Triangle von LadyKaiba ================================================================================ Kapitel 4: Die Rasur -------------------- Triangle Kapitel 4: Die Rasur Auf seine Frage, wieso Light ihn nicht getötet hatte, bekam L auch dieses Mal keine Antwort. „Iss deine Nudeln, bevor sie noch kalt werden...“, erwiderte der Brünette, hörbar verärgert über Ls Frage. „Du lenkst schon wieder vom Thema ab, Light. Das ist ungewöhnlich für dich. Wieso antwortest du mir nicht einfach?“, fragte der Detektiv in seiner gewohnt monotonen Stimmlage. „Warum bist du nicht einfach froh darüber, dass du noch lebst?“, stellte der Angesprochene als Gegenfrage. L starrte seinen Sitznachbarn eine Weile nur an, bevor er seinen Blick nach oben richtete und begann, mit seinem Zeigefinger auf seiner Unterlippe herum zu tippen. „Es ist nicht so, als hätte ich keine Theorie, aber so wie ich dich einschätze, hättest du eigentlich kein Problem damit, mir diese Gründe ins Gesicht zu sagen. Also muss ich in Erwägung ziehen, dass meine Vermutung eventuell falsch sein könnte“, sprach der Schwarzhaarige vor sich hin. „Und wie sieht deine Theorie aus?“, fragte der Student und goss sich eine Tasse Kaffee ein. „Es wäre taktisch unklug, sie dir zu verraten“, antwortete L nur, goss sich ebenfalls eine Tasse Kaffee ein und spielte mit den bereitgestellten Zuckerwürfeln. „Verstehe“, war die einzige Antwort seitens Light. 'Es bringt jetzt wohl nichts weiter nachzuhaken...', dachte der Detektiv und beschloss, das Thema zu wechseln. „Ich will mich rasieren, aber dafür brauche ich einen Rasierer.“ Natürlich war L beim Erkunden des Badezimmers gleich aufgefallen, dass zwar Rasierschaum und -creme im Schrank waren, jedoch kein Rasierer. Und natürlich hatte ihn das auch kein Stück gewundert, wer wäre schon so blöd, seinem Gefangenen eine scharfe Klinge zur Verfügung zu stellen? Lights Stimmung schien auf einen Schlag wieder besser geworden zu sein. „Natürlich, ich hole gleich einen“, erwiderte er und stellte alles, was sie nicht mehr brauchten zurück auf das Tablett. Ls Schüssel mit den Nudeln und den Kaffee ließ er auf dem Tisch stehen. Er gab den Code zum Öffnen der Tür ein, nahm das Tablett wieder in die Hände und verschwand. 'Es ist wirklich seltsam, dass er mir seine Beweggründe nicht sagt. Wenn ich mit meiner Theorie richtig liege, müsste es ihm eigentlich sogar Freude bereiten, mich wissen zu lassen, dass mein Leben in seiner Hand liegt und dass ich meine Niederlage früher oder später eingestehen werde...Aber wenn ich ihn frage, weicht er sofort aus und ist genervt. Das passt einfach nicht...Ich habe beinahe das Gefühl, dass er selbst- Moment mal!', unterbrach der Schwarzhaarige seine eigenen Gedanken plötzlich. Er zog seine angewinkelten Beine noch näher an seinen Körper und begann wieder damit, an seinem Daumennagel zu kauen. 'Wäre es möglich...dass er selbst nicht genau weiß, wieso er mich nicht getötet hat? Reagiert er deshalb so gereizt, weil er, wahrscheinlich zum ersten Mal in seinem Leben, die Gründe seiner eigenen Handlung nicht versteht? Kann ich mir beim eigentlich kaum vorstellen, aber es würde sein Verhalten erklären...' Einige Minuten später war erneut ein mehrfaches Klicken zu hören. Die Tür entriegelte und Light trat ein. „Komm mit“, sagte er und lief in das Badezimmer. Ohne etwas zu erwidern erhob L sich und folgte dem Anderen, begleitet vom nervtötenden Rascheln seiner Eisenkette. Im Bad hatte Light den Stuhl, welcher in der Ecke des Raumes gestanden hatte, vor das Waschbecken gestellt. „Setz dich“, forderte er den Schwarzhaarigen auf und wies dabei mit seinem Zeigefinger auf den Stuhl. L stand, in seiner typischen, leicht gekrümmten Haltung vor dem Brünetten, und blickte einmal auf den Stuhl, dann wieder in Lights Gesicht. Ein Fremder hätte die minimalen Veränderungen in Ls emotionsloser Mimik nie bemerkt, doch der Student kannte ihn mittlerweile gut genug. Ein leichtes Grinsen zierte sein Gesicht, als er auf die Gedanken des Älteren antwortete: „Du hast doch nicht wirklich erwartet, dass ich dir eine Rasierklinge in die Hand gebe, oder L?