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Die Leiden der jungen Wammys

von

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"Sieh doch nur wie hübsch ich bin! Das Einzige, was mir noch fehlt, sind tolle Nägel. Willst du mir nicht helfen?"
 

Entsetzt starrte Matt auf das blonde Scheusal vor sich. Was war hier los? Wie um alles in der Welt...?
 

Panisch wandte er seinen Nintendo DS und suchte nach einer Erklärung für diesen furchtbaren Albtraum.
 

Wieso attackierte ihn keiner seiner geliebten Untoten, versuchte sein virtuelles Ich zu zerfleischen oder wenigstens ein bisschen an ihm zu knabbern?
 

"Bitte mach mich hübsch!", spuckte die weibliche Stimme energisch aus der Konsole, was Matt beinahe dazu brachte sein Heiligtum auf den Boden zu werfen, um es mit gezielten Tritten zu zerlegen.
 

Er konnte sich gerade noch so beherrschen.
 

Mit zittriger Hand führte er das kleine Gerät näher vor sein Gesicht, schob dabei die große Fliegerbrille auf seine Stirn, um endlich - ohne gelblichen Schimmer - erkennen zu können, was hier gespielt wurde. Im wahrsten Sinne.
 

Das Herz des Jungen setzte aus; Kälte durchfuhr seinen Körper.
 

Matt fühlte Übelkeit in sich aufsteigen. Die Galle kroch seine Speiseröhre hinauf und ließ sich nur mit größter Selbstbeherrschung davon abhalten in einem großen Schwall aus ihm heraus zu brechen.
 

'Barbies traumhafter Schönheitssalon'
 

In einem unerträglichen Pink preschten diese Worte auf die Netzhaut des 11-jährigen zu, brannten sich dort ein ... vermutlich für immer. Nie wieder könnte er diesen Anblick vergessen.
 

Irritiert versuchte Matt den Titel des Spiels - das eindeutig nicht in seinen DS gehörte! - wegzublinzeln, doch es half nichts. Der Titel blieb, das Spiel sowieso und nun erklang auch noch ein weiteres Mal der nervtötende Singsang aus den kleinen Lautsprechern.
 

"Na, komm schon. Mach es mir ...", säuselte es ihm entgegen und trieb Matt dazu, die Konsole herumzureißen. Er starrte auf den Bildschirm, direkt in die Augen der künstlichen Blondine.
 

"Mach mir die Nägel!", beendete sie ihre dümmliche Aufforderung.
 

Matt seufzte innerlich. Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn sich dieses Spiel als etwas anderes entpuppt hätte. Doch es blieb was es war: Eine Styling-Simulation, in der Barbie offensichtlich darum bettelte aufgehübscht zu werden.
 

Ein breites Grinsen schlich sich auf die Mundwinkel des Jungen. "Ob sie einen auch anfleht, dass man sie bürsten soll?", sprach die Pubertät aus ihm.
 

Noch einmal sah er auf das blonde Scheusal, das sich auf dem kleinen Bildschirm in seiner Hand präsentierte. Die virtuelle Frau lächelte ihm mit ihren falschen, viel zu weißen Zähnen entgegen und deutete dabei immer wieder auf ihre hässlichen Pranken.
 

"Wunderbare, hässliche, teilweise verweste, blutverschmierte Pranken", sinnierte Matt kurzzeitig geistesabwesend.
 

Wer hatte ihm nur diesen verdammten Albtraum untergejubelt?
 

Und wo, zum Henker, war sein geliebtes Zombiespiel, das er seit Tagen kaum aus der Hand legen konnte?
 

Wütend klappte Matt seinen DS zu, warf ihn auf sein Bett (in der Hoffnung, dass der Blondine dabei richtig übel würde) und stampfte auf seine Zimmertür zu.
 

Jemand war dafür verantwortlich ... Und dieser Jemand war jetzt fällig!
 


 

~
 


 

"Wenn ich also noch einmal die Kontenbewegungen verfolge", murmelte der junge Mann leise, während sein Blick derweil im Sekundentakt zwischen drei Monitoren, die sich vor ihm auf dem großen Schreibtisch befanden, hin und her huschte. Kein wirklich zufriedenstellender Arbeitsplatz für den Meisterdetektiven, der sich gewohnt hockend in einem Sessel vor den Bildschirmen platziert hatte. Alles war so ... beengt.
 

