Nicht Zu Spät von scippu ================================================================================ Kapitel 11: Kapitel 11 ---------------------- Lautlos bewegte sich die Tür. Warf den Schatten des immer noch glühenden Feuers in die Kammer, in der Link sich Schlafen gelegt hatte. Diese eine Nacht brauchte er die Regeneration, darüber hatten sie gesprochen, bevor sich Zelda feige zurückgezogen hatte. Trotz ihrer Vorsicht musste er etwas gehört haben. Als Zelda den Kopf in die Dunkelheit des kleinen Raumes steckte, hörte sie über das Klopfen ihres eigenen Herzens hinweg eine Bewegung. Das Rascheln von einer Decke, das matte Knarren des hölzernen Bettgestells. Das erstickte Geräusch eines Atemzuges, der in einer männlichen Kehle stecken blieb. Jemand, der aus tiefem Schlaf erwachte. „Link?“, flüsterte sie in das Zimmer hinein, hielt dabei den Türknauf fest umklammert, als könnte er ihr den dringend benötigten Halt geben. Sie sollte nicht hier sein. Es gab keine Entschuldigung dafür, dass sie Link den Schlaf raubte, den er absolut nötig hatte. Es gab überhaupt keine Entschuldigung dafür, im Zimmer eines jungen Mannes aufzutauchen. Bei Nacht. Im Dunkeln. Während er schlief. Und mit nichts weiter bekleidet, als ihrem Unterkleid und der fahrlässig übergeworfenen Decke, unter der sie keinen Schlaf hatte finden können. Es drohte keine Gefahr. Außer der, dass sie sich unschicklich benahm und ihren treuen Leibwächter in eine unmögliche Situation brachte. „Geht es dir gut?“, fragte sie leise, schluckte um die Verengung in ihrem Hals herum, versuchte Luft und Anspannung hervor zupressen. Wieder ein Knarren. Ein lang gezogenes Ausatmen. Link, der sich im Bett drehte. Der Moment war seltsam ungewohnt. Und so intim, dass ihr das Blut in die Wangen stieg.   „Zelda?“ Seine Stimme war rau vom Schlaf, heiser überzogene Seide, die ihre Hörgänge umschmeichelte und verrückte Dinge in ihrem Inneren anstellte. Das war unmöglich. Was tat sie hier? Sie sollte schleunigst umdrehen und verschwinden. „Was ist los?“, raunte er schläfrig. Desorientiert. Wie jemand, der sich voller Anstrengung aus seinen Träumen heraus stemmen musste. Zelda hörte, wie er sich im Bett aufsetzte. Hörte die deutliche Anspannung in seiner Stimme. Unwillkürlich tat sie einen Schritt in den Raum hinein. Ließ den Türknauf los und setzte einen nackten Fuß auf den gewebten Teppich. Trat aus dem flimmernden Viereck des feurigen Lichtscheins hinaus, in den Schatten. „Nichts“, hauchte sie. „I-ich wollte nur nachsehen, ob es dir gut geht.“ Sie schluckte. Biss sich auf die Lippen. Was dachte sie sich eigentlich dabei? Doch so sehr sie sich zu verdeutlichen versuchte, dass sie hier nichts verloren hatte, dass sie umkehren und Link die benötigte Ruhe lassen sollte, konnte sie ihre Füße nicht dazu bewegen, umzukehren. Genauso wie sie sich nicht hatte dazu bringen können, im Bett zu bleiben. „Brauchst du etwas? Wasser vielleicht?“ Eine Pause entstand, in der sie hören konnte, wie Link sich über das Gesicht strich. Das sachte Geräusch von Haut, die über Haut rieb. Langsam gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit und sie konnte seine sitzende Gestalt erkennen. Das helle Haar, das im Schatten deutlich auszumachen war. „Nein“, antwortete er zögerlich, nun wesentlich ruhiger, da scheinbar keine Gefahr drohte. Klang nun als wäre er nur beinahe wach. An der Schwelle zum Einschlafen. Sie störte ihn. Er hatte unglaublich hart gekämpft. Sich dabei verletzt. Und sie kam inmitten seiner Ruhezeit in sein Zimmer und schreckte ihn auf. Was wollte sie hier? Sie hatte Angst vor der Antwort. „Ich wollte dich nicht stören“, flüsterte sie stockend. „Schlaf weiter.“ Er antwortete mit einem undefinierbaren Summen. Ein Brummen tief hinten in seiner Kehle. Ein so durchdringend wunderbarer Laut, das eine heiße Welle der Zuneigung sie wie ein Schauer durchlief. Hier in der Dunkelheit trug sie die versteckte Schatulle ihrer Gefühle gefährlich ungeschützt an der Oberfläche. Sie spürte so einen starken Zug zu ihm. Eine Anziehungskraft, die sie körperlich spüren konnte. Die sie hier her geführt hatte. Mitten in der Nacht. Die sie verharren ließ. Entgegen aller Schicklichkeit und Regeln. Entgegen jeder Vernunft. Link rutschte in sich zusammen. Ließ sich auf die Ellenbogen sinken und legte dann den Kopf wieder auf die Kissen. Glitt hinüber in den Schlaf. Zelda rührte sich nicht. Lauschte seinem tiefer werdendem Atem. Spürte ihrem innerlichen Beben nach. Fühlte sich wagemutig, leichtsinnig, benommen. Und unglaublich lebendig. Ihr ganzer Körper prickelte vor Erwartung. Von einer unbestimmten Sehnsucht in Brand gesetzt, die sie vollkommen kopflos werden ließ.   Sie konnte sich nur fassungslos zusehen, wie sie einen weiteren Schritt machte. Und dann noch einen. Leise. Langsam. Darauf bedacht, ihn nicht zu wecken. Ihn nicht zu stören. Vielleicht auch, nicht dabei ertappt zu werden, wie sie sich so absolut töricht verhielt. Ihre Augen hatten sich restlos an die Dunkelheit gewöhnt. Sie konnte Links liegende Gestalt erkennen. Seine leicht verdrehte Haltung. Er schlief auf dem Rücken, der Kopf leicht zur Seite geneigt, beinahe vom Kissen hinunter gerutscht. Einige Haarsträhnen fielen ihm über Stirn und Nase. Schwebten mit jedem Atemzug leicht auf und nieder. Sie mussten ihn kitzeln.   Zelda befeuchtete sich nervös die Lippen. Irgendetwas Verrücktes hatte Besitz von ihr ergriffen. Eine tollkühne, wahnwitzige Zelda, die keinerlei Gefühl für Anstand, für richtig und für falsch besaß. Diese Zelda war es, die die Hand ausstreckte. Langsam. Vorsichtig. Zielstrebig. Alles schien auf diesen Moment hinauszulaufen. Der Moment, an dem sie ihn berührte. Seine Haut, seine Wärme wieder unter ihren Fingerspitzen spüren würde. Hier in der Zurückgezogenheit dieser kleinen Kammer, mitten in der Nacht. Unbeobachtet. Anonym. Es war diese neue Zelda, die das Haar sanft von seinem Gesicht strich. Doch es war die alte Zelda, die von einer gestaltlosen Zärtlichkeit erfüllt wurde. Von einem Gefühl alles durchdringender Richtigkeit. Zuhause. Und es war die alte Zelda, die erschrocken zusammenfuhr, als ihr Handgelenk in einem urplötzlichen, starken Griff umklammert wurde. Es entfuhr ihr ein gebrochener Schrei. Ein erschrockenes Keuchen. Dann brach eine Welle ertappter Scham über ihr herein und eine vollkommen andere Hitze überflutete ihr Wangen und Kopf. Kroch ihren Hals hinunter. Unwillkürlich versuchte sie ihre Hand zurückzuziehen, doch Link ließ nicht los. Blaue Augen, brillant in der Farbe und vollkommen klar, blickten zu ihr hinauf, nagelten sie fest. Nahmen sie in ihren Bann. Zelda hörte auf zu atmen. „Was“, begann Link, mit einer Stimme, die den Schlaf immer noch nicht abgeschüttelt hatte, aber in einem Ton absoluter Geistesschärfe, „tust du hier?!“ Instinktiv versuchte sie sich zu befreien, aber Links Hand schloss sich ebenso reaktiv nur noch fest um die zarte Haut ihres Unterarms. „Ich-“ Stocksteif stand sie da, sich auf einmal der gesamten Tragweite ihrer Anwesenheit hier bewusst. Was musste Link nur von ihr denken? Oh, bei der Göttin. Kein Wunder, dass Nayrus Segen ihr verwehrt blieb. Wo blieb nur die Weisheit ihrer Ahnen?   Unwillkürlich zog sie wieder an ihrem Arm. „I-ich wollte dich nicht wecken“, hauchte sie mit zittriger Stimme. Schluckte. Starrte ihn wie gebannt an. Ein langes Seufzen entfloh Links Brust und der Griff um ihr Handgelenk lockerte sich ein wenig. Er schloss die Augen, öffnete sie kurz danach wieder. Ein lang gezogenes Blinzeln, das Zelda erst verdeutlichte, dass sie sich vollkommen bewegungslos angestarrt hatten. Ihr war, als würde ein Zauberbann gelüftet werden, ohne dessen Einfluss sie wieder atmen, wieder blinzeln konnte. „Ich konnte nicht schlafen“, gab sie zu. Biss sich auf die Oberlippe. „Ich habe mir Sorgen gemacht“, flüsterte sie. „Um dich“, fügte sie unnötigerweise hinzu. „Um das da.“ Sie deutete mit der freien Hand auf Links Wange, auf der der Schnitt sich bereits verkrustet hatte und somit völlig unnötig Inhalt ihrer Sorge war. Link bedachte sie mit einem nachdenklichen Blick, dann ließ er ihr Handgelenk los. Für einen Moment schwebte ihre Hand in der Luft. Vermisste das Gefühl von seinen Fingern auf ihrer Haut. Dann ließ sie sie langsam sinken. „Mir geht es gut“, murmelte Link und setzte sich auf. Er rollte vorsichtig mit den Schultern. Dehnte das Gewebe zwischen Hals und Gelenk und strich sich dann mit den Handflächen über die Augen. Er wirkte müde. Eine Aura tiefer Erschöpfung schien ihn zu umgehen und augenblicklich fühlte Zelda sich schuldig. „Es tut mir leid“, sagte sie leise, mit betroffener Stimme. „Ich hätte nicht her kommen sollen. Du brauchst Ruhe, ich ...“ Sie stockte. Nicht nur, weil sie nicht wusste, was sie sagen sollte. Sondern weil Link aufgesehen hatte. Ein Bein angezogen und den Ellenbogen darauf gestützt, blickte er unter schweren Lidern nach oben. Zelda wusste nicht, was an dem Anblick es war, aber in diesem Moment schien in ihrem Kopf irgendetwas einzurasten. Ein beinah körperlich fühlbares Schnappen durchfuhr sie, als ihr Verstand die niedergebrannte Brücke zu ihrem Herzen baute und auf einmal alles einen Sinn ergab. Die Erkenntnis strömte kalt und heiß durch sie hindurch, wie ein urplötzlicher Sommerregen und hinterließ ihre Knochen, ihre Seele durchnässt von Emotionen. In ihrem Bauch, ihrer Kehle, an der Rückseite ihrer Knie begann an dumpfer, schneller Puls zu schlagen.   Sie liebte ihn.   Sie liebte ihn.   Sie liebte Link. Nicht auf die Weise, auf die sie Urbosa liebte. Nicht so, wie sie Hyrule, wie sie ihren Vater liebte. Sie liebte ihn auf die Weise, wie eine Siebzehnjährige jemanden liebte, der ihr seit ungezählten Leben immer wieder begegnete. Und ihr zur Seite stand. Sie liebte ihn, wie einen Seelengefährten. Wie eine Frau einen Mann liebt. Tiefgehend, körperlich, herzzereißend.   Das war der Grund für all die wunderbaren, zittrigen, unsicheren Gefühle in seiner Gegenwart. Das war der Grund, aus dem sie in seiner Nähe brillierte, sich ganz fühlte. Geerdet und sicher. Sie liebte ihn.   