Wolf im Schnee von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 5: Trapped ------------------ In den folgenden Tagen ging es Stiles kleinem Patienten zunehmend besser; sogar so gut, dass der Fuchs nun damit anfing, dem Menschen gründlich die Hütte auseinanderzunehmen! Jedes Mal, wenn Stiles von einem seiner Ausflüge ins Haus zurückkehrte, fragte er sich, was das kleine Ungeheuer wohl dieses Mal wieder angestellt, umgestoßen oder zerkaut haben mochte und so wurde es langsam Zeit, sich einzugestehen, dass es Zeit wurde, Scotty 2 wieder in die Wildnis zu entlassen, auch wenn es Stiles schwerfiel, denn um ehrlich zu sein, hatte er die Gesellschaft des Tieres genossen und ohne den kleinen Strolch würde es wohl ganz schön einsam werden. Als der Biologe also an diesem Morgen nach dem Frühstück das Haus verließ, nahm er Scotty ganz einfach mit sich. Und während dem Menschen selbst ein wenig Wasser in den Augen stand, gingen dem Tier derartige Sentimentalitäten vollständig ab. Der Polarfuchs blickte sich noch einmal nach seinem Lebensretter um und dann entfernte er sich in übermütigen Sprüngen, wälzte sich fröhlich im Schnee und ward schon bald nicht mehr zu sehen: „Gern geschehen, du undankbarer Schuft!“ rief Stiles ihm gutmütig lächelnd hinterher: „Lass´ dich nicht wieder fangen, in Ordnung, Scotty?“ Dann startete der Wissenschaftler seinen Schlitten und fuhr eine ganze Weile über Land. Nachdem es in den vergangenen Tagen häufig geschneit hatte, war es heute zum ersten Mal wieder sonnig und freundlich, auch wenn das nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass es inzwischen noch kälter geworden war. Den einsamen schwarzen Wolf hatte Stiles zuletzt einmal kurz an dem Tag gesehen, nachdem er ihn auf Film eingefangen hatte. Es war ihm fast so erschienen, als wollte das Tier dem Menschen noch einmal zeigen `Ich lebe! Die Jäger haben mich nicht gekriegt!´, aber seitdem war er weder in der Realität in Erscheinung getreten, noch war er vor einer von Stiles stationären Kameras aufgetaucht. Wahrscheinlich war er längst weitergezogen. Ein wenig vermisste der Mensch ihn bereits. Auch die Jäger hatte Stiles nicht mehr gesehen, seit sie einmal ganz kurz vor seiner Linse erschienen waren und er war heilfroh darüber. Ihre Spuren hatte Stiles jedoch sehr wohl gefunden, nämlich sechs Tretfallen, die er an verschiedenen Orten in den letzten Tagen ausgemacht hatte. Selbstverständlich hatte er sie sogleich entschärft und konfisziert. Stiles befand sich im Revier des Rudels der alten Alpha-Wölfin. Dieses hatte er in den letzten Tagen immer wieder beobachtet und gefilmt und die Tiere hatten scheinbar beschlossen, dass dieser einzelne, seltsame, aufdringliche Mensch mit seinem Schlitten keine Gefahr für sie darstellte, denn sie duldeten ihn in ihrer Nähe, ohne sich in ihren täglichen Verrichtungen stören zu lassen. Auch heute hatte Stiles das Rudel wieder ausgemacht, spähte sie mit einem Fernglas aus und nun versprach es interessant zu werden, denn die Tiere befanden sich auf der Jagd. Sie hatten ein Karibu mit seinem etwa sechs Monate alten Jungen von der Herde getrennt und eingekreist. Das Muttertier und ihr Kind hatten keine wirkliche Chance und dennoch beschlossen sie scheinbar, nicht kampflos unterzugehen. Als Flucht nicht mehr möglich war, stellte sich die Kuh schützend vor ihr Kalb, präsentierte ihr Geweih und stellte sich der aussichtslosen Schlacht. Solche Szenen