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Nicht Zu Spät

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Danke für eure lieben Worte. Es tut gut, dass wenigstens ein paar sich von der Geschichte genug bewegt werden, um ein paar Worte dazu zu schreiben.
Das Kapitel beinhaltet die erste Erinnerung des Hauptspiels - 'eine alte Zeremonie' und bereitet auf die nächsten beiden Erinnerungen vor. Außerdem verweist es indirekt auf Urbosas Tagebucheintrag, in dem sie von Zeldas Verzweiflung schreibt. Komplett anzeigen

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Kapitel 4

„Held von Hyrule, vom heiligen Bannschwert erkoren. Du hast unerschütterlichen Mut und vollendete Schwertkunst unter Beweis gestellt. Ich segne dich im Namen der Göttin Hylia.“

 

Eine sanfte Brise bewegte die Ärmel an Zeldas langer Robe, während sie die überlieferten Sätze herunter betete. Sie versuchte sich darauf zu konzentrieren, anstatt auf das Brennen in ihrer Kehle, das die Worte beim Aussprechen verursachten.

Hatte sie überhaupt das Recht, im Namen der Göttin Segnungen auszusprechen?

 

„Ob du durch die Lüfte fliegst, durch die Zeiten wandelst oder in die Schatten eintauchst. Das Schwert ist immer ein Teil deiner Seele, o Held.“

 

Zelda konnte hören, dass ihre Stimme nicht die nötige Feierlichkeit transportierte. Die Aggressivität die sie seit dem Morgengrauen fühlte, schien ihren Weg auf Zeldas Zunge gefunden zu haben und so klangen die heiligen Worte beinahe sarkastisch.
 

„Du und das Bannschwert … Ihr möget von Kraft … von Mut und von Weisheit erfüllt sein.“

Seit wann ging irgendetwas von dem in Erfüllung um das Zelda bat? Bei dem Gedanken senkte sie ihre Hand, die sie bisher ausgestreckt gehalten hatte, wie es die überlieferte Zeremonie verlangte.

Sie versuchte sich an einem beruhigenden Atemzug, doch leider hörte man ihr dadurch einmal mehr an, wie aufgebracht sie war.

Link blieb wo er war. Auf einem Knie, den Kopf gesenkt. Der Wind spielte mit den Strähnen seines Haars, die irgendwie immer aus der Bündelung an seinem Hinterkopf herausfielen.

Wenn er bemerkte, dass Zeldas Tonfall weder andächtig noch hingebungsvoll, sondern eher verärgert klang, so ließ er sich davon nichts anmerken.

Er blieb völlig neutral und unbeweglich. Zelda spürte wie sich Hitze auf ihren Wangen ausbreitete und wahrscheinlich jedem der Anwesenden in rotem Leuchtfeuer von ihrer inneren Aufruhr berichtete. Glücklicherweise waren das nur die fünf Recken, von denen der eine starr auf den Boden blickte und ihre verräterische Miene nicht sehen konnte.

Zelda musste sich zwingen ihre Hand wieder zu heben und mit der erniedrigenden Zeremonie fortzufahren.

 

„O Bannschwert“, fuhr sie fort, konnte aber immer noch keinen angemessen Ton finden, „das unvorstellbare Zeiten überdauert hat.“

 

„Mannomann“, murmelte Daruk während Zelda versuchte sich an die nächsten Sätze der Zeremonie zu erinnern. Was die Goronen anging, gab es bei ihnen kein leise.

„Geht's noch dramatischer?“

 

„Beschütze Hyrule in der Hand des Helden“, betete Zelda und versuchte den ungehobelten Stein von einem Recken zu ignorieren.

 

„Was redest du da? Der edle Ritter ist jetzt ihr Leibwächter“, antwortete Revali spöttisch. Er schien ebenfalls keinen Sinn dafür zu haben, was Zelda hören und nicht hören konnte.

Sie versuchte sich darauf zu konzentrieren weiter zu sprechen.

 

„Ich segne dich, im Namen der Göttin Hylia“, sagte Zelda, noch weniger bei der Sache als vorher.

„Ob der Held die Meere überquert oder eine Verbindung mit der Vergangenheit eingeht-“

 

 

„Diese alte Zeremonie dafür nachzuäffen war doch deine eigene Glanzidee“, sprach Revali weiter, während es Zelda zunehmend schwer fiel ihn zu ignorieren. Aus dem Augenwinkel beobachtete sie, wie Mipha dem Orni einen genervten Blick zu warf.

Ob sie ihn für unhöflich hielt oder sich über seinen mangelnden Respekt vor Link ärgerte, wusste nur die Göttin.

 

„Na ja“, begann der Orni erneut, während Zelda die letzten Worte des überlieferten Gebetes aus ihrem Gedächtnis hervorkramte: „Du mögest stets an seiner Seite sein.“

 

„Meine Meinung zu dem Burschen kennt ihr. Und die Prinzessin sieht auch nicht gerade begeistert aus, oder?“

 

Oh, bei der Göttin. Das hatte er nicht gerade gesagt, oder? Warum konnte Revali nicht einfach den Schnabel halten.

Hatte Link ihn gehört? Es war kaum möglich, dass Zelda bessere Ohren haben sollte, als ein bei den Shiekah trainierter Schwertkämpfer der Superlative.

Aber Zelda wusste es nicht, denn er zeigte ja nicht die geringste Reaktion!

 

Sie versuchte die Recken auszublenden und ihren Worten irgendeine Art von Stärke zu verleihen.

„Du und der Held von Hyrule möget von Kraft erfüllt sein.“

 

Dann stieg Urbosa in die Unterhaltung mit ein.

„Bei ihr ist es kein Wunder“, sagte sie und auf Zeldas Nacken brach Schweiß aus.

„Er hat sein Schicksal erfüllt, sie hingegen konnte es nie.“

 

Zelda stockte. Konnte sich nicht länger auf die Worte konzentrieren, die sie zu sagen hatte.

 

„Tja“, fuhr Urbosa fort. Nicht ohne Mitgefühl, aber nicht minder verletzend. Wieso glaubten sie eigentlich, dass es ihnen zustand, auf diese Art über Zeldas Gefühlsleben zu sprechen?!

„Er erinnert sie stets an ihr scheitern.“

 

Das war es. Zelda konnte nicht weiter machen. Mehr konnte sie nicht ertragen.

Sie zog ihre Hand zurück. Betrachtete sie voller Zweifel. Schluckte den Ärger, die Trauer, die Bitterkeit herunter. Versuchte es zumindest.

Ihr Blick fiel auf den vor ihr knienden Ritter. Es quälte sie, dass er Revalis und vor allem Urbosas Worte mit angehört hatte. Ihre Schäbigkeit vor ihm ausgebreitet.

Link hatte die Augen geschlossen, den rechten Unterarm auf sein rechtes Knie gestützt.

