Breath of the Gay von SmilingMana ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Links Schulter schmerzte, als er Holz nachlegte. Dort, wo der Glacirok ihn gestern in einem unvorsichtigem Moment getroffen hatte, färbte ein gewaltiger Bluterguss die Haut violett. Und da konnte er noch von Glück reden, denn ohne den tiefen Schnee hätte er den anschließenden Flug von der Klippe wohl kaum überlebt, ohne sich mindestens noch ein Bein zu brechen. Das Schwert, das ihm der Glacirok aus der Hand geschlagen hatte, war verloren. Ein kleines Ärgernis im Vergleich zu seinem Rückzug in die sichere Berghütte. Es geschah selten, dass er ein Vorhaben unterbrechen musste, um seine Wunden zu lecken. Im Hebra-Gebirge würde er mit einer kaum belastbaren Schulter aber nicht sehr weit kommen. Ihm graute schon vor morgen, wenn ihm das Feuerholz ausgehen würde und er gezwungen war, draußen in der Kälte neues zu schlagen, wenn er nicht frieren wollte. Er setzte sich vor dem Kamin auf den schon mehrfach geflickten Teppich und sah zu, wie die Flammen zu den neuen Holzscheiten hochzüngelten. Die Wärme tat gut. Draußen tobte ein Schneesturm, der ihn ohne den Zwischenfall mit dem Glacirok bestimmt auf einer der Hochebenen überrascht hätte, wo es weit und breit keinen Unterschlupf gab. Vielleicht hatten die drei Göttinnen es ja gut mit ihm gemeint und ihn lieber kampfunfähig gemacht, anstatt ihn den Kältetod sterben zu lassen. Link wollte gerade mal wieder vorsichtig seine Schulter kreisen lassen, als hinter ihm die Tür geöffnet wurde. Pfeifend und heulend strömte beißend kalter Wind herein, Schneeflocken wirbelten durch die Luft. Link fuhr herum und erblickte die bis zur Unkenntlichkeit verhüllte Gestalt, die dieses Chaos zu verantworten hatte. „Tür zu!“ Der fremde Mann - der Körpergröße nach zu urteilen war es einer - kam seiner gebrüllten Anweisung zügig nach. Er nahm seine Kopfbedeckung ab und wischte sich grob den Schnee von der Brille. Was nichts brachte, denn durch den Temperaturunterschied beschlug sie sofort und er konnte vermutlich nicht mehr sehen als zuvor. „Entschuldigung, aber ist das hier nicht eine von diesen Notfall-Berghütten, die allen Wanderern zur Verfügung stehen?“ „Ist es.“ „Dann ... stört es dich nicht, wenn ich-“ „Nein. Aber zieh den Mantel aus und häng ihn neben die Tür. Du tropfst.“ „Oh.“ Link beobachtete den unerwarteten Gast genau so lang, wie er brauchte, um sich von seiner Harmlosigkeit zu überzeugen. Es war ein Hylianer mit kinnlangem schwarzem Haar, in dessen Spitzen der Schnee glitzerte. Er wirkte etwas unbeholfen, konnte wegen der Brille vermutlich noch immer nichts sehen und hatte außer einem simplen Reiseschwert keine Waffen bei sich. Dann drehte Link sich wieder dem Feuer zu und bewegte langsam die Schulter, die ihm die ruckartige Bewegung zuvor spürbar übel genommen hatte. „Ich bin froh, diese Hütte gefunden zu haben. So froh“, erzählte der Mann, der inzwischen auf dem einzigen Stuhl am Tisch saß und seine Brille mit einem Tuch putzte. „Dieses Jahr ist einfach alles schief gegangen. Erst die Sache in Hateno, dann der erfolglose Ausflug in die Gerudo-Wüste ... es wäre die Krönung gewesen, jetzt auch noch im Hebra-Gebirge in einem Schneesturm umzukommen! Hoffentlich wird nächstes Jahr besser.“ „Ist das Jahr denn schon vorbei?