Und es war einfach zu viel. Über der Erkenntnis brach sie in Tränen aus. Keine femininen, zarten Tropfen, sondern tiefkehlige Schluchzer, die sie am ganzen Körper schüttelten und irgendwoher zwischen den Teilchen zu kommen schienen, die sie zusammensetzten. Das wundervollste, erschütternste, fürchterlichste Gefühl war über sie gekommen und war dabei sie zu ertränken.   Vollkommen ohne etwas von der weltbewegenden Veränderung in ihrem Inneren zu ahnen, starrte Link sie an. Perplex. Überrascht von ihrem Gefühlsausbruch. Wie unfair es war, ihn auf diese Weise zu überrumpeln. Wo er doch seine Ruhe brauchte. Aber so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte sich nicht bewegen. Konnte nichts tun, außer sich die Hände vor das Gesicht zu schlagen, um die Distorsionen ihrer weinenden Gesichtszüge zu verbergen. Die feuchte Hitze ihrer Tränen, die ihre Haut röteten und sie in eine bemitleidenswerte Version ihrer selbst verwandelte.   „Zelda ...“ Sie liebte es, wie er ihren Namen sagte. Hatte es vom ersten Mal an geliebt. Als wäre ihr Name ein Wort für so vieles Wunderbares. Aber vielleicht bildete sie sich das alles auch nur ein. Er klang besorgt. Zelda versuchte sich dazu zu zwingen, sich zu erklären. Irgendetwas zu sagen, das die Situation entschärfte. Irgendetwas, das sie hier raus bringen würde. Weg von all dem. Weg von der Erkenntnis. Weg von ihm. Damit sie ihre Gefühle sortieren und Schadensbekämpfung betreiben konnte. Denn eins war vollkommen klar. Nichts würde jemals geschehen. Vielleicht konnte sie sich gegen ihr Herz nicht wehren, aber sie würde nicht zu lassen, dass sie Link damit in Verlegenheit brachte.   Mit einem Schluckauf erhärtete sich ihr Entschluss. Gab ihr etwas Standfestigkeit zurück. Gerade rechtzeitig, bevor sie erneut in den Grundfesten erschüttert wurde. „Was ist los?“, ertönte Links Stimme. Sanft rumpelten seine Worte durch ihre Gehörgänge. Dann spürte sie seine Hände an ihren Armen. Ihr blieb genug Zeit, um erschrocken den Atem anzuhalten, dann fand sie sich in seinen Armen wieder. Ein ungelenker Versuch sich frei zuschlängeln folgte, der erfolglos an seiner Brust endete. Sanft drückte seine Hand ihren Kopf an die zarte Haut seiner Halsbeuge, während die andere beruhigend über ihre Wirbelsäule strich und das genaue Gegenteil damit erreichte. Sein Duft umfing sie. Männliche Haut, schlafgetränkt und warm. Eine herbe Süße, die sie ausschließlich mit Link in Verbindung brachte. Sie spürte die körperliche Stärke, die ihn erfüllte. Die Unnachgiebigkeit seines Fleisches. Die ruhige Selbstverständlichkeit seines Wesens. Wild trommelte ihr Herz den Wahnsinn der Situation durch ihr Blut. Ließ heiße Emotionen aufblubbern. Freude. Schock. Genuss. Pure Panik. All die Verbote, all die Ängste sollten sie erstarren, sich zurückziehen lassen. Stattdessen peitschte die tröstliche Umarmung all das an die Oberfläche, das seit ungezählter Zeit irgendwo tief in ihrer Seele angekettet geschlummert hatte. Mit einer Macht, die sämtliche Sicherungsmechanismen außer Kraft setzte. Das hier war einfach zu groß für sie. Und es forderte ihre bedingungslose Kapitulation.   Mit einer einzigen plötzlichen Bewegung schlang Zelda ihre Arme um seinen Oberkörper. Erwiderte die Umarmung mit einem Enthusiasmus, der Link überraschte und gegen den er sich in seinem schlaftrunkenen Zustand nicht wehren konnte. In einer ungeordneten Bewegung, etwas, das wenig mehr als ein koordinierter Fall rückwärts war, sanken sie auf das Bett zurück. Zelda hatte nicht einmal bemerkt, dass Link sich davon erhoben hatte, um sie in seine tröstende Umarmung zu ziehen. Für den Moment war es ihr egal. Es war ihr nicht einmal bewusst, dass Reue und Scham später für unsagbares Unwohlsein sorgen würden. Jetzt und hier, gefangen in der Neuartigkeit ihrer Erkenntnis um die Tragweite ihrer Gefühle, geborgen in der unbewusst ersehnten, verbotenen Berührung, konnte sie sich nicht dazu bringen, sich darum zu scheren. In einem kleinen Kampf versuchte sie, ihm noch näher zu kommen. Presste ihre Nase tiefer in die herrlich duftende Vertiefung seiner Halsbeuge. Krallte ihre Finger in das Fleisch seines Rückens. Krabbelte in seinen Schoß, wie ein kleines Kätzchen, das sich wohlig vor dem Kamin einrollt. Nur das nichts an diesem wahnhaften Versuch mehr Kontakt zwischen ihnen herzustellen derartig unschuldig war. Link erwiderte ihren wilden Angriff auf seinen körperlichen Freiraum mit beruhigender Geduld. Er murmelte sanften Unsinn an ihre Kopfhaut. Worte, die Zelda nicht verstand, deren Klang jedoch selbst über ihr anhaltendes Schluchzen ihre Wirkung nicht verfehlten. Mit langsamen Bewegungen strich er ihr über Rücken und Haar. Wehrte sich weder gegen die Nässe ihrer Tränen, noch die unangemessene Nähe, die sie ihm aufzwang. Sie nahm sich mehr, als er angeboten hatte. Doch mit derselben geduldigen Stärke, die Teil seiner Natur war, hielt er ihre verzweifelte Zuneigung aus. Ließ zu, dass sie sich an ihn klammerte, wie eine Ertrinkende.   „Was ist los?“, wiederholte er nach einer Weile. Nachdem Zelda sich ein wenig beruhigt hatte und die hicksenden Schluchzgeräusche ihrer tränenreichen Erkenntnis verhallt waren. „Was hast du?“ Immer und immer wieder strich Link ihr über das Haar. Glättete die wirren Strähnen an ihrem Hinterkopf, erlaubte ihr dadurch, ihren Kopf noch ein Weilchen länger an seine Schulter zu pressen. Sich dort versteckt zu halten, wie ein kleiner Vogel, der unter seinem eigenen Flügel Schutz suchte. Seine Stimme resonierte in seinem Brustkorb, vibrierte sanft durch das Gewebe, an das Zelda ihr Gesicht drückte. Erst langsam wurde ihr bewusst, wo sie sich befand. Was sie da eigentlich tat. Doch es schien nicht möglich, noch mehr aufgeregte Scham in ihrer Brust freizulassen. Noch mehr um sich schlagende Emotionen. Und so ließ es sie stattdessen ruhiger werden. Kehrte sich ins Gegenteil. Aufregung bekämpfte Aufregung. Ihre Atemzüge wurden ruhiger. Ihre Halt suchenden Finger weniger klammernd. Durch das stetige Entspannen ihrer Gliedmaßen bemerkte sie erst, wie fest sie sich ins Links Arme, seinen Rücken gekrallt hatte. Das alles sollte sie verlegen machen. Die körperliche Nähe. Ihr unkontrollierter emotionaler Ausbruch. Und die Ursache davon noch umso mehr. Sie sollte rot anlaufen, so wie sie es in letzter Zeit so häufig tat. Stammelnd um Verzeihung bitten und sich an den Kopf greifend zurück ziehen. Mit dem Wunsch Link nie wieder in die Augen sehen zu müssen.   Doch aus irgendeinem verrückten Grund geschah nichts davon. Stattdessen entspannte sie sich. Fühlte sich warm und weich. Von einer tiefen, durchdringenden Ruhe erfüllt. Was das der Nachhall ihrer Erkenntnis? Hatte das Eingeständnis ihrer verdrängten Gefühle für Link, ihr einen Zugang zu einem Reservoir unerschöpflichen inneren Friedens verschafft? Es war nicht einmal die körperliche Nähe. Auch wenn etwas in ihrem Inneren, etwas, das aus Rot und Wildheit und Hitze zu bestehen schien, durch den Kontakt zu schnurren begann, wie eine Katze vor dem Feuer. Es war das Zugeständnis an sie selbst. Eine Zugbrücke zu einem geheimen Ort in ihrem Herzen. Etwas, das dort seit Äonen verborgen lag, inmitten des Kerns ihrer Seele. Etwas, das befreit worden war. Etwas, das sie mit einer Kraft durchflutete, die sie beinahe schwindeln ließ.   Sie liebte Link. Und nichts würde jemals geschehen. Aber das löste keine Verzweiflung aus. Es löste nichts vom dem aus, was sie unbewusst gefürchtet und deswegen verdrängt hatte. Es war, als würde sie einen Teil ihrer selbst freilassen. Als das anerkennen, was es war. Und es verlieh ihr eine bis tief in die Knochen spürbare Ruhe. Langsam löste sie ihren Kopf aus der Beuge seines Halses. Hob das Kinn, um ihm in die Augen zu sehen. Links Hand fuhr ebenso langsam an ihrem Haar herab. Über ihren Hals, ihre nackte Schulter, ihren Arm. Blieb dort ruhen, sanft, kaum spürbar. Ihre Blicke trafen sich. Kristallblau. Vertraut. Mit der Klarheit von poliertem Glas. Und Abgründen in der tiefen Schwärze seiner Pupillen, in denen Zelda auf Ewig hätte verloren gehen können. Stumm saugte sie die Details seines Gesichts ein. Seines schönen, freundlichen Gesichts. Aus dem Sorge und Freundschaft sprach. Ergebenheit. Zelda zuckte nicht zurück, als er die Hand hob, um ihr einige feuchte Haarsträhnen aus der Stirn zu streichen. Verschwendete keinen überflüssigen Gedanken an ihr Aussehen. An Schicklichkeit. Sie wollte diesen Moment nie vergessen. Ihn mit festem Pinselstrich auf der Leinwand ihres Gedächtnisses aufmalen. Und das fertige Gemälde in das Foyer ihres Bewusstseins hängen. Als strahlendes Totem für ihren Geist. „Du brauchst keine Angst zu haben“, sagte Link. Selbst in der Stille der dunklen Kammer war seine Stimme kaum zu hören. Sein Flüstern hatte einen rauen Klang. Wie gern hätte Zelda die Augen geschlossen. Hätte seiner Stimme gelauscht. Den Emotionen darin. Hätte dem sanften Streicheln seines Handrückens auf ihrer Wange, ihrem Kinn, ihrem Hals nachgespürt. Doch das hätte sie um die Befriedigung gebracht, ihn anzusehen. Und nichts würde es je geben, das sie lieber täte. Nie würde sie müde werden, ihn anzusehen. Und die Zeichen standen schlecht, dass sie es je wieder aus solcher Nähe würde tun können. Fast hätte Zelda gelächelt. Angst ... Oh ja, sie hatte Angst. Es gab so vieles, vor dem sie sich fürchtete. Und es wäre besser, Link in dem Glauben zu lassen, dass Angst für ihre Tränen verantwortlich war. Heute ebenso wie am Morgen nach dem Angriff in der Akkala Festung.   Für einen Moment erlaubte sich Zelda, in der Fantasie zu schwelgen, die es ihr erlaubte, Link diese drei Worte zu sagen. Ich liebe dich. Nicht um eine Antwort zu erhalten. Das spielte dabei keine Rolle. Sondern um ihn in den weichen Schleier aus erleuchtender Zuneigung einzuhüllen. Um ihn mit ihrer Liebe zu umschmeicheln. Ihn wissen zu lassen, wie wichtig er auf dieser Welt war. Dass es jemanden gab, der ihn liebte. Aber natürlich wäre das nicht möglich. Die Welt, in der sie ihm von ihrer Erkenntnis erzählen konnte, ohne eine Katastrophe auszulösen, existierte nicht. Im besten Fall, würde sie ihn damit in Verlegenheit bringen. Im Schlimmsten würde sie ihn in Gefahr bringen. Oder ihn nie wieder sehen. Also zog Zelda fest an den Riemen, die die Traumbilder im Hier und Jetzt verankerten. Holte sie ein wie ein Segel, das im Wind flatterte. Verschloss sie in ihrem Herzen. Und schmiss den Schlüssel fort. Link hatte aufgehört, ihr beruhigend über das Gesicht zu streichen. Er betrachtete sie fragend. Immer noch sorgenvoll. Aber mit einer suchenden Qualität, die ihr deutlich zeigte, dass es an der Zeit war, das Tor dieser wunderbaren Nacht hinter dich zu schließen. Sie war als unwissendes, aufgewühltes Mädchen in das Zimmer geschlichen. Blind. Vollkommen blind. Und sie würde es gänzlich verändern wieder verlassen. Als eine Frau die liebte.   