Durch die Augen eines Wolfes von yubae ================================================================================ Prolog: Kapitel 1 - Prolog -------------------------- Elf Jahre. Es waren elf Jahre. Elf Jahre seit des Verrats durch seinen besten Freund, seinen Geliebten, den wichtigsten Menschen in seinem Leben. Wie hatte er das nicht ahnen können? Wie war es möglich, dass er es nicht hatte kommen sehen? Er hatte ihm vertraut wie niemand anderem. Aber er hat ihn hintergangen. Er hat Voldemort Lily und James töten lassen, bevor er selbst Peter umbrachte. Es war der 31. Oktober 1992. Und er konnte noch immer nicht glauben was geschehen war. Er, dem er vertraute mit allem was er hatte. Die erste Person, die ihn akzeptiert hat wie er war, die ihn geliebt hat für wen und was er war. Remus' Hände zitterten. Wie viele Monde hatte er schon alleine verbringen müssen? Wie viele neue Narben waren zu den alten auf seinem Körper hinzugekommen? Warum hatte er es getan? War das Blut seiner Familie stärker als die Freundschaft der Marauder*? Einhundertzweiundzwanzig. Dort waren einhundertzweiundzwanzig rote Markierungen an der Wand. Jede Markierung stand für einen Vollmond, den er alleine verbracht hatte. Und es fühlte sich mit jedem weiteren Mond immer schlimmer an. Er konnte noch immer nicht glauben was passiert war. Albträume suchten ihn heim und die Einsamkeit machte ihn krank. Doch hier auf dem Land zu leben, weit entfernt von anderen Menschen, war das Sicherste was er tun konnte. Für jeden. Er wollte niemanden in Gefahr bringen. Er hatte es versucht, mit Menschen zu leben. Aber da gab es keine Möglichkeit wie er damit hätte weitermachen können. Hier war es besser. Fernab von allem und jedem. Alleine in dieser Hütte mit ihren alten, hölzernen Wänden. Selbst wenn er während des Vollmonds ausbräche, wäre niemand in der Nähe, den er verletzen könnte. Da war nur er alleine, und seine Versuche nicht verrückt zu werden. Mond einhundertdreiundzwanzig. Eine neue Markierung an der Wand. Unzählbar viele neue Kratzer auf seinem Körper. Es war nicht das erste mal, dass er dachte, es wäre besser einfach aufzugeben, doch es war auch nicht das letzte mal. Er hatte zu kämpfen. Er musste weitermachen. James und Lily würden ihn so nicht sehen wollen. Doch da gab es Tage an denen er sich nicht zurückhalten konnte. Er weinte und schrie. Warum, Sirius? Warum hast du uns verlassen? Warum hast du  mich verlassen? Er konnte es nicht verstehen. Mond einhundertvierundzwanzig. Es wäre bald Weihnachten. Weihnachten alleine. Aber jedes Jahr erhielt er ein großes Paket gefüllt mit Schokolade. Anfangs hatte er nicht gewusst von wem das Paket gekommen war, aber nach dem vierten Jahr kam er zu dem Schluss, dass es möglicherweise Dumbledore war, der ihm die Schokolade zukommen ließ. Während des einhundertfünfundzwanzigsten Vollmonds hatte er wieder einmal seine Möbel zertrümmert. Als er am nächsten Morgen mit Schmerzen im Körper erwachte, reparierte er die spärliche Einrichtung, denn seit er hier lebte, kümmerte er sich nicht darum wie viel er hatte. Es war der einhundertachtundzwanzigste Mond, als er sich am nächsten Morgen im kühlen Gras ein wenig außerhalb seiner Hütte wiederfand. Er hatte Glück, dass es nicht zu kalt war. Vielleicht fünfzehn Grad. Also erfror er nicht, doch es war schon