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Nicht Zu Spät

von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Umfasst Inhalte von Erinnerung Nr. 2 (Daruks Ballade) und Nr. 4 (Die Ballade der Recken). Noch dieses und das nächste Kapitel und dann wäre das zweite DLC abgehakt :) Komplett anzeigen

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Kapitel 2

„Sie sind wirklich wunderbar geworden.“

Etwas verträumt fuhr Zelda über den blauen Stoff. Sie hatte ihn selbst ausgesucht und in genau dem selben Blau färben lassen, das ihre eigene Robe zierte.

Er war fein gewebt und leicht, aber dennoch widerstandsfähig und besaß kühlende und zugleich wärmende Eigenschaften – bis zu einer gewissen Temperatur natürlich. Gegen die eisige Kälte Hebras oder das extremen Schwankungen unterworfene Wüstenklima wären nur eigens für diese Orte entworfene Kleidung gefeit.

 

„Es freut uns, dass sie Euren Vorstellungen entsprechen“, sagte die Schneiderin hinter Zelda. „Meine Damen haben fast ununterbrochen daran gearbeitet, seit Ihr den Auftrag erteilt habt. Ich selbst habe die Stickereien gefertigt, wie Ihr es gewünscht habt.“

Zelda erlaubte sich ein Lächeln, das sie über ihre Schulter an die Näherinnen richtete. Dann betrachtete sie die stilisierte Abbildung von Vah Naboris, die in dunklem Garn auf eine große rechteckige Stoffbahn gestickt worden war.

Sie hatte einen Maler in Hyrule Stadt aufsuchen müssen, der ihr dabei half ihre Ideen zu den Entwürfen auf Papier zu bringen, als Vorlage für die Schneiderin.

Und nach langer Beratung mit dieser, hatte Zelda sich dazu entschieden keine Gewänder für die Recken der vier anderen Völker Hyrules anfertigen zu lassen. Stattdessen sollten vier verschieden große Stoffbahnen Daruk, Revali, Mipha und Urbosa die Freiheit geben sie auf eigene Weise in die traditionelle Kleidungsart ihres Volkes zu integrieren. Es sollte eine Geste des Respektes sein. Der Anerkennung und der Gleichberechtigung.

Es bedeutete, dass man, auch wenn die Herrscherfamilie Hyrules hylianischer Abstammung war, den anderen Völkern nicht die hylianische Lebensart und schon gar nicht deren Kleidung aufdrängen wollte.

Zumal es sehr schwer gewesen wäre für die jeweiligen, teilweise sehr unterschiedlichen Anatomien eine passende Schnittform zu entwerfen – das waren die Worte der Schneiderin. Doch es ergab Sinn.

 

„Sie sind wunderbar“, wiederholte Zelda leise und ließ das Reckenstück das für Urboas bestimmt war, zurück in das eigens dafür angefertigte zeremonielle Holzkästchen sinken.

Die Ernennungszeremonie ließ die lokale Ökonomie florieren – die fünf Schachteln hatte Zelda bei einem Schreinermeister fertigen lassen. Hübsche kleine Boxen aus fünf unterschiedlichen Hölzern, aus fünf verschiedenen Ecken Hyrules, jeweils der Heimat eines der Recken.

 

„Wir sind wirklich überglücklich dass Ihr zufrieden seid, Euer Hoheit.“

Wenn die Hofschneiderin es seltsam fand, dass die Prinzessin so viel Aufhebens um die Einkleidung der Recken machte, so ließ sie es sich nicht anmerken. Sie stand einige Schritte entfernt und hielt den Blick gesenkt, ebenso wie die zwei Näherinnen die sie flankierten.

Und beharrlich schwiegen.

 

 Zelda mochte diese steife Förmlichkeit nicht besonders. In ihrem Leben gab es bereits genug Leere und Kälte und sie wünschte, man würde ihr mit ein wenig mehr Wärme und Herzlichkeit begegnen.

Sie nahm einen tiefen Atemzug und versuchte die negativen Gefühle mit der Ausatmung loszulassen. Doch außer einem stechenden Schmerz in der linken Schläfe hatte es keinen Effekt. Sie unterdrückte den Impuls sich an die Stirn zu fassen.

