Monstrum von Daelis ================================================================================ Kapitel 3: They will never know ------------------------------- Ruhelos drehte sich Gabriel auf dem schmalen Bett herum, das neben einem Beistelltisch und dem abgewetzten Sessel neben der Tür das einzige Möbelstück des Motelzimmers war, in dem der Assassine sich niedergelassen hatte. Seine Lider fühlten sich schwer an. Er war müde. Das Kommunikationsgerät lag still neben ihm. Niemand hatte ihn vermisst, sich gefragt, was er trieb. Talon vertraute ihm, soweit es möglich war. Reaper hatte sie nie enttäuscht oder den geringsten Anlass dazu gegeben, zu glauben, er würde ihnen in den Rücken fallen. Und das würde er auch nicht. Sein Ziel stand fest und er würde davon nicht mehr abrücken. Overwatch musste untergehen, die Agenten mussten sterben. Menschen, die er einst Freunde genannt hatten und deren Blicke doch kalt, abweisend und voller Misstrauen gewesen waren, als er Blackwatch übernommen hatte. Menschen, die sich abgewandt hatten, als Blackwatch offen angeprangert wurde.  Er fühlte keine Reue ob derer, deren Blut an seinen Händen klebte. Was geschehen war, war geschehen und Gabriel war niemals ein Mann gewesen, der zurückblickte. Zumindest redete er sich das ein, wenngleich der Umstand, dass er Angela immer wieder suchte, immer wieder ihre Nähe suchte, wohl dagegen sprach. Er war in der Vergangenheit gefangen, verheddert im Netz alter Gefühle. Darum tötete er Overwatch-Agenten. Nicht wegen dem, was die inzwischen verbotene Organisation heute war, sondern wegen dem, was sie einst gewesen war. Gabriel wusste, er belog sich selbst, wenn er etwas anderes behauptete. Manchmal schien es ihm, dass er vergessen hatte, etwas anderes zu sehen, als die Vergangenheit. Dann allerdings musste Gabriel zugeben, dass ihm sonst nichts geblieben war. Nichts, außer der Erinnerungen, der Empfindungen jener Tage, in denen er gelebt hatte.   Es dauerte lange, bis er endlich einschlief. Am Horizont hatte er bereits den Silberstreif gesehen, der den nächsten Tag ankündigte. Nichts hätte irgendjemanden ahnen lassen, dass in dem kleinen Zimmer auf dem unscheinbaren Bett, zugedeckt mit einer fadenscheinigen Decke, der Mann schlief, den so Viele fürchteten und von nichts anderem träumte als den schönsten Tagen seines Lebens. Früher war es ihm nicht klar gewesen, doch heute erschienen Gabriel diese Tage wie in klares, helles Licht getaucht. Ihm war klar, dass sein Verstand diese Momente beschönigte, dass es auch viel Schlimmes gegeben hatte, doch es hatte für ihn immer einen guten Grund gegeben, zurückzukehren. Nach jeder Mission hatte er sich - scheinbar widerwillig - in der Medic Bay gemeldet, hatte zugelassen, dass ihn Dr. Ziegler untersuchte und den Grimmigen gemimt, während er im Grunde immer froh gewesen war, wenn sie sich Zeit für ihn nahm. Selbst, wenn es nur um so kleine Dinge, wie einen kurzes Check-Up ging. Wann immer er verletzt worden war, hatte die Schweizerin an seinem Bett gestanden, gleich ob sie eigentlich frei hätte. Sie war immer da gewesen und ehe er es sich hatte versehen können, war sie mehr für ihn gewesen als nur die neue Ärztin bei Overwatch, als nur eine Kollegin. Er hatte ihr das nie gesagt. Nicht mit einem einzigen Wort in all der Zeit. Anderen war es aufgefallen. Ana hatte ihn sogar direkt darauf angesprochen, doch niemand hatte gewagt, die blonde Ärztin einzuweihen, ehe er selbst bereit war, es zu tun. Und so hatte er sie aus der Ferne bewundert, während sie doch zugleich zum Greifen nah gewesen war.   Wie hätte sie seine Gefühle auch erwidern können? Nicht nur, dass sie nicht annähernd die gleichen, strengen ethischen Regeln über ihr Leben warfen, allein seine Arbeit würde ihr missfallen, wenn sie auch nur die Hälfte von dem erführe, was bei Blackwatch vonstatten ging. Selbst Jack wusste bei weitem nicht alles. Gabriel ließ seinen alten Freund bewusst im Unklaren, wusste er doch, dass Morrison nicht guthieße, welche Methoden Gabriel anwandte, ganz egal ob sie nötig waren. Gabriel hatte das immer anders gesehen. Er tat, was nötig war. Dazu gehörten auch Dinge, auf die er nicht stolz war und die er niemandem wünschte, doch für ihn waren die Prioritäten immer klar gewesen und er hatte nie gezögert, nötige Opfer zu bringen. Womöglich war es eben diese Einstellung, die dazu geführt hatte, dass Jack - nicht er - Strike Commander von Overwatch geworden war, während er zu Blackwatch abgeschoben wurde. Am Ende passte dieser Platz wohl aber besser zu