im Winter geschehen, dass er draußen im Schnee erwacht war. Und es war etwa eine Woche nach Mond einhunderteinunddreißig, als es unerwartet an Remus' Tür klopfte. Kapitel 2 - Unerwarteter Besucher --------------------------------- Remus zuckte zusammen, als er ein Klopfen an der Tür hörte. Er bekam nie Besuch. Er dachte sowieso nicht, dass sich irgendjemand die Mühe machen würde hier raus zu kommen. Ebenso wusste doch auch niemand wo er wohnte, außer einem Heiler, der nach dem Vollmond vorbeikam. Aber jetzt war eindeutig nicht Zeit dafür. Er dachte einen Moment darüber nach was er tun sollte. Vielleicht waren es Muggel, die sich dort draußen verlaufen hatten? Mit einem tiefen Seufzen ging er zur Tür und öffnete diese. Seine Augen weiteten sich, als er Dumbledore vor sich stehen sah. „Es ist schön dich zu sehen“, sagte der Mann und lächelte breit. Remus selbst wusste jedoch nicht wirklich, wie er reagieren sollte. Dann trat er einen Schritt zurück. „Möchtest du reinkommen, Albus?“, fragte er höflich und ließ den Mann in seine Hütte eintreten. Der Brünette fühlte sich unwohl. Er hatte Dumbledore seit Jahren nicht gesehen und nun tauchte er plötzlich hier auf. „Ich hoffe du mochtest die Schokolade?“, fragte Dumbledore und lächelte noch immer. „Oh, ja. Ja, sie war gut. Danke“, antwortete Remus etwas nervös und auch überrascht. Also war es doch Dumbledore gewesen, von dem er die Schokolade bekommen hatte. „Hör zu, Albus. Ich möchte ja nicht unhöflich sein, aber-“ „Dann sei es einfach nicht“, unterbrach ihn der Ältere, während er sich auf das Sofa setzte und sich zurücklehnte. „Wie viele Jahre sind-“ „Elf Jahre und neuen Monate. Albus, was willst du?“ Fragte Remus eilig nach. „Ich möchte dir ein Angebot machen.“ „Ein Angebot? Was für ein Angebot?“, wollte Remus mit großem Misstrauen in der Stimme wissen. Doch er setzte sich zumindest. „Wie wäre es nach Hogwarts zurück zu kommen? Als Lehrer?“ Remus starrte Dumbledore einige Sekunden lang an, nicht sicher darüber ob Lachen der beste Weg war, um seinen Gefühlen Audrück zu verleihen, doch er konnte sich kaum zurückhalten. Ein Kichern verließ seinen Mund, während seine Hand durch sein Haar fuhr. „Albus, ich hoffe du weißt wen du das fragst?“ „Ja, das weiß ich durchaus. Und ich weiß auch, dass das ein Angebot ist, das du auf jeden Fall akzeptieren musst. Du wärst ein großartiger Lehrer“ „Natürlich. Und einmal monatlich kann ich die Kinder die Gänge runter jagen?“ Remus Stimme war verbittert. „Ich kann kein Lehrer sein. Ich bin ein verdammter Werwolf!“ Dumbledore sah ihn weiter mit sanften und verständnisvollen Augen an. „Mach dir keine Sorgen darum. Wir haben einen Meister der Zaubertränke, der erfreut sein wird, dir jeden Monat einen Wolfsbanntrank zu brauen“ „Wolfsbann?“, fragte Remus verwirrt nach, „Was ist das?“ „Das ist ein Trank, der es dir ermöglichen wird, bei Bewusstsein zu bleiben. Dir wird es möglich sein dich selbst zu kontrollieren und so wirst du während des Vollmonds nur ein schläfriger Wolf sein“, erklärte Dumbledore geduldig. Remus öffnete den Mund um etwas zu sagen, aber hielt sich zurück. Er holte tief Luft, schüttelte seinen Kopf. „Nein, Albus. Das kann ich nicht tun. Es ist gefährlich. Zu gefährlich. Hogwarts ist kein Ort an dem ich sein sollte“ Es wirkte, als hätte Dumbledore diese Reaktion erwartet. Er lächelte noch immer, was Remus rasend machte, und faltete seine Hände in seinem Schoß. „Weißt du, dass Harry dort ist?