Es befanden sich halt 'nur' drei Monitore vor ihm.
 

Auf einem 'nur' großen Schreibtisch.
 

L vermisste die gigantische Bildschirmwand, die ihm bis vor Kurzem noch zur Verfügung gestanden hatte. Inmitten all dieser wunderbaren Informationsübermittler hatte sich ein Schreibtisch befunden, der viel mehr einem überdimensionalen Tresen gleich gekommen war. Ja, an so einem Ort ließ es sich arbeiten.
 

Etwas bekümmert ließ der Detektiv einen kleinen Zuckerwürfel in seine Kaffeetasse fallen. Nummer sechs um genau zu sein. Doch bis die schwarze Flüssigkeit überhaupt genießbar würde, brauchte sie noch einiges an Süße. Dessen war L sich sicher.
 

Ebenso sicher war er auch, dass der Fall, dem er sich nun schon seit einigen Tagen widmete, fast gelöst war. Es galt nur noch einige Daten abzugleichen und schon wäre der Täter überführt.
 

Gleich.
 

Geschickt landete Würfel Nummer Sieben in seiner Tasse und wurde dort auch schon von einem Löffel begrüßt, der die weißen Kristalle schwungvoll durch den Kaffee beförderte.
 

Leise klirrte Metall gegen Keramik, während der Detektiv auf die Daten vor sich stierte.
 

Gleich.
 

Das Klimpern des Löffels stoppte. Es folgte das beinah unhörbare Plätschern eines weiteren Zuckerwürfels. Dann setzte der Löffel seine Reise fort.
 

"Wenn ich nur eine einzige Verbindung zwischen den beiden Verdächtigen finden kann, dann...", sprach er zu dem einzigen Anwesenden in diesem Raum - sich selbst. Sein Daumen wanderte gegen seine Unterlippe, ruhte dort für einen kurzen Augenblick, bevor er ihn wieder hinabsenkte. Zuckerwürfel Nummer Neun glitt in die Tasse neben ihm, genoss dort eine kurze Runde durch den Kaffee und löste sich schließlich in seine Bestandteile auf.
 

L legte den Löffel auf den kleinen Teller und konzentrierte sich schließlich wieder vollends auf seinen Fall. Noch verbarg sich die Lösung vor ihm, doch schon bald würde er sie finden. Er fand sie schließlich immer.
 

Glei... Jetzt!
 

Endlich erkannte L die letzten Zusammenhänge, fand das fehlende Puzzleteil, mit dessen Hilfe sich endlich ein vollständiges Bild ergab. Der Täter war überführt!
 

Die ihm wohlbekannte Genugtuung breitete sich bereits in ihm aus, eine Zufriedenheit, ein Glücksgefühl, das ihn jedesmal überkam, wenn er einen Fall erfolgreich abschließen konnte.
 

Mit einem beinahe unsichtbaren Lächeln auf den Lippen, schlang L seinen langen Zeigefinger um den Henkel seiner Tasse. Wie süß würde sein Kaffee jetzt schmecken, da er seine Aufgabe abgeschlossen hatte! Bedächtig erhob er das kleine Gefäß, schwenkte es in seiner Hand um den Zucker noch ein letztes Mal angemessen zu verteilen. Dann setzte er die Tasse an seinen Mund, schlürfte den ersten Schluck, während seine Lider sich zufrieden senkten.
 

Doch kaum hatte der Kaffee seine Geschmacksknospen erreicht, spie er ihn auch schon als feuchten Nebel wieder aus.
 

Irritiert sah L von seiner Tasse auf den mittelsten Monitor, der sich tapfer dem Kaffee gestellt hatte. Dann sah er zurück auf das flüssige Schwarz. Dieses Spiel wiederholte er noch einige Male, bis er schließlich fassungslos die Tasse zurück auf den Teller stellte.
 

Missmutig betrachtete er die Flüssigkeit, rutschte auf seinem Sessel sogar noch etwas näher heran, beugte sich darüber, in der Hoffnung auf diese Weise verstehen zu können, was mit seinem Getränk nicht stimmte. Neun Stückchen Zucker waren doch die angemessene Menge gewesen.
 

