Future for Future von Aka_Tonbo (Tatsuro Iwagami/Atsushi Sakurai) ================================================================================ Kapitel 11: ------------ Ein leises Ächzen stahl sich hervor, als Sakurai seine müden Glieder streckte und er den gerade gelesenen Brief mit einem seichten Lächeln in einer Schublade seines Schreibtisches verstaute. Tatsuros Briefe an ihn waren meist ein ziemliches Durcheinander. Schrieb dieser wohl so, wie ihm die Gedanken in den Kopf kamen. Aber nichtsdestotrotz freute er sich immer, wenn er etwas von ihm zu lesen bekam. Es gab ihm stets das Gefühl, dass er damals keine falsche Entscheidung getroffen hatte, sich ihm anzunehmen und ihm etwas Unterstützung zukommen zu lassen. Es war wie mit einem kleinen Bruder, den er nie gehabt hatte. Tatsuro war ein Charakter, der wenn man sich die Zeit nahm so viel mehr offenbarte, als man auf einen flüchtigen Blick annehmen würde. Natürlich war er auch immer noch ein normaler Teenager und Sakurai konnte nicht abstreiten, dass es ihm manchmal ziemlichen Spaß machte ihn mit kleinen Spitzen etwas aus der Fassung zu bringen. Das dieser eine gewisse Faszination für ihn empfand war ihm bewusst. Trotzdem verhielt sich Tatsuro nicht wie ein aufdringlicher Fan, was es Sakurai einfacher machte sich eine kleine Bruder/großer Bruder Dynamik einzureden. Er wollte sich nicht als einen Mentor sehen. Das erschien ihm in seinen Augen etwas zu distanziert. Auch wenn er Tatsuro einige Dinge mit auf den Weg gegeben hatte, was das Singen anging, musste dieser am Ende selbst entscheiden, was er für sich nutzen wollte. Selbst wenn sich herausstellen sollte, dass seine Band und ihre Musik sich nicht würde auf dem großen Markt behaupten können, so wäre er nicht enttäuscht, noch würde er ihn einfach verstoßen. Es reichte ihm zu erleben, wie sich Tatsuro diesem Ziel stellte. Mit allem was ihm aufzubringen möglich war. Und er wünschte ihm, dass es sich irgendwann für ihn lohnen würde. Zu gern würde er ihn einmal mit zu ihren Aufnahmen mitnehmen wollen, damit dieser eine Vorstellung davon bekam, wie sich so etwas abspielte. Leider gab es einige Faktoren, die davon abrieten und somit verwarf er diese Idee stets wieder. Es war einfach das Beste, allen unnötigen Aufmerksamkeiten so lange wie möglich aus dem Weg zu gehen. Für beide Seiten. *** Es war wieder Winter geworden, ohne das Tatsuro dem große Beachtung geschenkt hatte. Sein Leben schien ihm oft genug keine Zeit mehr dafür zu lassen, auch einmal auf die kleineren Dinge zu achten. Aber heute merkte er den Wechsel der Jahreszeit doch recht nachdrücklich. Mit einem Murren zog er sich die Kapuze seines dunkelblauen Filzmantels noch etwas tiefer ins Gesicht. Es sollte zum Glück nicht mehr lange dauern, bis der Zug, den er gedachte zu besteigen, einfahren würde. Dann würden ihm gut vier Stunden Fahrt bevorstehen, aber das Ziel war diese Reise auf jeden Fall wert. Selbst wenn er zu Fuß hätte gehen müssen. Es verging eindeutig immer viel zu viel Zeit bis er Sakurai wieder einmal persönlich zu Gesicht bekam, ohne das hunderte von Fans um sie herum tobten. Er hatte eines der Sommerkonzerte besucht und diesmal Sato dazu mitgenommen. Und es war gleich noch einmal so gut, wenn man sich mit jemandem darüber unterhalten konnte, der ebenso dabei gewesen war. Für Satoshi mochte seine anhaltende Begeisterung immer noch ein Spleen sein, und so gesehen war das auch ganz gut so. Tatsuro hatte schon lange aufgehört zu behaupten, dass er Sakurai persönlich kennen würde, denn auch er war nicht leichtsinnig genug irgendetwas zu riskieren. Somit war es auch nur bei einem Konzert geblieben, wo er ein Fan von vielen war. Aber es tat dennoch gut Sakurai gesehen zu haben. Ihn bei einer Bühnenshow zu beobachten war so ganz anders, als wenn man ihn als einfache Person vor sich hatte. Und doch zog Tatsuro keine Seite der anderen vor. Es war das Gesamtbild, das ihn derart faszinierte. Selbst nach all der Zeit konnte er es noch immer nicht recht fassen, dass gerade dieser Mann sich damals seiner angenommen hatte, anstatt ihn einfach als einen hoffnungslosen Fall abzutun. Es war noch gut eine Woche bis Weihnachten, und er fühlte sich erneut etwas nervös wenn er daran dachte, dass er Sakurai diesmal etwas schenken