“ „Ich weiß. Er wird bald dreizehn sein“, sagte Remus kalt. Er wollte nicht zeigen wie sehr es ihn schmerzte diesen Namen zu hören. Nachdem man ihm den Jungen weggenommen hatte. Sirius hatte ihm nicht nur Lily, James und Peter genommen. Es war Dumbledore gewesen, der ihm auch die letzte Person genommen hatte, die er geliebt hatte. Er hatte ihn zu Lilys Schwester und ihrem Ehemann gebracht. Er kannte die beiden gut genug... „Das ändert nichts, Albus. Ich komme nicht nach Hogwarts. Und es wäre nett, wenn du-“ „Würdest du kurz einen Blick hierauf werfen?“ Sichtlich nicht erfreut von der Unterbrechung nahm Remus das Papier an, das ihm überreicht wurde. Er entfaltete es und ein leises Keuchen verließ seinen Mund, als er begriff was Dumbledore ihm da zeigte. Sirius. Fast hätte er das Papier fallen lassen. Ohne es überhaupt zu bemerken hatte er sich erhoben und stand nun in der Mitte des Raumes. Sirius. Heruntergekommener Sirius. Schmutziges Haar, eingefallenes Gesicht, Angst in den Augen. Die Augen, die einst so gestrahlt hatten und so voll von Leben gewesen waren, waren nun leer. „Du weißt hinter wem er her ist, Remus“, bemerkte Dumbledore um Remus aus seiner Schockstarre zu befreien. Harry. Harry war in Gefahr. Sirius würde die Aufgabe zu Ende bringen. Er würde... „Hogwarts ist sicher für ihn, richtig? Sirius-“ Er spürte einen Schmerz in der Brust, als er den Namen aussprach. „Sirius kann nicht nach Hogwarts, nicht wahr?“ „Ich bin nicht sicher, Remus. Sirius hat es geschafft aus Askaban auszubrechen.“ „Aber das ist nicht Askaban. Das ist Hogwarts. Und du bist dort!“ Remus biss sich auf die Unterlippe. Er hatte das Gefühl es steckte mehr dahinter... Dumbledore wusste etwas, er vermutete etwas. Er plante. Und in all den Jahren hatte er gelernt, dass es niemals etwas Gutes war, wenn Dumbledore plante. „Ich weiß wann ich aufgeben muss. Und ich werde dich nicht noch länger damit behelligen. Behalte das“ Dumbledore deutete zu dem Flugblatt in Remus' Händen. „Schick mir eine Eule, wenn du deine Meinung geändert hast. In Remus loderte Wut auf. Als Dumbledore gegangen war, hatte er die Tür mit einem lauten Knall geschlossen, sich gegen das Holz gelehnt und sich daran zu Boden sinken lassen. Noch immer hielt er das Papier in seiner Hand, sah auf den Mann, von dem er dachte, ihn so gut zu kennen. Seine Finger berührten das sich bewegende Bild. Er konnte nicht wirklich glauben, dass er das wirklich getan hatte, auch wenn nichts für Sirius sprach sondern alles gegen ihn. Elf Jahre und neun Monate später glaubte er noch immer an ihn... irgendwie. Sirius hatte James geliebt. Und Lily. Und Harry. Remus schluckte schwer und ließ seine Hand durch sein Haar gleiten. „Und du hast mich geliebt...