“ Das hatte er tatsächlich nicht erwartet, trotzdem gefiel ihm das, worauf es hier hinauslaufen würde, nicht wirklich. „Wir können es auch lassen, wenn du nicht willst“, sagte Light und schaute den Detektiv erwartungsvoll an. Am liebsten hätte er es auch gelassen, doch er hasste das Gefühl, unrasiert zu sein. Die Stoppeln juckten und irgendwie fühlte es sich für so an, als ob seine Haut trocken und rissig wurde, wenn er sich nicht täglich rasierte. Sich seinem Schicksal beugend seufzte er einmal, bevor sich, mit einem mulmigen Gefühl in der Magengegend, auf den Stuhl setzte. Augenblicklich vernahm er ein Klimpern, welches aber eindeutig nicht von Eisenkette kam. L kannte dieses Klimpern nur zu gut, weshalb er es auch sofort deuten konnte. „Gib mir deine Hände“, forderte Light, der mittlerweile hinter dem Schwarzhaarigen stand. Widerwillig tat dieser, was verlangt wurde. Er musste im Moment wohl oder übel nach Lights Regeln spielen. Prompt waren seine Hände hinter der Stuhllehne mit Handschellen gefesselt. So in seiner Bewegungsfreiheit eingeschränkt zu werden, machte das Gefühl, seinem Kidnapper schutzlos ausgeliefert zu sein, noch um einiges realer. Es fühlte sich wirklich ätzend an. Der Student trat wieder vor den Gefesselten und holte den nagelneuen Rasierer aus seiner Verpackung, bevor er den Rasierschaum aus dem kleinen Schrank holte und diesen auf seine Hand sprühte. L beobachtete das Geschehen schweigend. Instinktiv wich er mit seinem Oberkörper die wenigen Zentimeter, die er konnte, zurück, als der Brünette sich, wie schon zuvor, breitbeinig auf seinen Schoß setzte. „Lehn deinen Kopf zurück und schließe deinen Mund“, sagte Light, legte seinen rechten Daumen auf Ls Stirn und drückte dessen Kopf leicht in den Nacken, bevor er den Rasierschaum auf dessen Gesicht und Hals verschmierte. Als er damit begann, vorsichtig die Klinge des Rasierers über die Haut des Schwarzhaarigen gleiten zu lassen, überkam diesen eine unangenehme Gänsehaut. Auch, wenn er sich sicher war, dass Light diesen ganzen Aufwand hier nicht betrieben hätte, um ihm dann mit einer Rasierklinge die Kehle aufzuschlitzen...Aber er war gefesselt, und auf seinem Schoss saß der größte Massenmörder aller Zeiten, und zog eine messerscharfe Rasierklinge direkt an seiner Halsschlagader vorbei...Es war wohl ein natürlicher Reflex, sich in einer solchen Situation bedroht zu fühlen. L hoffte, dass es schnell vorbei sein würde, aber irgendwie hatte er das Gefühl, dass der Braunhaarige ein wenig trödelte. Er zog jede Bahn mit dem Rasierer beinahe in Zeitlupe entlang. Zumindest kam es dem Detektiv so vor. Was ihn ebenfalls ein wenig beunruhigte, war, dass sein Kidnapper während der gesamten Prozedur sein typisches, kaltes Kira-Grinsen aufgesetzt hatte. Er schien diese Situation zu genießen. Nicht verwunderlich, denn viel mehr Macht, als in dieser Situation, konnte ein Mensch kaum über einen anderen ausüben...Schon klar, dass dies Light gefiel...Für den Schwarzhaarigen wurde es jedoch von Sekunde zu Sekunde unangenehmer. Nicht nur wegen der Rasierklinge, auch diese körperliche Nähe zu dem Studenten gefiel L ganz und gar nicht. Wie der andere auf ihm saß, seine linke Hand lag über Ls rechtem Auge, die Fingerspitzen in seinen schwarzen Haaren. Light übte mit seiner Hand einen leichten Druck aus, um den Gefesselten daran zu hindern, seinen Kopf zu bewegen. Das Gesicht des Braunäugigen lag genau über seinem eigenen, er konnte Lights Atem auf seinem Gesicht spüren. Er fühlte auch, wie sich die Fingerspitzen in seinen Haaren immer wieder leicht hin und her bewegten. 