Zimt und Zigarette von Jaelaki (Harry Potter und Severus Snape | Adventsbeitrag 2017) ================================================================================ Kapitel 1: Zimt und Zigarette ----------------------------- Vor ein paar Jahren hätte er das Gespräch noch mit einem »Was in Merlins Namen erdreisten Sie sich, Sie idiotischer, inkompetenter Trottel?«, dann mit »Was soll das, Potter?« begonnen, jetzt ließ er seinen Blick über die verregnete Straße gleiten, die Pfützen, das Licht der Straßenlaternen, das sich in ihnen spiegelte und schwieg. Er musste einen Augenblick weg von dem weihnachtlichen, absurden Chaos in dem abstrus weihnachtlich dekorierten Haus, wo der Köter lautstark eine Anekdote von sich gab und der unvollständige Rest der Herumtreiber laut lachend Details zu den Geschichten beitrug. Er wusste nicht, was er mehr verabscheute, diese Menschen drinnen oder Potter, der vor der Tür stand und eine rauchte. »Der Rauch einer Zigarette enthält 4.800 Substanzen, davon rund 250 giftige oder krebserzeugende.« »Ich weiß. Sie sagen mir das jedes Jahr.« »Und offensichtlich prallt es an Ihrem übermäßig dicken Schädel ab oder verpufft irgendwo zwischen inaktiven Neuronen.« Potter lächelte nur schief, zog wieder an dem glimmenden Stängel und Snape wollte ihn am liebsten in mindestens einer dieser 250 giftigen Substanzen tränken. Oder vielen. Stattdessen ignorierte er so gut er konnte die gedämpften Stimmen, die durch die Tür drangen, und Winter Wonderland, das im Hintergrund dudelte. Ansonsten war Godric's Hollow um diese Uhrzeit ruhig. Es roch nach Winter, diese eisige Luft und gleichzeitig nach Zimt und Glühwein, wenn nicht gerade Potters Zigarettengestank zu ihm wehte. Er wusste nicht, was ihm mehr Übelkeit bescherte. Snape warf ihm einen Seitenblick zu. Potter war wieder ein Jahr älter geworden, aber sein Haar war wie immer das unausgesprochene Chaos, seine verdammten Augen natürlich noch immer so grün wie die seiner Mutter. »Sie haben also nicht getan, was angebracht gewesen wäre.« Mal wieder. Wenn er sich auf eines hätte verlassen sollen, dann darauf, dass Potter nicht tat, was er tun sollte. »Das ist nicht so einfach.« Severus Snape verdrehte die Augen. Natürlich war nichts jemals für Potter einfach, obwohl es simpel war. »Wenn Sie dieses ganze obszöne Theater jedes Jahr spielen müssen, dann streichen Sie mich doch bitte von Ihrer sicherlich sehr langen Gästeliste.« Potter verzog kurz das Gesicht und er bereute es fast – aber nur fast, letztlich war und blieb es Potter, den er hier ertragen musste. »Sie glauben nicht wirklich, Sie würden mir etwa einen Gefallen tun, oder?« »Keine Sorge. Ich bin mir absolut sicher, dass ich da nur sehr egoistisch bin.« Während sie schwiegen, trällerte die Weihnachtsmusik im Hintergrund, erfüllte die Stille mit dem Versprechen nach Freude und Frieden. Drinnen erschallte Lachen. Wahrscheinlich tanzte Albus wieder mit einem Paar Socken in der Hand zu All I want for Christmas. Alles hier war einfach nur vollkommen absurd. »Haben Sie mit Ihren Eltern darüber geredet oder diesem verlausten Köter oder dem Schulleiter?« Nach all den Jahren funkelte Potter ihn nicht einmal mehr wegen der Betitelung seines Paten an. »Ja.« Er nahm wieder einen Zug, atmete tief ein und aus und betrachtete die Straße, als würde sie verschwinden, sollte er wegschauen. Sein Blick glitt über Lichterketten an Nadelbäumen in den Vorgärten und Lichterbögen in den Fenstern. Als würde dieser Augenblick verpuffen, als wäre er nie dagewesen, sollte er sich nicht alle Details einprägen. »Und?«, fragte Snape genervt und massierte sich die Schläfe, wo sich bereits die Kopfschmerzen ankündigten. Alle Jahre wieder. Potter zuckte die Schultern und am liebsten hätte er ihm Punkte abgezogen. Aber die Zeit war schon lange vorbei. In solchen Momenten vermisste er sie fast. »Wann wird es Ihnen reichen, Potter? Wie viele Jahre noch?« Aber dann erinnerte er sich daran, dass er jetzt endlich hätte frei sein können und bereute nur, wieder hier sein zu müssen. »Nie, aber das kann ich inzwischen irgendwie akzeptieren. Das Leben geht halt weiter, oder?« Potter grinste schief und Severus Snape schnaubte. Diese These war angesichts ihrer Situation natürlich völlig absurd. Drinnen gab es eine Explosion, dann ein Johlen und Kichern. Sicherlich wieder Fred Weasleys Interpretation von weihnachtlicher Vorfreude. We wish you a merry Christmas trällerten Black und James Potter und er fragte sich, ob er letztlich doch in der Hölle gelandet war. Ein Lächeln zog an Potters Lippen, das irgendwo auf dem Weg zu seinen Augen verloren ging. »Kennen Sie das Gefühl, wenn alle anderen glücklich sind und Sie fühlen sich nur wie ein Zuschauer?