„Ja, nun“, begann sie um die ihr unangenehme Stille zu füllen und drehte sich um. „Ich danke dir. Die Recken, Hyrule, dankt dir.“ Sie ließ ihren Blick über die Näher schweifen. „Dankt euch“, schloss sie mit einem Halbkreis ihrer rechten Hand, der die ganze Bande einschloss und kam sich dabei unerträglich pompös vor.

Wie erfrischend anders doch der Umgang mit Urbosa war. Selbst mit Daruk und Revali, die sie nicht vor allzu langer Zeit wegen der Bitte die Titanensteuerung zu übernehmen aufgesucht hatte, waren ihr gegenüber nichts als sie selbst gewesen.

Sogar in Miphas Beisein, die in ihrem Wesen eher zurückhaltend war, hatte Zelda sich wohler und freier gefühlt.

Sie fühlte wie ein Seufzen in ihrer Brust aufstieg.

Oh wie sehr sich Zelda auf ein Wiedersehen mit ihnen allen freute. Selbst wenn das hieß dass ER auch dabei sein würde.

Ohne dass sie sich dagegen wehren konnte, beschwor der Gedanke die Erinnerung an den gestrigen Morgen herauf.

 

Zelda war für ein Experiment, das Robelo an einem Wächter plante, den Abgesandte der Shiekah zu Forschungszwecken zum Schloss gebracht hatten, die Treppe von ihrem Gemach hinunter gestiegen. Der Anblick der starren, leblosen antiken Beweise für die unglaubliche Fortschrittlichkeit dieser Technologie, hatte ihr wie immer eine Gänsehaut beschert. Voller Bewunderung hatte sie Robelo dabei beobachtet, wie er mit seinen selbst entworfenen Werkzeugen an der Maschine herumschraubte. Es war nicht das erste Mal, dass er versuchte einen Wächter wieder funktionstüchtig zu machen.

Womit keiner rechnete, war, dass es ihm dieses Mal gelang.

Und so hatten allen Anwesenden ein wenig die Worte gefehlt, als der Wächter mit einer Abfolge metallisch klingender Piptöne zum Leben erwachte.

 

Zelda mochte ein kleines Kreischen entflohen sein.

 

So ganz konnte sie das nicht mehr rekapitulieren, da der Wächter begonnen hatte, Salven von explodierendem Licht abzufeuern.

Das letzte woran sie sich wirklich erinnerte, war der helle Strahl aus dem bisher kalten Auge des Wächters, der sie blendete.

Dann ein Rücken der sich vor sie schob. Die Umrisse eines Schwertes. Ein furchtbar lautes Geräusch.

Dann war die Welt in Flammen aufgegangen.

 

Erst als man Zelda von dem Geschehen fortgebracht und ein Heiler sie für unverletzt, aber etwas verwirrt erklärt hatte, fingen die Worte der anderen an Sinn zu ergeben.

Der Wächter hatte nach seinem Erwachen erst ziellos in die Luft geschossen und dann Zelda ins Visier genommen. In der allgemeinen Aufregung war alles zu schnell gegangen, um die Gefahr als solche einzuschätzen. Niemand hatte so wirklich begriffen was der Wächter tat oder Zeit gehabt Angst zu haben.

Und dann war ER gekommen. Mit unmöglicher Schnelligkeit. Hatte einem der beistehenden Ritter sein Schild entrissen und sich vor Zelda gestellt. Genau in das Zielfeld des Wächters. Er hatte den zerstörerischen Strahl reiner Energie von ihr abgelenkt und zurück auf den Wächter gefeuert.

Und ihn zum Explodieren gebracht.

Die Schnelligkeit der Shiekah hatte nicht ausgereicht um den herumfliegenden Wächterteilen auszuweichen. Was durch die vielen bläulichen Blessuren in Schraubenform bewiesen wurde, mit denen einige der Forscher nun herum liefen. Nur diejenigen die traditionellen geschwungenen Hüte getragen hatten, waren verschont geblieben und so unverletzt wie Zelda.

 

Zelda hatte die Geschehnisse nicht einmal ansatzweise verarbeiten können. Nicht einmal in ihrem Tagebuch hatte sie es erwähnt. Normalerweise half es ihr, ihre Erlebnisse niederzuschreiben.

Aber für das was geschehen war, hatte sie keine Worte.

Frustrierende Schuldgefühle dafür dass sie dankbar sein sollte, es aber irgendwie nicht konnte, paarten sich mit dem Gefühl etwas verpasst zu haben und unendlicher Enttäuschung.

Es hatte einen funktionierenden Wächter in Hyrule Schloss gegeben.

