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Noise Break

[Demonic Reverie]
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Ausnahmsweise ein Upload am Freitag, weil ein besonderer Tag ist. ^^ Komplett anzeigen

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Kapitel 3: Ich kann nicht klagen.


 

Besuchern der Belfonds fiel oft auf, dass die Wohnung der Familie wesentlich kälter war als jede andere. Sie heizten lediglich, wenn jemand zu ihnen kam, ansonsten kühlte Konia, Neridas Mutter, die Räume sogar auf Temperaturen herunter, die für die Familie angenehmer waren. Jeder von ihnen bevorzugte die Kälte, deswegen störte sich keiner daran.

Auch an diesem Morgen atmete Nerida zufrieden die kühle Luft ein, als sie auf den Gang trat. Sie war vertraut und unterschied sich von dem, was man im Winter wahrnehmen konnte. Beschreiben konnte sie den Unterschied nicht, aber sie bemerkte ihn immer wieder. Auf jeden Fall aber beruhigte sie die Kühle, ließ den zuvor erlebten Albtraum in die kaum erreichbare Ferne rücken.

Auf dem Weg zum Esszimmer kam sie an der Küche vorbei. Ihre Mutter war gerade dabei, das Frühstück vorzubereiten. Sie bewegte sich zwar ruhig, mit gezielten Bewegungen, aber ihr offenes grünes Haar fiel ihr dabei immer wieder über die Schultern, worauf sie innehielt und es zurückwarf, nur um direkt danach auch ihre Brille hochzuschieben. Dabei fiel ihr Nerida auf, die an der Tür stehengeblieben war.

»Guten Morgen«, sagte ihre Mutter, ihre Stimme wieder einmal weich wie Seide und so ruhig und beherrscht, dass man ihr den ganzen Tag lauschen könnte. »Ich komme gleich nach, geh ruhig schon mal rein.«

Nerida ging weiter. Im Esszimmer fand sie Ronan vor, der bereits am gedeckten Tisch saß und Kakao trank. Er nickte ihr zu, konzentrierte sich ansonsten aber ganz auf den kleinen Dämon, der auf seinem Schoß saß und es liebte, gestreichelt zu werden. Er sah aus wie ein kleines Kaninchen, aber seine Fellfarbe ging ins Grünliche, seine Zähne waren rasiermesserscharf und er trug mehrere rundliche Edelsteine in unterschiedlichen Farben um den Hals, die den Eindruck einer Kette erweckten. Manchmal schnurrte er sogar, wenn er von Ronan gestreichelt wurde.

Bernard war ebenfalls anwesend. Der inzwischen uralte Bernhardiner, den Nerida kannte, seit sie geboren worden war, lag auf dem Boden und schlief. Er schnaufte schwer und hob nur träge den Kopf, als Nerida sich neben ihn kniete, um ihm durch das Fell zu streichen. »Schlaf nur weiter.«

Er folgte ihren Worten, legte den Kopf wieder auf den Boden und stieß ein tiefes Seufzen aus. Sie erhob sich, als eine weitere Person ins Esszimmer kam. Mit seiner Anwesenheit erfüllte er sofort den gesamten Raum. Das lag zum einen an seiner ungeheuren Größe, aufgrund derer quasi jeder den Kopf in den Nacken legen musste, wenn er sich mit ihm unterhalten wollte. Dann waren da aber auch noch seine langen braunen Haare, deren Volumen es wirken ließ, als trage er stets einen Schleier mit sich, der ihm Respekt verleihen solle. Am Wichtigsten war aber seine Stimme, die so tief war, dass sie einem direkt an die Seele zu gehen schien, wann immer er auch nur ein Wort sagte. Durch die Schall-Prägung wurde dieses Gefühl noch einmal verstärkt.

Jeder Traumbrecher besaß eine Taschenuhr und eine ihm eigene Prägung. Insgesamt gab es sechs verschiedene, von denen drei sogar ungemein selten waren, aber Nerida empfand die Schall-Prägung als die schönste. Vielleicht lag es nur an ihrem Vater, aber sie hoffte, dass, wenn sie irgendwann eine Taschenuhr bekäme, diese Prägung ebenfalls ein Teil von ihr werden könnte. Leider konnte man das im Vorfeld nicht feststellen oder beeinflussen – soweit sie wusste.

»Guten Morgen, Nerida, Ronan.« Der tiefe Bass rollte aus seiner Kehle und tanzte im Raum umher, bis zur Erschöpfung, wonach er immer noch ein Echo und dann die Erinnerung daran zurückließ. Ein bittersüßes Gefühl, weil man sich immer nach mehr sehnte – jedenfalls tat Nerida das.

»Guten Morgen, Papa«, sagte sie, während Ronan sich auch wieder auf ein Nicken beschränkte.

Vane, so der Name ihres Vaters, strich ihr kurz über das Haar, als er an ihr vorbeiging. »Hast du gut geschlafen?«

»Habe ich.« Sie konnte es ihm einfach nicht erzählen, sie konnte nicht.