Ratlos erhob L seinen Daumen, führte ihn zwischen seine Lippen, knabberte und sog daran, bevor ... er ihn angewidert zurückzog. Selbst sein Finger? Aber wie...?
 

Ein Verdacht drängte sich auf, ließ ihn seine Aufmerksamkeit auf etwas richten, von dem er nie gedacht hätte, das es sich einst gegen ihn stellen würde.

Starr fixierte er die kleine Schale neben seiner Kaffeetasse, schnappte dann nach einem der Zuckerwürfel, die darin auf ihn gewartet hatten, und betrachtete ihn von allen Seiten. Nach eingängiger Analyse der einzelnen Kristalle wagte L schließlich den ultimativen Test, um seinen Verdacht zu überprüfen. Einem Frosch gleich, zuckte seine Zungenspitze hervor, schnellte gegen den weißen Würfel und zog sich gleich darauf wieder zurück.
 

Einen kurzen Moment ließ L den dadurch entstandenen Eindruck auf sich wirken, wischte sich anschließend mit dem Handrücken über den Mund und nickte verstehend.
 

Salz.
 


 

~
 


 

Die Erbauung eines perfekten Gebäudes bedurfte stets vieler wichtiger Kriterien, die es bereits zu beachten galt, noch bevor man auch nur das erste Mal Hand anlegte. Der Untergrund spielte dabei eine äußerst wichtige Rolle. Ebenso die zu verarbeitenden Materialien. Doch mindestens genauso wichtig waren auch die Umweltbedingungen. Kein Grundstein ließ sich setzen, wenn er von heftigen Regengüssen fortgespült würde. Und kein letzter Ziegel ließ sich anbringen, wenn ein Sturm ihn davon trug. Ganz egal wie oft man es versuchen würde.
 

Ein Sturm.
 

Beinahe entrüstet betrachtete Near das Kartenhaus vor sich, das nun bereits zum dritten Mal kurz vor seiner Vollendung in sich zusammenbrach.
 

Wäre er dazu in der Lage gewesen seinen Emotionen Ausdruck zu verleihen, hätte er vermutlich vor Wut geschrien, energisch auf den Boden unter seinen Knien geschlagen, oder wenigstens genervt aufgeseufzt. Doch nichts davon tat er.
 

Der kleine Junge blieb einfach nur regungslos vor den Trümmern seines mühsam erbauten Gebäudes sitzen und betrachtete die letzten Karten, die dank der unnatürlichen Zugluft durch den Raum getragen wurden.
 

Langsam glitt seine Hand gegen sein Haar, zwirbelte dort an einer der weißen Strähnen, während er in Gedanken jeden seiner zuvor getätigten Schritte durchging.
 

Der Untergrund - ein dünner Teppich aus kurzhaarigem Gewebe - hatte genügend Haftung für die unterste Ebene seines Kartenhauses geboten.
 

Das Material des Gebäudes - die so häufig benutzten Spielkarten - waren weder zu gut beschichtet, noch zu gerade um dem Gebilde keinen Halt zu geben.
 

Regengüsse gab es nicht. Nicht in seinem Zimmer.
 

Aus dem Augenwinkel betrachtete Near die Lüftungsgitter der Klimaanlage, die am oberen Ende der Wände angebracht waren.
 

Der Grund für sein erneutes Scheitern - so kurz vor der Vollendung seines Kartenhauses - kam also definitiv aus eben genannten Schlitzen. Ein unnatürlicher Sturm, dessen Ursprung ein falsch eingestelltes Thermostat war, zu welchem Near selbst keinen Zugang hatte.
 

Aber wer war dafür verantwortlich?
 

Langsam begann der Junge die einzelnen Überreste seines Gebäudes einzusammeln. Er kroch über den ebenen Fußboden und sah dabei immer wieder zu den Lüftungsgittern hinauf, aus denen, in regelmäßigen Abständen, der zerstörerische Strom blies.
 

Warum war die Klimaanlage heute so hoch eingestellt?
 

Wieso zirkulierte sie so stark?
 

Wer hatte das Thermostat manipuliert?
 

Wer könnte einen Grund haben, ihn derart in seinem Tun zu behindern?
 

Mit einem letzten, finsteren Blick erhob sich Near. Er kannte die Antwort auf all seine Fragen und nun wurde es Zeit den Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen.
 