Sie sollte froh sein. Froh, dass das Schwert einen so würdigen Diener erwählt hatte. Jemanden so, so … bescheidenen und passenden. Die Möglichkeit dass sich nicht rechtzeitig ein Held des Schwertes zeigen würde, hatte als Schreckensvorstellung immer in ihrem Hinterkopf existiert. Da es doch auch möglich war, dass sich ihre Siegelkräfte nicht zeigten, schien das nie unmöglich. Doch das Problem hatte sich gelöst, bevor es wirklich real geworden war.

 

So konnte Zelda es aber nicht sehen.

 

Alles was er hatte tun müssen, war ein Schwert aus einem Wald zu holen.

 

Warum, oh heilige Göttin, warum, hatte es für sie nicht ebenso einfach sein können?

Sie hatten Recht. Urbosa hatte Recht! Link war das lebendige Symbol für ihr eigenes Scheitern. Er war der Schwert-schwingende Beweis ihrer Misserfolge und er würde ihr von nun an überall hin folgen wie ein Schatten. Er wäre bei ihr, wenn sie Zuflucht von ihrem tagtäglichen Versagen suchte, während sie die Relikte erforschte.

Sie hätte nie wieder ihren Frieden.

Weder vor ihm, noch vor sich selbst.

 

Zelda erlaubte sich einen Moment lang tiefen Horror zu empfinden, während die Stille auf dem alten Festplatz in ihren Ohren drückte.

Link allerdings, bewegte sich nicht.

Er blieb auf einem Knie, den Kopf gesengt, schweigend. Und wartete.

 

Sie wollte ihn anschreien.

Das Bedürfnis sollte sie erschrecken. Doch sie konnte nur daran denken, wie gern sie ihn geschüttelt hätte. Oder an seinen Haaren gezogen.

Sie wollte ihn dazu zwingen zu reagieren, etwas zu sagen, irgendetwas zu tun.

Er war der Auserwählte des Schwertes. Das Schwert sprach zu ihm. Was sagte es? Konnte er es wirklich hören? Musste er dafür kämpfen es zu hören? Hatte er dafür kämpfen müssen, um seinen Anspruch daran geltend zu machen?

War es deswegen immer so verdammt schweigsam? So absolut irritierend stoisch? Hatte er die ganze Zeit eine Stimme im Ohr? Die Stimme des Schwertes, die zu ihm sprach, ihm die Wahrheit in allem offenbarte, was vor ihm lag? Die ihm den Wert der Dinge, seiner Gegenüber verriet?

 

Zelda trat einen Schritt zurück. Das Geräusch ihre Schuhe auf dem ausgetretenen und glatt polierten Stein des Festplatzes, ließ Link den Kopf heben. Er blinzelte gegen das plötzliche Licht, nachdem er seine Augen eine ganze Weile geschlossen gehalten hatte.

Zelda fühlte das heiße Brennen ihrer geröteten Wangen. Am liebsten wäre sie einfach umgedreht und hätte ihn stehen lassen.

Er erwiderte ihren starren Blick mit derselben Ruhe, die er auch während ihrer Segnung ausgestrahlt hatte. Allerdings erschienen ihr seine Augen weitaus wärmer als sonst. Der Anflug eines Lächelns?

Einmal mehr verfluchte Zelda, dass er so schwer einzuschätzen war.

 

„Mein Leben gehört euch“, sagte er auf einmal, mit dieser überraschend rauen, ruhigen Stimme. Zelda erstarrte. Nicht nur weil er gesprochen hatte und der Klang so unerwartet war.

Das war nicht Teil der Zeremonie. Nirgendwo war eine Antwort des Helden überliefert.

Sie war so sehr daran gewöhnt, sich über seine Unnahbarkeit zu ärgern, dass es sie nun überforderte, dass er gesprochen hatte.

Klar und deutlich für sie zu verstehen, aber zu leise, als dass die Recken seine genauen Worte gehört hatten.

Eine Rüge dafür, dass sie gerade eben zu laut gesprochen hatten? Oder eher der Versuch die Illusion aufrecht zu erhalten, dass ihre Stimmen nicht bis zur Mitte des Platzes herüber geweht waren?

 

Zelda schluckte. Um eine passende Antwort verlegen. Was konnte sie denn auch schon sagen? Auf diesen perfekten Ausspruch tiefer Loyalität.

 

Mein Leben gehört euch.

 

Sein Leben konnte er behalten.

Zelda wollte es nicht. Sie wollte nur ihr eigenes.

„Ent-entschuldigt mich“, brachte Zelda hervor. „Ich habe andere Pflichten, denen ich mich zuwenden muss.“ Sie wandte sich von dem knienden Ritter ab. Griff im Drehen nach ihren Röcken.

Hinter sich konnte sie hören, wie Link sich aufrichtete.

 

„So wie wir alle“, antwortete Revali leicht genervt, nicht verlegen seine Meinung über die Unnötigkeit des Geschehenen zum wiederholten Male auszudrücken. Zelda wünschte sie hätte dieselbe Freiheit.

 

„Wie fühlst du dich?“, fragte Urbosa und überbrückte die wenigen Schritte, die sie von Zelda trennten.

Es war keine Frage nach Zeldas Wohlbefinden. Aber glaubte Urbosa denn tatsächlich, dass das Salz in Form dieser Zeremonie auf Zeldas Wunden gestreut, ihr dabei half die angeblich in ihr schlummernden Kräfte zu aktivieren? Dabei hatte Urbosa doch gerade deutlich gemacht, dass sie sie wusste, wie es um Zelda stand. Sie wusste es besser als jeder andere.

Ihr hatte Zelda vor all den Jahren ihr Innerstes, all ihr Leid und ihre Verzweiflung offenbart.

Wahrscheinlich hoffte Urbosa wider besseren Wissens. Klammerte sich an alle Strohhalme, genauso wie es der König, wie es wahrscheinlich das ganze Land tat.

Zelda sah zu Boden.

„Die Göttin hat zu diesen alten Worten geschwiegen.“

Wie zu allen anderen, die Zelda je an sie gerichtet hatte.
 

„Naja“, sagte Daruk gutmütig. Und unendlich laut. „Es war ja auch keine Zeremonie für die Göttin. Sondern für Link.“

Zelda richtete ihren Blick nach vorne. In die Ferne, zu den im Wind wehenden Flaggen an der Stadtmauer. Sie hielt die bitteren Worte zurück, die Daruk belehren wollten.

Der Held und das Schwert waren ebenso eng mit der Göttin verbunden wie Zelda selbst. Es war das heilige Schwert das die Göttin einst selbst geschaffen hatte.