Denn die Quelle seiner meisten Probleme rauschte direkt herein, nachdem Vane sich gesetzt hatte.

»Guten Morgen«, grüßte Darien die Versammelten euphorisch.

Manchmal, wenn Nerida ihn ansah, konnte sie nicht fassen, dass sie Zwillinge waren, und ihm ging es offenbar ganz genauso. Sein kurzes Haar war grün, wie das ihrer Mutter, seine Augen hellbraun und er war ziemlich oft gut gelaunt oder zumindest enthusiastisch, etwas zu tun, besonders, wenn es mit Dämonen zu tun hatte – oder Amy, in die er schon ewig verliebt war. Eine Brille, die er aber nur sehr widerspenstig trug, war die einzige Gemeinsamkeit, die es zwischen ihnen gab. Im negativen Licht betrachtet, hätte man Darien als das schwarze Schaf der Familie bezeichnet, aber sie sah ihn eher als den Paradiesvogel, etwas Gutes, etwas, das sie manchmal gern wäre.

»Du bist heute morgen überraschend gut gelaunt«, bemerkte Vane.

Darien setzte sich an seinen Platz. »Jep~. Heute haben wir wieder Kampfpraxis. Und ich freue mich seit einer Woche darauf!« Er senkte seine Stimme. »Schließlich muss ich mit dem Kampflehrer eine gute Strategie entwickeln, um gegen Parthalan anzukommen.«

Das war der Vizeanführer von Abteracht, den sich Darien als eine Art Rivale herausgesucht hatte. Seitdem kam es immer wieder zu kleinen freundschaftlichen Kämpfen zwischen ihnen, die bislang stets mit einer Niederlage für ihren Bruder geendet hatten. Für die beiden Beteiligten mussten sie spannend sein, für Vane waren sie ein nie versiegender Quell der Sorge. »Es wäre mir lieber, du würdest diese Duelle endlich unterlassen, bevor dir etwas zustößt.«

»Dad, ich werde mal Dämonen jagen gehen. Wie soll ich das denn machen, wenn ich zu vorsichtig bin?«

»Es wäre mir auch wesentlich lieber, du würdest mal nicht Dämonen jagen gehen.«

Diese Diskussion kannte Nerida schon zur Genüge. Meist verlief sie in einer immer lauter werdenden Lautstärke, bis nicht nur die Beteiligten, sondern auch alle anderen Familienmitglieder deprimiert waren, und Darien die Wohnung verließ. Sogar Ronan hatte inzwischen den Kopf gehoben, der kleine Dämon schielte angespannt über den Tisch.

Doch gerade als die Spannung überhand zu nehmen schien, kam Konia mit einer Kanne Kaffee herein. Sie warf einen fragenden Blick in die Runde. »Seid ihr wieder dabei, euch zu streiten? So früh am Morgen? Da habt ihr eindeutig zu viel Energie. Nächstes Mal lasse ich euch das Frühstück machen.«

Eine solche Drohung kam öfter von ihr, aber umgesetzt hatte sie noch nie eine. Vermutlich weil Vane auch gern mal freiwillig das Frühstück anrichtete – und weil keiner von ihnen wissen wollte, wie eine von Darien zubereitete Mahlzeit schmeckte.

»Kann ich auch Kaffee haben?«, fragte er, und hielt seine Tasse nach oben.

»Nein«, erwiderte Vane sofort. »Du bist noch zu jung dafür.«

Darien seufzte enttäuscht, gab aber nach und schenkte sich dann Kakao ein.

Konia stellte die Kanne auf dem Tisch ab, nachdem sie Vane und sich eingeschenkt hatte, dann setzte sie sich. Für den Moment war die Atmosphäre wieder friedlich.

Neben der Kanne Kaffee und einer mit Kakao, stand auch ein Brotkorb, in dem sich mehrere Brötchen befanden, auf dem Tisch. Auf einem Tablett war eine Auswahl verschiedener Wurst- und Käseaufschnitte zu sehen, die Marmelade (Nerida bevorzugte Erdbeermarmelade, ihre Mutter dagegen eher die mit Kirsche) stand in ihren Gläsern ebenfalls dabei.

Nerida war davon überzeugt, dass niemand anhand ihres Tisches erahnen könnte, dass sie keine Menschen waren. Er war absolut normal gedeckt. Deswegen mochte sie ihn und die gemeinsamen Mahlzeiten im Allgemeinen. Es war schade, dass niemand aus ihrer Schule Zeuge dieser Normalität werden konnte. Aber schon allein der Weg hierher wäre unnormal und würde damit sein Ziel verfehlen.