Und nun war er zerstört.

 

Es war verdammt leicht, IHM die Schuld daran zu geben.

Weiß der Kuckuck wo er auf einmal her gekommen war.

Zelda hatte ihn seit dieser ersten, völlig überfordernden Begegnung im Thronsaal nicht gesehen. Hatte ihn weit weg, in Hateno geglaubt, hatte nicht mal davon gehört, dass er wieder zurückgekehrt war.

 

Sie hatte nicht mal in ihrem Forschungsjournal von der Wächterfehlfunktion berichtet.

Robelo weigerte sich vehement sie als solche zu bezeichnen. Seine Euphorie ob des Erfolges war ungebrochen. Seiner Meinung nach bedurfte es nur einer kleinen Kalibrierung sobald die Wächter angeschaltet wurden – eine Art Ausrichtung, damit die Maschinen wussten, was sie als Feind und was als Freund einzuschätzen hatten. Wie genau er das anstellen wollte, stand in den Sternen.

Der König hatte seinem Gesuch um eine Forschungseinrichtung weit weg vom Schloss rekordverdächtig schnell stattgegeben. Sobald es ihm gelingen sollte den Wächtern beizubringen nicht auf Hylianer und deren Verbündete zu feuern, würde er sie zum Schloss bringen lassen, damit die Shiekah weiter mit ihnen experimentieren konnten.

Die Shiekah.

Nur zu gern hätte Zelda einen Blick auf eine der schraubenförmigen Blessuren geworfen, über die im Schloss getuschelt wurde.

 

Unwillkürlich suchte ihr Blick den silbrig eingefassten Ausschnitts des einzigen Reckengewandes nach hylianischer Art. Das heilige Bannschwert, dessen Umriss als die Grundlage für die Stickereien der Tunika diente, sah ihr unspektakulär entgegen. Völlig unberührt von den Scherereien die sie seinetwegen hatte.

Zelda spürte wie ihre Augenbrauen sich zusammen zogen. Sie würde heute sehr viel eher mit ihren abendlichen Gebeten beginnen müssen um sich ausgiebig bei der Göttin für diese törichten, eigensüchtigen Gedanken zu entschuldigen.

Sie trat vor und ließ die Kiste kurzentschlossen zuklappen.

„Schickt die Boxen bis heute Abend zum Schloss. Der Zeremonienmeister wird sie in Empfang nehmen“, wies sie die Hofschneiderin an und brachte ein kleines Lächeln hervor, als diese ihr versicherte sich selbstverständlich darum zu kümmern.

In ihrer rechten Wange begann ein Muskel zu zucken.

 

Da die königliche Schneiderei mit der dazugehörigen Färberei und Weberei Räumlichkeiten in Hyrule Stadt benötigte, war Zelda zusätzlich zu ihren zwei Hofdamen (sie weigerte sich mehr davon zu beschäftigen), auf die Begleitung mehrerer Ritter der königlichen Garde angewiesen.

Der kleine Hofstaat folgte ihr, als sie aus den Empfangsräumen der Schneiderei hinaus auf die Straße trat.

Die Wachen an den Mauern der Stadt würden mit einiger Wahrscheinlichkeit größere Gefahren fernhalten, aber da Zelda scheinbar so verteidigungsfähig wie eine Blume war – leicht pflücken und noch leichter zu zertreten – bestand ihr Vater auf diese Sicherheitsmaßnahme. Sogar inmitten ihres eigenen Volkes, einen Steinwurf vom Schloss und einer kleinen Armee entfernt.

Seit einiger Zeit hatte er sich sogar in den Kopf gesetzt, dass sie ihre eigene Leibwache benötigte, nicht nur eine kleine Garde die ihr an den Fersen klebte, wenn sie das Schloss verließ.

Ihren eigenen Ritter, die sie überall hin begleiten würde.

Zelda würde sich mehr denn je wie eine Gefangene fühlen.

Sie bezweifelte dass der gestrige Vorfall irgendwie dazu beigetragen hatte, dass der König von dieser Überzeugung abrücken würde.

 

Der Gedanke ließ sie innehalten.

Würde dieser Leibwächter auch im Schloss die ganze Zeit bei ihr sein? Daran hatte sie noch gar nicht gedacht.

Wut stieg ihrem Inneren auf wie ein Gas befüllter Ballon.

Während ihrer Gebete? Ihrer Studien?