Und nur deswegen hatte Zelda dieser Farce zugestimmt. Weil auch sie jeden Strohhalm ergriff. Es war ihre Pflicht das zu tun. Auch wenn sie kaum gehofft hatte. Es war dennoch niederschmetternd, erneut keinen Erfolg gehabt zu haben.

Aber womöglich war das ihre eigene Schuld. Sie hatte sich nicht auf die Zeremonie einlassen können. War zu gefangen in ihren brennenden Emotionen und finsteren Gedanken gewesen. Zweifellos hätte die Göttin keinen Zugang zu ihr finden können, selbst wenn sie es gewollt hätte. Zeldas irdische Beschränkungen hätten ihr den göttlichen Atem geraubt.

Wahrscheinlich waren Daruks Worte tröstend gemeint. Er musste zumindest eine Ahnung davon haben, was diese Zeremonie bedeutet hatte. Der Zeremonienmeister musste es ihm gegenüber erwähnt haben, sonst hätte er es bestimmt nicht vorgeschlagen.

 

 

Zelda warf einen kurzen Blick auf die Recken, sah aber gleich darauf wieder zur Stadt; runzelte die Stirn. Sie wünschte, sie hätte dieser Zeremonie nie zugestimmt.

Dann würde sie jetzt wenigstens nicht an diesem Platz stehen, der eigentlich für Ruhmesgesang gedacht war und von den größten Kriegern Hyrules bemitleidet werden.

 

Urbosas Hand an ihrem Ellenbogen durchbrach die aufgeladene Stimmung, in dem sie das Thema wechselte. Gesegnet sollte sie sein.

„Ich werde mich hier von dir verabschieden“, teilte sie Zelda mit. „Ekis wird bereits am Stall auf mich warten. Bis dahin ist es noch ein gutes Stück zu gehen.“ Sie lächtelte. „Wenn ich nicht möchte, dass die Jungspunde mich in den Schatten stellen, werde ich früh beginnen müssen, diesen Titanen zu steuern.“

Zelda nickte traurig. Aber das hatte sie erwartet. Es gab so viel für Urbosa zu tun. Sie hatte ein Volk zu führen. Eine Gruppe abtrünniger Verräter zu jagen. Einen Titanen zu bändigen.

„Du wirst mir fehlen“, sagte Zelda.

„Du mir auch, kleiner Vogel“, antwortete Urbosa und zog Zelda in eine Umarmung.

„Ich werde dir schreiben, wie ich mit Naboris vorankomme“, versprach sie und strich Zelda über die Wange. Nickte dann, als Zeldas Mundwinkel in einem kurzen Lächeln zuckten.

„Ja“, sagte Urbosa und seufzte. Mit einem letzten ernsten Blick auf Zelda verabschiedete sie sich in einer eleganten Verbeugung und mit einer Hand auf ihrer Brust – eine Geste des Respektes – von den anderen Recken.

„Bis auf bald. Versucht Hyrule nicht zu zerstören, wenn ihr die Titanen besteigt.“ Ein ironisches Lächeln, eine wegwerfende Geste.

„Und du …“ Mit einem scharfen Blick nahm sie Link ins Visier. „Du wirst gut auf sie aufpassen, hörst du!“ Sie stemmte eine Hand an ihre Hüfte und ihr blauer Reckenrock schwang ihrer Bewegung hinterher. Innerlich stöhnte Zelda. Warum musste sie das sagen?

„Sonst bekommst du es mit mir zu tun.“ Urbosa zog eine dramatische Augenbraue hoch, dann zog sie eine belustigte Miene. „Oder meiner gesamten Stadtwache.“

Dann lachte sie. Ein schräger Blick auf Link sagte Zelda, dass diese Drohung Urbosas ihren Leibwächter nicht ganz unbeeindruckt ließ. Er schien tief Luft zu holen, oder … zu seufzen? Dann schüttelte er leicht den Kopf. Und war das ein Lächeln? Zelda erinnerte sich, dass Urbosa bereits einmal erwähnt hatte, dass die Kriegerinnen von Gerudo Stadt nicht ganz unvertraut mit ihrem neuen Leibwächter waren. Was hatte es damit auf sich?

In ihrem Grübeln darüber verpasste sie beinahe Urbosas Winken. Und als sie schon einige hundert Meter weit gelaufen war, unterbrach Revalis Flügelschlag Zeldas Deutungsversuche.

„Ich bin schneller, wenn ich fliege“, unterrichtete Revali sie ein wenig herablassen.

 

So schnell zerbrach also die Gemeinschaft.

 

„Ich werde keine Probleme mit Medoh haben“, meinte er selbstsicher. „Deswegen werdet ihr kaum von mir hören, Prinzessin.“ Er nickte ihr zu und war mit einem letzten scharfen Blick auf Link auch schon in die Höhe geschossen. Urbosa sah auf, als der Wind sie streifte und nutzte die Gelegenheit, noch einmal über ihre Schulter hinweg zu winken.

„Wir sollten uns auch aufmachen“, meldete sich Mipha mit ihrer sanften Stimme zu Wort.

„Mein Vater wird sich sorgen, wenn ich nicht spätestens morgen im Dorf angekommen bin.“

Schweigend setzte Zelda sich in Bewegung. Hin und her gerissen zwischen dem Gedanken daran, wie seltsam diese väterliche Sorge für eine Prinzessin war, die fast jedes Monster mit ihrem Speer im Alleingang besiegen konnte. Die dafür ausgewählt war, einen unsterblichen Dämon mit einer

riesenhaften Maschine zu bekämpfen.

Und wie schön es sein mochte, Mittelpunkt dieser umsorgenden Liebe zu sein.

Hinter ihr begann Daruk ein einseitiges Gespräch mit Link, der entweder gar nicht antwortete, oder es auf eine Art tat, die Zeldas Sinne nicht wahrnehmen konnten.

 

Daruk und Mipha blieben den ganzen Weg bis zum Fuße von Zeldas Turm in ihrer Gesellschaft. Daruk verabschiedete sich zuerst. Mit einigen herzhaften Klopfern auf Links Schulter und einigen guten Wünschen an Zelda und Mipha gewandt. Er würde zuerst in die Quartiere gehen, in der er die letzten Nächte verbracht hatte. Dort hatte er seine enorme Waffe und seinen Goronenfreund zurückgelassen.

Auch er hatte es recht eilig, zurück zum Todesberg zu gelangen. Obwohl das wohl eher an der kulinarischen Versorgung im Schloss lag. Und an den zu kalten Betten.

 

Es war Mipha, die sich nicht loszueisen können schien. Zelda sah die scheuen Blicke, die sie Link zuwarf und fühlte sich seltsam fehl am Platz. Es war ein neues Gefühl das fünfte Rad am Wagen zu sein und Zelda war sich sicher, dass es ihr nicht gefiel.