wollte. Dessen Geburtstagspräsent hatte sich als äußerst praktisch erwiesen, war es doch damit so viel einfacher in Kontakt zu bleiben. Die Frage zu beantworten, wie er denn zu diesem Gerät gekommen sei, hatte etwas Ideenreichtum gekostet. Immerhin war es noch nicht wirklich Gang und Gebe so etwas zu besitzen. Schon gar nicht jemand wie er. Er hoffte nur, dass sich Sakurai wenigstens etwas über sein Präsent freuen würde. Auch hier hatte er wieder etwas erfinden müssen, um Miya dazu überreden zu können. Es war früher Nachmittag, als er in Maebashi ankam, wo es genau so kalt war wie in Mito, als er es verlassen hatte. Aber das war nur noch eine Nebensächlichkeit. Tatsuro legte sich den obligatorischen Mundschutz an, als er sich zum Ausgang, ihrem verabredeten Treffpunkt, begab. Es brauchte nicht lange, bis Tatsuro die Person ausfindig gemacht hatte, die er suchte. Wusste er doch genau, wonach er Ausschau halten musste. Hätten sie nicht bestimmte Dinge abgesprochen, hätte er dem Man in dem grau-melierten Wolltrenchcoat und der dezent getönten Brille, der an einer der Pfeiler der Bahnhofshalle lehnte, auch nicht weiter Beachtung geschenkt. Sakurai trug einen enormen schwarzen Schal um seinen Hals, sodass man den Teil unterhalb seiner Nase gar nicht zu sehen bekam. Eine ebenso schwarze Beanie versteckte seine Haare, außerdem trug er eine dieser engen Jeans, die ihn modischen halbhohen Stiefeln steckte. Er hatte sich geirrt! Sakurai hätte so oder so seine Beachtung verdient, selbst wenn er ihn nicht kennen würde. Er hatte einfach so eine Aura. Aber gut, selbst wenn sie jemand zusammen sehen sollte, würde man ihn als den Neffen von Sakurais Schwägerin vorstellen. Sie hatten sich ausführlich darüber unterhalten, um nicht unangenehm überrascht zu werden, sollte man sie aufhalten. Deswegen trug er auch den Mundschutz. Diese Dinger waren immer eine gute Sache, um sich ein wenig unkenntlich zu machen. Tatsuro schaute Sakurai noch einen Moment lang einfach nur an, während dieser seinen Blick über die Menschen vor sich schweifen ließ. Als er ihn entdeckte, konnte er an dessen Augen erkennen, dass dieser unter seinem Schal zu Lächeln schien. Sakurai machte einen leichten Kopfzeig, das er zu ihm herankommen solle, dem Tatsuro auch ohne Umschweife folgte. „ Hey Oni-chan.“, folgte Tatsuro ihrer Scharade, was Sakurai ihn kurz und mit einem leichten Lachen umarmen ließ. Sakurai lotste ihn schließlich zu einem Parkdeck, bis dieser vor einem schwarzen, eleganten Mitsubishi zum Stehen kam und ihn öffnete. „Das Ganze hat schon ein gewisses Yakuza Flair.“, ließ Tatsuro ihn mit einem erheiterten Unterton wissen, als er neben Sakurai auf dem Beifahrersitz Platz nahm. Sakurai zog einen seiner schwarzen Lederhandschuhe aus und wuschelte Tatsuro durch die Haare. „Ich lebe eben um zu beeindrucken.“ * Es war nicht so, dass sie etwas Bestimmtes mit ihrer Zeit geplant hatten. Tatsuro wäre glücklich, selbst wenn sie sich nur unterhalten würden. Also überließ er es Sakurai, wohin er sie bringen würde. Er wagte einen verstohlenen Blick auf den Mann neben sich zu werfen, während er sie durch den Verkehr chauffierte. Die kürzeren Haare waren zuerst etwas gewesen, das Tatsuro beinahe zum Schmollen gebracht hätte. War doch das erste Mal, dass er Sakurai damit gesehen hatte, durch einen Artikel mit dazugehörigen Fotos in einem Magazin gewesen. Nicht das es Sakurai nicht auch gut stehen würde, aber irgendwie hatte er sich in seinem jugendlichen Trotz gewünscht, dass dieser ihn vorher dazu befragt hätte. Nur um sich dann wieder einen Idioten zu schimpfen, was er sich da eigentlich einbildete. „So, da wären wir.“ Dies ließ Tatsuro kurz blinzeln, bevor er seine Aufmerksamkeit von Sakurai nahm und durch die Windschutzscheibe schaute. „Huh?“, rutschte es ihm wenig intelligent heraus, als er in etwas Abstand einen Mauerwall erkannte. „Wenn du schon einmal hier bist, solltest du wenigstens ein Wahrzeichen dieser Stadt gesehen haben.“, grinste Sakurai ihn an und setzte an aus dem Wagen auszusteigen. Es war Tatsuro zuvor nicht weiter aufgefallen, sorgte die kalte Luft stets dafür, dass sich auf Sakurais Wangen ein dezenter Rotton zeigte, der nicht zur Besorgnis aufrief. Doch nun, wo sie das Maebashi Castle wieder hinter sich hatten, wirkte Sakurai ungesund blass. Auch wenn er sich sonst nichts weiter anmerken ließ. „Alles in Ordnung bei dir?