 

~
 


 

"Den schnapp ich mir!", keifte Matt energisch, als er mit geballten Fäusten durch die Flure des Waisenhauses stampfte. Man, nein er, hatte ihm sein geliebtes Spiel gestohlen und es dann auch noch unverschämterweise gegen ein Mädchenspiel ausgetauscht! Wie konnte er es wagen?
 

Noch nie hatte Matt eine solche Wut auf seinen eigentlich besten Freund verspürt. Hatten sie denn nicht sowas wie eine unausgesprochene Abmachung, dass sie sich niemals gegenseitig an den Heiligtümern des anderen vergreifen würden? War das nicht irgendwie eine Grundvoraussetzung für eine Freundschaft?
 

Egal welchen Mist Mello sonst auch baute ... aber Matt hintergehen? Niemals hätte dieser das erwartet.
 

Wenn Mello seinen alltäglichen Hass an Near ausließ, okay. Das war ja nichts Neues.
 

Aber an Matt?
 

Seine Fäuste lockerten sich einen Moment, zogen sich dann allerdings noch angespannter zusammen. Das würde Mello ihm büßen.
 

Vor Zorn bebend bog der junge Spieler um eine Ecke des weitläufigen Flurs und erspähte die Tür, durch die er vorhatte gleich zu stürmen. Nur noch wenige Schritte trennten ihn von seinem besten Freund, den er sich sofort zur Brust nehmen würde.
 

Mello sollte heute lernen müssen, dass er definitiv zu weit gegangen war!
 

Matt spürte bereits sein vor Zorn kochendes Blut durch seine Adern strömen, fühlte die Hitze der Rachsucht auf seiner Haut, das Höllenfeuer des Hasses... nein, Blödsinn. Er hasste Mello natürlich nicht, aber rächen würde er sich an ihm auf jeden Fall!
 

Endlich hatte Matt die Zimmertür seines baldigen Opfers erreicht, legte auch schon seine Hand auf die Klinke, als er erschrocken zusammen fuhr.
 

"Willst du auch zu Mello?", drang es aus Schulterhöhe an ihn heran, ließ Matt innehalten und schließlich überrascht neben sich blicken.
 

Seit wann stand Near, dieser weiße Hausgeist, bitteschön neben ihm?
 

"Ich muss ebenfalls mit ihm reden, also bitte ... öffne die Tür", gab der Jüngere monoton zu verstehen, starrte dabei stur geradeaus auf das Holz und nickte diesem entgegen.
 

"Was willst du denn von ihm?", raunte Matt.
 

Dass er derart in seiner Rage gestört wurde, nervte ihn gewaltig. Doch viel mehr würde es ihn nerven, wenn Mello mit seinem Verrat davon käme. Deshalb tat Matt wie ihm geheißen und riss die Klinke herunter.
 


 

~
 


 

Das hier war falsch! Total falsch! Absolut beschissen falsch!
 

Wütend starrte Mello in die oberste Schublade seines Schreibtisches. Seine Augen waren weit aufgerissen und tränten beinahe vor Anstrengung, doch niemals würde er es dieser verfluchten Flüssigkeit erlauben seine Lider zu benetzen! Auch jetzt nicht, wo er eigentlich mehr als genug Grund dafür gehabt hätte heulend und kreischend seiner Wut Luft zu machen.
 

Wer hatte es gewagt?
 

Das Blut kochte in seinen Venen und brachte jede einzelne Ader seines jungen Körpers zum pulsieren.
 

Wer konnte nur so lebensmüde sein?
 

Energisch rieb er sich über die Stirn und wischte die Schweißperlen, die nicht zwangsweise aufgrund der alles verzehrenden Wut durch die Poren seiner Haut traten, in den Ärmel seines Pullovers. Nein, Wut oder gar Hass würden ihn niemals derart ins Schwitzen bringen. Hitze tat dies. Eine Hitze, die - verdammt noch mal - niemals in diesem Raum herrschen durfte!
 

Wie konnte sowas nur passieren?
 

Gut. Es war Sommer. Ein ziemlich heißer sogar. Aber ... wozu gab es denn bitteschön Klimaanlagen?
 