hasste Stiles im Grunde, doch er versuchte, es mit der nötigen wissenschaftlichen Distanz zu sehen. Wölfe mussten nun einmal fressen! Zum Glück ging es schnell und die Beutetiere mussten nicht lange leiden. Und dann geschah etwas bemerkenswertes. Als es nämlich ans Fressen ging, versuchte ein junger, kräftiger, vorwitziger Rüde sich vorzudrängen und sich als Erster zu bedienen. Natürlich wurde er hierfür von seiner Alpha in seine Schranken verwiesen und wich schließlich auch zurück, doch Stiles ahnte, dass dieses Männchen sicherlich früher oder später versuchen würde, seine Anführerin zu beerben, um selbst der Alpha zu werden. Der Biologe beobachtete die Szene genau und nahm sie mit seiner Kamera auf. Beim Fressen ließ sich genau ausmachen, welchen Rang die einzelnen Tiere im Rudel hatten und für Stiles, der schon lange mit Wölfen zu tun hatte, war es ein leichtes, die Tiere anhand ihrer Gesichter und anderer individueller Merkmale zu unterscheiden, womit andere Menschen mit Sicherheit ihre Schwierigkeiten gehabt hätten. Als die erwachsenen Tiere gesättigt waren, legten sie sich faul in den Schnee, um zu verdauen und um soziale Beziehungen zu pflegen. Einige schmiegten sich eng aneinander und begannen mit gegenseitiger Fellpflege, während andere eher für sich blieben. Auch hier ließ sich wunderbar die soziale Struktur dieses Rudels beobachten. Für den Biologen war es eine Freude! Während die ausgewachsenen Tiere ein wenig ausruhten, waren die Welpen jedoch unermüdlich. Der ganze Kindergarten war in Bewegung. Sie kläfften, jagten sich gegenseitig und schnappten nacheinander und einzelne von ihnen hatten offenbar kleine Nagetiere gewittert, die unter dem Schnee ihre Tunnel gegraben hatten, denn sie begannen zu buddeln, oder zu hüpfen, um dann mit Vorderpfoten und Schnauzen voran zu den kleinen Beutetieren vorzustoßen. Sie blieben erfolglos, doch nicht mehr lange, dann wären auch sie geübte Jäger. Es hatte ein klein wenig zu schneien begonnen und ein Blick auf die Uhr zeigte Stiles, dass es bereits drei Uhr war. In etwa zwei Stunden würde es dämmern und Stiles war ziemlich weit rausgefahren, so dass es langsam Zeit wurde heimzukehren. Er warf noch einen letzten Blick zurück auf das Rudel und startete dann seinen Schlitten. Nach etwa einer halben Stunde erblickte der Biologe einen Farbtupfer in der ansonsten weiß verschneiten Landschaft und hielt an, um nachzusehen, was das wohl sein mochte. Er war von Natur aus neugierig, aber er erhoffte sich außerdem, etwas mehr über die Wilderer herauszufinden, die sich hier herumtrieben, denn was immer dort herumlag, es war ganz eindeutig menschlichen Ursprungs! Stiles stieg von seinem Schlitten herunter und lief etwa dreihundert Meter in Richtung seiner Entdeckung. Im Näherkommen erkannte er, dass es ein T-Shirt war, ganz offensichtlich für ein Mädchen gedacht, mit seinem bunten, fröhlichen Aufdruck. Und ebenso offensichtlich nicht im Geringsten dazu geeignet, im Winter Alaskas getragen zu werden. Stiles wollte sich gerade danach bücken, um es näher zu betrachten, als er ein metallische Klicken hörte, doch da war es auch schon zu spät. Und mit einem Mal bestand die ganze Welt bloß noch aus Schmerz und er sah Sterne! Die Tretfalle war von Schnee bedeckt gewesen, weshalb Stiles sie nicht hatte sehen können und nun war er in ihr gefangen. Es dauerte einige Minuten, bis sich die Panik des Biologen so weit gelegt hatte, dass er einen