Deswegen klangen ihre Worte schnippischer als beabsichtigt, als sie das Wort an Link richtete:

„Ich werde deine Dienste im Schloss nicht benötigen. Also steht es dir frei zu tun was du willst.“ Sie mied seinen Blick und sah stattdessen Mipha in die Augen. „Ich wünsche dir eine ereignislose Reise, Mipha. Ich danke dir, für alles.“

Miphas Abschiedsworte wehten Zelda hinterher, als sie die Treppe zu ihren Gemächern so schnell hinauflief wie es ihr möglich war, ohne dass es aussah als würde sie fliehen.

 

Als die Tür hinter ihr zu fiel, wurden Zeldas Knie weich. Sie war es so müde, zu versuchen dem Bild einer Prinzessin zu entsprechen, die sie einfach nicht zu sein schien. Und vielleicht musste sie noch härter daran arbeiten, sich noch mehr Mühe geben.

Doch für heute hatte es sie genug Kraft gekostet, die zeremoniellen Worte zu sprechen und ihre große Abwehr dabei nicht allzu deutlich zu zeigen.

 

Zelda seufzte und streckte eine Hand nach der Wand neben ihr aus. Der Stein fühlte sich kühl und unnachgiebig an. Vermittelte ihr eine Sicherheit, die sie in ihrem Inneren nicht fühlte.

Kurz überlegte sie, ob sie die Ereignisse und ihre Gefühle in ihrem Tagebuch niederschreiben sollte.

Doch sie verspürte wenig Lust, sich in die Untiefen ihrer Seele hineinzubegeben.

 

Mit den Fingerspitzen fuhr sie eine der Vertiefungen zwischen den Mauersteinen entlang. Sie fragte sich, was Mipha und Link zu bereden hatten. Welcher Art waren die Bande zwischen den Beiden?

Zeldas Finger krallten sich in die Mauerfuge.

Das konnte ihr egal sein, oder nicht? Je mehr er geheime Dinge mit einer anderen Prinzessin besprach, desto weniger würde Zelda mit ihm zu tun haben.

Sollte er doch Miphas Leibwächter werden. Dann wäre Zelda ihn los.

Nur dass Mipha keinen Leibwächter brauchte. Mipha hatte in frühen Jahren gelernt, absolut tödlich mit einem Speer zu werden. Während Zelda die meiste Zeit ihrer Vergangenheit auf den Knien verbracht hatte.

 

Und jetzt projizierte Zelda ihre Missgunst auch noch auf ein sanftmütiges Wesen wie die Zora Prinzessin. Sie konnte sich glücklich schätzen, wenn die Göttin sie nicht mit einem Blitz niederstreckte.

Obwohl das natürlich implizieren müsste, dass die Göttin sich überhaupt für Zelda interessierte.

 

Das ging zu weit. Diese Gedanken brachten sie nicht weiter. Diese Ernennung Links zu ihrem Leibwächter, diese alte Zeremonie, das alles hatte Zelda schwer auf das Gemüt geschlagen. Morgen würde die Welt anders aussehen. Heute Abend, während ihrer Gebete, würde die Welt anders aussehen.

Sie durfte die Hoffnung nicht verlieren. Worum sollte sie denn dann noch kämpfen.

 

Zelda warf einen Blick auf ihr Tagebuch, überdachte kurz ihre Entscheidung, konnte sich aber erneut nicht dazu durchringen, etwas zum heutigen Tag niederzuschreiben.

Stattdessen machte sie auf dem Absatz kehrt und erklomm die Treppe zur Wehrmauer mit raschen Schritten. Sie hielt inne, bevor sie aus dem Schatten heraus trat. Unten, am Fuß des Turms würden immer noch Link und Mipha stehen. Doch dann machte sie einen Schritt nach vorn. Hoch aufgerichtet und zielorientiert, ohne einen Blick nach unten zu werfen.

 

In der Abgeschiedenheit ihres Labors atmete Zelda tief durch. Genoss die Ruhe und den Geruch von altem Pergament. Rundherum auf mehreren Regalböden stapelten sich alte Bücher, Schriftsammlungen und einzelne Pergamentrollen. Neben einem Mikroskop lagen einige Pflanzenexemplare und Zeldas Notizen dazu. Es war ihr ein Trost, die belebte Umwelt zu erforschen, etwas, das so unberührt von der Verheerung zu sein schien. Und Zelda verbrachte gern ihre Zeit damit, wenn sie in den alten Schriften nicht weiter kam, oder die verstrickten Hinweise auf verschwundene Relikte keinen Sinn mehr ergaben. Es füllten ihre erzwungenen Pausen mit etwas Sinnvollem, etwas, das ihr Ruhe verschaffte und das nichts mit der Göttin und ihren eigenen Verfehlungen zu tun hatte.

Doch als Zelda sich an den hölzernen Tisch setzte, schob sie die langsam trocknenden Blätter und die vergilbten Blüten beiseite und zog eine besonders empfindsame Schriftrolle hervor. In dieser hatte Zelda zum ersten Mal einen Hinweis auf die Kontrolle des Leitsteins gefunden, der Hinweis der sie zu dem Shiekah Stein geführt hatte.

Vielleicht waren hier noch weitere Lösungen versteckt, die sie nur entdecken musste.

 

Sie erhob sich beinahe zu spät von ihren Studien. Um in das weiße Kleid zu schlüpfen, würde ihr nicht mehr viel Zeit bleiben. Der Himmel hatte sich längst verdunkelt und anhand der Sternenposition erkannte Zelda, dass der Mond bald aufsteigen würde.

 

Schnell überquerte sie den gemauerten Weg zu ihrem Turmgemach. Es erschien ihr wie ein Wunder, dass sie die Zeit so hatte vergessen können. Vielleicht hatte sie es ein klein wenig darauf angelegt. Hatte die Zeit, der Tag vergessen wollen. Bei diesem Gedanken fiel ihr Blick unwillkürlich auf den Boden unterhalb ihres Turms.

Niemand war zu sehen.

Da sie ihn so gut hatte vergessen können, würde sie es jetzt nicht darauf anlegen wieder an ihn zu denken.

Ihre Füße fanden die glatten Stufen der Treppe und kurze Zeit später eilte sie sie bereits wieder hinauf. Nun im weißen Kleid und offenem Haar. Rein und bloß und unverhüllt, für die Göttin.

 

Als sie niederkniete, war der Mond bereits ein paar Fingerbreit über der Ebene aufgestiegen. Ihre Finger falteten sich zu der erprobten Haltung und Zelda wandte ihr Gesicht der Sichel zu, die Hyrule in fahles Licht tauchte.

 

Verzeih mir, Hylia. Ich habe dir heute keine guten Dienste erwiesen. Es scheint mir manchmal kein Wunder, dass ich dich nicht hören kann.

Ich weiß, dass ich es falsch anstelle. Aber ich weiß nicht, was ich anders machen kann.

