine körperlich spürbare Weise. Zelda hielt die Luft an. Starrte ihn fassungslos an. In diesem Moment verließ jeder Kampf Links angespannten Körper. Er schüttelte den Kopf und schloss die Augen. Atmete lange und gepresst aus, bevor er sie wieder öffnete. Auf seinem Gesicht zeigte sich ein leidvoller Ausdruck. Eine offene Entschuldigung. „Das hätte ich nicht sagen sollen“, sagte er ernst und mit Nachdruck. Was das Fass zum Überlaufen brachte. „Du hättest es nicht sagen sollen?“ Er hätte es nicht denken sollen! Zelda stieß ein wütendes Geräusch aus. Irgendetwas zwischen einem unterdrückten Kreischen und einem Quietschen und drehte sich um, damit sie voller Recht schaffendem Zorn davon brausen konnte. Zumindest versuchte sie es. Es war erneut seine Hand, die sie aufhielt. Dieses Mal nur sehr viel sanfter. „Zelda.“ Abrupt drehte sie sich wieder zu ihm um. Entriss ihm ihren Arm mit so enormer, zorngespeister Kraft, dass Link dem nichts entgegenzusetzen hatte. Sein leidender Geschichtsausdruck entflammter nur noch mehr Zorn in ihr. „Was bei der Göttin denkst du eigentlich, was du tust?“, fauchte sie, um ihn an irgendeiner anderen Stelle zu treffen. „Du solltest nicht hier sein! Mach dass du verschwindest!“ Und es entsprach der Wahrheit. Dennoch bewahrte sie es nicht vor dem Stich den sie spürte, als sie Links überraschten, verletzten Gesichtsausdruck sah. Er schwieg einen Moment, während Zelda seinen schnellen Verstand arbeiten sah. Kurzzeitig sah es so aus, als würde er genau das tun: verschwinden. Doch dann glättete sich etwas in seiner Miene und eine gewisse Ruhe schien in ihm einzukehren. „Was ist los mit dir?“, fragte er dermaßen gefasst, dass Zelda ihm am liebsten ein Kissen an den Kopf geworfen hätte. „Was mit mir los ist?“ Fassungslos schnaufte sie und schüttelte so vehement den Kopf, dass die Krone auf ihrem Kopf zu rutschen begann. Links Blick folgte dem Goldreif und Zelda riss ihn sich ungeduldig herunter. Mit dem Diadem in der Hand gestikulierte sie aufgebracht in seine Richtung. „Du hast kein Recht zu fragen, was mit mir los ist, wenn du dich derartig …“ sie suchte nach einem passenden Wort. Leider war ihr Wortschatz Profanitäten betreffend ziemlich unterentwickelt „derartig...“, sie ruderte mit dem Diadem durch die Luft, „schafsköpfig aufführst!“ Sie stemmte die Hände in die Taille und versuchte ihn niederzustarren, störte sich dann jedoch an dem Goldreifen, der ihr angenehm in die geballte Faust schnitt. Ohne viel Umschweife warf sie dem Kopfschmuck hinter sich auf ihr Bett. Wo er mit viel Schwung über das Laken rutschte und mit einem Klappern zu Boden fiel. „Schafsköpfig?“, wiederholte Link mit einem amüsierten Beben in der Stimme. „Wechsel nicht das Thema!“, zischte Zelda. Link seufzte und schüttelte den Kopf. Sah kurz nach unten, wahrscheinlich um sich zu sammeln. „Dieser Barde schleicht dir schon die ganze Zeit hinterher“, antwortete er schließlich und fuhr sich mit der Hand in den Nacken. „Ich hätte mir denken können, dass er die erste Gelegenheit nutzt, um dir nachzustellen.“ Wieder atmete Link tief ein. Seine plötzliche Ruhe dämpfte auch etwas von ihrem eigenen Zorn. Aber ihr Temperament war immer noch gefährlich nah davor erneut hochzukochen. „Es macht mich wütend, dass er es geschafft hat.“ Er suchte ihren Blick. Begegnete dem Zorn in ihren Augen mit offener Kapitulation. „Es tut mir leid. Aber wenn du wüsstest, welchen Ruf er hat ...