Wolf im Schnee von GingerSnaps ================================================================================ Kapitel 4: Jäger ---------------- Am Morgen erwachte Stiles von einem Schaben, Rascheln und hohem Bellen. Er brauchte einen Moment um sich zu orientieren, wo er war und was vor sich ging, doch dann fiel ihm sein kleiner Hausgast wieder ein. Er erhob sich aus dem Bett, um nachzusehen wie es dem Tierchen mittlerweile ging und schlüpfte sofort in warme Pantoffeln und eine Daunenjacke, denn es war einmal mehr lausig kalt. An diese Temperaturen würde Stiles sich mit Sicherheit nicht gewöhnen! Dem Fuchs schien es offenbar gar nicht zu gefallen, dass er in einem Karton gefangen war, dann er bearbeitete diesen knurrend mit Zähnen und Krallen: „Hey, du Racker! Dir scheint es ja wieder ziemlich gut zu gehen, wenn du hier so ein Theater verastalten kannst!“ begrüßte der Biologe seinen kleinen Gast: „Was hältst du von Frühstück? Dann kannst du aufhören, den Karton zu fressen.“ Das knuffige, weiße Fellknäuel blickte ihn aus glänzenden, schwarzen Knopfaugen aufmerksam an, beinahe als könne es den Menschen verstehen. Stiles grinste, näherte sich dem Wildtier vorsichtig und hob es dann behutsam aus seinem papierenen Gefängnis: „Na, komm!“ sagte er und lief voran in die Küche. Der Fuchs ließ sich Zeit, doch dann witterte er scheinbar das ihm zugedachte Frühstück und kam angetrabt. Stiles hatte dem Tier eine Dose Thunfisch aufgemacht und ein rohes Ei darüber geschlagen, was ganz offensichtlich ganz nach dem Geschmack des kleinen Räubers war, denn er machte sich mit heller Begeisterung darüber her. „Lass´ es dir schmecken, Scotty!“ sagte Stiles gutmütig, wobei ihm natürlich vollkommen bewusst war, dass es nicht besonders schlau war, einem wilden Tier, dass er bald wieder in die Freiheit entlassen musste einen Namen zu geben, aber der kleine Kerl mit seinem süßen Gesichtchen hatte nun einmal frappierende Ähnlichkeit mit seinem besten Freund seit Kindertagen und so fühlte es sich ganz organisch und natürlich an, dem Tier dessen Namen zu geben. Das Wetter hatte über Nacht dramatisch umgeschlagen und nun heulte ein heftiger Schneesturm ums Haus. Da würde Stiles wohl heute einen Labortag einlegen. Er frühstückte zunächst und nahm dann bei seinem Patienten einen Verbandswechsel vor; eine Maßnahme, über die dieser wenig erfreut schien und immer wieder versuchte, nach den Händen seines Sanitäters zu schnappen, bis es Stiles, welcher wahrlich keine Lust darauf hatte, nähere Bekanntschaft mit den kleinen, messerscharfen Beißerchen zu machen, ihm kurzerhand die Schnauze mit einem Stück Verband verschloss. Das kleine Tier wirkte über diese Behandlung absolut entrüstet und wenn es das gekonnt hätte, dann hätte es vermutlich zum Protest die Vorderpfoten vor der Brust verschränkt: „Jetzt schau´ nicht so, Scotty! Das hast du dir selbst zuzuschreiben! Denkst du etwa, ich will hier mutterseelenallein am Arsch der Welt an einer Blutvergiftung verrecken, bloß weil dir meine Krankenschwesternqualitäten nicht passen? Vergiss´ es!“ erklärte Stiles dem Fuchs und kraulte ihm beruhigend und entschuldigend den Kopf, ehe er sehr behutsam den Verband abnahm. Zufrieden stellte er fest, dass die Verletzungen bereits zu heilen begannen und längst nicht so tief waren, wie zunächst angenommen: „Du hast Glück gehabt, Kleiner!“ erklärte Stiles munter, doch das sah das Tier scheinbar anders und beobachtete finster, was der Biologe mit ihm anstellte, wenn er schon nichts dagegen ausrichten konnte. Stiles verteilte Wundsalbe auf Verletzungen und legte einen frischen Verband an. Dann bekam der Fuchs noch Halsband und Leine verpasst, damit er keinen Unsinn anstellen und Stiles später nicht bei der Arbeit stören konnte und zuletzt wurde dem Tier der Knebel wieder abgenommen. Dies nahm der Fuchs zum Anlass, denn Menschen für die erlittene Misshandlung erst einmal ausgiebig anzubellen: „Du wirst es nicht glauben, aber ich verstehe dich Scotty!“ versicherte Stiles: „Aber jetzt sei lieb, und lass´ den Onkel arbeiten, ja?