Wie sollte sie sich denn dann jemals wieder konzentrieren können?

„Prinzessin“, erklang eine Stimme rechts hinter ihr. Mina, die Jüngere und Mutigere ihrer beiden Hofdamen.

„Alles in Ordnung mit Euch?“

Nein! War es nicht. Nichts war in Ordnung.

Das heilige Bannschwert hatte seinen Meister gewählt. Die Wiederkehr der Verheerung Ganon zeichnete sich ab.

Sie hatte ihre Kräfte nach Jahren der Gebete, Rituale und Bitten immer noch nicht erweckt und der erste große Fortschritt den sie in der Erforschung einer anderen Möglichkeit Ganon aufzuhalten gemacht hatten, war zerstört worden.

Und sie hatte einen vermaledeiten Stein im Schuh. Dämliche Pantoffeln. Sie vermisste ihre Stiefel. Ihre weichen, bequemen, stabilen Stiefel. Die Stiefel in denen sie frei war. Zumindest ein wenig.

 

Natürlich sagte Zelda nichts von alledem. Stattdessen sah sie auf. Sie war mitten auf der Straße stehen geblieben. Ähnlich wie ein Stein der vom Wasser umflossen wird, teilte sie den langsam dahin plätschernden Strom an Passanten. Neugierige Blicke wurden ihr zugeworfen, doch die Ritter die sie begleiteten verhinderten, dass ihr jemand zu nah kam.

Zelda spürte wie sich eine Hand auf ihre Schulter legte und dann einen sanften Vorwärtsschub, der sie nach vorn drängte. Die Berührung jagte ihr einen Schauer den Nacken hinauf. Es kam nicht mehr häufig vor, dass sie jemand berührte und etwas beschämt stellte Zelda fest, dass sie der Richtungsweisung nachgab um das Gefühl noch etwas länger zu spüren.

„Ihr solltet besser weiter gehen, Prinzessin“, sagte Mina, nachdem Zelda ihr nicht geantwortet hatte.

„Sonst gibt es hier noch einen Tumult.“

Die Sorge war mehr als nur übertrieben, denn mehr als einige Blicke schien sie bei den Bewohner Hyrule Stadts rein gar nichts auszulösen, aber dennoch spürte Zelda wie sie automatisiert nickte und sich weiter nach vorn schieben ließ.

 

Minas Hand verließ ihre Schulter, als sie die Brücke zum Schlosstor betraten und Zelda zwang sich, sie nicht zu vermissen. Eine Prinzessin Hyrules war nicht so erbärmlich sich Berührungen herbeizusehnen. Selbstbeherrschung, Disziplin und emotionale Unabhängigkeit sollten dasWesen einer Prinzessin beherrschen.

Selbst wenn das für ein kleines Mädchen, oder auch ein großes Mädchen, streng schien, so waren es doch die einzigen Leitbilder deren Zelda folgen konnte. Es standen ihr keine anderen zur Verfügung.

Und sie hatte bereits einmal kolossal darin versagt diese Qualitäten zu verkörpern. Damals, vor einem Jahr, als Impas Umarmung sie aus dem tiefen Loch der Verzweiflung hatte herausheben müssen, in dem sie versunken war.

Seit dem war Zeldas Streben nach der Verkörperung dieser drei Eigenschaften entschlossener denn je.

 

Die diensthabenden Wachen deuteten respektvolle Verbeugungen an, als ihre kleine Kolonne das Tor passierte. Zelda antwortete mit einem verhaltenen Nicken, kühler als sie es sonst getan hätte, aber die Erinnerungen die sie verfolgten, nahmen ihr die Kraft nicht empfundene Herzlichkeit zu zeigen. Alles was sie wollte, war sich in ihre Gemächer zurückzuziehen und hoffentlich ein kleines Bisschen Trost in ihrer Abendandacht finden zu können.

 

Die Ritter begleiteten sie bis zu den Stufen der Treppe, die zu ihrem Gemach hinauf führten, wo bereits eine Nachricht ihres Vaters auf sie wartete. In Form einer kleinen Schriftrolle mit dem königlichen Siegel – dem Triforce.

Seufzend entließ Zelda ihre Hofdamen mit der Versicherung dass sie ihre Dienste für heute nicht mehr benötigen würde. Was auch immer ihr Vater von ihr wollte – sein Wunsch war es, dass sie ihn aufsuchen solle, sobald sie von ihren Erledigungen in der Stadt zurück kehren würde – Zelda vermutete dass sie danach niemandes Anwesenheit würde ertragen können.