“ Link brach ab, presste kurz die Lippen aufeinander. „Welchen Ruf?“, fragte Zelda, weil sie sich nicht traute all die anderen Fragen zu stellen, die sich in ihrem Kopf überschlugen. Link schwieg für einen Moment. Betrachtete sie nachdenklich, mit einem Hauch Bedauern auf seinem Gesicht. „Sagen wir so“, begann er zögerlich. Sehr zögerlich. „Er will etwas von dir, das ein wohlerzogenes Mädchen für gewöhnlich nur mit ihrem Ehemann tun würde.“ Zeldas Augen wurden groß. Dann überkam sie die Hitze so schlagartig, dass sie sich abwenden musste. Dieses Mal ließ Link es zu. Oh. Allein der Gedanke ließ ihr die Schamesröte in alle Winkel ihres Körpers schießen. Mit Link darüber zu sprechen, war mehr als Zelda in diesem Moment vertragen konnte. „Und ich denke, es versteht sich von selbst, dass ich das nicht zulassen werde“, fuhr Link hinter ihr fort. Diesmal mit wesentlich festerer Stimme. Zelda bemerkte kurz, dass ihn nicht dieselbe Scham zu quälen schien, die sie überkommen hatte. Er sprach, wie er es immer tat, wenn es um ihre Sicherheit ging. Ernst und nachdrücklich. Aber es gab keine Anzeichen dafür, dass er unangenehm berührt war. Zelda wagte einen Blick hinter sich, um diesen Verdacht zu überprüfen. Link betrachtete sie schweigend. Offen und gefasst. Vielleicht immer noch ein wenig entschuldigend. „Wenn du dir darum Gedanken machst“, begann Zelda vorwurfsvoll, damit sie nicht unsicher und beschämt klang, „meine Tugend.“ Sie spuckte das Wort aus wie ein Stück faulen Apfel, „Dann solltest du besser von hier verschwinden, bevor so ein Verdacht dir gegenüber erhoben wird. Wie schon einmal.“ Sie wandte ihn wieder den Rücken zu. Angestrengt versuchte sie die Tränen fort zublinzeln, die sich ihren Weg auf ihre Wangen bahnen wollten. Sah zur Decke und bewegte die Augen, damit kein Tropfen überfließen konnte. Links Schritte waren so leise, dass sie nicht hörte, dass er an sie heran trat. „Das ist es, worum du dich sorgst?“, fragte er sanft. „Deswegen bist du so nervös wie ein junges Pferd? Dieses alberne Gerücht, dass niemand sich zu verbreiten trauen wird? Es geschweige denn glauben wird?“ Zelda warf ihm einen sardonischen Blick zu. Hoffte, dass sie die Tränen genügend zurückgedrängt hatte, damit sie nicht mehr in ihren Augen glitzerten. „Dein Vater hat es geglaubt.“ Sie deutete auf seinen Arm. Auf die nun verheilte Wunde. „Und wozu hat das geführt?“ Links Brust hob sich in einem tiefen Atemzug. Er betrachtete sie schweigend, nachdenklich und mit irgendetwas weit hinten im schimmernden Blau seiner Augen, das sie nicht deuten konnte. Irgendeine Emotion, die das Eis dort in flüssiges, ruhiges Wasser verwandelte. „Was habe ich dir geschworen, Zelda?“, fragte er auf diese rhetorische Weise, die keine wirkliche Antwort verlangte. Doch sein Blick blieb auffordernd, weswegen sie begann darüber nachzudenken. „Was meinst du?“ „Was habe ich dir gesagt, immer und immer wieder, wenn du mein Handeln infrage gestellt hast?“ Zeldas Augenbrauen zogen sich zusammen. Was meinte er? „Du hast gesagt …“, sie brach ab. Konnte den Satz nicht weiterführen, da sie nicht wusste, was er meinte. Wann hatte sie sein Handeln infrage gestellt? Am Anfang. Aber da hatte er kaum mit ihr gesprochen. Außer ... „Ich habe gesagt, mein Leben gehört dir“, antwortete Link an ihrer Stelle. „Ich habe es dir geschworen. Draußen, vor der Stadt, auf dem Festplatz.