Das Lächeln, das sich auf ihr Gesicht schob, tat nur ein kleines Bisschen weh. „In Ordnung“, antwortete sie leise. Nickte zur Bestätigung. „Keine Angst“, wiederholte sie seine Worte. Dass ihre Mundwinkel einen tragischen Zug erhielten, tat ihrem kleinen Schauspiel keinen Abbruch. Auf ihn musste es tapfer wirken. Eine Prinzessin, die sich gegen die Angst wehrte. Link erwiderte ihr Lächeln mit einem kurzen Zucken seiner Lippen. Konnte sich selbst nicht ganz zu so einem ermutigenden Ausdruck durchringen. Zelda konnte sehen, dass er nicht ganz überzeugt war. Er wusste, dass sie etwas vor ihm verheimlichte. Nicht ganz ehrlich war. Doch er war niemand, der Geständnisse erzwang. Also ließ er sie selbst entscheiden, was sie vor ihm verbergen wollte. Auch wenn er nicht wusste was. Es nie erfahren würde. Um seinetwillen.   Langsam löste Zelda ihre Hände aus seinem nun zerknitterten Hemd. Erst jetzt fiel ihr auf, dass er nicht das blaue Reckengewand trug. Sondern das helle Untergewand, das er auch schon an der Quelle des Mutes getragen hatte. Das er immer trug, unter der blauen Tunika. Es war luftig gewebt, Leinen, oder Nessel und vom vielen Tragen und Waschen ausgeblichen. Er musste es lange besessen haben und mit einem Mal erfüllte sie es mit tiefer Befriedigung, dass er jeden Tag ein Kleidungsstück trug, mit dem sie ihn ausgestattet hatte. Als würde ein Teil von ihr Selbst bei ihm sein. Tag und Nacht. Ihn umschlingend. Ein letztes Mal strich sie ihm über die Schulter. Dann ließ sie ihre Arme sinken. Bewegte sich zurück. Ein wenig ungelenk löste sie sich von ihm. Seitwärts. Rückwärts. Bis sie neben ihm auf dem Bett saß, die Hände auf den Oberschenkeln gefaltet, ein Bein unter ihren Körper gefaltet. Es war seltsam, dass sie sich für ihren unbekleideten Zustand nicht schämte. Seit ihrer Zeit an der Quelle des Mutes, wo sie allein bei dem Gedanken, dass er sie in ihrem Unterkleid sehen könnte, geglüht hatte wie tausend Schleichwürmchen, waren kaum ein paar Wochen vergangen. Doch der Unterschied war gravierend. Es hätte ihr kaum weniger wichtig sein können, dass er ihre nackten Armen und Schenkel sah. Die Erhebungen ihrer Brüste unter dem zarten Stoff. . „Ich habe deine Tunika durchnässt“, stelle sie stattdessen leise fest. Ihre Augen flackerte zu Links Schulter. Auf der ihre Tränen deutlich sichtbare feuchte Flecken hinterlassen hatten. Er folgte ihrem Blick. Und schüttelte leicht den Kopf. „Das macht nichts.“ Zelda seufzte und neigte den Kopf. „Du bist viel zu nachgiebig, was mich betrifft“, schalt sie ihn sanft. Meinte es nicht ernst. Und dann wieder doch. Gedankenverloren hob sie die Hand und strich über den nassen Stoff. Als sie spürte, wie er sich unter ihren Fingern anspannte, zog sie ihren Arm zurück. Lächelte trotz seiner Reaktion. Verinnerlichte die unausgesprochene Regel. Wenn es um ihr Wohl ging, ihren Schutz, oder zu ihrem Trost, dann war Link bereit, die Grenzen zwischen ihnen zu überschreiten. Aber aus keinem anderen Grund. Er würde sie aus keinem anderen Grund berühren. Sie aber auch nicht offen zurückweisen, wenn sie es selbst tat.   „Erst deine unermessliche Toleranz meiner unfairen Bissigkeit dir gegenüber. Dann rettest du mich, trotz meiner Versuche dich loszuwerden.“ Lächelnd sah sie ihm in die Augen. Verfolgte das Schauspiel der winzigen Wechsel der Emotionen auf seinem Gesicht. Sah Erstaunen, Belustigung, Ungeduld. „Du wirst nicht einmal wütend, wenn ich nicht auf dich höre und dir hinterher laufe, anstatt in Deckung zu bleiben. Obwohl ich dich in Gefahr gebracht habe. Wenn ich Schuld daran bin, dass du verletzt wirst und Schmerzen hast.“ Ihr Blick flackerte zu dem deutlich sichtbaren Schnitt auf seiner Wange und Bedauern und Schuld verknoteten sich zu einem scheinbar unlösbaren Kloß in ihrem Magen. Sie schluckte. „Es macht dir nicht mal etwas aus, wenn ich in der einzigen Nacht, in der du Schlaf brauchst, in dein Zimmer platze und dich voll heule. Und dein Hemd ruiniere.“ Ihr Blick huschte wieder aufwärts, zu seinen Augen. Die sich merklich verdunkelt hatten. „Oh, ich war wütend.“ Seine Stimme war rauchige Seide. Gefährlich und dunkel. Zeldas Ohren begannen zu prickeln. „Aber nicht weil ich verletzt wurde, oder du meine Worte ignoriert hast.“ Es hielt inne. Atmete tief ein und langsam wieder aus. Dann hob sich der Schleier von seinem Gesicht und die Sturmeswolken aus seinen Augen verzogen sich. Vergingen mit dem Sternenlicht, das darin aufging. „Sondern weil du in Gefahr warst. Für einen kurzen Moment.“ Er sah kurz zu Boden. Strich sich mit beiden Händen über das Gesicht. „Das war der schlimmste Augenblick meines Lebens.“ Sein Blick koppelte sich wieder an ihren. Blonde Strähnen fielen ihm in die Stirn, als er sie von unten her ansah, durch halb geschlossene Lider. Dennoch sandte der Kontakt einen Strom durch Zeldas Körper. Die Bedeutung seiner Worte machte etwas mit ihren Zehen, ihren Fingern. Ein unbestimmtes, nach innen gerichtetes Empfinden. Als würden sie sich kribbelnd aufrollen. Sich instinktiv gegen die elektrisch anmutende Energie anspannen. Eine Welle nachträglicher Furcht durchrollte Zelda. Link hatte für einen Moment die Kontrolle verloren. Er hatte nicht gewusst, ob er sie würde schützen können. Es machte das Geschehen so viel realer, so viel schrecklicher. Und so viel wunderbarer.   Link war nicht unfehlbar. Auf eine abstrakte Weise war Zelda das bewusst gewesen. Aber nun verstand sie es. Nun wusste sie es. Auch er empfand Angst. Auch seine Fähigkeiten kannten ein Limit. Er war kein entrückter, unendlich machtvoller, unsterblicher Gotteskrieger. Er war Link. Ihr Link. Ein sterblicher Mann. Und sie hatte unbewusst das getan, was alle anderen auch taten. Ihn auf ein Podest gestellt. Auf dem er nicht stehen wollte. Auf dem sie ihn auch gar nicht stehen sehen wollte. Er sollte auf dem Boden stehen. Neben ihr.   „Du hast nichts gesagt“, erwiderte Zelda leise, dumpfes Erstaunen in der Stimme, ein Nachhall dessen, was er zwischen seinen Worten ausgedrückt hatte. Link nickte. „Ich wollte nicht, dass du dich schuldig fühlst.“ Er lächelte ein kleines Lächeln jungenhafter Entschuldigung. „Das tust du einfach zu gerne.“ Ein Aufblitzen weißer Zähne in der Dunkelheit. Viel zu selten rutschten Anzeichen seines Humors durch das hart antrainierte Schild, das er schützend vor seiner Heldenrolle trug. „Außerdem war ich am Ende einfach nur froh, dass dir nichts zugestoßen ist“, gestand er und hob die Schultern. Als wolle er die Erinnerung abschütteln.   Eine Pause entstand, in der keiner von ihnen etwas sagte. Den eigenen Gedanken nachhing. Dann gab sich Zelda einen Ruck. Versuchte das Dröhnen der Geschehnisse des Tages zu durchbrechen. „Was nur meine Theorie bestätigt“, sagte sie, um eine normale Stimme bemüht. „Du bist viel zu freigiebig mit deiner Vergebung. Zumindest was mich angeht.“ Sie lächelte selbstzufrieden. Link ließ ein kleines Schnauben vertönen. Eher ein belustigtes Ausatmen, als ein richtiges Lachen. Er bedachte sie mit einem amüsiert skeptischen Blick, widersprach ihr aber auch nicht.   „Wie dem auch sei“, begann er nachdrücklich und seine Miene wurde wieder ernster. „Egal was es ist, Prinzessin, ich werde da sein. Das hier“, er deutete auf seine feuchte Schulter, „ist kein Problem für mich.“ Er fixierte sie mit einem blauen Blick. „Zögere nicht, zu mir zu kommen, wenn du mich brauchst. Bitte.“   Es schien ihr eine seltsame Bitte. Vor allem da er sie mit solcher Beharrlichkeit aussprach. Eine Bitte, die eigentlich zu ihren Gunsten war. Doch in seinem Blick lag eine Kraft, die Zelda hypnotisiert nicken ließ. Ihr wortloses Versprechen entspannte ihn ein bisschen und er richtete sich wieder auf. Erst jetzt bemerkte Zelda, dass sie sich unwillkürlich zueinander geneigt hatten. Als hätten ihre Körper versucht, erneut den Kontakt herzustellen, den sie kurz zuvor geteilt hatten.   Zärtlich betrachtete sie Link. Strich sich eine Haarsträhne hinter das Ohr und lächelte. „Ich sollte dich jetzt schlafen lassen.“ Sie neigte den Kopf wie ein kleines Mädchen. „Endlich mal.“ Sie erhob sich. Hob eine Hand an ihre Brust. „Du siehst mich erst morgen wieder, versprochen.“ Link lächelte. „Gute Nacht, Zelda.“   Es war befriedigend für die Forscherin in ihr, nun endlich den Grund dafür zu kennen, dass ihr Name auf seinen Lippen ihr diese unermessliche Freude bereitete. Sie bewegte ihre Hand in einem kleinen Winken und drehte sich dann um. Verschwand aus der kleinen Kammer und nahm ihr vor Liebe überströmendes Herz mit sich.     *   An Schlaf war auch nach der Rückkehr in ihre eigene Kammer nicht zu denken. Viel zu wichtig war die Erkenntnis, viel zu aufwühlend das Geschehene. Also verbrachte Zelda den Rest der Nacht damit, die Decke anzustarren. Und nachzudenken. Ihr Herz zu fühlen, das sich schwer und voll anfühlte. Voll gesaugt mit Gefühl, bis zum Bersten gefüllt. Spürte der Neuartigkeit nach. Die rückblickend gar nicht so neu war. Nur bisher hatte sie nicht gewusst, was es war. Dieses Etwas, das irgendwie immer da gewesen war. Vorher beladen mit all den wütenden Blitzen, die ihr eigenes Versagen sie fühlen ließ. Dann die Dankbarkeit. Die Schuld. Dann die ersten zarten, verwirrten Schmetterlinge in ihrer Brust. Ihr flatterndes Herz. Sie hatte Link gegenüber von Anfang an stark empfunden. Nur dass sich die Gefühle in kurzer Zeit enorm gewandelt hatten. Und noch größer geworden waren. Größer als Zelda selbst. Zu groß für sie. Zu groß für ein Leben. Hatte sie auch in ihren vergangenen Inkarnationen so empfunden? Hatten all die Zeldas durch die Zeit dieses tiefe Glück gespürt, wenn sie den Helden sahen? Die Legenden berichteten nicht von solch einer Verbindung. Sie deuteten eine rein platonische Beziehung an, die einzig und allein für den Zweck entstand, Ganon zu bannen und zu versiegeln. Um Hyrule zu retten. Aber die Geschichten waren nie sehr detailreich. Zelda konnte sich schwer vorstellen, dass die seltsame Vertrautheit, die sie in Links Gegenwart spürte, nicht das Ergebnis unzähliger Begegnungen in verschiedenen Leben war. Etwas musste schon immer existiert haben. Eine Art Freundschaft zumindest. Link würde es wissen. Der Gedanke kam plötzlich. Ein Aufblitzen hinter ihrer Stirn. Und augenblicklich fühlte Zelda die bekannte schamhafte Hitze in sich aufsteigen. Sie würde ihn nie danach fragen können. Nicht ohne sich selbst zu verraten. Und sie hatte bereits beschlossen, dass sich diesen Teil von sich, nie offenbaren würde. Es hing einfach zu viel an ihrer Verbindung. Hyrules brauchte sie. Die Bewohner, das ganze Land brauchte sie. Sie beide. In ihrer immer wieder kehrenden Rolle als Prinzessin und Helden. Und so traurig, so bitter es auch war, es blieb inmitten alldem nicht viel Platz für Zelda und Link. Für Forscherin und Ritter.   