'Hmm? Was macht er da? Es fühlt sich fast an, als würde er durch mein Haar streicheln...Macht er das absichtlich, um mich zu beruhigen? Vielleicht um mir zu signalisieren, dass ich keine Angst haben soll?', dachte L verwundert nach. „So, fertig...war doch gar nicht so schlimm, oder?“, fragte Light freundlich lächelnd, als er den Rasierer auf das Waschbecken legte, einen Waschlappen mit warmem Wasser aus dem Wasserhahn tränkte und diesen zum Gesicht des Schwarzhaarigen führte. Behutsam griff er Ls Kinn mit Daumen und Zeigefinger und wischte er den restlichen Schaum von dessen Gesicht. Dabei starrte er förmlich auf L hinab, genauer gesagt, fokussierte sein Blick Ls Lippen. Dieser beobachtete seinen Kidnapper aufmerksam und ihm fiel auf, dass sich Lights Mimik immer mehr veränderte, während er auffällig oft seine Lippen mit dem Waschlappen nachzog. Das eben noch vorhandene Lächeln verschwand von Sekunde zu Sekunde mehr, und L glaubte, mittlerweile eine Art Funkeln in Lights Augen sehen zu können. Doch er konnte nicht recht deuten, was genau er da im Gesicht des Studenten beobachtete. Dessen Blick war so konzentriert, er wirkte beinahe leicht hypnotisiert. L war verwirrt. Er war sich zwar nicht ganz sicher, aber irgendwie erinnerte ihn dieses Bild gerade an die Situation von heute Morgen, als Light so ausgeflippt war und ihn gewürgt hatte, und dann, als er sich plötzlich wieder beruhigt hatte. „Light?“, fragte er leise. Doch der Angesprochene reagierte nicht. „Light?“, versuchte L es noch einmal. Doch die Einzige Reaktion, die er bekam, war, dass der Brünette einmal schwer schluckte, sein Kinn mit seinen Fingern ein Stück anhob, und seinen eigenen Kopf langsam senkte. Lights Gesicht, seine Lippen, kamen denen des Detektivs immer näher. Langsam begannen Ls Augen sich zu weiten. Er konnte bereits den heißen Atem des Jüngeren auf seinen Lippen spüren. Er drückte seinen Nacken in die Stuhllehne, versuchte, die Distanz wieder zu vergrößern. Braune Haarspitzen kitzelten seine Nase. 'Was zum?! Was tut er da?! Er...Er wird mich doch nicht-' Doch plötzlich zuckte Light, geradeso wahrnehmbar, zusammen, zog sein Gesicht von dem des Schwarzhaarigen weg und erhob sich von dessen Schoß. L hing beinahe erstarrt in dem Stuhl. War das gerade wirklich das, wonach es ausgesehen hatte? Mit einem Klirren wurden seine Hände von den Handschellen befreit. Noch immer mit weit aufgerissenen Augen schaute L durch den Spiegel in das Gesicht des Brünetten. Doch dieser traf seinen Blick nicht. Er wand sich ab und schien, wie schon nach der Würgeaktion, den Blickkontakt meiden zu wollen. „Ich muss jetzt los. Du solltest schlafen. Ich komme morgen früh wieder und bringe dir Frühstück“, sagte Light beiläufig und war keine zwei Sekunden später aus dem Zimmer verschwunden. „VERDAMMTE SCHEIßE!“, brüllte er außer sich und schlug erneut mit der Faust auf den Fahrstuhlknopf. „Hehehe...Das kommt mir doch irgendwie bekannt vor...Was war'n das schon wieder, Kleiner?“, fragte Ryuk amüsiert kichernd. „HALT EINFACH DIE KLAPPE, RYUK!“, schrie er wütend und schlug sich eine Hand auf sein Gesicht. 'Gott...Was ist nur los mit mir?! Wieso...Wieso fällt es mir bei ihm nur so schwer, mich zu beherrschen?...' L saß immer noch auf dem Stuhl im Badezimmer. Genauso perplex wie vorher. 'Er wollte mich gerade...Er wollte mich küssen, oder? Dann war dieser...naja, nennen wir es 'halben Kuss' heute Morgen...Be-Bedeutet das etwa...Ist das der Grund dafür, dass er mich nicht getötet hat?...Aber...Das ist doch gar nicht möglich...' Tbc. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)