Bitte hilf mir. Bitte.

Ich würde alles tun.

Nur musst du es mir sagen. Ich komme alleine einfach nicht weiter.

 

Wolken waren aufgezogen und verschluckten jedes Licht, als Zelda sich aus der Zwiesprache löste. Die Zeit musste schneller vergangen sein, als es sich für sie angefühlt hatte, denn die vertrauten Geräusche der Wachablösung drangen vom ersten Torhaus zu ihrer erhöhten Position herauf. Für gewöhnlich hatte Zelda ihre Andacht bis dahin lange beendet.

Es war mitten in der Nacht.

Ein wenig desorientiert blinzelte Zelda in die Dunkelheit hinaus. Versuchte in dem Flackern der aufgestellten Feuerschalen und der Fackeln in den Wandhalterungen, etwas von dem Geschehen auf und vor den Mauern zu erkennen. Mehr als Schatten die sich bewegten, waren für sie jedoch nicht auszumachen.

Sie wandte ihre Augen ab und erhob sich.

 

Es war mehr ein Gefühl als eine Sinneswahrnehmung, das sie einen Blick zu ihrem Labor hin werfen ließ. Und es war einem Loch in der Wolkendecke zuschulden, dass sie dort oben, an der Stelle an der sich das spitze Dach zum Ablauf für den Regen formte, überhaupt etwas erkennen konnte. Eine Gestalt, hockend, den Kopf ihrem Turm zugewandt. Ihr zugewandt.

Ein kalter Schauer plötzlicher, purer Panik durchfuhr Zelda.

Ein Eindringling!

Dann holte ihr langsam aus der Trance erwachendes Gehirn ihre Schreckreflexe ein und Zelda verstand.

Link!

Auf dem Dach ihres Labors.

Ihre Hand ballte sich zur Faust.

Hatte er sie beobachtet? Hatte er schon vor Stunden dort gehockt, als sie zu ihrem Gebet geeilt war?

Hatte er während ihrer Studien über ihrem Kopf gesessen, die Beine baumeln lassen?

Oder war er erst während ihres Gebetes dort hinauf … ja, was? Wie bei den Göttinnen war er dort hinauf gekommen? Hatte er sich an ihr vorbei geschlichen? Eine neue Welle der Panik durchrollte sie. Konnte er sich so lautlos bewegen? Oder war sie heute Abend nur besonders versunken gewesen?

 

Die Antwort auf diese verstörende Frage erhielt Zelda einige Tage später, als sie von ihrem normalen Tagesablauf abwich, da ihr penetrant knurrender Magen ihre Studien störte.

Bis dahin hatte sie in permanentem Unbehagen gelebt. Ständig in der Erwartung Link irgendwo auftauchen, in irgendwelchen Ecken lauernd zu sehen.

Es waren keine besonders geruhsamen Tage gewesen.

 

Dabei war die Wahrheit auf eine ganz andere Art verstörend.

 

Er kletterte!

 

Wie eine Bergziege, nur schwerer beladen. Und wesentlich agiler.

Mit Schwert und Schild und Bogen. An ihrem Turm hinauf. Fand Halt an den unmöglichsten Stellen, im glatten, beinahe fugenlosen Stein.

Dabei musste seine Ausrüstung beinahe so viel wiegen, wie er selbst.

Bei seinem Anblick blieb Zelda die Luft weg. Sofort sah sie ihn vor sich. In den Abgrund stürzend. Und wenn Link ihr auch viel emotionale Scherereien bereitete, so wünschte sie ihm nichts Schlechtes.

Zelda musste an sich halten, um den Schrei zurückzuhalten, der in ihr aufstieg. Bei allen törichten, waghalsigen Draufgängern. Er würde sich den Hals brechen.

Doch das tat er nicht. In ungeheuerlicher Geschwindigkeit hatte er die Höhe ihres Balkons erreicht und war daran vorbei geklettert. Zog sich dann schwungvoll nach oben auf das Dach.

So bewegte er sich also fort. Ungesehen und unbemerkt.

Er kletterte.

 

Der Wind verwehte sein Haar und zerrte an seiner Tunika. Er trug das Reckengewand, als hätte es für ihn nie etwas anderes gegeben.

Zelda setzte sich wieder in Bewegung. Versuchte sich weder ihren Schreck, noch den angestauten Verfolgungswahn der letzten Tage anmerken zu lassen. Versuchte unbeeindruckt zu wirken.

Und nicht irritiert und wütend und … beeindruckt. Obwohl sie es war. Gegen ihren entschiedenen Willen.

„Du solltest dir eine Leibgardistenuniform geben lassen“, rief sie ihm im Vorbeigehen zu. Nicht ohne Schadenfreude. Auch wenn es wohl das Reckengewand und sein Auftritt als Held Hyrules bleiben würde, hätte sie ihn doch zu gern in diesem dämlichen Hut gesehen.

Der Anflug eines Lächelns glättete ihr die Fältchen auf der Stirn und Zelda spürte, wie sich der graue Schleier ein wenig lichtete, der über ihrem Herzen lag.

Es war das erste Mal dass sie das Gefühl hatte, in einem ihrer Zusammentreffen die Oberhand behalten zu haben.

 

*

 

Link schien ihren Tagesablauf verinnerlicht zu haben, ohne dass Zelda ihm in irgendeiner Weise darüber Auskunft geben musste.

Sie sah ihn kaum. Er schien sich so unsichtbar wie möglich zu machen, wann immer sie auf den Übergang von ihrem Turmgemach zu ihrem Labor trat. Und er zeigte sich auch sonst nirgendwo.

Doch Zelda spürte, dass er da war. Irgendwo wo er sie sehen konnte und sie ihn nicht.

Reichlich unausgewogen. Aber es hatte keinen Zweck sich darüber zu beschweren. Zelda hatte es versucht.

Der König hatte sie kaum zu Wort kommen lassen.

Aller Logik zum Trotz. Und sei es, dass ihr im Schloss, bewacht von einem ganzen Heer von Rittern, kaum etwas geschehen konnte. Mal ganz davon abgesehen, dass ihr Leibwächter Schlaf und Nahrung brauchen musste.

Zeldas Phantasie reicht nicht aus, um sich zu erklären, wie Link das regelte.

Und sie versuchte sich davon zu überzeugen, dass es sich auch nicht interessierte.

 

Sie sollte froh sein, dass er ihr nicht ständig auf den Leib rückte. Die Räume erkundete bevor sie eintrat, nicht in ihre Privatsphäre eindrang. Dass er nichts von den Dingen tat, die Zelda sich vorher ausgemalt hatte. Aber das Wissen darum, dass er dennoch da war, irgendwo im Verborgenen, war kaum weniger irritierend.