“ Er band den Fuchs in der Küche an, wo er am wenigsten anstellen konnte, stellte ihm Wasser und ein wenig Trockenfleisch hin und dann verschwand er im Labor. Er untersuchte die Proben, welche er gestern gesammelt hatte, was mehrere Stunden in Anspruch nahm. Am Ende stellte er fest, dass die Wölfe, von denen die Proben stammten insgesamt gesund zu sein schienen, bis auf einen leichten Wurmbefall. Nun hatte er Zeit, einige Aufzeichnungen zu machen und nebenher nachzusehen, ob die diversen Kameras welche er gestern aufgestellt hatte, etwas Interessantes eingefangen hatten. Er setzte sich also an den Computer und ließ die Aufnahmen im Schnelldurchlauf abspulen, während er gleichzeitig schrieb und immer wieder aufsah um zu sehen, was die Filme wohl preisgeben mochten. Tatsächlich hatte eine der Kameras ein Wolfsrudel eingefangen und Stiles erkannte, dass es jenes der alten, humpelnden Alpha-Wölfin war, welchem er gestern bereits live gegenübergestanden hatte. Eine der anderen Kameras zeigte eine riesige Wapiti-Herde, die in der Ferne vorüberzog, was bedeutete, dass Wölfe hier reichlich Nahrung vorfanden und außerdem einen gewaltigen, alten Grizzlybären, von dem Stiles wirklich darauf verzichten konnte, ihm einmal in freier Wildbahn zu begegnen. Während die Nachtaufnahmen liefen, schaute Stiles kaum hin, denn darauf sollte ja ohnehin nichts zu sehen sein. Dachte er zumindest! Eher zufällig blickte Stiles kurz auf und da sah er es; etwas wie ein blaues Leuchten und es war so schnell verschwunden, wie es aufgetaucht war. Zunächst nahm der Wissenschaftler an, sich getäuscht zu haben, spulte den Film lediglich zurück, um ganz sicher zu gehen und ließ ihn dann noch einmal in Normalgeschwindigkeit laufen. Dabei stellte er jedoch fest, dass er sich keinesfalls geirrt hatte. Etwas lief mitten in der finsteren Polarwinternacht durch das Bild und gab dabei zwei blaue Lichtpunkte ab! Stiles hatte nicht die geringste Ahnung, was zur Hölle dieses Etwas sein mochte. Er schaute sich die Aufnahme noch mindestens ein paar Dutzend Mal an, aber konnte sich einfach keinen Reim darauf machen. Beinahe sah es aus wie ein Augenpaar, doch das war natürlich Unsinn, denn im gesamten Tierreich gab es keine einzige Kreatur, deren Augen im Dunkeln leuchteten, ohne dass dabei eine Lichtquelle, ganz gleich wie schwach, im Spiel gewesen wäre und da draußen war ja nichts. Also blieb Stiles nur eine einzige andere Erklärung nämlich die, dass da draußen Menschen unterwegs sein mussten! Ein Tier, ganz gleich welches, wäre Stiles hier draußen lieber gewesen, denn da wusste er wenigstens, woran er war. Doch die Lichter waren nicht das Eigenartigste, was diese spezielle Kamera festgehalten hatte. Kurz nach Sonnenaufgang gab es nämlich ein Wiedersehen mit dem großen schwarzen Wolf und was dieser tat, war so bemerkenswert, dass Stiles die Kinnlade herunterfiel. Das Tier hatte sich auf seine Hinterläufe gesetzt und minutenlang in die Kamera geblickt, ohne etwas zu tun und das, obwohl es da bereits zu schneien begonnen hatte. Noch merkwürdiger war, WIE der Wolf sich vor der Kamera platziert hatte. Er saß genau im rechten Abstand, damit Stiles ihn gut sehen konnte und blickte dabei geradewegs in die Linse. Warum tat er das bloß? Wenn Stiles es nicht besser gewusst hätte, würde er fast behaupten, der Wolf hätte gewusst, dass er ins Fernsehen kommen würde. Natürlich war das vollkommen unmöglich und die logischere Erklärung war, dass die Kamera wohl ein Geräusch erzeugen musste, welches den Wolf interessierte und da war der Biologe bloß froh, dass das Tier dennoch davon abgesehen hatte, sein Equipment auseinander zu nehmen vor lauter Neugier. Gerade stellte Stiles schwärmerisch fest, dass dies wohl der allerschönste und mit Sicherheit auch der größte Wolf war, den er je gesehen hatte, als das Tier sich urplötzlich erhob und aus dem Staub machte, als sei der Teufel hinter ihm her. Sehr merkwürdig! Etwas schien ihn erschreckt zu haben. Ein paar Minuten lang geschah in dem Film rein gar nichts. Da waren nur der Schneeflocken und die weiße, weite Landschaft, doch dann liefen in der Ferne plötzlich zwei Gestalten vorüber und es waren Menschen, wie Stiles erkannt! Sie waren zu weit weg, um sie genau zu erkennen, zumal es immer noch schneite, doch Stiles hatte das Gefühl, eines von ihnen könnte eine Frau sein, denn er meinte, eine lange, blonde Haarsträhne gesehen zu haben. Dies waren möglicherweise seine Fallensteller. Stiles Herz pochte mit einem Mal heftig. Hatten diese beiden etwa seinen schwarzen Freund entdeckt? Für gewissenlose Wilderer musste ein Tier wie dieses doch so etwas wie der Hauptgewinn sein! Der Biologe sprach ein rasches Gebet, dass seinem schönen, großen Freund nicht zugestoßen sein mochte, und seine Sorge verschwand erst vollständig, als er mitten in der Nacht in seinem Bett lag und ein vertrautes Heulen vernahm. Die Logik sagte ihm, dass er nicht wirklich wissen konnte, dass dies `sein´ Wolf war, dennoch hatte er so ein Gefühl. Beruhigt schlief er ein. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)