klaren Gedanken fassen konnte: Nachsehen, wie groß der Schaden war und dann versuchen, sich irgendwie zu befreien! Durchatmen! Und was immer auch geschah, Bloß nicht das Bewusstsein verlieren! Unter großen Schmerzen ging Stiles zu Boden und untersuchte seinen rechten Fuß, der in der Falle steckte. Seine robusten Winterstiefel hatten scheinbar das Schlimmste verhindert, denn die Zähne der Falle konnten das Material nicht durchdringen. Trotzdem bestand immer noch eine gute Chance, dass etwas gebrochen war. Außerdem pochte der Fuß heftig, während er im Schuh immer weiter anschwoll. Dem Wissenschaftler war klar, dass er sich so schnell wie möglich aus seiner misslichen Lage befreien musste. Durch das gestaute Blut könnte er eine Thrombose bekommen. Außerdem bestand eine gute Chance, dass er hier draußen erfror, denn es war wirklich lausig kalt geworden und wenn die Dunkelheit einsetzte würde das noch schlimmer werden. Selbst seine Thermokleidung konnte ihn davor nicht ewig bewahren. Und so machte Stiles sich daran zu versuchen, die Falle wieder aufzusperren. Den kleinen Fuchs zu befreien war bereits ein Kraftakt gewesen, doch den eigenen Fuß herauszuziehen schien ein Ding der Unmöglichkeit zu sein, denn nun kamen die eigenen Schmerzen hinzu, die ihm alle Kraft zu rauben zu schienen, sowie der ungünstige Winkel, den er einnehmen musste und die klobige Kleidung, die es ihm erschwerten, gut an die Falle heranzukommen. Stiles kämpfte über eine Stunde. Ein paar Mal war ihm dabei sogar ein wenig schwarz vor Augen geworden und mittlerweile war er trotz der Eiseskälte total verschwitzt. Die Dämmerung hatte schon eingesetzt und wenn er es nicht schaffte, vor der Dunkelheit heimzukommen, dann würde er seinen Weg nicht finden, weil er sich bei Nacht nicht ausreichend zu Orientieren vermochte. Einen Augenblick lang gab Stiles auf! Er würde hier draußen sterben; allein, ungeliebt und von niemandem vermisst. Und im Frühjahr, nach der Schneeschmelze würden sie seinen ledrigen, verfärbten Leichnam finden. Er würde seinen Dad, Scott oder Lydia nie wieder sehen! Ihm liefen Tränen über die Wangen, die auf seinem Gesicht gefroren. Doch da erblickte Stiles etwas, was ihm schnell wieder Beine machte. Der schwarze Wolf war urplötzlich aufgetaucht, saß nun in einiger Entfernung da und betrachtete sich die Situation aufmerksam. Stiles würde wohl nicht die Chance erhalten, als ledrige Leiche zu enden. Er würde als Abendessen dienen! Erneut machte der Mensch sich daran, zu versuchen, die Falle wieder aufzusperren, doch diesmal gaben seine Angst und Verzweiflung ihm Kraft und schließlich gelang es ihm endlich. Jedoch hatte er keine Zeit sich lange über seinen kleinen Triumph zu freuen, denn nun hatte der Wolf begonnen, sich in Bewegung zu setzen und kam auf ihn zu! Stiles versuchte aufzustehen, doch er stellte schnell fest, dass an laufen mit seien Verletzungen überhaupt nicht zu denken war, also robbte er einfach am Boden. Sein Schlitten war bloß dreihundert Meter weit weg, doch er hätte genau so gut auf dem Mond stehen können, so langsam, wie Stiles vom Fleck kam. Und nun beschleunigte das Raubtier auch noch sein Tempo. Panisch ruderte Stiles im Schnee herum, ohne sich nennenswert vom Fleck zu bewegen. Jeden Augenblick würden mächtige Reißzähne ihn im Genick packen und das einzige, wofür der Mensch jetzt noch beten könnte, war ein rasches Ende! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)