Sie versuchte keinen Gedanken daran zu verschwenden, doch das war ihm kaum möglich. Wie denn, wenn sie sich immer dann, wenn sie den Nachttopf benutzen musste – was sie nur noch hinter ihrem Paravent tat –, fragte, ob er sie auch dabei beobachten konnte.

 

 

Zelda bekam ihn meist nur dann zu Gesicht, wenn sie von ihrer Routine abwich. Und sie begann innere Streitgespräche mit sich darüber auszufechten, wann immer sie vor der Entscheidung stand genau dies zu tun. Sie wollte sich nicht in ihrem Leben einschränken lassen, nur aus der Abneigung ihn sehen zu müssen. Sie wollte überhaupt nicht darüber nachdenken müssen. Es sollte ihr vollkommen egal sein. Er sollte überhaupt nicht da sein.

Gleichzeitig, wollte sie ihn nicht sehen. Wollte nicht mit den Gefühlen konfrontiert werden, die sein Anblick in ihr auslöste.

Doch war diese Mühe nicht vollkommen umsonst, wenn alleine das Nachdenken darüber, diese Gefühle bereits zu Tage beförderte?

Sie verbrachte viel mehr Zeit damit über ihn nachzudenken als ihr lieb war. Viel viel mehr.

 

Doch es half alles nichts. Sie hatte kein Briefpapier mehr. Also würde sie welches besorgen müssen.

Gegen Mittag war ein Brief von Impah eingetroffen, in dem sie Zelda auf die Frage bezüglich der Anfrage des Dorfältesten der Orni antwortete. Dort hatte man um den Segen gebeten, Vah Medoh zu dem Schutzheiligen des Dorfes ernennen zu dürfen, in Erinnerung an eine alte Legende.

Zelda hatte nichts daran auszusetzen, jedoch Impahs Antwort dazu abwarten wollen, da die Relikte und damit auch die Titanen im Grunde genommen den Shiekah gehörten.

Und nun wollte Zelda den Orni ihre Antwort zukommen lassen.

Sie hatten um einen offiziellen Besuch gebeten, egal ob die Antwort auf ihr Anliegen positiv ausfallen sollte, oder nicht.

Und Zelda würde kommen. Und genau das wollte sie dem Dorfältesten der Orni mitteilen.

In einem Brief.

Für den sie Papier benötigte.

Seufzend trat Zelda hinaus ins Freie, ihren Blick starr gerade aus gerichtet.

Doch die ungewohnten Bewegungen, die sie in ihrem Augenwinkel wahrnahm, brachten sie dazu, inne zu halten.

 

Er war dort unten.

Und er schwang sein Schwert.

Das sie so häufig verhöhnend stille Bannschwert, das im Schein der Nachmittagssonne immer wieder gefährlich aufblitzte.

 

Zelda blieb stehen. Unfähig weiter zu gehen.

Ihre Lippen öffneten sich, als ihr staunend ein Atemhauch entwich.

 

Sie verstand es nun.

 

Er bewegte sich mit unübersehbarer Anmut. Einer faszinierenden Eigenart, von der sie sich nicht losreißen konnte.

Zelda erkannte Kampftechniken der Shiekah in seinen beinahe lautlosen Bewegungen. Sah den Einfluss der Zora in deren Fluidität. Einen Tanz mit der Luft.

Und als er aus dem Sprung das Schwert über den Kopf schwang und beidhändig auf den Boden katapultierte, seine enorme Stärke.

 

Er war ebenso elegant wie tödlich. Und seine Fähigkeiten hier, hinter den hohen Mauern absolut vergeudet.

Wie bitter musste es sein, Tag für Tag im Schloss auszuharren. Zu wissen, wie viel besser man an anderer Stelle dienen konnte.

 

Nur dass Zelda genau wusste wie bitter es war. Auch sie saß hier fest. Gezwungen den Tagesablauf ihrer Mutter zu imitieren, weil das der einzige Anhaltspunkt war der ihr blieb. Ihre Mutter hatte Tag für Tag gebetet, also musste Zelda beten. Ihr Mutter hatte regelmäßig die Quellen der Kraft, des Mutes und der Weisheit besucht, sich dort gereinigt und gebetet. Also musste Zelda das auch tun.

Und sie würde es mit Freude tun, wenn sie nur wüsste, ob es wirklich der richtige Weg war.

Ob es überhaupt einen Sinn hatte.

Denn, hatte es den nicht, gab es so viel anderes zu tun.

 

Zum Beispiel in Dorf der Orni zu reisen. Auf diese Weise könnte sie sich außerdem nach Revalis Vorankommen mit Vah Medoh erkundigen.

Einen Brief von Mipha hatte Zelda bereits erhalten. Er berichtete von großer Leichtigkeit mit dem Titanen zu verschmelzen, einer beinahe mystischen Verbindung.

An Daruk und Urbosa hatte Zelda Nachfragen ausgesandt, deren Antworten hoffentlich bald eintreffen würden.

 

Sie beobachtete, wie Link aus dem Schwung eines Vorwärtssprungs einen schwindelerregenden Rückwärtsüberschlag vollführte. Zelda verzog den Mund. Sie würde ihn mitnehmen müssen, wenn sie sich eine Erlaubnis für diese Reise erhoffte.

Mehrere Tage allein mit ihm. Auf engstem Raum. Was für ein Spaß.

Bei dieser Vorstellung fiel Zelda auf, dass sie absolut keine Ahnung hatte, wie Link seine Nächte verbrachte. Manchmal auf ihrem Dach, so schien es. Aber wo schlief er? Bei den anderen Rittern? Zelda hatte ihn nie mit einem Mitglied der Garde agieren sehen. Zugegeben, sie versuchte ihn so gut sie konnte zu ignorieren.

Link war mit den Rittern ausgebildet worden. Er musste sie kennen, die anderen Krieger Hyrules. Sein Vater war Ritter im Schloss.

Und er musste schlafen. Wo also? Und wann? Wo verbrachte er die Nächte?

 

Wohl nicht in der Kaserne.

Denn als Zelda einige Tage später, kurz vor dem Einschlafen eine Idee kam, die sie unbedingt überprüfen musste, stand er dort. Auf ihrer Mauer. Im Eingang zu dem rondellartigen Raum, in den die Treppe mündete, die Zelda auf nackten, schnelle Füßen empor geeilt war.

Wie angewurzelt blieb sie stehen.

Anscheinend war ein Angriff aus der Luft wesentlich wahrscheinlicher, als dass ihr Gefahr vom Boden drohte. Würde er sonst nicht vor ihrer Tür Wache halten?

Ein schockierender Gedanke ließ Zelda leise nach Luft schnappen. Hatte er etwa immer hier oben gestanden? Nur eine Treppe von dem Ort entfernt, an dem sie schlief, beinahe über ihrem Kopf?

Seit er den Dienst als ihr Leibwächter angetreten hatte?