 

Ihr Vater erwartete sie im Thronsaal. Lächelnd. Was verdächtig genug erschien, angesichts der Sorgen umwölkten Miene, die er sonst der Welt zeigte.

„Ah, Zelda. Gut, gut“, begrüßte er sie und Zelda musste unwillkürlich daran denken, dass sie die beiden Worte Zelda und gut noch nie in einem Zusammenhang gehört hatte. Vor allem nicht von ihm. Ihre Vorsicht war geweckt.

Er winkte sie näher zu sich heran.

„Wie war dein Ausflug, meine Tochter?“

Er schien außerordentlich zufrieden mit sich zu sein. Doch Zelda traute dem Frieden nicht ganz. Zögernd kam sie näher. Beschwor ein Lächeln herauf, das wie sie hoffte, nicht allzu gequält aussah.

„Die Schneiderin hat die Kleidungsstücke für die Recken fertig gestellt. Sie entsprechen genau meinen Vorstellungen“, antwortete sie und kam neben ihm zum stehen.

Der König nickte, wirkte von der Information allerdings eher unberührt.

„Gut“, sagte er jedoch und schien es so zu meinen, denn sein Blick weilte wohlwollend auf ihr. Zelda spürte wie ein klitzekleiner Blitz der Verwirrung ihr in den Nacken schoss. Dann begann sie zu schwitzen. Was unangenehm war und ziemlich nervig. Allerdings war es so lange her, dass ihr Vater sie auf so eine Weise angesehen hatte, dass Zelda damit nicht einmal Ansatzweise umgehen konnte.

Und so musste sie sich über die Automatismen ihres Nervensystems wundern, und die Augenbrauen hochziehen, als auf dem Gesicht des Königs ein Ausdruck erschien, den man nur schlicht und ergreifend als breites Grinsen bezeichnen konnte.

Jedoch richtete sich dieser Beweis der Freude nicht an sie.

Sondern an die Wand hinter ihr.

Fragend folgte Zelda seinem Blick. Und spürte wie ihre Brauen ihre hochgezogene Position verließen, um, einer fallengelassenen Zugbrücke gleich, in die Tiefe zu stürzen.

Ihre Miene verdunkelte sich im gleichen Tempo, wie ihre Laune gen Nullpunkt sank.

Im großen, hohen Torbogen, der den Eingang zum Thronsaal markierte, war eine Gestalt erschienen. Eine verflucht bekannte Gestalt mit auffällig aufrechter Haltung, einem über der linken Schulter hervorragenden Schwertgriff und einer Frisur die sich in Auflösung befand. Wie erstaunlich, wie gut sich ihr Unterbewusstsein die Merkmale seiner Person bereits eingeprägt zu haben schien.

Nach ein paar Schritten die er in den Raum hinein getan hatte, kniete er nieder. Wortlos.

Zelda unterdrückte ein Augenrollen.

Man konnte es mit der Ehrerbietung auch übertreiben. Vor allem wenn man bereits die Sympathie des Königs besaß. Und die Wertschätzung des gesamten verdammten Königreiches. Und den Segen der Göttin, der Zelda, trotz Jahre der Gebete immer noch versagt blieb.

Sie spürte wie sich ihre Fäuste gegen ihren Willen ballten. Nun, vielleicht nicht gegen ihren Willen, jedoch konnte sie die Reaktion nicht unterdrücken.

Der König bedeutete dem Ritter sich zu erheben und ging selbst einige Schritte in Richtung der Treppe die die Empore auf der der Thron stand, mit der unteren Ebene verband.

Wie ER die Geste ihres Vaters bemerken konnte, so nah wie seine Nase dem königlichen Teppich war, wussten nur die Göttinnen. Da er seine kniende Position allerdings aufgab, schien er, zusätzlich zu seinen enormen Fähigkeiten mit dem Schwert, auch noch über Augen mitten an den Ohren zu verfügen. Oder irgendwo anders.

Zelda presste die Lippen aufeinander und willte ihre Hände, die angespannte Fausthaltung zu lösen, bevor sie sich noch mit den Fingernägeln die Haut aufgekratzte.