ihm. Allerdings war Gabriel nicht blind dafür gewesen, was sich vor seinen Augen abgespielt hatte. Angela war eine begehrenswerte Frau und nicht nur ihm war das aufgefallen. Besonders Jack, sein bester Freund, den er dafür ein klein wenig hasste, verbrachte viel Zeit mit der Ärztin. Kein Wunder, dass es bald Gerüchte gab. In den Augen Vieler waren Dr. Ziegler und Strike Commander Morrison das perfekte Paar. Sie beide hatten hohe Ideale, waren fleißig, freundlich, beliebt und Vorbilder, wie sie im Buche standen. Gabriel hasste die Gerüchte. Nicht, weil er sie für wahr erachtete - das hätte ihm Jack gesagt, darauf vertraute der Latino - sondern weil es ihm vor Augen führte, was er längst wusste. Angela und er, das würde nicht passieren. Nur in seinen Träumen, aber niemals in der Wirklichkeit.   Er hatte viel geflucht, hatte das Schicksal verflucht, hatte mit sich gerungen und allen um sich herum. Er hatte getötet, gefoltert und war dunkle Wege gegangen. Aber alles in allem, waren es gute Tage gewesen. Jeder Tag, an dessen Ende er Angela Ziegler in der Medic Bay hatte antreffen können, war ein guter gewesen. Noch besser waren die kleinen Treffen gewesen, die sie als Gruppe von Freunden teilten. All diese Leute, die heute nicht mehr für ihn waren als Namen auf einer Liste, die er nach und nach durchstrich. Gemeinsam hatten sie gelacht, Witze gemacht, gefeiert. Damals war es ihm vorgekommen, als würden diese Tage niemals enden, obwohl sein Verstand längst begriffen hatte, dass sie es zwangsläufig mussten. Sie alle könnten sterben - vielleicht nicht heute, vielleicht nicht morgen, aber sie würden sterben. Die meisten von ihnen lange vor ihrer Zeit. Das brachte der Job mit sich. Menschen starben. Gabriel träumte sich oft in jene Tage zurück, gleichermaßen voller Sehnsucht wie Zorn. Wie hatten sie alle zulassen können, dass es soweit kam, wie es gekommen war? Wie hatten sie ihm nach allem so den Rücken kehren können? Wie hatten sie ihn verraten können? Wie hatte er überhaupt zulassen können, dass es soweit kam?  Trotz all der Zeit, die vergangen war, all der Wunden, die nicht heilen wollten, gäbe Gabriel sonstwas darum, noch einmal da zu stehen, im Schatten wie ein Idiot, um die Worte zu hören, die er nicht hatte hören sollen. Er erinnerte sich an diesen Tag, als wäre es gestern gewesen. Eigentlich hatte Gabriel nur nach Angela gesucht, hatte ihr Lächeln gesucht und das Seelenheil, das er darin fand. Als er sie im Vorzimmer zu Jacks Büro fand, war es reiner Zufall. Im Vorübergehen hatte er die Stimmen gehört, hatte Angelas Lachen erkannt, dann Jacks. Ein flüchtiger Blick durch die nicht ganz geschlossene Tür hatte ihm alles verraten, was er hatte wissen müssen. Die Blicke, die sie tauschten, die kleinen Gesten. Angelas Hand an Jacks Arm, dessen Hand an Angelas Schultern. "Angela...", hatte Jack etwas verlegen begonnen und den Rest so leise genuschelt, dass Gabriel es nicht verstand, ja vielleicht auch lieber nicht verstehen wollte. Keine weiteren Worte fielen.    Sie küssten sich, diese beiden Menschen, die ihm so unendlich wichtig waren. Jack, sein Freund und Bruder im Geiste, für den er alles geben würde, immer und jederzeit. Für Jack ginge Gabriel durchs Feuer. Und Angela, die sein Herz erobert hatte, die ihn Dinge spüren ließ, die ihm den Atem raubten und deren Lächeln ihm Hoffnung gaben. Er hasste sich für den glühenden Schwall Eifersucht, der durch seine Adern zu fließen schien wie Lava. Es stand ihm nicht zu, diese Wut zu fühlen, diese Ohnmacht. Schließlich liebte er sie beide und wer war er, ausgerechnet diesen beiden Menschen ihr Glück zu missgönnen? Sein Verstand sagte ihm, er solle sich für sie freuen. Die für ihn wichtigsten Menschen waren glücklich. Doch die Pein blieb. Sein Herz wollte nicht folgen, raste und stockte in diesem Augenblick doch, setzte einen Schlag aus. Dieser eine Moment hatte all seine Vorsätze, offen mit Angela über seine Gefühle zu sprechen, davongefegt. Er verlor kein einziges Wort darüber, mimte den Überraschten, als Jack ihm verriet, dass die Ärztin und er jetzt ein Paar waren und log nicht einmal, als er ihnen beiden wünschte, dass sie glücklich würden. Was beinahe noch mehr schmerzte, als die beiden zusammen zu sehen, war, dass sie beide niemals wissen würden, wie er empfand. Sie würden es nie erfahren, niemals. Er musste wirklich ein Masochist sein, den Schmerz einfach erduldet zu haben und es bis heute zu tun. Für diese beiden Menschen hatte er alles geopfert. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)