Ein seltsames Gefühl von verspätetem Grauen überkam sie. Für all die Tage, in denen sie nicht gewusst hatte, wie nah er ihr war, wenn er über ihren Schlaf wachte.

Selbst wenn er es nicht jede Nacht tat – denn war das denn überhaupt möglich? – so wäre es zumindest diese Nacht so gewesen.

 

Eine Drehung des Kopfes und der seitliche Blick den er ihr zuwarf, zeigten Zelda, dass er wusste dass sie da war.

Was sollte sie nun tun?

Seit der Zeremonie hatte sie keine zehn Worte mit ihm gesprochen.

Ihm einen guten Abend wünschen und im Nachthemd an ihm vorbeispazieren?

Gute Göttin. Ihr Nachthemd!

Zelda verfluchte sich und ihre kopfüberstürzte Eile. Sie hatte sich keine Schuhe angezogen, geschweige denn daran gedacht, einen Mantel, oder eine Decke überzuwerfen.

Dabei hätte jeder im Burghof sie über die Brücke huschen sehen können.

Und nun stand sie hier. In ihrem Nachthemd. Vor Link.

 

Sollte sie einfach umdrehen und ihm zeigen, dass er sie eingesperrt halten konnte. Und das nur mit seinem Rücken?

Wohl kaum.

 

Er nahm ihr die Entscheidung ab. Indem er sich zu ihr umdrehte und mit einem kurzen Griff eine Decke aus der kleinen Tasche auf seiner Schulter zog.

Zelda starrte die Decke an. Sie war aus Wolle. Schmucklos. Heimelig. Wie es eine Mutter für ihr Kind weben mochte.

Aber deswegen starrte sie nicht.

Er hatte die Decke aus einer Tasche gezogen, die gerade groß genug schien, um einen Apfel zu transportieren. Wie, bei Hylia, war das möglich?

Bevor Zelda weiter darüber nachdenken konnte, hatte Link die Decke auseinander gefaltet und war einen Schritt näher getreten. Als Zelda zurückwich, hielt er inne, die Decke mit beiden Händen ausgestreckt.

Sein Blick flackerte an ihrer Gestalt herab. Sehr kurz nur. Aber es reichte.

Sofort riss Zelda ihm die Decke aus den Händen. Hielt sie sich vor die Brust.

 

Sie sahen sich in die Augen. Ihr Blick skeptisch, peinlich berührt, fragend.

Seiner … nun, sie wusste es nicht.

Belustigt? Genervt? Hungrig? Gelangweilt?

Es konnte all das oder gar nichts davon sein.

 

Zelda schlang die Decke um ihre Schultern. Dann drehte sie sich um und verschwand wortlos in Richtung ihres Labors.

 

Sie arbeitete die gesamte Nacht. Und am nächsten Morgen hatte sie zumindest einen neuen Ansatz.

Sie mussten nach der Quelle suchen, die den Funken setzen würde, in der Aktivierung der brach liegenden antiken Gebäude. So wie der Shiekah Stein den Leitstein kontrollierte, musste etwas anderes die alten Heiligtümer kontrollieren. Deren Erwachen triggern, wenn der Shiekah Stein alleine es nicht tat.

Es war nicht viel, aber ein völlig neuer Ansatz. Und er würde ihre Forschungen in eine ganz andere Richtung lenken als bisher. Sie würde diesen Trigger nur finden müssen.

 

Zuversichtlicher als seit Tagen erhob Zelda sich.

Zwar hatte sie kein Bisschen geschlafen, aber das war ihr egal.

Mit einem herzhaften Gähnen streckte sie sich. Dabei fuhr ihr ein kalter Luftzug unter den wadenlangen Rock ihres Nachthemdes. Vertieft in ihre Übersetzungen hatte Zelda die Kälte nicht bemerkt, aber nun, in der letzten Stunde vor dem Morgengrauen, war sie spürbarer als zuvor.

Während sie gearbeitet hatte, war die Decke von ihren Schultern gerutscht. Zelda hatte sie vollkommen vergessen.

Sie bückte sich danach.

Das Material war weich. Zeigte aber deutliche Spuren von Benutzung.

Wie eine Mutter es für ihr Kind weben mochte – hatte sie intuitiv gedacht.

Vielleicht war genau das der Fall?

Ein Ritter würde so ein Stück kaum mit sich tragen – nicht groß genug um sich wirklich darin einzuwickeln, nicht warm genug um tödliche Kälte wirklich abhalten zu können – wenn sich keine Geschichte dahinter verbarg.

Zelda seufzte. Und sie hatte die Decke einfach auf den Boden fallen lassen.

Ein Strich mehr auf der Liste ihrer Gemeinheiten.

Die Geste war freundlich gewesen. Wenn auch aus Links Pflichten heraus geboren.

Er hätte sie auch einfach zurück in ihr Zimmer scheuchen können. Auch wenn Zelda Schwierigkeiten hatte, sich das vorzustellen. Er war ihr gegenüber nie etwas anderes als respektvoll gewesen. Auch wenn sie andere Gedanken hinter seiner Stirn vermutete, hatte er sie nie offen gezeigt.

Weswegen sie sich doppelt und dreifach wie ein Biest vorkam.

Aber sie konnte nicht anders. Selbst wenn sie es sich vornehmen würde: ein Blick auf das Schwert genügte und ihre Laune stürzte in die Tiefe, wie ein losgelassener Brunneneimer.

 

Zelda fuhr sich mit der freien Hand in den Nacken, um dort über eine verhärtete Stelle zu reiben. Wie gewöhnlich hatte sie während des Lesens eine Haltung eingenommen, die ihr nun weh tat. Das lange Knien auf dem Steinboden, das ihr bevorstand, würde das nicht unbedingt heilen.

Kurz überlegte sie, ob sie das Morgengebet auslassen sollte. Doch sie wusste nich,t zu wie viel Berichterstattung Link beordert worden war. Sollte ihr Vater erfahren, dass Zelda die Forschung über ihre spirituellen Übungen stellte, würde sie die Titanen nicht mal mehr von außen sehen dürfen.

 

Ihr Leibwächter war nirgendwo zu sehen, als sie aus dem Labor hinaus, in das dämmrige Licht des baldigen Morgens trat. Im Gehen faltete Zelda die Decke zu einem ordentlichen Rechteck und legte sie dann im Schutz der Turmmauer auf die Balustrade.

Angestrengt lauschte sie, während sie die Treppe hinunter in ihre Gemächer nahm und sich in das weiße Gewand der Priesterin kleidete. Die Welt um sie herum blieb still. Und doch war die Decke verschwunden, als Zelda wenige Zeit später wieder heraufkam.

Verdrossen starrte sie an die leere Stelle.

 

Gruslig war das.