 

Mit einigen federnden Schritten, jemand Unfreundliches hätte es als Hüpfen bezeichnet, erklomm er die Treppe und kam vor ihrem Vater zum stehen. Wo er erneut Anstalten machte auf die Knie zu sinken. Doch der König winkte mit einem tief in seiner Brust erklingenden Lachen ab, das den ganzen Thronsaal zu erfüllen schien.

Also wurden sie nur einer formvollendeten Verbeugung ansichtig. Zelda zwang sich tief einzuatmen und ihre Augenbrauen in eine neutralere Position zu bringen. Sie verhielt sich einfach lächerlich.

Dieser Ritter war von der Göttin dazu auserwählt Zelda im Kampf gegen die Verheerung beizustehen, sollte die Weissagung sich erfüllen und Ganon während ihrer Lebzeiten wiederkehren. Was ziemlich wahrscheinlich war, wenn man sich den Anzeichen gegenüber nicht völlig blind verhielt. Ihr war wohl bewusst, dass dieser Junge keine Schuld an ihrem eigenen Versagen trug.

Und sie würde es sich weiter bewusst machen. Bis es ihr nicht mehr unmöglich sein würde seinen Namen zu denken.

 

„Ich nehme an, du hast erledigt was du auszogst zu tun?“, richtete ihr Vater das Wort an den Ritter.

Es dauerte eine Weile bis dieser nickte. Es schien sich eine ganze Welt unter den stillen Wassern seines Habitus' abzuspielen. War da ein Muskelzucken in seiner Wange zu sehen? Eine winzige Bewegung an seinem unteren Wimpernkranz, als würden seine Augen sich auf lupenartig kleine Weise zusammen ziehen? Oder waren das Trugbilder die Zeldas Verstand heraufbeschwor, weil sie einfach nicht einsehen wollte, dass es einem Hylianer, irgendeinem Bewohner Hyrules, möglich sein konnte, so still zu stehen.

 

„Gut“, antwortete der König auf das Nicken und Zelda fragte sich unwillkürlich, was es denn eigentlich gewesen sein mochte, dass Link erledigt hatte.

„Nun da ich euch Beide hier habe, werde ich euch meine Entscheidung mitteilen.“

Urplötzlich fühlte Zelda sich am Arm gepackt und näher an den Ritter heran gezogen. Sie konnte gerade noch ein erschrockenes Quietschen unterdrücken, da hatte ihr Vater sie auch schon wieder losgelassen.

Sie stand nun vor ihm, neben dem Recken. So nah, dass sie seinen Atem hörte und aus dem Augenwinkel wahrnahm, wie einige seiner feinen blonden Haarsträhnen im Takt des ausweichenden Luftstromes auf und nieder sanken.

Unwillkürlich griff sie nach ihrem eigenen Haar, strich es über ihre Schulter zurück.

Dann wich sie ein Stück ab, zurück in den Raum und aus der Reichweite ihres Vaters. Sicherheitshalber.

Ihre Hände fanden hinter ihrem Rücken zueinander. Mehr um sich selbst Halt zu geben, als eine hoheitsvolle Haltung einzunehmen, doch wenn das der Nebeneffekt war, so konnte das nicht schaden.

Ein unheiliges Gefühl begann in Zelda zu wachsen. Zwar mochte Hylia sich weigern mit ihr zu kommunizieren, dennoch hatte Zelda für so manches ein recht feines Gespür entwickelt. Und hier war irgendetwas im Gange.

Dass der Ritter mit dem heiligen Bannschwert ebenfalls anwesend war, verhieß nichts Gutes.

„Eigentlich war es nicht wirklich eine Entscheidung“, fuhr der König fort und sein Blick blieb für einen Augenblick auf dem, über der grün gekleideten Schulter hervorragenden Knauf, des legendären Schwertes hängen, „Als mehr eine Folgerichtigkeit.“

Und mit einem Stich im Herzen stellte Zelda fest, dass ihr Vater den Ritter zu dem die grüne Schulter gehörte, mit unverhohlenem Stolz betrachtete.

„Zelda“, sagte der König und fixierte sie mit seinen hellen braunen Augen. „Die Suche nach deinem Leibwächter ist beendet. Das wird dich hoffentlich freuen.“ Er lächelte und wirkte erneut ziemlich zufrieden mit sich selbst.

Er verschränkte die Hände hinter seinem Rücken und atmete tief ein.

 

Zeldas Denken setzte für einen Moment aus.

Dann machte es Klick und die Bedeutung seiner Worte rasten mit der Geschwindigkeit herabfallender Gebirgssteine auf sie zu.