“, hakte er dennoch nach, was ihm einen fragenden Blick von Sakurai einbrachte. „Ich kann mich nicht beschweren. Die Dinge laufen gut für uns.“ Sie hatten sich bis jetzt eigentlich nur über Themen unterhalten, die Tatsuro betrafen. Und er hatte auch ausreichend zu erzählen gehabt, weswegen es jetzt nicht wirklich ungewöhnlich erschien, dass Sakurai seine Frage als allgemeines Interesse aufgegriffen hatte. „Hast du Lust auf was zu essen?“, erkundigte sich Sakurai, noch bevor Tatsuro seine Frage zu dem eigentlichen Grund hätte richtig stellen können, was ihn letztendlich bestätigend nicken ließ. Es war ein etwas ungewöhnlicher Ort, führte sie ihr Weg doch in das Souterrain eines Gebäudes, wo sie schließlich ein kleines gemütliches Restaurant vorfanden. Alle Plätze waren in separate Nischen unterteilt, so dass man sich von den anderen Gästen ungestört fühlen konnte. Tatsuro verstand sofort, warum Sakurai diese Wahl getroffen haben musste. Es erinnerte ihn erneut daran, dass er neben Sakurai noch immer ein niemand war und diesem mit seiner Gesellschaft womöglich mehr Ärger bereiten konnte als er annehmen wollte. Aber er war auch egoistisch. Schon immer gewesen, wenn er etwas nicht aufgeben wollte und deswegen war es auch kein schlechtes Gewissen, das sich in ihm zeigte. Wenn er etwas in sich spürte, dann eher den Wunsch, dass dieser Tag nie zu Ende gehen sollte. „Es ist das erste Mal, dass ich dich derart konzentriert sehe.“, Sakurai schmunzelte leicht, als Tatsuro von seiner Karte aufschaute, die er gerade noch so eingehend, über seine wirbelnden Gedanken hinweg, fixiert hatte. „Essen und Musik, das sind die einzigen Dinge die diese Aufmerksamkeit auch wert sind“, versuchte er nonchalant zu kontern, als ihn Sakurai schon aus großen Augen anschaute und sich theatralisch eine Hand auf sein Herz legte. „Das trifft mich nun doch.“ Tatsuro wusste, dass es nur dazu dienen sollte ihn aufzuziehen, aber er konnte die wärmende Flut, die ihn deswegen erfasste, nicht zurückhalten. Mit einem „Tsk“, versteckte er sein Gesicht hinter der Karte, hörte aber noch das leichte Feixen von Sakurai. „Und du willst nichts?“ Tatsuro schaute etwas irritiert auf Sakurai, der sich einfach nur ein weiteres Glas Wasser bestellt hatte, als Tatsuro seine Wahl der Bedienung mitgeteilt hatte. „Ich hab keinen großen Hunger.“ Darauf konnte Tatsuro nicht wirklich etwas erwidern, also beließ er es dabei und nippte stattdessen an seiner Cola. Ein Blick auf seine Uhr verriet, dass sein Zug in nur zwei Stunden wieder zurückfahren würde, was ihn etwas unglücklich dreinschauen ließ. Es war immer dasselbe. Wenn er schon mal die Möglichkeit hatte Sakurai zu treffen, dann verging die Zeit derart rasch, dass es ihn immer mit einer leichten Panik erfüllte wenn er merkte, dass ihm nicht mehr viel Zeit übrig blieb. Wer konnte schon sagen, wann sie sich wieder einmal würden sehen können? Was ihm wieder etwas ins Gedächtnis rief. Eilig wühlte er in seiner Tasche herum, bis er das kleine rechteckige Präsent in seiner Hand hielt und es sich in deren Schutz noch einmal unsicher ansah. Er hatte sich die Mühe gemacht, es in Geschenkpapier einzuwickeln, auf welchem Katzen mit drolligen Weihnachtsmützen zu sehen waren. Es erschien ihm perfekt dafür. „Uhm…ich…ich hab hier etwas, das ich dir geben möchte.“ Damit nahm er allen Mut zusammen und schob es über den Tisch hin zu Sakurai, der etwas verwundert auf die kleine Kiste blickte. „Für mich?“ Tatsuro nickte aufgeregt. „Es ist ein…ein Demo Tape. Wir haben ein paar eigene Songs eingespielt und ein paar Cover sind auch noch mit drauf.“ Er fühlte sich wirklich albern, dass er Sakurai nicht Ansatzweise ansehen konnte, während seine Erklärung. „Ich wollte, dass du unsere Songs als Erster hörst. Miya hat sie geschrieben. Er ist ganz gut darin. Uhm ja…“ Das Servieren seines Essens erlaubte es ihm dies als Vorwand zu nehmen, sich nun damit befassen zu können, anstatt Sakurais Reaktion abzuwarten. „Das bedeutet mir wirklich viel. Danke.“ Tatsuro schaute Sakurai noch immer nicht an, zeigte aber ein erleichtertes Lächeln auf sein Gesicht auf dessen Worte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)