Mit weit aufgerissenen Augen starrte Mello auf die verchromten Gitter unterhalb seiner Zimmerdecke; versuchte sie einzuschüchtern in der dummen Hoffnung, dass sie ihm verraten würden wieso - zum Henker - sie keine kühle Luft ausstießen! Was war nur los mit diesen Dingern?
 

Noch während er, mit reiner Gedankenkraft, alles daran setzte die versteckte Klimaanlage hinzurichten, löste sich ein salziger Tropfen aus seinen Poren, rollte daraufhin über seine Stirn hinab und sprang ihm schließlich direkt ins Auge. Der Schweiß drang unmittelbar in seine Netzhaut ein und verursachte dort ein Brennen, das letztendlich zu folgendem führte: Das Fass lief über!
 

Purer Hass kroch aus seiner Kehle, brachte Mello zum Schreien als hätte der Teufel persönlich ihm seine Stimmbänder vermacht. Zeitgleich riss er die Schublade aus seinem Schreibtisch, die kurz darauf auf dem Fußboden aufschlug. Das Holz brach auseinander, wobei sich der Inhalt in allen Richtungen verteilte. In einem breit gefächerten Radius lag nun das um Mello herum, was für seinen neuesten Wutanfall verantwortlich war. Nämlich die Überreste von dem, was ihn sonst beinahe glücklich machte. Schokolade. Geschmolzene Schokolade.
 

"Mello!" Hinter ihm wurde die Tür seines Zimmers annähernd aus den Angeln gerissen. Sie schlug auf, knallte scheppernd gegen die dahinter befindliche Wand und brachte den Bewohner dieses Reiches schließlich dazu sich umzudrehen. Ganz langsam.
 

Mit einem zugekniffenen Auge starrte Mello dem Eindringlich entgegen, erkannte dabei Matt, der mit geballten Fäusten im Rahmen stand und auch nicht sonderlich fröhlich wirkte.
 

"Wo ist mein Spiel?", schrie Matt laut.
 

"Was hast du mit meiner Schokolade gemacht?", schrie Mello noch weitaus lauter.
 

Schwer atmend standen sich die beiden Freunde gegenüber, visierten sich an, als würden sie nur auf den Gong für Runde Eins warten. Und da erklang er auch schon. In Form einer monotonen Stimme, die sich ebenfalls zu Wort meldete: "Bei dir ist es sehr warm. In meinem Zimmer hingegen sehr kalt."
 

Near war an Matt vorbei getreten, schlurfte nun durch das Zimmer und sah der Klimaanlage entgegen. Seine Finger weilten bereits in seinem weißen Schopf und umschlangen dort eine gewellte Strähne.
 

Geschmolzene Schokolade.
 

Ein offensichtlich wütender Freund.
 

Ein Near inmitten seines Zimmers.
 

Das Ende der Welt nahte.
 

Die Tore zur Hölle waren geöffnet.
 

Mello war wütend.
 

Und zwar so richtig!
 

Mit geballten Fäusten, einem noch immer geschlossenen Auge und einem kehligen Knurren überlegte Pirat Mello welchen seiner beiden Besucher er sich nun zuerst zur Brust nehmen sollte, doch bevor er sich entscheiden konnte, trat auch schon ein weiterer Gast in das Fegefeuer. (Natürlich übertrieb Mello nicht. Er wusste einfach, dass selbst dem Teufel im Bikini hier zu heißt gewesen wäre.)
 

"Wie ich sehe, hat man euch auch übel mitgespielt", erklang Ls Stimme noch trockener als sonst.
 

Mellos Ehrfurcht vor dem Meisterdetektiven umklammerte seine angespannten Gliedmaßen und hielt ihn davon ab seine Mitschüler nacheinander auseinander zu nehmen.
 

"Auch?", brachte er nur keuchend hervor. Wieso auch? Wieso übel mitgespielt? Was - zum Bikini tragenden Teufel - war hier los?
 

"Ich muss zugeben", fuhr L fort, legte dabei einen Daumen zwischen seine Lippen, "dass ich zuerst Beyond im Verdacht hatte, da er durchaus dazu neigt mir Streiche spielen zu wollen, aber ..." Mit einem kurzzeitig angewiderten Blick zog L seine Hand wieder zurück, wischte sie sich an seiner weiten Jeans ab und deutete schließlich hinter sich in den Flur. Dort hockte sein annäherndes Ebenbild an eine Wand gelehnt. Beyond umklammerte ein großes Einweckglas, sah es immer wieder erwartungsvoll an, verzog dann aber sofort stets wehleidig seinen Mund.
 