Was?

Nein!

Was?!

Ihr Kopf flog mit einem leider sehr hörbaren Ächzen herum. Sie sah zu dem Ritter, der so bewegungslos wie eh und je da stand. Die Ankündigung schien ihn nicht zu berühren. Obwohl sie sein Leben doch ebenso stark verändern würde, wie die Berufung durch das Bannschwert und die Ernennung zum Recken Hyrules, die ihn immerhin dazu verpflichteten gegen die Verheerung Ganon zu kämpfen.

Nun würde zusätzlich auch noch auf die Prinzessin Hyrules achten, sie mit seinem Leben beschützen müssen. Wo er doch sein Leben brauchen würde, wenn er sein Schicksal erfüllen und gegen die Verheerung in den Kampf ziehen wollte.

Es war nicht fair.

Weder ihr, noch ihm gegenüber.

 

Hatte er es gewusst? Zeigte er deswegen keine Regung, obwohl sein König ihm gerade offenbart hatte, dass zu seinen Verpflichtungen gerade noch dazu gekommen war, eine Prinzessin beschützen zu müssen, die nicht dazu in der Lage war auf sich selbst aufzupassen?

Die zu schwach war, um für ihren eigenen Schutz zu sorgen?

War seine Ernennung zu ihrem Leibwächter wirklich so folgerichtig, wie ihr Vater es ausgedrückt hatte?

Kam die Entscheidung nur für sie so plötzlich?

 

„Selbst vor dem Kunststück mit dem Wächter war ich mir sicher, dass es keinen geeigneteren Kandidaten für den Posten geben würde“, fuhr ihr Vater fort. Unwissend über den inneren Tumult, den seine Worte in Zelda ausgelöst hatten.

„Doch ich wollte ihm zu seinen Aufgaben als Recke und Träger des Bannschwertes nicht noch zusätzliche Pflichten auferlegen.“

Sein Blick ruhte auf dem Ritter, die den Kopf leicht gesenkt hielt. Aus Bescheidenheit? Aus Frustration?

„Doch als ich sah, mit welcher Leichtigkeit du das Unheil von meiner Tochter abgewandt hast, Link, da wusste ich, dass du der doppelten Belastung gewachsen sein würdest.“ Ein kleines zufriedenes Geräusch gluckste aus ihm hervor.

„Selbst bevor er das heilige Schwert hierher brachte, hatte ich ihn als Kandidaten ins Auge gefasst.“ Zelda war bewusst, dass ihr Vater sie ansprach, doch sie konnte den Blick nicht von dem zu Boden sehenden Ritter abwenden.

„Du erinnerst dich, dass ich dir von ihm erzählte?“

Er war das gewesen?

Er war der beste Schwertkämpfer des Landes?

Wieso wunderte sie sich eigentlich darüber? Wieso wunderte sich Zelda denn eigentlich noch überhaupt irgendetwas?

Es schien absolut vorbestimmt dass sie ihm begegnete. Diesem Rassehylianer, der alles was er tat zum Erfolg führte. Der alles war, was Zelda auch sein sollte, wovon sie aber nichts zu Stande brachte.

Sie spürte wie ihre Augen von der Anstrengung das Blinzeln zu unterdrücken zu brennen begannen. Doch täte sie es, würden die heiß aufsteigenden Tränen überquellen und sie als Versager und als Heulsuse entlarven.

„Nun wirst du dein Training an den heiligen Quellen wieder aufnehmen können. Ist es nicht so, Zelda?“

 

Wie lange schon? Wie lange hatte sie den Jungen mit dem Schwert angestarrt und damit einmal mehr bewiesen wie wenig sie doch der Rolle entsprach, für die sie geboren worden war?

Nur schwer konnte sie ihren Blick von der immer noch unbeweglichen Gestalt losreißen. Langsam wandte sie den Kopf.

Im Gesicht ihres Vaters las Zelda die altbekannten Anzeichen seiner Missbilligung.

Angespannt bemühte sie sich um ein wenig Würde.

„Ich bin sicher, er wird die Position so gut ausfüllen wie jeder andere.“ Ehe sie sich versah, waren die schnippischen Worte auch schon aus ihr hervor geplappert.

Dabei war es doch so offensichtlich dass er die Position so gut wie kein anderer ausfüllen würde. Mit dem Bannschwert und als Recke, war sein Platz sowieso an ihrer Seite, zumindest im bevorstehenden Kampf gegen Ganon.