Nein. Es war unmöglich Link nach den Bildern zu fragen, die das Bannschwert ihm zeigte.   Sie starrte weiter die Decke an. Zählte die Balken, aus der sie zusammengesetzt war. Und fing wieder von vorne an. Bis der Schleier der Dämmerung sich über die Welt draußen legte und das erste Licht des Tages durch die Fenster schickte. Sie erhob sich, noch bevor die Sonne wirklich aufgegangen war. Nutzte das Wasser, das ein Dienstmädchen am Abend zuvor auf die Zimmer gebracht hatte, für ihre Morgentoilette. Bürstete und flocht ihr Haar, versuchte sich die getrockneten Tränen von ihrem immer noch leicht geschwollenen Gesicht zu waschen.   Sie betrat das leere Zimmer zwischen den zwei Schlafkammern vor dem ersten Schrei der Hähne. Ihre Versuche im Kamin ein Feuer zu entfachen, mussten Link geweckt haben, denn obwohl sie sich bemühte leise zu sein, hörte sie ihn bald nebenan rumoren. Anders als erwartet fühlte Zelda sich nicht verlegen, ihm gegenüber zutreten, nachdem sie sich in der Nacht derartig schamlos verhalten hatte. Ein wenig aufgeregt vielleicht. Aber nicht auf die Art scheu, wie es ihr bereits häufig ergangen war. Es dauerte nicht lange und die Tür öffnete sich. Mit einem zerzaust aussehenden Link im Durchgang, der herzhaft gähnte. Er war für den Tag gekleidet, umgeben von einer Aura schläfriger Entspanntheit, die Zelda lächeln ließ. Ihr Herz machte bei seinem Anblick einen freudigen kleinen Sprung, sandte ein schmerzlich süßes Gefühl tiefer Zuneigung durch ihren Bauch. „Guten Morgen“, begrüßte sie ihn mit warmer Stimme. Link antwortete mit einem unartikulierten Grummeln, das sie amüsierte. Er wirkte auf beinahe niedliche Art mürrisch. Kein Wunder, da sie ihn die halbe Nacht wach gehalten hatte. „Ich versuche Feuer zu machen“, teilte sie ihm überflüssigerweise mit. Er belohnte sie mit einem sardonischen Blick. Worauf ihr ein kehliges Kichern entfuhr. Link zog die Stirn kraus. Nicht begeistert. „Es tut mir leid“, stieß Zelda lachend aus. „Aber du bist ein Morgenmuffel.“ Das Wort auszusprechen war alles, was es brauchte, um sie in einen voll ausgewachsenen Lachanfall ausbrechen zu lassen. Link besah sie erst mit einem ausdruckslosen Blick, dann verdrehte er dir Augen. Die Respektlosigkeit darin, war genug, um sie erneut vor Lachen schütteln zu lassen. Es war einfach so untypisch für ihn. So absolut gegenteilig zu seinem sonstigen Verhalten. Er bedeutete ihr aus dem Weg zu gehen und kniete sich selbst vor die glühenden Scheite des abgebrannten Feuers. Innerhalb weniger Augenblicke züngelten die ersten Flammen empor.   „Tut mir leid“, wiederholte Zelda, als sie sich ein wenig beruhigt hatte. „Es ist nur so überraschend. Du bist für gewöhnlich so …“, mit den Händen wedelnd suchte sie nach einem passenden Begriff. „Wach?!“, half Link ihr weiter. Mit einem sardonischen Blick über die Schulter. „Naja“, begann Zelda, legte überlegend den Kopf schief. „Ja.“ Sie lächelte, als er schnaubte. „Wie geht es dir?“, fragte sie ihn deutlich ernster. „Hast du Schmerzen?“ Link schüttelte den Kopf und erhob sich. Griff nach der Schüssel mit der restlichen grünen Heilmaske und strich erneut etwas davon über den verkrusteten Schnitt auf seiner Wange. „Nicht mal in den Gliedmaßen?“, hakte Zelda nach. „Ein gezerrter Muskel?“ Sie zog erstaunt die Augenbrauen in die Höhe, als er erneut den Kopf schüttelte. Er wirkte ein wenig grimmig, die Hälfte seines Gesichts mit grüner Schmiere bedeckt und die Stirn gerunzelt. Ein Verdacht ließ Zeldas Herz flackern. War ihm unangenehm, was in der Nacht vorgefallen war? Sie hatte sich so sehr darüber gewundert, dass sie der Begegnung mit ihm an diesem Morgen nicht schamhaft entgegen sah, dass sie nicht daran gedacht hatte, dass es ihm anders gehen könnte. Sie begann an ihrer Oberlippe zu kauen. „Hör zu“, begann sie zögerlich. Streckte unwillkürlich die Hand nach einer nah bei stehenden Stuhllehne aus. „Ich weiß auch nicht, was momentan los ist, ich denke … ich bin einfach-“ „Wenn das eine Entschuldigung werden soll“, fuhr Link ihr forsch ins Wort, „dann werde ich dich gleich hier unterbrechen.“ Unnachgiebig fixierten seine Augen sie. Blau schimmerndes Eis. Sengende Hitze. Seine unerschöpfliche Geduld für sie, schien an diesem Morgen aufgebraucht. „Sie ist nicht nötig.“ Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er in Richtung Tür. „Ich werde nach dem Frühstück rufen.“ Ein wenig perplex sah Zelda ihm hinterher. Blinzelte ohne Recht zu wissen, was sie denken, was sie fühlen sollte. Er ließ sie sonst nie alleine. Und diesen Ton kannte sie von ihm nicht. War er wirklich einfach nur müde? Erschöpft von der gestrigen Verausgabung, von der er keine rechte Erholung gehabt hatte? Die sie mit ihrer nächtlichen Ruhestörung verhindert hatte und für die er keine Entschuldigung wollte. Oder war das seine Art, Abstand zwischen sie zu bringen? Wusste er um ihre Gefühle für ihn und versuchte er, ihr auf subtile Weile zu verdeutlichen, dass sie sich keine Hoffnungen machen sollte?   Seltsamerweise schien ihr das nicht Links Art zu sein. Ganz davon abgesehen, dass sie ungefähr so weit davon entfernt war, sich Hoffnungen zu machen, wie man nur konnte. Mit einer Jahrtausende alten Verheerung zwischen ihnen. Zelda seufzte. Nicht genau zu wissen, was in ihm vorging, war verunsichernd. Entnervend. Aber sie kannte ihn inzwischen gut genug, um zu wissen, dass er ihr nicht die kalte Schulter zeigen würde. Selbst wenn ihm unangenehm sein sollte, was letzte Nacht vorgefallen war, dann wäre er bald darüber hinweg. Es erstaunte sie selbst, wie ruhig sie war. Sie sollte panisch im Kreis laufen und sich die Haare raufen. Sie war aufgewühlt. Deswegen hatte sie auch keinen Schlaf finden können. Aber die typischen Anfälle mädchenhafter Aufregung blieben aus. Ihre mittlerweile normale Reaktion auf Links Anwesenheit. Vielleicht hatte der Schock der Erkenntnis eine mildernde, betäubende Decke über ihr Nervensystem gelegt und all das würde später mit angestauter Kraft aus ihr hervorbrechen. Wie bei einem Staudamm, der der aufgehaltenen Flut nicht mehr Herr wurde.   Links Rückkehr unterbrach sie in ihren bedrückenden Zukunftsmalereien. Wie es schien, hatte er nicht lange nach jemandem suchen müssen. „Frühstück ist unterwegs“, sagte er, als er wieder hereinkam. Er schien deutlich zufriedener. Zeldas Mundwinkel zuckten. Vielleicht war er auch einfach nur hungrig. „Was?“, fragte er, als er ihre belustigte Miene bemerkte. Die Herausforderung in seiner Stimme brachte sie zum Lachen. „Nichts“, log sie und begann in ihrer Tasche zu kramen, um sich abzulenken. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass er ihr einen zweifelnden Blick zu warf. Doch er schien es schnell aufzugeben und goss sich aus einer bereitstehenden Karaffe Wasser in einen Becher. Sie verbrachten die Zeit bis zum Eintreffen eines Dienstmädchens in einverständlichem Schweigen. Ein hübsches, dralles Ding schleppte ein gewaltiges Tablett mit Brot, gekochten Eiern und Pasteten. Link eilte, ganz der galante Ritter, sofort zu ihrer Hilfe. Nahm das schwere Tablett schon entgegen, bevor das Mädchen überhaupt durch die Tür getreten war. Allerdings vermutete Zelda, dass das weniger mit ritterlichen Tugenden zu tun hatte. Eher mit Appetit. Link bemerkte die schmachtenden Blicke, die das Mädchen ihm trotz der grünen Schmiererei auf seiner Wange zu warf, nicht einmal. Zelda konnte es dem Dienstmädchen nicht verdenken. Der Ausdruck auf Links Gesicht zeugte von solch tiefer Bewunderung, das wohl jeder Beobachter weiche Knie bekommen hätte. Auch wenn der Blick und seine ganze Aufmerksamkeit einzig und allein den gebrachten Speisen galt. Zelda presste die Lippen aufeinander, um ihre Belustigung nicht zu zeigen, sandte dem Dienstmädchen einen entschuldigenden Blick zu und bedankte sie bei ihr. Ihr Leibwächter war bereits dabei eine Pastete zu verschlingen. Wenngleich er seine Tischmanieren dabei nicht vergaß. Bei der Göttin, er krümelte nicht einmal. Sie selbst aß kaum etwas. Nur um kein Aufsehen zu erwecken, pellte sie ein Ei und knabberte an einer Scheibe geröstetem Brot. Den Rest überließ sie Link, dem es mit jedem Bissen besser zu gehen schien.   Seine Laune hatte sich merklich gehoben, als sie das Gasthaus wenig später verließen. Zelda meinte sogar ein kleines Pfeifen zu hören, als er die Pferde sattelte. Sie schüttelte den Kopf und lächelte den Boden an, während sie ihre Tasche und den Shiekah Stein an ihrem Gürtel richtete. Wahrscheinlich hatte sie sich vollkommen umsonst gesorgt.   