“, fragte Link beiläufig, während er sich daran machte, das Abendessen vorzubereiten. Sein Gast konnte eine warme Mahlzeit sicher gut gebrauchen und er selbst verspürte auch schon wieder einen leichten Hunger. „Nicht ganz. Wenn ich mich nicht vertan habe, müsste heute ... Weihnachten sein.“ Er seufzte, laut und langgezogen. „Eigentlich wollte ich nicht noch ein Weihnachten allein verbringen ...“ „Du bist doch nicht allein“, sagte Link, dem solche Festlichkeiten ausgesprochen egal waren. Genau in diesem Moment wartete ganz Hyrule darauf, dass er wieder gesund genug wurde, um seinen Kampf gegen Ganon fortzusetzen. „Ja, aber so hatte ich mir das nicht vorge-... Hey, wo hast du das denn her?“ Link sah kurz von seinem Schaffen auf. Der Mann - der ihm inzwischen entfernt bekannt vorkam - musste den Kürbis in seiner Hand meinen. „Aus meinem Gepäck“, antwortete er. „Du schleppst solche großen Dinger mit dir rum? Krass ...“ Link zog es vor, lieber nichts von den über zweihundert Äpfeln und siebenundzwanzig Frostmelonen zu erzählen, die er ebenfalls in den seltsam geräumigen Untiefen seines Gepäcks stets bei sich trug. Der Mann ließ seinen Blick über Link schweifen, wie er da am Boden kauerte und Gemüse in die Pfanne schnippelte. „Du bewegst den Arm so komisch. Bist du verletzt? Soll ich helfen?“ Link schüttelte den Kopf. Gemüse schneiden war so ziemlich die einzige Tätigkeit, die ihm keine größeren Schmerzen bereitete. Der Fremde sollte sich erstmal aufwärmen; bestimmt waren seine Finger so eisig, dass er es nichtmal merken würde, wenn er sich aus Versehen schnitt. Er wünschte nur, der Kerl würde ihn nicht so bei der Arbeit anstarren. Das machte ihn nervös. „... Deine Stiefel. Die sehen aus wie die Schneestiefel, die ich meiner Freundin geschenkt habe.“ Link erstarrte in seiner Bewegung. „Also, der Frau, die nicht meine Freundin werden wollte, wenn man es ganz genau nimmt ...“, führte der Mann weiter aus, und ließ erneut ein gequältes Seufzen vernehmen. „... Tuska? Bist du das?“ Tuska - Link wusste jetzt, dass er es war - sprang auf. Der Schreck stand ihm ins Gesicht geschrieben, während er abwechselnd von Links Schneestiefeln zu seinen Augen sah. „Das SIND meine Stiefel! Wo, wo hast du, und woher weißt du ...“ Einen Moment lang durchlief seine Mimik im Schnelldurchlauf alle Emotionen, zu denen ein Mensch fähig ist, wurde traurig, zornig und verwirrt. Dann schloss sich sein leicht geöffneter Mund wieder und Tuskas Schultern fielen resigniert herab. „Du hast ihre Augen. ... Du warst das, stimmt's?“ In einer einzigen, fließenden Bewegung ließ Tuska sich zurück auf den Stuhl und seinen plötzlich sehr schwer gewordenen Kopf in seine Hände sinken. Link widmete sich wieder der Gemüsepfanne. Manchmal hat er an Tuska gedacht, dessen Verliebtheit er damals gnadenlos ausgenutzt hatte, um an seine seltenen Stiefel zu kommen. Jetzt, im Nachhinein, tat es ihm leid. Daraufhin fiel erstmal kaum ein weiteres Wort. Tuska bedankte sich höflich für das Essen, als es fertig war, und nahm es auf dem Bett sitzend zu sich, damit Link seinen Teller auf dem Tisch abstellen konnte. Bei der Gelegenheit ließ Link auch gleich unauffällig die halbvolle Weinflasche verschwinden, die sein Vorgänger in der Hütte zurückgelassen haben musste. Tuska sah noch immer wie das personifizierte Elend aus und sollte bloß auf keine dummen Ideen kommen. „Da oben hängt ein Mistelzweig“, sagte er dann plötzlich. Link schaute auf und tatsächlich: An der Laterne unter dem Dach, die mysteriöserweise immer brannte, hing ein Mistelzweig, den er bislang übersehen hatte. Vermutlich hatte Selmie ihn zu Beginn der Adventszeit dort aufgehangen. Link saß direkt darunter. Mit großen, skeptischen Augen starrte er Tuska an, der den Blickkontakt hielt und kurzzeitig sogar das Blinzeln vergaß. Dann lachte ebenjener kurz auf, blickte zu Boden und kratzte sich verlegen im Nacken. „Nee, das geht doch nicht ...