“ Ohne zu blinzeln starrte Zelda ihn an. Sie erinnerte sich. Natürlich erinnerte sie sich. Dieser eine Satz, der so viel bedeutete. Und für den sie nie eine Antwort hatte. Weil sie darauf nichts erwidern, nichts zurückgeben konnte. „Und nichts, gar nichts kann mich je so entehren, wie wenn du mir das nicht glaubst.“ Seine Augen bohrten sich in ihre, während der Nachhall seiner ruhig gesprochenen Worte durch das dunkle Zimmer schwebte. Sich mit dem würzigen, frischen Geruch regenfeuchter Luft vermischte. Zelda wusste nicht, was sie sagen sollte. „Du musst mich nicht beschützen, in dem du mich abweist“, fuhr er fort, seine Stimme ein sanftes Flüstern. „Ich bin dein Leibwächter. Dein Ritter. Was auch immer das Schicksal mir entgegen wirft, ich kann damit umgehen.“ Ein kleines Lächeln zupfte an seinen Mundwinkel. „Und ein paar dümmliche, unwahre Gerüchte werden mich nicht von dir fernhalten.“ Er schüttelte mit einem amüsierten Geräusch den Kopf. „Bei der Göttin, das stört mich nicht im geringsten.“ Seine Offenheit, sein Vertrauen, seine unschuldige Überzeugung beschämten Zelda. „Mich aber!“, sagte sie mit zittriger Stimme und sie wich einen Schritt vor ihm zurück. Hatte Angst vor der Nähe, vor der unbestimmten Sehnsucht in ihrer Brust, die ihr Herz schwer machte und süßlichen Schmerz durch ihren Körper jagte. „Mich stört es. Und ich werde es nicht zulassen, dass schlecht über dich geredet wird. Nicht wenn du … wenn du ...“ sie brach ab. Unfähig ihre Gefühle in Worte zu fassen, ohne sich zu verraten. Fürchtete, dass sie bereits zu viel gesagt hatte. Link schwieg. Begegnete ihrem aufgewühlten Blick mit gefasster Ruhe. Eine Ruhe, die in Zelda keine Resonanz fand. Sie fühlte sich ganz und gar nicht ruhig. In ihrer fahrigen Nervosität hatte sie begonnen, mit ihren Fingern den Stoff ihrer Robe zu zerknittern. Link betrachtete ihre nervöse Hand für einen Moment, dann fuhr sein Blick an ihrer Gestalt herab. Unterzog sie einer Bestandsaufnahme. „Du musst aus diesem Schloss heraus“, sagte er schließlich mit beschlossener Nachdrücklichkeit in der Stimme. Zelda blinzelte überrascht. „Was?“ „Der Prinzessinnenenzian wächst nur in der freien Natur. Versuche ihn zu domestizieren sind fehlgeschlagen“, entgegnete er. Scheinbar vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen. Aber Zelda erkannte ihre eigenen Worte. Die Worte, die sie vor wenigen Tagen, in der Hoffnung er würde die tiefere Bedeutung darin verstehen, ausgesprochen hatte. Er spielte auf die Parallele zwischen ihrem Leben als Prinzessin und der Blume an. Dass auch sie das Gefühl hatte, nur in der freien Natur wirklich leben zu können. Ihr stockte der Atem. Er hatte sie verstanden. Etwas in ihrem Inneren schmolz dahin. Irgendeine Mauer, die sie bisher krampfhaft aufrecht erhalten hatte, deren Substanz sie mit Regelmäßigkeit auf Risse überprüft und geflickt hatte. Sie bröckelte einfach dahin und löste sich in Staub auf, der von ihrem schnellen Atem hinfort geweht wurde. „Link“, hauchte Zelda beinahe ohne Stimme. Sie wusste nicht, wieso sie seinen Namen sagte. Eine stille Bitte? Eine Warnung? „Die Quelle des Mutes“, sagte Link, bevor Zelda etwas Dummes tun konnte. Eine Aufforderung, ein Beschluss, ein Befehl in der Stimme. „Und morgen brechen wir auf.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)