Sie sprachen nicht viel, als sie den Berg hinunter ritten. Wechselten nur das vereinzelte Wort über Weges- und Pausenplanung und ab und an einen vertrauten Blick, der sie beide zum Lächeln brachte. Eine traumartige Wolke hüllte Zelda ein. Eigentlich sollte sie müde sein. Nach der Anstrengung des gestrigen Tages und der schlaflosen Nacht. Aber wahrscheinlich hielt eine gewisse Aufregung immer noch an. Es war seltsam, wie normal sie sich fühlte. Eigentlich sollte sie bei jeder Gelegenheit zusammenzucken. Immer dann, wenn ihr wieder einfiel, was sie in der Nacht begriffen hatte. Sie liebte Link. Doch es war so normal für sie. Ein Puzzlestück, das sich in seinen vorgesehenen Platz fügte. Gar nichts all zu Besonderes. Weil es schon lange da war. Nur das Wort dafür, die Bezeichnung hatte gefehlt. Und das war nur für ihren Kopf neu. Nicht so für den Rest von ihr. Unter der Erkenntnis entspannte sich Zelda ein wenig. Sie hatte keine Schreckmomente zu befürchten, in denen ihr die Bedeutung ihrer unangebrachten Gefühle ins Bewusstsein fahren würde, wie ein Splitter unter die Haut. Sie hatten lange entschieden von Norden her zum Schluss zurück zukehren, über die östliche Insel, die den Lustgarten beherbergte. Weswegen es Zelda überraschte, als Link gegen Mittag von der Straße nach rechts abbog und auf den Mietstall dort zuhielt.   „Was tust du?“, fragte sie verständlicherweise, als er kurz vor dem gemauerten Gebäude anhielt. Es war ein recht kleiner Stallkomplex mit angrenzendem Gasthaus, aber es herrschte nicht viel Betrieb. Ein Arbeiter fläzte faul in der Sonne und schirmte sich mit seiner Hand die Augen, um sie gegen das Licht besser erkennen zu können. Ein wenig unruhig suchte Zelda Links Blick. Wenn nicht unbedingt notwendig, zog sie nicht gern Aufmerksamkeit auf sich. In unmittelbarer Nähe des Schlosses war die Wahrscheinlichkeit, dass man sie erkannte und mit viel Pomp begrüßte, sehr hoch. Ihr Leibwächter schien sich darum allerdings keine Gedanken zu machen. Er schwang ein Bein über den Knauf seines Sattels und sprang zu Boden. Dann griff er nach Storms Zügeln. „Link!“ Erst jetzt drehte er den Kopf. Kniff die Augen zusammen, als er lächelnd zu ihr aufsah. Die Sonne stand direkt über ihnen und musste ihn fürchterlich blenden. „Du wolltest doch Krogs sehen, oder etwa nicht?“ Es dauerte einen kurzen Moment, bis Zelda begriff, was er gesagt hatte. „Krogs?“, sagte sie also, bevor sie verstand. „Oh“, machte sie und ihre Augen wurden groß. Sie hob den Kopf. Sah in die Ferne, zu dem dichten grünen Meer, das den Horizont auszumachen schien. Natürlich! „Der Wald der Krogs“, entfuhr es ihr mit hoher Stimme. Link erwiderte ihren begeisterten Blick grinsend und schnalzte mit der Zunge. Sofort setzte sich Storm in Bewegung. Ließ sich hinüber zum Stall führen, wo der Stallbetreiber seinen faulenzenden Arbeiter gerade eben mit einem Besen von seinem Ruheplatz scheuchte. Stumm sah Zelda zu Link hinunter. Betrachtete die behandschuhte Hand, die die ledernen Zügel locker umfasst hielten, seine Unterarmschützer. Unwillkürlich strich sie über Storms Hals.   „Es ist schon erstaunlich“, sagte Zelda gedankenverloren. „Wie viel mehr Spaß das Reiten macht, wenn das Pferd nicht aktiv versucht den Reiter abzuwerfen.“ Vor wenigen Wochen noch hatte sie sich gesträubt ihr Pferd vor Links wachsamen Augen zu reiten. Nun saß sie oben auf, während sie sich von ihm führen ließ. Link sah zu ihr auf, lächelte, wenn er auch nicht um die Gänze ihres Gedankengangs wissen konnte.   „Geduld und Liebe. Mehr braucht es gar nicht. So kann man jedes Pferd für sich gewinnen“, sagte er. „Nicht wahr, mein Schöner?“ Er kraulte den Hals ihres Pferdes. Seine Worte brauchten einen Moment, um durch den dicken Nebel hinter ihre Stirn zu dringen, der bei dem Wort Liebe aufgezogen war. Und so war sie für einen kurzen, halluzinogenen Augenblick davon überzeugt, dass er sie angesprochen hatte, nicht ihr Pferd. Mein Schöner … Glücklicherweise hatte Link seinen Blick nach vorne gerichtet und konnte nicht sehen, wie sie ihn anstarrte. Dann lichtete sich der Nebel. Und Erleichterung und Enttäuschung tanzten einen eng umschlungenen Tanz im Ballsaal ihres Herzens. Wie musste es sich anfühlen, wenn er sich entschloss, mit dieser warmen, sirupartigen Stimme Süßholz zu raspeln. Zelda hatte den Verdacht, dass die Welt dafür noch nicht bereit war. Wahrscheinlich würde kein einziges weibliches Wesen das überstehen. Aber wahrscheinlich war sie da auch etwas voreingenommen.   Schweigend ließ sie sich von ihm zum Stall führen. Wo sie ohne Zweifel ihre Pferde zurücklassen würden, bevor sie in den Wald hinein gingen. Zelda betrachtete Links blonden Hinterkopf, während sie darüber nachsann, wie viel Wahrheit doch in seinen Worten steckte. Geduld und Liebe. So konnte man jeden für sich gewinnen. Nicht nur Tiere. Auch sie war ein Ergebnis seiner Erfolgsformel. Und wie viel Geduld er für sie hatte aufbringen müssen. Vielleicht war es keine Liebe, keine solche, wie sie für ihn empfand, aber etwas Ähnliches, das ihn mit ihr verband. Da war sie sicher. Loyale Zuneigung, die zu empfinden in seiner Natur lag. Am Ende hatte es nicht mehr gebraucht, um sie für ihn einzunehmen. Aber Link zu mögen war nicht schwer. Eigentlich. Ihre eigene, ganz spezielle Situation hatte es ihr anfangs nur verboten das zu sehen. Er war einfach … nett. Auf eine ganz uneigennützige, unaufdringliche Art freundlich. Mit genau der richtigen Menge an Feuer, dass es nicht langweilig wurde. Erst dann kam all das andere. Sein Talent, seine Kraft. Sein Mut. Seine Loyalität. Sein Humor. Die Augen. Die Linie seines Kinns. Sein Haar. Diese Schultern. Es war Links eigener stiller Charme, der all das mit unsichtbaren Fäden zu dem schillernden Mosaik seines Seins zusammennähte. Und sie hatte das unfassbare Glück, ihn an ihrer Seite zu wissen. Ziel all dieser gebündelten Energie, dieser unbeugsamen Loyalität zu sein.   Link begrüßte den Stallbetreiber und seinen Helfer mit einem knappen Nicken. Winkte allerdings ab, als der Stallbursche näher kommen wollte, um das Pferd entgegen zu nehmen. „Nicht nötig“, teilte er dem Mann mit, einem behäbigen Hylianer mittleren Alters und silbrigen Schläfen. Das ließ sich der Stallarbeiter nicht zweimal sagen und trat zurück. Zelda sammelte die Zügel in ihrer linken Hand und schob beide Füße aus den Steigbügeln. Bevor Link auf die Idee kommen konnte, ihr beim Absteigen zu helfen, war sie schon aus dem Sattel geglitten. Selbstständig löste sie die Riemen und Gurte von Storms Sattel und dessen Geschirr. Als sie sich aufrichtete und einige lose gewordene Haarsträhnen aus dem Gesicht schob, bemerkte sie, dass Link sie anstarrte. Ein wenig befangen erwiderte sie seinen Blick. Hatte sie Dreck auf der Stirn? Er blinzelte und drehte den Kopf. Unterbrach den Blickkontakt und hinterließ Zelda nur noch verlegener. Sie fuhr sich mit dem Ärmel ihrer Tunika über das Gesicht. Betrachtete den Stoff. Kein Schmutz zu sehen. Sie holte Luft, um nachzufragen, als Link sie unterbrach. „Bist du fertig?“ Er deutete auf Storms Rücken. Zelda nickte. Trat einen Schritt zurück, damit er Sattel und Geschirr abnehmen konnte. Sah ihm nach, als er beides in den Stall hinein trug. Sie nutzte die Zeit um einen Apfel an Storm zu verfüttern, der den Leckerbissen dankbar annahm. Der Anblick stimmte sie so glücklich, dass sie vergaß, verlegen zu sein. Und wenn schon … dann hatte sie eben Dreck auf der Nase. Oder irgendwo sonst. Es war ja nicht so, dass sie für Link herausgeputzt sein musste. Er kannte sowieso schon all ihre Schlechtigkeit.   „Es ist noch ein kleines Stückchen bis zum Wald“, sagte Link, als er zurückkam, um seinen eigenen Sattel zu holen. Mit einem kleinen Ächzen hob er ihn vom Rücken seines Hengstes. „Kein Problem“, antwortete Zelda und rieb sich ihren rechten Arm. „Ich habe nichts gegen einen Spaziergang.“ Link schickte ihr ein kurzes Lächeln, dann verschwand er erneut, um seinen Sattel in sicheres Gewahrsam zu geben. Derweil griff Zelda nach den Zügeln beider Pferde und führte sie zum Stall, wo der Hylianer, der sich als Dobb vorstellte, sie entgegen nahm. Er schien sie nicht zu erkennen. „Wir werden gut auf sie achten, machen sie sich keine Sorgen, Mylady.“ Er schob sie seine Mütze in den Nacken und rieb sich die Stirn. „Gibt keinen besseren Stall in der Umgebung, echt wahr.“ Zelda lächelte unverbindlich und strich ein letztes Mal über Storms weiche Nase. „Bis später, sei ein braver Junge, ja?“ „Prachtvolles Tier, wenn ich mir das erlauben darf zu bemerken, Ma'am.“ Zelda warf Dobb bei der Bezeichnung einen etwas irritierten Blick zu. Sie wusste nicht, ob sie sich geschmeichelt oder beleidigt fühlen musste. „Ja“, antwortete sie, und weil es ihr etwas knapp und unhöflich vorkam, setzte sie hinterher: „Danke. Schätze ich.“ Sie runzelte die Stirn, während der ältere Mann die Pferde tiefer in das schattige Gebäude führte. Schritte hinter sich, ließen sie umdrehen. Link betrachtete sie fragend. „Was ist los?“ Sie deutete hinter sich, in die Richtung, in die Dobb verschwunden war. „Er hat mich Ma'am genannt.“ Einen Moment geschah gar nichts, außer dass Link sie schweigend ansah. Dann senkte er den Kopf. Ohne Zweifel in einem erfolglosen Versuch seine Belustigung zu verbergen. „Eine respektvolle Anrede, für eine respektable Dame“, antwortete er mit einem amüsierten Lächeln in der Stimme. Er deutete in Richtung des Weges, eine Aufforderung für sie sich in Bewegung zu setzen. „Für eine alte Dame“, entrüstete sich Zelda und begann zu laufen. Link folgte ihr. Ein Blick über die Schulter zeigte ihr, dass er grinste. „Schön, dass du das lustig findest.“ Verstimmt reckte sie das Kinn in die Höhe und stampfte voran. „Ich bin sicher, er hat damit nicht sagen wollen, dass du alt aussiehst“, ertönte Links Stimme von hinten. Immer noch deutlich amüsiert. Vielleicht noch mehr als vorher. „Ach ja?“, entgegnete sie und drehte sich zu ihm herum. Ging einige Schritte rückwärts. „Wie würdest du es finden, wenn man dich Sir nennen würde.“ Kaum waren die Worte aus ihrem Mund, erkannte sie ihren Fehler. „So werde ich genannt“, antwortete Link mit dem ruhigen Tonfall von jemandem, der mit einem Verrückten sprach. „Sogar von dir. Erst gestern hast du mich so genannt.“ Zelda verzog das Gesicht und drehte sich wieder um. „Wie auch immer“, erwiderte sie so herablassend, wie sie konnte. „Es ist mir sowieso egal.“ Hinter ihr lachte Link. Ein kurzes raues Klingeln, wie eine Glocke aus Zedernholz im Sturm. Das Geräusch besänftigte ihr ohnehin nur spaßeshalber entrüstetes Gemüt und sie ertappte sich dabei, wie sie lächelte. „Es ist immer gut zu wissen, dass Ihr zur Verteidigung meiner Ehre bereit stehen werdet, Sir Link.