« Snape zog seinen Umhang fester an seinen Körper und schwieg, beobachtete, wie sich der Zigarettenrauch mit der Luft vermischte und in der Dunkelheit verschwand. Er antwortete grundsätzlich nicht auf so kognitiv limitiert rhetorische Fragen. Natürlich kannte er das Gefühl. Er erinnerte sich kaum an eine Phase in seinem Leben, in dem er sich anders gefühlt hätte. Potter warf einen Blick durch das Fenster. Snapes folgte ihm. Am Weihnachtsbaum glitzerte der Feenstaub und die schwebenden Kerzen verbreiteten ein warmes Licht. Girlanden wandten sich um Möbelstücke und die Menschen schienen glücklich. Allein der Anblick drehte Snape den Magen um. »Sirius hat gemeint, das geht vorüber und Professor Dumbledore, ich muss loslassen. Meine Eltern haben gesagt, ich sollte mit jemandem darüber reden.« James Potter stand mit dem Rücken zu ihnen, aber Lily tanzte und lachte. Ihr Haar wirbelte um sie herum. Snape riss sich von dem Anblick los und fixierte Potter. »Und ich bin mir sicher, sie haben damit nicht mich gemeint, sondern einen guten Therapeuten. Suchen Sie sich einen verdammt guten, Potter, und lassen Sie mich endlich in Ruhe.« »Ich habe Sie nicht hergebracht, um zu reden. Ich will nur –« Für einen Wimpernschlag blitzte das Bild des elfjährigen Schülers auf, den er so leicht lesen konnte. Schuldgefühle, die sich in seiner Mimik festsetzten, wie Schimmelsporen, dann rückte die Maske wieder an den Platz und Potter schaute unbeteiligt drein. »Ich weiß«, schnarrte Snape und blickte durch das Fenster. »Genau das ist das Problem.« Er kannte den Sog, den Erinnerungen ausübten. Die Macht der Möglichkeiten, die man nicht ergriffen hatte. Augenblicke, die an einem vorübergezogen waren, ohne dass sie jemals wirklich da gewesen waren. Die Stille, in der die Stimmen brüllten. »Meine Eltern haben gemeint, ich soll mein Leben genießen.« Potter lachte leise und dieses Geräusch erinnerte Snape an jemanden, der einen Witz erzählte, von dem er wusste, dass die Pointe keine war. »Ich bin mir sicher, dass sie nicht verstehen, dass ich genau das tue.« Das Ganze hier war tatsächlich ein schlechter Witz. Snape schnaubte. »Nein, wirklich. Ich habe richtig gute Freunde, einen tollen Job, eine wunderbare Frau. Es ist gut, wie es ist und ich weiß das. Ich lebe mein Leben und ich bereue es nicht.« Seit wann senkte Potter nicht einmal mehr den Blick, wenn er so dreist log? Oder war es keine Lüge? »Ganz besonders an diesem Abend im Jahr.« Wie lange würde Potter es noch schaffen, diesen Gegensatz in sich auszuhalten? Snape vergrub die Hände tiefer in den Taschen seines Umhangs. Die Kälte der Nacht umklammerte ihn inzwischen wie zig eisige Finger. Er brauchte unbedingt einen heißen Glühwein. Oder mehrere. Wahrscheinlich würde diese Kälte aber tief in seinem Innern bleiben, dieses Gefühl, wo kein Glühwein hinkam. Weasley stimmte lautstark in den schiefen Gesang der Herumtreiber zu Last Christmas ein. Potter indessen nahm einen letzten Zug, dann schnippte er den Stängel auf die nassen Steine und drehte sich gen Eingang. »Du solltest aufhören damit«, sagte Snape und Potter warf ihm einen Blick zu. »Ich weiß. 250 giftige Stoffe und so.« Er war sich sicher, dass Potter wusste, wovon er sprach, aber als er ihn anschaute, wusste er auch, dass er Potters Zwiespalt nur zu gut kannte. »Du solltest den Stein loswerden, Harry.« »Ich weiß. Das sagst du mir jedes Jahr.« Und vielleicht, dachte er mit einem Brennen im Bauch, sollte er wirklich jeden Augenblick seines Lebens genießen. Jeden Moment, in dem sich ein Stück Glück reflektierte. Auch die, die auf einer Lüge beruhten. Potter sah nochmal zurück nach oben in den Himmel, wo vereinzelt zwischen undurchdringlichem Schwarz Sterne aufblinkten. »Vielleicht fängt es doch noch an zu schneien«, murmelte er. Vor ein paar Jahren hätte er das Gespräch noch mit einem »Hören Sie endlich auf, sich im Selbstmitleid zu suhlen, Sie intelligenzallergischer Idiot!«, dann mit »Fangen Sie jetzt an zu heulen, Potter?« beendet, jetzt ließ er seinen Blick über Potter gleiten, das Licht der Weihnachtsketten, das sich in seiner Mimik spiegelte und atmete die Mischung aus Zimt und Zigarette ein. »Ja, vielleicht.« Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)