Es zu bestreiten war nichts weiter als der kindische Versuch seine Erfolge klein zu reden, sie als unbedeutender darzustellen als sie waren.

Es war mehr als kindisch. Es war peinlich. Und in ihren Gebeten würde sich Zelda dafür, wenn schon nicht bei Link, bei der Göttin entschuldigen.

Sie blickte zur Decke um die immer noch drohenden Tränen zurück zu blinzeln, ohne dass sie ihr aus den Augen liefen.

 

Doch selbst ihre herablassenden Worte schienen keine Reaktion in dem Jungen zu wecken. Was war los mit ihm?

War er taub?

Nun, das konnte ja wohl nicht sein, oder? Dummheit wohl auch nicht. War es Ignoranz? War er so sehr von seiner eigenen Überlegenheit überzeugt, dass ihr rotzgöriges Verhalten ihm einfach über den Kopf flog?

Lachte er insgeheim über sie?

Der Gedanke ließ bittere Säure auf ihr Herz tropfen und Zelda presste die Lippen aufeinander.

 

„Entschuldigt mich“, beeilte sie sich zu sagen, so lange sie noch Heer über ihre Zunge war.

„Vor der morgigen Zeremonie werde ich mich ausruhen müssen.“

Und bevor sie etwas sagen oder tun konnte, das sie bereuen würde, hatte Zelda sich umgedreht und stieg die Treppe hinab. Im Augenwinkel sah sie noch wie der Griff des Schwertes sich dem Boden näherte, als der Ritter sich vor ihr verbeugte.

Sie konnte nicht genau sagen ob seine Respektbekundigungen ihr gegenüber das alles schlimmer oder besser machten.

Sie wusste nur, dass sie hier raus musste.

Weg von alledem.

Weg von den bohrenden Blicken der Leibgardisten.

Weg von der Missbilligung ihres Vaters.

Weg von der stoischen Perfektion des Helden Hyrules.

Nur vor sich selbst und ihrer Bestimmung konnte Zelda nicht fliehen.

Wenn sie es auch nur zu gern getan hätte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Seoko
2019-02-15T01:08:45+00:00 15.02.2019 02:08
"Mit einigen federnden Schritten, jemand Unfreundliches hätte es als Hüpfen bezeichnet, .." 😂😂😂 hab sooo gelacht 😁
Antwort von:  scippu
15.02.2019 17:42
:)
Ich hatte schon vergessen, dass ich das geschrieben habe.
Es überrascht mich immer, wenn ich lese, dass etwas als lustig empfunden wird.
Ich meine, in meinem Kopf habe ich Spaß. Auf eine sehr suptile Weise. Aber ich bin eigentlich der Auffassung, dass es mir nicht gelingt, dass du überbringen. Nicht so, wie manch andere Schreiber, deren zart komischer Stil mich beim Lesen von Innen wärmt und glühen lässt für Freude und Neid.

Ich kann es immer noch nicht fassen.
Seoko...
Ich habe doch tatsächlich ein Fangirl-Moment hier. Ich hatte noch nie die Gelegenheit einen zu haben.
Ich genieße es.
;)
Sei lieb gegrüßt
<3
Antwort von:  Seoko
19.02.2019 08:29
Doch das gelingt dir unglaublich super! 😍
Beim Fangirl Moment habe ich erstmal gestockt haha 😀 und dann Mal LLLS gecheckt und siehe da!!!! 😁 Plötzlich war ein riesen Grinsen auf meinem Gesicht! Haha oh man das gibt vielleicht Zufälle im Leben 😁 ich fühle mich sehr sehr gerührt den Fangirl moment mit dir zu teilen... Es ist das erste Mal dass das jemand sagt 😳😳 *gerührt sniff* und ich liebe deine story so sehr. 😍

Sei ganz lieb zurück gegrüßt <3
Von:  Feuermalerin
2018-02-06T17:52:35+00:00 06.02.2018 18:52
Ich muss schmunzeln, ich muss voll Mitgefühl den Mund verziehen. Ich mag die Abwechslung. Das hat mich auch am Spiel so fasziniert. Der spielerische Wechsel zwischen herzbrecherischer Traurigkeit und alberner Witzeleien. Aber einfach nur total sympathisch. Ich genieß es total und hoffe bald mehr lesen zu können.


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