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Heilende Hände

Rose x Scorpius
von

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Der Patient

Als ich aufwachte, war es noch dunkel. Mein Wecker klingelte schrill und zeigte 05:45 Uhr in roten Zahlen an. Ich stand immer um diese Zeit auf, damit ich es pünktlich um 7 Uhr zu meiner Schicht schaffte. Ich wohnte zwar nur zehn Gehminuten vom St. Mungo's entfernt, doch ich brauchte morgens meine Zeit, um wirklich wach zu werden und mich fertig zu machen.

Nachdem ich den Wecker ausgeschaltet hatte, blieb ich noch ein paar Minuten liegen. Vor allem im Winter genoss ich die Wärme meines Bettes. Versteht mich nicht falsch, ich liebe den Winter und die Kälte und die glasklare Luft, die meine Lungen beim Einatmen brennen lässt. Doch im Kontrast dazu liebe ich auch die Wärme meiner Kissen und Decken.

Als ich letztendlich doch aufstand und in die Küche ging, um mir einen Kaffee zu machen, lief ich unweigerlich an meinem Schlafzimmerfenster vorbei. Ich schaute hinaus auf die kleine Seitenstraße, in der ich wohnte, ganz in der Nähe der Kensington Gardens, die ich über alles liebte. Es hatte geschneit über Nacht, sodass alles mit einer zentimeterdicken Schneeschicht bedeckt war. Herrlich!

Nachdem ich meine morgendliche Routine durchgezogen hatte, machte ich mich auf den Weg zur Arbeit. Der schnee knirschte unter meinen Stiefeln, und ich war bester Laune, als ich durch das vernagelte Schaufenster stieg und die Eingangshalle des St. Mungo's betrat.

Sofort erfasste mich wieder die Geschäftigkeit des Krankenhausbetriebs. Überall liefen Schwestern und Pfleger herum, besorgte Angehörige und Patienten selbst. Im Grunde war es das reinste Chaos, aber es war ein geordnetes Chaos, das ich schnell zu durchschauen gelernt hatte.

Ich arbeitete mich mit vielem "Guten Morgen!" und "Wie geht's?" auf meine Station vor, zog mich um und warf mir meinen weißen Umhang über. In dieser Beziehung sind wir den Muggeln ziemlich ähnlich. Sie sind genauso stolz auf ihre Arztkittel wie wir Zauberer auf die weißen Umhänge, die uns als Heiler ausweisen.

Zusammen mit den anderen Heilern meiner Station begab ich mich ins Besprechungszimmer zur Schichtübergabe. Das bedeutet, dass die Heiler, die in der Nacht gearbeitet haben, berichten, was passiert ist, welche Patienten zu behandeln sind und in welchem Zustand sich diese befinden. Dabei geht es immer ziemlich hektisch zu. Meistens werden die Namen der Patienten gar nicht erwähnt, sondern nur die Zimmernummer. Nur eine halbe Stunde später würde ich mir wünschen, dass wir die Namen nennen würden…

Denn ein Zimmer erregte schon ohne Namen meine Aufmerksamkeit.

"Zimmer 6.16", sagte die Kollegin, "männlicher Patient, 21, muss in ein sehr verheerendes Duell geraten sein. Er kam mit mehreren Verletzungen aufgrund diverser Flüche. Wir haben das Gröbste wieder hinbekommen, aber er ist dem Tod wirklich nur knapp von der Schippe gesprungen. Er hatte mehrere Schürfwunden, Blutergüsse und innere Blutungen. Wie gesagt, das meiste haben wir heilen können, aber er wird noch eine Weile brauchen, bis er wieder auf dem Damm ist. Aber noch etwas ist äußerst seltsam. Obwohl seine Werte soweit stabil sind, scheint er jeglichen Lebenswillen verloren zu haben."

Das machte mich hellhörig. Ein junger Mann, genauso alt wie ich, der nicht mehr leben wollte? Auf meiner Station? Aber nicht mit mir!

"Weißt du genauer, was passiert ist?", fragte ich. "Warum er keinen Lebenswillen hat?"

"Nein, keine Ahnung", kam die Antwort.

"Wie heißt er?"

"Weiß ich auch nicht. Er spricht nicht."

"Gar nicht??"

"Kein einziges Wort seit er in der Nacht herkam."

Unfassbar. Das würde ich mir näher ansehen müssen.

Nach der Übergabe begann die Visite. Mit einem ganzen Heer an Heilern und Helfern im Schlepptau ging ich von Zimmer zu Zimmer, sprach mit den Patienten und erteilte Anweisungen zu deren Behandlung. Dies war der einzige Moment des Tages, an dem ich mich tatsächlich als Chefin gab. Den Rest der Zeit gab ich mir alle Mühe, mit allen Kollegen gleichwertig zu agieren.

Ich beeilte mich ein wenig mit meinen Patienten, da ich wirklich neugierig war, was mich in Zimmer 6.16 erwartete. Wenn der Patient in meinem Alter war, dann war er ja möglicherweise in meinem Jahrgang in Hogwarts gewesen.