“ Mittlerweile waren sie in den schattigen Vorläufer des Waldes eingetreten, ein, wie sie wusste, von Bäumen umwachsener Pfad, der sie zum Eingang der verlorenen Wälder führen würde. „Komm schon“, erklang es hinter ihr. „Ich war nicht mal dabei. Wie hätte ich dich verteidigen können?“ Über die Schulter sandte sie ihm einen arroganten Blick zu. „Und wessen Fehler war das?“, erkundigte sie sich mit süßlicher Stimme. Sie sah gerade noch, wie Link eine ironische Verbeugung in ihre Richtung machte. Die subtile Eleganz der Bewegung verfehlte leider vollkommen ihren Zweck, nämlich zu irritieren. Stattdessen wurde Zeldas Mund für einen Moment staubtrocken. Es war eine Weile her, dass er sich vor ihr verbeugt hatte. Ein Fakt, der sie mit einer gewissen Zufriedenheit erfüllte. Es sprach dafür, dass das Podest auf das Link sie stellte, nicht mehr ganz so hoch war. Und keine ständigen Respektsbekundungen bedurfte. Stattdessen ging er so weit, ihr gegenüber seinen feinen sarkastischen Humor zu zeigen. Er vertraute ihr genug, diesen Teil seines Selbst zu offenbaren. Für Zelda fühlte es sich wie ein Geschenk an. Sie sah nach vorne, damit er die Sterne in ihren Augen nicht sehen konnte. „Verzeiht mir, holde Prinzessin“, sagte er hinter ihr, die Stimme voll gespielter Ergebenheit, „zukünftig werde ich nicht von Eurer Seite weichen. Damit kein Strolch Gelegenheit haben wird, Euch Ma'm zu schimpfen. Oder auf andere Art die Reife Eures Äußeren zu kommentieren.“ Zelda stockte der Atem. Dieser … Sie blieb stehen. Drehte sich mit zu Schlitzen verengten Augen zu Link um, der mit unschuldigem Blick näher kam. Als er ihre Höhe erreicht hatte, nutzte Zelda die Gelegenheit, um ihm mit dem Zeigefinger in den Oberarm zu piksen. So fest sie konnte. Lachend fing Link ihre Hand ein. „Was denn? Ist das alles? Mehr hast du nicht drauf?“ Es sollte sie schockieren. Aber die lockere Art, auf die er mit ihr umging, löste stattdessen tiefes Wohlbehagen in ihr aus. Sie musste ihre Lippen gegen das Grinsen verhärten, das sich mit gewaltiger Kraft auf ihrem Gesicht zeigen wollte. Er neckte sie. Stichelte, wie er es vielleicht mit einem Altersgenossen tun würde. Einem Freund. Einem Gleichgestellten. Es war wunderbar. Also tat sie das Nahestehende: Sie boxte ihm in die Seite. Hart. Links japste und machte eine blitzschnelle Drehbewegung. Packte sie am Arm und riss daran. Brachte sie aus dem Gleichgewicht. Ob es sich dabei um eine instinktive Reaktion handelte und eine vollkommen kontrollierte Strafe für ihren Bauchhieb, konnte Zelda nicht sagen. Sie wartete atemlos darauf, dass er sie an seinen Körper ziehen würde. Ihr den Arm auf den Rücken drehen würde, oder etwas Ähnliches. Um weitere kümmerliche Angriffe ihrerseits zu verhindern. Und vielleicht hatte er das auch vor, doch stattdessen ließ ihren Arm los und trat einen Schritt zurück. Besah sie für einen kurzen Moment mit einem wachsamen Blick, der nichts mit ihrem gespielten Angriff zu tun haben konnte, der kaum eine Gefahr für ihn dargestellt hatte. Zelda überging den unbeholfenen Moment, in dem sie sich schwungvoll das Haar über die Schulter warf und ihm ihren besten zukünftige-Königin-Blick zuwarf. „Du“, sagte sie mit Nachdruck, „bist ein schrecklicher Mann.“   Die plötzliche Zurückhaltung auf Links Gesicht löste sich langsam auf. Wurde von der vorher da gewesenen Belustigung abgelöst. Doch ein wenig Achtsamkeit lag immer noch in seinen Zügen, als er sich mit einem letzten Lächeln in ihre Richtung in Bewegung setzte. Zelda folgte ihm schweigend. Irgendetwas ging in ihm vor. Etwas, das am Tag zuvor nicht da gewesen war. Etwas, das folglich mit ihrem Ausbruch in der Nacht zu tun hatte. Sie hoffte, dass es einfach nur die unangebrachte Nähe war. Die unsichtbare und dennoch so fest verwurzelte Grenze zwischen Leibwächter und Prinzessin, die sie überschritten hatten. Nachdenklich folgte sie Link tiefer in den Wald hinein, überlegte, ob sie ihn zur Rede stellen, oder es einfach dabei belassen, die Zeit auf die Lösung dieser subtilen Anspannung ansetzen sollte.   Nach und nach wurden die Bäume dichter. Die Atmosphäre wurde stickiger. Bedrohlicher. Klebriger. Und Zelda vergaß, worüber sie sich Gedanken machte. Voller Staunen betrachtete sie das Dickicht fremder Pflanzen. Große, stämmige Bäume, deren gigantische Kronen ineinander wuchsen und ein Dach aus Zweigen schafften, die für die zunehmende Dunkelheit verantwortlich waren. Es herrschte ein kühler Wind, der die feuchte Luft, die neblig von der Erde aufsteigen ließ, in wirbelnden Schwaden zwischen den Stämmen umher trieb. Es war totenstill, bis auf das Geräusch ihrer Schritte auf dem Boden, gedämpft durch das hohe Gras. Keine Tiere waren zu hören. Unwillkürlich trat Zelda leichter auf, nicht gewillt zu wecken, was auch immer seinen Zauber über diesen Wald legte. „Was sind das für Bäume?“, fragte sie fasziniert und trat näher an einen heran. „So etwas habe ich nicht gesehen. Sie sehen aus, wie-“ Sie brach ab, als Link sie urplötzlich am Arm packte. „Pass auf“, sagte er mit ernster Stimme. Hielt sie davon ab, tiefer zwischen die Bäume zu treten, fort von dem ausgetretenen Pfad, auf dem sie sich befanden. „Wieso?“, entgegnete Zelda perplex. Für den Moment vergaß sie völlig, Links Berührung mit der typischen Reaktion zu begegnen: Herzklopfen und erhöhter Atemfrequenz. Anscheinend war die ihr unbekannte Baumspezies fesselnder als der beherzte Griff ihres Leibwächters. „Weil ein Tritt in die falsche Richtung hier ernste Konsequenzen hat.“ Als Zelda ihn fragend ansah, spezifizierte er: „Du verirrst dich und hast Glück, wenn du einen Weg aus dem Wald heraus findest, bevor du verhungerst.“ Die ehrlichen, unbeschönigten Worte dämpften ihren Enthusiasmus ein wenig. „Oh.“ Link nickte. „Ja. Also bleib in meiner Nähe.“ Zelda warf einen letzten Blick auf den Baum, den sie hatte näher betrachten wollen und folgte ihrem Leibwächter zögerlich. „Aber du kennst den Weg hindurch?“ Link antwortete nicht sofort. Er hantierte an seiner Tasche herum, bis er schließlich zwei Steine hervor gezogen hatte. Zelda zog die Augenbrauen zusammen. Was wollte er mit Steinen? Erst als er sich umsah und sich schließlich nach einem dicken Ast toten Holzes bückte, ergab sein Handeln Sinn. Als die Flamme die behelfsmäßige Fackel entzündet hatte, wandte Link ihr den Kopf zu. Nun wieder einen entspannteren Ausdruck auf dem Gesicht. „Ich kenne den Trick“, sagte er und nickte nach vorne. „Komm.“ Sie folgte ihm ohne viel Abstand. Genau genommen klebte sie förmlich an seinem Rücken, nicht gewillt ihn in dem immer dunkler werdenden Wald zu verlieren. Die Nebelschwaden schienen immer substanzieller zu werden. Griffen mit feuchten Fingern nach ihnen, verdichteten sich zu weißen Gestalten, um sich dann wieder aufzulösen. Nie wieder würde sie glauben, dass es leicht gewesen war, das Bannschwert aus dem Wald zu holen. Es war gruslig hier. Unglaublich gruslig. Kein Wunder, dass ihr Vater ihr einen Besuch hier immer verboten hatte. Ein Heulen ließ Zelda erschrocken zusammenfahren. Sie machte eine ruckartige Drehung, versuchte ihre Umgebung auf einmal auszuleuchten. Dabei stieß sie mit Link zusammen, dem sie mittlerweile schon im Nacken saß, so nah war sie zu ihm aufgerückt. „Was ist los?“ „Machst du Witze? Hast du das nicht gehört?“ Sie schluckte und drückte sich noch ein bisschen näher an Link. Nur zur Sicherheit. Sofort hob er den Arm und strich ihr beruhigend über die Schulter. Störte damit kurz ihre Nervosität und wandelte sie in einer Aufregung der ganz anderen Art. Er schien es nicht zu bemerken. Schien nicht mal zu bemerken, dass er sie berührte, so natürlich war der Drang sie zu beruhigen. „Was? Den Wolf?“ Zeldas Augen wurden groß. „Wolf?“, krächzte sie. Link erwiderte ihren Blick erst fragend, dann mit zunehmender Belustigung. „Ja, Wölfe. Du weißt schon. Sehen wie Hunde aus. Nur ein bisschen unordentlicher.“ „Ich weiß, was ein Wolf ist“, schnappte sie und presste die Lippen aufeinander. „Was machen sie hier?!“ Als er bemerkte, dass sie ernsthaft verängstigt war, verschwand der amüsierte Ausdruck von seinem Gesicht. „Ganz ruhig. Sie werden nicht kommen, so lange ich das hier habe.“ Kurz schwenkte er die Fackel in seiner Hand. „Und sollte die ausgehen, habe ich andere überzeugende Argumente.“ Immer noch strich seine Hand über ihren Rücken. Ihr Schulterblatt. Ihre Schulter. Dann zu ihrem Nacken. Natürlich. Wie dumm von ihr. Sie befand sich hier mit Link. Link. Dem keine Horde wilder Monster etwas antun konnte. Und sie fürchtete sich vor einem kleinen Wolf. Es musste die Atmosphäre dieses Waldes sein. Die grimmigen Gesichter der Bäume. Der Fakt, dass die Bäume hier überhaupt Gesichter hatten. Zelda räusperte sich. „Ja. Natürlich.Tut mir leid.“ Ein wenig beschämt machte sie einen Schritt. Dann noch einen. Rückte von Link ab, damit der ein wenig freier atmen konnte. Und damit er nicht noch mehr Spannung zwischen ihnen aufbaute, wenn ihm klar wurde, dass er sie schon wieder berührt hatte. Sie zwang sich zu einem Lächeln. „Wirst du mir von dem Trick erzählen?“ Für einen Augenblick schien Link nicht zu wissen, wovon sie sprach. Dann folgte er ihrem Blick. „Oh. Ja.“ Er nickte zur Fackel. „Es ist ziemlich leicht. Man muss den Funken folgen. Siehst du?“ Er ging einige Schritte voraus, in die Richtung, in die die Funken vom Wind geblasen wurden. Zelda folgte ihm mit so viel Abstand, wie sie wagte. Es war nicht viel. Als er plötzlich stehen blieb, neben einem Baum, in dessen geöffnetem Stamm – er sah aus, wie ein brüllender Kinderschreck – einige Pilze wuchsen, wäre Zelda beinahe mit ihm zusammen gestoßen. Sie brauchte einen Moment um ihr Gleichgewicht wieder zu finden. Deswegen bemerkte sie erst nach einer Weile das Link sie erwartungsvoll ansah. „Was?“ „Die Funken. Siehst du?“ Sie sah tatsächlich. Die Funken hatten ihre Richtung geändert, ohne dass der Wind sich gedreht hatte. Sie warf Link einen erstaunten Blick zu. „Wie … das ist erstaunlich. Wie funktioniert das?“ Link zuckte mit den Schultern. „Ich hatte gehofft, dass du es mir sagen kannst. Du bist schließlich die Forscherin. Ich bin nur die ausführende Gewalt.“ Zelda sah ihn zweifelnd an. Gab dann aber schnell auf, ihn mit ihrem Blick tadeln zu wollen, um sich dem Rätsel der fliegenden Funken zu zuwenden.   „Vielleicht eine Art magnetische Anziehung?“, murmelte sie und starrte die Fackel an, als könnte sie ihr das Geheimnis mitteilen, wenn sie sie nur lange genug ansah. „Wir verstehen noch fast gar nichts über diese Kräfte“, erklärte sie Link. „Vielleicht ist etwas im Holz dieser Bäume, das, wenn es verbrannt wird, in Richtung des Herzens des Waldes gezogen wird, ganz gleich, ob der Wind in diese Richtung weht, oder nicht.“ Sie kaute überlegend am inneren Gewebe ihrer Wange. Unbefriedigt von dieser Idee. Wie kam es nur, dass sie so unglaublich wenig über die Geheimnisse der Welt wussten, in der sie lebten? Sie seufzte frustriert. „Ich sage dir, wenn ich Königin bin, werde ich dafür sorgen, dass alles Wissen für die Nachwelt katalogisiert und verwahrt wird.“ Sie schüttelte den Kopf. „Es ist so unfassbar frustrierend um jede kleine Erkenntnis kämpfen zu müssen. So lange im Dunkeln zu tappen, während die ganze Zeit über das Bewusstsein über dir schwebt, dass deine Vorfahren all das bereits wussten.“ Erneut seufzte sie. Dieses Mal traurig. „Was würde ich dafür geben, in der Zeit reisen zu können.“ Link bedachte sie daraufhin mit einem seltsamen Blick, sah jedoch schnell zu Boden. „Was?“, fragte Zelda dennoch. „Nichts“, entgegnete er. Zu schnell. Argwöhnisch kniff sie die Augen zusammen. Es war nicht nichts. So viel stand fest. Doch bevor sie weiter auf ihn eindringen konnte, deutete er mit der Fackel voran. „Gehen wir weiter.“   Also gingen sie weiter. Ab und zu blieb Link stehen, um ihren Weg zu kontrollieren. Es dauerte nicht lange und Zelda hatte jegliches Gefühl für Orientierung verloren. Vollkommen von seiner Führung abhängig, stolperte sie Link hinterher. Versuchte sich nicht zu albern zu gebären, auch wenn dieser Wald ihr wirklich eine Heidenangst einjagte. Schließlich gelangten sie zu einer Schlucht zwischen zwei verwitternd aussehenden Hügeln und Link wandte sich mit einem Lächeln zu ihr um. „Fast da.“ „Wie hast du dich nur hier her gefunden?“ Er zuckte mit den Schultern. „Du erinnerst dich, dass ich gesagt habe, wenn man den Weg nicht kennt, verirrt man sich sehr schnell?“ Zelda nickte. „Genau das ist mir passiert.“ Überrascht sah sie ihn an. „Du hast dich verirrt?“ In ihrer Vorstellung war Link so dermaßen effizient in allem was er tat, dass sie sich sehr anstrengen musste, um das Bild eines herumirrenden Links herauf zu beschwören. Er nickte. „Für ziemlich lange. Das mit der Fackel war reiner Zufall.“ Er schmunzelte. „Ich war halb wahnsinnig vor Hunger. Und verdammt wütend. Da versucht man die unmöglichsten Dinge.“ Zelda bedachte ihn mit einem langen Blick. Wann würde sie nur damit aufhören ihn für ein übermenschliches Wesen ohne Fehler zu halten? Wenn doch gerade die Blitzer der Normalität hinter der schillernden Heldenrolle ihn so viel liebenswerter machten. Link deutete ihren Blick falsch und lächelte ein wenig verlegen. „Tja. Ich wusste noch nicht all zu viel vom Reisen. Und hatte nicht sehr viele Vorräte dabei.“ Zelda nutzte die Vorlage, dankbar sich und ihren durchdringenden Blick nicht erklären zu müssen. „Und keine vergrößerten Taschen“, fügte sie hinzu, was er lachend bejahte.   Mittlerweile waren sie tief in die Schlucht vorgedrungen und Zelda bildete sich ein, Vogelgezwitscher zu hören. Während sie noch darüber nachdachte, dass es seltsam wäre, wenn nur im Herzen des Waldes Tiere lebten, löste sich die letzte Nebelschwade in Luft aus. Und keine Neue bildete sich. Die drückende Dunkelheit lichtete sich und mit einem Schlag standen sie vor einem freundlich wirkenden Wäldchen, mit farbenfrohen Blumen am Boden und allerlei Vögeln in den Wipfeln. „Na sieh sich das mal einer an“, entfuhr es Zelda. Link führte sie weiter zwischen die lichten Bäume, die ganz anderer Art waren, als die Gruselexemplare, durch die sie bis gerade eben gestolpert war.   „Zelda“, rief Link und drehte sich zu ihr um. „Da vorne.“ Sie sah in die Richtung, in die er deutete. Weiter nach vorne, in das Dickicht aus Büschen und großen, fremdartigen Blumen, die wie Laternen seitens des kaum erkennbaren Pfades wuchsen und sanftes, goldenes Licht versprühten. Erst sah Zelda gar nichts. Außer dem Wald und den fantastischen Gewächsen. Doch dann bewegte sich etwas anderes als Geäst zwischen den Blättern und ihr entfuhr ein begeisterter Laut. „Krogs“, quietschte sie. „Krogs!“ Voller Übermut griff sie Link an der Schulter, um sie enthusiastisch zu schütteln. „Bei der Göttin! Da vorne war ein Krog.“ Link betrachtete sie amüsiert. „Ja und mit deinem Gekreische hast du ihm Angst eingejagt.“ Zelda hörte auf die Umgebung nach weiteren kleinen Waldkreaturen abzusuchen. „Wirklich?“ Das wäre mal wieder typisch. Ihr Leibwächter schüttelte leicht den Kopf, schloss dabei kurz die Augen, wahrscheinlich um die Kraft zu sammeln, das Grinsen zu unterdrücken, das seine Mundwinkel zucken ließ. Als er sie wieder ansah, deutete er mit dem Kinn nach vorne, dorthin, wo der von Gras und Blumen überwachsene Pfad zu einer kleinen Lichtung führte. Kleine Insekten und Staubpartikel hüpften fröhlich durch die Luft, glitzerten in dem sanften Licht und verliehen dem Ort einen verträumten Zauber. Zelda hielt den Atem an, als sie zuerst einen, dann unzählige weitere Geschöpfe aus dem Gras, hinter den Büschen, im Geäst der Bäume auftauchen sah. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Link zur Lichtung deutete und sich dann in Bewegung setzte. Sie folgte ihm mit vor Staunen geöffnetem Mund, versuchte alle Geschöpfe gleichzeitig zu beobachten, drehte sich dabei um sich selbst, bis ihr schwindlig wurde. „He“, lachte Link leise und streckte die Hand aus, um sie nach einem stolpernden Schritt zu stabilisieren. „Die sind viel zu neugierig, um zu verschwinden. Pass lieber auf, wo du deine Füße hinsetzt.“ Schneller als sie reagieren konnte, hatte er seine Hand auch schon wieder fortgezogen. Er hatte sie kaum berührt, trotzdem reichte der plötzliche Reiz aus, um ein Gegengewicht zu dem reizenden Anblick der Waldgeister darzustellen. Zelda hörte auf sich den Kopf zu verdrehen, zumal die Krogs immer sofort verschwanden, wenn sie nahe genug an sie heran trat, um sie besser betrachten zu können. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so viele von ihnen gibt“, hauchte Zelda, während sie Link zur Lichtung folgte. „Fürchten sie sich vor uns, sieht man sie deswegen nicht außerhalb des Waldes?“ Er warf ihr einen Blick über die Schulter zu. „Man findet sie schon außerhalb des Waldes, man muss nur wissen, wo man suchen muss.“ Das zog Zeldas Aufmerksamkeit auf sich. „Wo muss man suchen?“ Link lächelte. „Wenn ich dir das verrate, werde ich dich für den Rest meiner Tage auf Krogsuche begleiten dürfen.“ Zelda verzog das Gesicht. „So schlimm bin ich nicht“, verteidigte sie ihre neugierige Forscherseele. „Nein“, bestätigte Link und schüttelte leicht den Kopf. „Du bist ...“ Er schien nach Worten zu suchen. Sah kurz zu Boden. Als er den Kopf wieder hob, seufzte er kurz und lächelte. Auf Zelda wirkte es traurig. „Du bist nicht schlimm“, vervollständigte er den Satz. Zelda hatte das unbestimmte Gefühl, dass er eigentlich etwas anderes hatte sagen wollen. „Aber du hast recht“, nahm er das Thema wieder auf, „sie sind ein wenig schüchtern.“ Er rümpfte kurz die Nase und sah dabei so bezaubernd komisch aus, dass Zelda vergaß sich darüber Gedanken zu machen, was er gerade eben eigentlich hatte sagen wollen. „Wenn sie nicht damit beschäftigt sind, frech zu sein.“ Sie sah ihn fragend an. Link nickte. „Sie sind ziemlich frech.“ Er wirkte dabei so ernst, dass es sie zum Lachen brachte.   Mittlerweile waren sie bei der steinernen Plattform angekommen. Sie standen eingekesselt von mehreren gewaltigen Ästen, vor einem riesenhaften Baum, der das Zentrum des gesamten Waldes dazustellen schien. Seine blassrosa Blätter überschatteten die ganze Umgebung und Zelda meinte, in der verwitterten Rinde des Baumes Ähnlichkeit mit den gruseligen Gesichtern der Stämme in den verlorenen Wäldern erkennen zu können. Nur das dieses hier freundlich wirkte.   „Wo ist der Krog, der deine Taschen vergrößert hat?“, fragte Zelda und sah sich um. Link hob die Schultern. „Ich weiß es nicht. Das letzte Mal als ich hier war, stand er gleich dort drüben.“ Er reckte den Hals, um besser sehen zu können. Dann zuckte er erneut mit den Schultern. „Vielleicht ist er unterwegs?“ Enttäuscht verzog Zelda das Gesicht. „Aber da vorne“, Link deutete mitten auf die steinerne Plattform. Sie war von Alter zerrüttet und von Gras überwachsen, „hat das Schwert gesteckt.“ Sie konnte die Vertiefung im Stein sehen. Einen feinen Schlitz, der zu schmal schien, um die Klinge des Schwertes in sich aufzunehmen. Unwillkürlich warf sie einen Blick auf das Schwert auf Links Rücken. Verglich die Maße miteinander. Runzelte die Stirn. Doch bevor sie den Gedanken weiter verfolgen konnte, ertönte eine mächtige Stimme, die den ganzen Wald zu erfüllen schien. „Hohepriesterin Hyrules.“ Erschrocken erstarrte Zelda. Neben sich hörte sie Link dunkel glucksen.   Davon abgesehen, dass sie kaum jemand mit diesem Titel ansprach, überraschte sie sowohl die tiefe, laute Stimme des Sprechers als auch deren Quelle. Suchend sah Zelda auf. Drehte den Kopf, bis sie schließlich das Gesicht in dem Stamm sah, das ihr schon vorher aufgefallen war. Vorher war es ihr so mit der Rinde verschmolzen erschienen, dass sie nicht den offensichtlichen Zusammenhang erkannt hatte: der Deku-Baum. Mit geöffnetem Mund stand sie staunend vor dem gigantischen Baumwesen. Betrachtete den freundlichen Ausdruck auf seinem lebendigen Gesicht. Wurde ihrerseits einer Bestandsaufnahme unterzogen.   „Was für eine Freude es für meine alten Augen ist, dich wiederzusehen“, sagte der Baum. Zelda blinzelte. Bis ihr wieder einfiel, dass dieser magische Ort das Zeiten überbrückende Verbindungsglied der Geschichte ihrer eigenen Legende war. Der Held, das Schwert, die Prinzessin. Und der Deku-Baum. „H-hallo“, begrüßte sie die mythische Gestalt ehrfürchtig. Ihre Knie wurden ein wenig weich, als sie die Tragweite dieser Begegnung begriff. Der Baum kannte sie. Kannte sie wirklich. Nicht nur aus Geschichten, wie jenen, aus denen Zelda von ihm gehört hatte. Der Deku-Baum hatte sie in ihren vergangenen Leben gekannt. Wahrscheinlich nicht so gut wie Link, der er als Hüter über das Bannschwert, wohl jedes Mal gesehen hatte, wenn der Held erneut auszog, um es an sich zu nehmen. Doch er musste auch die Prinzessin gesehen haben. Die verschiedenen Gestalten, die sie eingenommen hatte, die verschiedenen Persönlichkeiten. Der Gedanke machte das mit einem Mal so viel realer. Auch sie kannte den Baum. Sie kannte das Schwert. Sie kannte Link. Sie konnte sich nur nicht daran erinnern. Ihr Blick flackerte zu ihrem Leibwächter hinüber, der sie nachdenklich betrachtete. Er wirkte beinahe vorsichtig. Als wäre er sich nicht mehr sicher, ob es eine gute Idee gewesen war, sie hier herzubringen. Zelda wusste nicht, ob es Fluch oder Segen war, dass sie nichts von ihren vergangenen Ichs wusste. Vielleicht hätten ihr die Erinnerungen helfen können, die Siegelkräfte zu erwecken. Gleichzeitig musste es belastend sein, zu seinen eigenen Gedanken und Gefühlen, auch noch die aus vergangenen Leben tragen zu müssen. Sie neidete Link diese weitere Bürde nicht. Wie schwer musste es sein, die eigene Persönlichkeit zwischen den Erinnerungen auszumachen. Und am Leben zu erhalten. Doch Link hatte gesagt, dass er nur Bilder sah. In seinen Träumen. Keine wirklichen Gedanken. Keine Stimme, die ihm Worte zuflüsterte. Nur vage Eindrücke. Zumindest hatte Zelda es so verstanden. Durfte sie es wagen, ihn danach zu fragen? Wenn es ihr schon beim darüber nachdenken verwirrend erschien, war es dann ihr Recht Link dazu zu bringen, darüber zu sprechen?   „Du scheinst bedrückt zu sein, Hohepriesterin“, dröhnte der große Baum gemächlich. Wäre seine Aussage nicht von so persönlicher Natur gewesen, hätte Zelda seine Stimme als angenehm empfunden. Vielleicht sogar gelächelt. Daran war allerdings nicht zu denken. Unschlüssig, was sie darauf antworten sollte, öffneten sich ihre Lippen in einem stockenden Atemzug. Blieben geöffnet. Stumm. Während sie ihn mit großen Augen anstarrte. Ein tiefes, sonores Lachen erklang, das einige Vögel vor Schreck in den Himmel aufsteigen ließ. „Es gibt kein Grund für dein Bangen, Hylia. Wie immer siehst du der Zukunft mit zu viel Unsicherheit entgegen.“   Zelda wechselte einen schnellen Blick mit Link, zumindest versuchte sie es. Ihr Leibwächter starrte zu Boden. . Also sah Zelda wieder zum Deku-Baum, der sie geduldig fixierte. Konnte es sein, dass er gar nicht wusste, wer sie war? Dass er sie verwechselte? Niemand hatte je den Fehler gemacht, sie für Hylia selbst zu halten. Der Gedanke allein bereitete Zelda Unbehagen. Sie konnte nicht einmal die Splitter des Vermächtsnis' der Göttin in ihr erwecken. Wie konnte sie dann jemand mit deren Namen ansprechen? „Ich-ich bin nicht ...“, wollte Zelda sich erklären, brach dann jedoch ab. Nicht gewillt den Namen der Göttin auszusprechen. Beschämt vor dieser mythischen Kreatur ihre Verbindung zu Hylia abstreiten zu müssen. „Oh, ich weiß, wer du bist, Zelda“, antwortete der Deku-Baum leichthin. „Wie geht es dir?“ Hatte Zelda noch geblinzelt, als sie ihren Namen gehört hatte, war sie von dem Themenwechsel nun vollends verwirrt. „Äh … gut“, sagte sie und spürte, dass ein wenig Röte in ihre Wangen kroch. Da stand sie nun. Hier, vor dem ehrwürdigsten Baum Hyrules. Dem wichtigsten Gewächs der Zeit. Und stammelte uneloquent herum. Und er hatte sie mit Hylia angesprochen. Es war zwar nicht ihr unwürdigster Moment, kam aber spielend in die nähere Auswahl. „Es freut mich, dass du mich besuchen kommst“, dröhnte der Deku-Baum mit seiner durchdringenden Stimme. Zelda zwang sich zu einem Lächeln. Wenn es auch ein wenig unsicher ausfiel. „Es ist lange her, dass ich dich mit dem Helden an deiner Seite sah.“ Link warf ihr einen Blick zu, den Zelda mit einer schnellen Kopfdrehung erwiderte, dann jedoch wieder abrupt nach vorne sah. Wie oft hatte sie schon so vor diesem Baum gestanden? In einem anderen Leben, in einem Land, das von der Göttin und der Zeit anders geformt war. „E-er weicht kaum von meiner Seite“, antwortete Zelda, einfach, weil ihr nichts Besseres einfiel. Beinahe sofort biss sie sich auf die Lippe. So was Blödes. Was plapperte sie nur für einen Unsinn? Sie klang wie ein scheues, kleines Mädchen. Nicht wie die Prinzessin Hyrules. Nicht wie die Fleischwerdung einer Göttin. Neben ihr spürte sie, wie Link sein Gewicht verlagerte. Himmel, wahrscheinlich war ihr Gestammel sogar ihm unangenehm. „Ich danke dir, dass du in unserer Abwesenheit über das Schwert gewacht hast, großer Deku-Baum.“ Für ihre eigenen Ohren klang es zwar äußerst gestelzt, aber immerhin hatte sie einen prächtigen Satz zustanden bekommen. Sie hoffte nur inständig, dass der Deku-Baum keine tieferen emotionalen Probleme mit dem Wort groß hatte. Der Baum schwieg, fuhr einfach fort damit, sie anzusehen. Aber Zelda hatte das unbestimmte Gefühl, dass er seine Krone etwas in ihre Richtung neigte. Ein Äquivalent einer angedeuteten Verbeugung? Ein Nicken? „Ihr solltet zurückkehren“, sagte der Baum nach einer längeren Pause. „Verliert keine Zeit mit dem Rühren in alten Zeiten. Blickt in die Zukunft. Mit Hoffnung.“ Zelda blinzelte. Konnte nicht umhin, sich ein kleines Bisschen getadelt zu fühlen. Es war ja nicht so, dass sie ziellos in der Welt herumirrten und sich mit diesem Ausflug die Zeit hatten vertreiben wollen. „ Lebt wohl.“ Bevor sie antworten und sich ebenfalls verabschieden, oder rechtfertigen konnte, hatte der Deku-Baum schon seine Augen geschlossen und sie in erstaunlicher Geschwindigkeit in einen Baum zurück verwandelt. Ihre Antwort blieb irgendwo zwischen Hals und Lippen stecken, Worte, die mit einem Ausatmen auf ihrer Zunge balancierten, kurz davor in den Abgrund des Nichts zu fallen. „Er ist fort“, murmelte Zelda ungläubig, nachdem sie ihren Atem wieder gefunden hatte. „Einfach weg.“ Link zuckte neben ihr mit den Schultern. „Wahrscheinlich hat er einen engen Zeitplan.“ Es dauerte einen Moment, bis Zelda den Kopf in seine Richtung drehte. Verstanden hatte, was er gesagt hatte. Fassungslos starrte sie ihn an. Unglücklicherweise wieder mit offen stehendem Mund. Er erwiderte ihren Blick schweigend. Unschuldig. Als könnte kein Wässerchen ihn trüben. „Zeitplan?“ Seine Mundwinkel zuckten. Ein Zeichen dafür, dass er wirklich gescherzt hatte. Zelda schüttelte leicht den Kopf. Allerdings fühlte sie sich ein wenig besser. Die Begegnung mit dem Jahrtausende alten Wesen hatte sie aufgewühlt. Mehr noch, als sie es je für möglich gehalten hatte. Seine Worte, seine so offenkundige Kenntnis ihrer vergangenen Lebensgeschichten. Sein Rat. Wie immer siehst du der Zukunft mit zu viel Unsicherheit entgegen. Blick mit Hoffnung in die Zukunft.   „Mir hat er beim ersten Mal gesagt, dass ich sterben würde, wenn ich das Schwert ziehe, ohne stark genug dafür zu sein“, offenbarte Link ihr mit beinahe komischer Nonchalance in der Stimme. Mit großen Augen sah Zelda ihn an. Wie oft schon hatte sie gehofft, etwas über dieses Rätsel zu erfahren? Darüber, was Link erlebt hatte, als er das Bannschwert an sich genommen hatte. Wie häufig hatte sie ihn im Stillen um die Einfachheit seiner Aufgabe beneidet. Und irgendwie dennoch vermutet, dass sie ihm damit Unrecht tat. Und es mitnichten so einfach gewesen war. „Sterben?“, hauchte sie. Sie verstand nicht, wie er mit solcher Leichtigkeit davon sprechen konnte. Link nickte. „Ohne mir zu sagen, wie ich vorher herausfinden konnte, ob ich die Prüfung bestehen würde.“ Er seufzte. Ein aufgesetztes Seufzen, das nur den Zweck hatte zu belustigen. Seine Worte in ein leichtes Licht zu stellen. „Eine echte Hilfestellung ist er, der Deku-Baum.“ Zelda entfuhr ein kleines Lachen. Mehr ein Krächzen, weil die Ironie in seiner Stimme sie so sehr schockte. Konnte der Deku-Baum ihn hören? Er musste sich seiner Umgebung bewusst sein, sonst hätte er nicht so schnell auf ihre Anwesenheit hier im Wald reagiert. Link schenkte ihr ein schnelles Lächeln. Schalk blitzte in seinen Augen, ein blauer Wirbelwind, der etwas mit ihren Knien anstellte. „Kann er dich hören?“, fragte sie flüsternd, worauf er mit den Schultern zuckte. „Er antwortet, wenn man ihn etwas fragt, also ...“ Wieder ein Schulterzucken. „Wahrscheinlich schon.“ Zelda spürte, wie ihr Gesicht sich zu einer betroffenen Miene verzog. „Oh weh“, entfuhr es ihr, allerdings konnte sie die unfreiwillige Belustigung nicht ganz aus ihrer Stimme verbannen. „Das war wirklich …“, sie holte tief Luft, versuchte, das schwere Gefühl sich unwürdig verhalten zu haben, abzuschütteln, „nicht mein glanzvollster Moment.“ Sie verzog die Lippen. Hob die Schultern in einer hilflosen Geste. „Aber ich war nicht darauf vorbereitet. Ich wusste ja nicht, dass er mit mir reden würde.“ Zelda schüttelte den Kopf. Dann suchte sie Links Blick. „Er hat mich einfach wieder weg geschickt.“ Ein wenig fassungslos sah sie ihn an, während seine Lippen sich zu diesem beinahe-Lächeln verzogen. „Als hätte ich hier nichts zu suchen.“ Sollte der Deku-Baum sie doch hören. Ihr Leibwächter betrachtete sie belustigt. „Brauchst du einen Moment?“, fragte er mit spielerischer Sorge in der Stimme. Sein unbeeindruckter Spott ließ sie sich ein bisschen besser fühlen. Vielleicht sollte sie auf Links Urteil vertrauen. Für gewöhnlich besaß er einen recht scharfen Instinkt für derlei Angelegenheiten. Wenn er es nicht als besorgniserregend empfand, dass der Deku-Baum ihnen gerade auf höflichste Weise mitgeteilt hatte, dass sie hier nichts zu suchen hatten, dann war es wohl nicht so schlimm, wie Zelda es einschätzte. „Nein“, sagte sie und schniefte ein wenig gedämpft. „Schon in Ordnung.“ Sie verschränkte die Arme vor der Brust und warf dem Deku-Baum einen herausfordernden Blick zu. „Ich sollte gehen und mich um wichtigere Angelegenheiten kümmern.“ Links Augenwinkel kräuselten sich amüsiert, dann nickte er feierlich. „Jedenfalls hast du einen Krog gesehen“, sagte er und trat von der steinernen Plattform herunter, auf die er sich irgendwann gestellt haben musste. „Ja“, murmelte Zelda und betrachtete das Triforce Symbol auf dem verwitterten Stein. „Und wer weiß, wofür es gut war.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)