“, murmelte er in den Kragen seines Hemdes und errötete. „Hätte ich die Klamotten von damals noch an, würdest du nicht zögern!“ Link wusste selbst nicht, warum er das sagte, noch dazu in diesem herausfordernden Ton. Er wusste jedoch, dass er Tuskas Verhalten in der Gerudo-Wüste durchaus als schmeichelhaft empfunden hatte, und nach jenem denkwürdigen Erlebnis bei den Zoras, wo er in der einen Sekunde mit Prinz Sidon ein Schluck „Wein“ getrunken hatte und in der nächsten viele Stunden später nackt in dessem Gemach aufgewacht war, konnte ihn sowieso nichts mehr schockieren. In Tuskas Kopf arbeitete es. Vielleicht dachte er daran, dass dieser Mann vor ihm noch immer die gleichen Augen hatte, die ihm bei seiner Beinahe-Freundin zuerst aufgefallen waren. Den gleichen mutigen Charakter, der ihm so imponiert hatte. Sogar die gleiche Figur, denn das Gewand hatte da wenig Raum für Fantasie gelassen, und die Flachbrüstigkeit der jungen „Dame“ war nie ein Problem für ihn gewesen. Link hatte damals vielleicht falsche Tatsachen vorgespielt, oder vielmehr Tuska in einem Irrglauben gelassen, war im Großen und Ganzen aber noch immer der gleiche Mensch wie in der Gerudo-Wüste. Tuska wurde klar, dass er Links Augen noch immer schön fand. Auch in dem Wissen, einen Mann vor sich zu haben. Im Nachhinein konnte keiner der beiden mehr rekonstruieren, wie genau sie unter dem Mistelzweig zueinander gefunden hatten. Plötzlich standen sie da, eng umschlungen, und küssten sich. Butterweich und vorsichtig, wie unschuldige Kinder, die das zum ersten Mal machten. Eine ganz sanfte, kaum wahrnehmbare Berührung zweier Lippenpaare, die einander umgarnten. Der Zauber zerbrach ziemlich plötzlich, als Tuska etwas leidenschaftlicher werden wollte und dabei an eine Stelle kam, die Link stechend daran erinnerte, dass er gestern einen Faustschlag von einem Glacirok kassiert hatte. „Oh, tut mir leid! Ist es schlimm?“ Besorgt neigte Tuska ein wenig den Kopf, um mit dem etwas kleineren Link auf Augenhöhe zu sein, und umfasste dessen Schultern. Unglücklicherweise tat das noch mehr weh, sodass Link den Körperkontakt zwischen ihnen schließlich löste. „Ist halb so wild“, sagte er, streckte und beugte den Arm und ließ das Schultergelenk kreisen. Tuska übernahm die Aufräumarbeiten, damit Link sich schonen konnte, und legte erneut unter. „Morgen geht uns das Feuerholz aus ... Das Holzhacken übernehme ich.“ Tuska sah zu Link, der auf dem Bett saß. „D-du hast doch n-n-nichts dagegen, w-wenn ich noch ein Weilchen, ähm ... bei dir bleibe?“ „Wenn du nichts dagegen hast, dass wir uns ein Bett teilen müssen?“, lautete die Antwort. Und so kam es, dass der liebe Tuska Weihnachten doch nicht allein verbringen musste. Link und er begaben sich bald darauf zu Bett und ließen die Glocken läuten, aber um das zu beschreiben, fehlt mir an dieser Stelle sowohl Zeit, als auch Lust. Ein andernmal vielleicht. THE END Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)