Die Spannung stieg, als wir endlich vor dem letzten Zimmer ankamen.

Olivia, meine Lieblingshelferin und beste Freundin, sah, dass ich zögerte.

"Was ist los, Rosie?", fragte sie.

"So genau kann ich es nicht sagen", antwortete ich. "Wenn er 21 Jahre alt ist, kenne ich den Patienten vielleicht aus Hogwarts. Und wenn er keinen Lebenswillen mehr hat, will ich unbedingt wissen wieso."

"Na wenn du hier draußen stehen bleibst, wirst du es jedenfalls nicht erfahren", sagte Olivia und lächelte mir ermutigend zu. Natürlich hatte sie Recht.

Erwartungsvoll drückte ich die Tür auf und…

… wäre im nächsten Moment am liebsten wieder rückwärts hinausgestolpert. Vor mir im Patientenbett, mit glasigen Augen an seine Kissen gelehnt, lag Scorpius Malfoy.

Ich bekam einen regelrechten Schreck, als ich ihn sah, noch blasser als sonst, nicht vor Charme sprühend, wie ich ihn in Hogwarts kennen gelernt hatte. Wir waren nie miteinander ausgekommen, schon wegen unserer Eltern nicht. Noch dazu hatte er fast ganz Hogwarts ins Bett bekommen, doch bei mir war er abgeblitzt. Seitdem hatte er alles daran gesetzt, mir das Leben so schwer wie nur möglich zu machen.

Doch ihn in seinem jetzigen Zustand zu sehen, tat mir unendlich leid, und ich würde alles daran setzen, ihn wieder auf die Beine zu bekommen!

"Du kennst ihn tatsächlich oder?", fragte Olivia, nachdem ich mich nach 2 Minuten intensiven Starrens immer noch nicht bewegt hatte. Doch ihre Frage holte mich in die Realität zurück. Ich sah Olivia an, nickte kurz und näherte mich dann endlich dem Patientenbett.

Scorpius blickte mich nicht einmal an, als ich mich an seine Seite stellte und ihm die Hand auf die Schulter legte. Er starrte weiterhin einfach nur aus dem Fenster.

Ich sah meine Lieblingshelferin an, um ihr zu signalisieren, dass sie den Patienten vorstellen konnte. Sie räusperte sich und begann.

"Scorpius Malfoy, 21, kam in dieser Nacht wegen mehrerer schwerer Verletzungen, vermutlich ausgelöst durch unterschiedliche Flüche. Heilerin Watson hat die äußeren Wunden behandelt. Ob es weitere Verletzungen gibt, ist noch nicht klar. Momentan ist der Patient apathisch und nur teilweise ansprechbar."

"Danke Olivia", sagte ich. "Als erstes müssen wir herausfinden, ob sein Körper noch weiteren Schaden genommen hat. Wenn möglich, müssen wir wissen, welche Flüche ihn genau getroffen haben."

"Und dann sehen wir zu, dass wir seinen Geist wieder hinkriegen", fügte ich an Olivia gewandt leise hinzu.

Ich verteilte die Patienten und weitere Aufgaben an die Heiler und Helfer, um den Stationsalltag zu starten. Alle Patienten mussten versorgt, Medikamente verteilt, die Station auf Vordermann gebracht und der Papierkram erledigt werden. Doch Scorpius gab ich an niemanden weiter. Um ihn würde ich mich selbst kümmern

Nachdem ich meinen eigenen Papierkram erledigt hatte, kehrte ich daher in sein Zimmer zurück. Immer noch starrte er aus dem Fenster. Ich war mir nicht einmal sicher, ob er seine Position seit heute morgen überhaupt um einen Millimeter geändert hatte. Nicht einmal als ich neben sein Bett trat und direkt vor ihm stand, änderte sich sein Gesichtsausdruck. Was war bloß mit ihm passiert? Ich hätte den Okklumentik-Lehrgang doch nicht verschieben sollen.

"Scorpius?", sagte ich und legte ihm die Hand auf die Schulter. Sie war fest und muskulös. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich keine Ahnung hatte, was Scorpius nach Hogwarts für Pläne gehabt und wohin es ihn tatsächlich verschlagen hatte.

"Scorpius?", versuchte ich es noch einmal. "Ich bin's, Rose. Rose Weasley."

In diesem Moment ruckte Scorpius' Kopf blitzschnell zu mir herum, sodass er mich ansehen konnte. Sprunghaft wich ich einen Schritt zurück. Ich glaube, ich hatte mich noch nie in meinem Leben dermaßen erschreckt.

"Rose", sagte Scorpius. Er war heiser, seine Stimme kam nur als ein Krächzen heraus.

Doch er hatte reagiert, er hatte etwas gesagt! Ich stand direkt wieder bei ihm und legte ihm die Hand auf den Arm.

"Rose", sagte er noch einmal.

"Ja", antwortete ich. "Ich bin hier."

Lange Zeit sah er mich nur an und ich schaute gespannt zurück. Dann sagte er: "Bitte. Bitte lass mich sterben."



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