Die ersten Momente des Frühstücks verbrachten sie schweigend. Jeder kaute und trank für sich, und besonders ihre Mutter versuchte, endgültig wach zu werden, nachdem es bislang noch nicht sehr erfolgreich verlaufen war. Konia war einfach sehr müde. Nicht so sehr wie Iris, die Vizedirektorin von Athamos, aber es war ihr immerhin möglich überall und zu jeder Zeit einzuschlafen. Deswegen ging unter ihren Freunden auch der Scherz um, dass sie selbst die Apokalypse verschlafen könnte. Nerida hoffte, dass sie das nie ausprobieren müssten.

Um sich nicht zu sehr in Gedanken zu ergehen, nahm sie selbst einen Schluck Kakao. Als damals ihre Albträume mit diesen drei Gastgebern angefangen hatten, war es ihr unmöglich gewesen, im wachen Zustand Kakao zu trinken. Die Ähnlichkeit zwischen diesem Getränk und dem widerlichen Tee aus dem Traum war zu frappierend gewesen. Im Grunde bevorzugte sie deswegen pure Milch; wenn sie beim Vorbereiten des Frühstücks half, stellte sie diese auch immer bereit. Ihre Mutter vergaß das ziemlich oft, Nerida sah aber auch keinerlei Anlass, sie immer wieder daran zu erinnern. Zu groß war die Angst, dann über den Traum sprechen zu müssen.

Kaum hatte Konia die erste Tasse Kaffee geleert, wurde sie auch gesprächiger. »Habt ihr alle auch eure Hausaufgaben erledigt?«

»Ja«, antworteten Nerida und Ronan im Chor.

Darien, der gerade mit dem Kauen eines Brötchens beschäftigt war, nickte lediglich. Als Konia ihn etwas schärfer musterte, bekräftigte er es nochmal mit vollem Mund: »Wirklisch. Allesch fertig.«

Früher hatte er seine Hausaufgaben nie gemacht, Nerida hatte ihn meist bei sich abschreiben lassen; Geschwister halfen einander schließlich aus. Aber seit er Abteracht besuchte, machten ihm weder der Unterricht noch die Hausaufgaben etwas aus. Immerhin träumte er auch davon, Dämonenjäger zu werden, da begriff er wohl, dass es notwendig war, sich anzustrengen. Oder es war Amys Anwesenheit, die ihn anspornte. Beneidenswert.

»Achte darauf, nicht zu viel zu trainieren«, mahnte Vane. »Es hilft niemandem, wenn du irgendwann zusammenbrichst.«

»Ja ja. Opa passt da schon auf mich auf.«

Ihr Großvater mütterlicherseits war ebenfalls ein Jäger, er hatte die Mentoren-Rolle für Darien übernommen. Und offenbar achtete er auch gut auf dessen Gesundheit, das war beruhigend. Nur weil sie nicht sonderlich viel mit ihm sprach, wünschte sie ihm nichts Schlechtes.

»Und mit Amy an meiner Seite habe ich auch kein Interesse daran, zusammenzubrechen. Wir haben noch viel zu viel gemeinsam zu erleben.«

Konia und Vane warfen sich einen Blick zu und lächelten dabei. Sie waren vielleicht anders, aber dennoch wussten sie, wie es war, verliebt zu sein. Also verstanden sie Darien, obwohl zumindest Vane anfangs gegen diese Beziehung gewesen war. Die Gründe dafür kannte Nerida aber nicht, genauso wenig weswegen er schließlich wieder davon abgekommen war. Da es aber auch nicht ihre Angelegenheit war, fragte sie lieber nicht. Ihr Respekt war wesentlich stärker.

»Wie läuft es bei euch in der Schule?« Vane wandte sich ihr und Ronan zu.

Ihr Bruder hob ein wenig die Schultern. »Alles okay. Ich habe keine Probleme.«

Nerida hoffte, dass das auch so stimmte und er nur nicht so wie sie war. Aber er wirkte auch auf dem Schulweg nicht nervös.

Da er offenbar nicht weiterreden wollte, sah ihr Vater nun sie an. Sie lächelte. »Bei mir genauso. Ich kann nicht klagen. Der Unterricht ist ziemlich einfach.«

Sein Blick blieb immer noch auf ihr, für einen Moment befürchtete sie, sich irgendwie verraten zu haben, dass er von allem wusste. Gleichzeitig hoffte sie aber auch, dass er sie durchschaut hatte, dass sie ihm alles erzählen könnte, weil er darauf bestand. Die sich streitenden Gedanken und Wünsche in ihrem Inneren ließen ihr übel werden.

Aber schließlich nickte er zufrieden. »Das höre ich gern.«

Sie atmete auf, als er sich wieder auf sein Frühstück konzentrierte. Wenn es keine Probleme mehr mit den anderen gab, könnte sie vielleicht irgendwann einmal davon erzählen. Vielleicht wäre es ihr dann auch möglich, über all das zu lachen, weil es so lange zurücklag. Bis dahin behielt sie all die finsteren Gedanken in ihrem Inneren verborgen.
 



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