"Man hat seine Erdbeermarmelade gegen Kirschmarmelade ausgetauscht", erklärte L beinahe mitleidig.
 

Mello nickte, da er den Verlust nachempfinden konnte, den dieses Häufchen Elend erlitten hatte. Also war sogar Beyond Birthday auf hinterlistige Weise um sein Wertvollstes betrogen worden.
 

"B hasst Kirschen", erwähnte Near das Offensichtliche, als wäre diese Tatsache auch nur einem der Anwesenden nicht bewusst gewesen.
 

L ignorierte diese Aussage jedoch, was Mello, für den Bruchteil einer Sekunde mehr als glücklich stimmte. Der Detektiv schritt dann schließlich an seinen versammelten Nachfolgern vorbei, trat an das große Fenster neben dem Schreibtisch und zog langsam einen der schweren Vorhänge beiseite. Das helle Tageslicht durchdrang den Raum, beleuchtete dramatisch die vor sich hin schmelzenden Schokoladentafeln auf dem Fußboden, wodurch Mello nun doch beinahe dazu verleitet wurde kreischend davor zusammen zu brechen. Der Anblick machte ihm mehr zu schaffen als er es jemals zugegeben hätte. Sein wundervoller Vorrat war vernichtet, zerstört, in die ewigen Jagdgründe geschickt worden. Nie wieder würde diese wunderbare Schokolade zwischen seinen Zähnen knacken können. Sie war ruiniert, verdorben ...
 

"Bitte folgt mir", orderte L gedankenvoll an. Er entfernte sich allmählich von dem Fenster, schlurfte zurück in den Flur und forderte dort auch Beyond auf, sich ihm anzuschließen. Dieser erhob sich nur mühsam, folgte dem Ältesten dann aber mit hängendem Kopf.
 

Near war der nächste, der sich den beiden anschloss. Er trottete ihnen ebenfalls hinterher.
 

Auch Matt verließ kurz darauf das Zimmer und ließ Mello somit für einen kurzen Moment allein. Dieser starrte noch einmal auf seinen verlorenen Schatz, wischte sich dann endlich den Schweiß aus dem Auge und eilte der ungewöhnlichen Gruppe hinterher.
 


 

~
 


 

Die Sonne schien mit voller Kraft in jeden Winkel des weitläufigen Gartens, vertrieb annähernd alle Schatten und hüllte jede noch so kleine Pflanze in ein harmonisches Licht.
 

Dies war einer dieser Sommertage, die es verdienten als wahrlich angenehm bezeichnet zu werden. Viel zu schön um ihn innerhalb eines Hauses zu verbringen.
 

Vor einem Videospiel oder Monitor.
 

Hinter einer Tür um sich dort nur Spielzeugen oder Süßigkeiten zu widmen.
 

Dieser Tag musste genossen werden. Unter allen Umständen. Selbst wenn dies bedeutete, dass man gewisse Bedingungen schaffen musste, um einige junge Männer aus ihren Unterkünften zu holen.
 

Langsam glitt ein kleiner Löffel durch die schmuckvoll verzierte Tasse, die auf dem runden Tisch im Garten stand. Dann wurde das Besteck auf einem Teller abgelegt. Es klirrte leise, störte jedoch die Ruhe nicht, die sich in dem Verursacher aller Untaten ausgebreitet hatte. Er wusste, dass er das Richtige getan hatte, wusste, dass er es wieder tun würde um jene aus dem Haus zu locken, die sich ihm nun allmählich näherten.
 

Zufriedenen sah Watari seinen Schützlingen entgegen, griff dabei seine Teetasse und setzte sie an seine Lippen.
 

Ein leises "Stubenhocker" gab er noch von sich, lächelte und trank schließlich den ersten Schluck.
 

Es gab doch nichts Schöneres als einen solchen Tag draußen an der frischen Luft zu verbringen und das würden sie schon noch irgendwann verstehen.
 

Ob sie wollten oder nicht.



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