 

*

 

Am nächsten Tag brachte ein Ornibote einen Brief von Daruk. Er musste ihn in einer Herberge am Fuße des Berges aufgegeben haben, denn er war auf Papier geschrieben, nicht dem schweren, feuerfesten Material, das die Goronen in ihrer Stadt verwendeten. Wahrscheinlich weil die Boten sich weigerten, solche Briefe transportieren.

Der Inhalt zeugte von einigen Schwierigkeiten mit den Kontrollübungen, die den Recken gegeben worden warn. Die Kalibrierung von Rudania war ihm scheinbar gelungen, der Titan ließ sich nur teilweise nicht steuern.

Aus der Ferne konnte Zelda nicht beurteilen, ob das es an Daruk lag, oder an den Eigenheiten Rudanias.

Doch vielleicht konnte sie ihm helfen …

 

Nun, damit gab es schon zwei dringende Angelegenheiten, die ihrer Aufmerksamkeit bedurften. Doch eine Reise ins Dorf der Orni und dann quer durch Hyrule zum Todesberg, würde ihr Vater kaum gutheißen.

Es sei denn, Zelda senkte den Brief und starrte auf die überfüllten Regale über ihrem Schreibtisch, wo sie sich bei Empfang der Nachricht niedergelassen hatte, es sei denn, sie verband es mit einem Reiseziel, dem ihr Vater aufgeschlossen gegenüber sein würde.

Und was das war, wusste sie bereits.

 

„Das erscheint mit ein unnötig langer Umweg, Zelda.“ Ihr Vater betrachtete sie skeptisch. „Warum reist du nicht auf geradem Wege zum Tempel der Zeit?“

 

Der Tempel der Zeit – ihr letzter Besuch lag eine Weile zurück und Zelda wollte dorthin um zu beten.

Und um an diesen historisch bedeutsamen Plateau Anhaltspunkte für ihre neue Theorie zu sammeln, dass es irgendwo einen Ausgangspunkt für die Aktivierung der antiken Bauten geben musste.

Davon wusste ihr Vater natürlich nichts.

Zelda legte eine Hand auf die Lehne des Throns und lehnte sich leicht nach vorne.

 

„Weil in dieser Angelegenheit jemand offiziell sprechen muss“, antwortete sie geduldig. „Und ich bei dieser Gelegenheit sehen kann, wie Revali mit dem Titanen zurechtkommt.“

Erwähnte sie die Titanen nicht, würde ihr Vater misstrauisch werden – schließlich kannte er sie gut genug. Sprach sie zu interessiert davon, würde er sich ebenfalls sträuben sie gehen zu lassen.

Zelda befand, dass eine kleine Dehnung der Wahrheit ihr in diesem Fall gute Dienste leisten würde.

„Es scheint mit der Steuerung nicht ganz reibungslos zu verlaufen. Und ich brauche mehr Informationen, um mich mit Purah und Robelo beraten zu können. Um den anderen Recken zu helfen.“

Ihr Vater zog die Brauen zusammen.

„Es gibt Schwierigkeiten mit den Titanen?“ Sein Tonfall klang aufgebracht. Besorgt. Ein wenig schockiert. Auf eine brummige, sonore Art.

Zelda lächelte, um ihn zu beruhigen.

„Nicht direkt. Nur mit der Feinjustierung.“

Und auch nicht bei allen.

„Aber das werde ich beheben können.“ Sie war sich nicht einmal halb so sicher wie sie tat, aber ihre Worte schienen ihren Vater dennoch zu überzeugen.

Er brummte, war nicht begeistert, zeigte aber auch keine Anstalten sie von ihrem Plan abzubringen.

Innerlich begann sie zu jubilieren. Es kaum selten vor, dass sie ihren Willen durchsetzen konnte.

„Link wird dich begleiten“, legte der König fest. Er warf ihr einen scharfen Blick zu. Wahrscheinlich rechnete er mit ihrem Widerstand.

Doch Zelda hatte damit gerechnet. Dennoch entwich der Blase ihres Triumphs ein wenig Luft.

„Natürlich“, antwortete sie, als wäre es das tatsächlich, doch ihr Lächeln fühlte sich mit einem Mal gezwungen an.

 

Ein kurzes Kopfzucken war alles was Zelda von ihm bekam, als sie Link nach ihrer Audienz beim König mitteilte, dass sie am nächsten Morgen nach Hebra aufbrechen würden.

 


Nachwort zu diesem Kapitel:
Für mich war schwer zu erklären, wieso Zelda vom Dorf der Orni zum Todesberg (und die Erinnerungen scheinen tatsächlich chronologisch zu verlaufen, das zeigen die neuen Tagebucheinträge der Recken im DLC) über den Komolo See reist. Mein erster Gedanke war 'Research', aber mir fiel nicht ein, was sie suchen könnte. Aber es scheint mir logisch, dass sie, um eine so lange Reise vor ihrem Vater zu rechtfertigen (schließlich kann sie sich in dieser Zeit nicht mit ihrer spirituellen Arbeit beschäftigen), einen Ausgleich schaffen muss.
Und Rhoam erwähnt ganz am Anfang des Spiels, dass der Tempel ein wichtiger Ort war, vor der Verheerung. Also, da habt ihrs :) Das ist meine Erklärung. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  FairyZelda
2018-02-23T19:16:03+00:00 23.02.2018 20:16
Dein Schreibstil gefält mir sehr. Du bringst Zelda's Gefüle / Verzweiflung und Gedanken richtig gut rüber. Aber auch Link's Art zu "sprechen" (kommunizieren) beschreibst du in den jeweiligen Situationen realistisch. Trotz der wenigen (keinen) Worte seinerseits.
Jedes mal wen du eine Erinnerung mit einbaust sehe ich sie vor mir als wenn ich sie mir gerade anschauen würde. : )

Ich freue mich schon auf das nächste Kapitel!!!
Antwort von:  scippu
24.02.2018 10:03
Liebe FairyZelda,
oh ihr seid meine Helden. Danke. Ich freue mich unheimlich dass ein paar Kommentare einflattern.
Dass die Geschichte dir bisher gefällt ist noch viel schöner. Link ist eien harte Nuss, deswegen ist das schön zu lesen.
Vielleicht ändert sich das ein bisschen, wenn es im Laufe der Geschichte mehr wird, aber ich hoffe es leibt weiterhin realistisch.

Noch einmal, danke! :)
Liebe Grüße
Von:  Feuermalerin
2018-02-17T13:40:41+00:00 17.02.2018 14:40
Ein wunderbares Kapitel. Ein wenig Action zwischen den Beiden. Bei so wenig klammert man sich an alles. Ich finde die kleinen Blicke und wenigen Worte einfach fantastisch. :) Ich grinse wie ein Honigkuchenpferd.

Und ich finds furchtbar das die Geschichte nicht kommentiert wird!!!


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