“, wisperte er sich selbst zu. Erneut sah er auf das Foto. Das war nicht der Mann, den er gekannt hatte. Dieser Mann war dünn und schmutzig. Seine Augen waren trüb und all das Feuer, das Sirius in sich gehabt hatte, war ausgelöscht. War er wirklich hinter Harry her? War er in dieser Sekunde auf der Suche nach ihm? Harry war bei Lilys Schwester. War er dort sicher? Er hoffte einfach nur Dumbledore würde wissen, was er tat. Wahrscheinlich hatte Dumbledore aber nicht gewusst, was er Remus damit angetan hatte ihm das zu erzählen. Oder er wusste es und hatte es dennoch getan oder genau deshalb. Egal wie, nun war es bereits passiert und der Brünette konnte nicht still sitzen, nicht einmal für eine Sekunde. Er fühlte sich so hilflos wie Jahre zuvor. Als Sirius seine Welt auseinandergerissen hatte. Sie hatten Pläne gehabt, Träume gehabt und Sirius hatte sie zerstört. Es gab eine Zeit in der sie sich vorgenommen hatten zusammen zu ziehen. Aber sie hatten es nicht getan. Der Krieg war hereingebrochen und Misstrauen hatte begonnen zwischen den vier Freunden zu wachsen. Misstrauen, das damit geendet hatte, dass Remus gegangen war, da weder Peter noch Sirius, noch James (besonders wegen Sirius) ihm nicht mehr vertraut hatten. Letzten Endes war Sirius der Verräter gewesen, der Voldemort erzählt hatte wo sich James, Lily und Harry aufhielten. Er ließ ihn seine Freunde töten, bevor er selbst auch Peter loswurde, zusammen mit einigen unschuldigen Muggeln. Remus wusste nicht mehr wie oft er versucht hatte Dumbledore zu überzeugen, dass es niemals Sirius hätte sein können. Aber alles sprach gegen ihn. Also glaubte er selbst daran. Es gab keine andere Möglichkeit. Erst hatte Remus Harry nehmen wollen, doch Dumbledore hatte ihn davon abgebracht. Natürlich. Harry wäre niemals bei ihm sicher. Er war gefährlich. Ein Monster. Harry zu nehmen wäre ein zu großes Risiko gewesen und er verstand Dumbledore in diesem Punkt. Aber Harry zu diesen Leuten zu bringen... Er hatte ein schlechtes Gefühl damit gehabt. Letzten Endes war Remus alleine gewesen wie immer. Er war der einzige, der noch für ihn da war. Greyback hatte ihn überreden wollen bei seinem Rudel zu bleiben, doch wie sollte er? Auf keinen Fall hatte er eine solche Gefahr für andere Menschen sein wollen. Er konnte niemanden verwandeln und er wollte es auch nicht. Er litt und mit dem Gedanken zu leben, jemand anderes musste das wegen ihm selbst durchmachen, das war unmöglich. Sirius hatte oft versucht Remus zu erklären warum er von Rems nicht so dachte wie er von anderen dachte, die waren wie er. Er war kein Monster. Er war ein Mensch, der einmal im Monat zu einem Wolf wurde. Aber er hatte ihn akzeptiert. Schließlich war Sirius das Monster gewesen. Während der vorbeiziehenden Jahre hatte Remus niemanden kontaktiert, hatte mit niemandem gesprochen außer mit Hagrid, dem er Fotos geschickt hatte. Er hatte gewollt, dass diese an Harry weitergegeben würden, wenn er nach Hogwarts käme. Er sollte über seine Eltern Bescheid wissen, sollte wissen wie sie aussehen. Er wollte, dass Harry ein Bild von ihnen hatte. Aber er hatte alle anderen ausgelassen. Weder Sirius noch Remus selbst waren auf den Fotos gewesen. Ebenso hatte er auch Peter ausgelassen, einfach deshalb, weil es nur um James und Lily gehen sollte. Seine Eltern. Die Menschen, die ihn am meisten geliebt hatten. Er hatte immer gedacht Sirius wäre der nächste in der Reihe gewesen. Er hatte Harry ebenso geliebt wie James. Er hatte sogar immer gesagt er würde ihn doppelt so sehr lieben. Mindestens. Wie er Harry angesehen hatte, wie er ihn berührt hatte... so vorsichtig und mit Augen voll von Liebe. Wie hatte er das tun können? Warum? Es ergab einfach einen Sinn. Harry war ein Teil seiner Familie gewesen. Er hatte ihn beschützt, ihn gefüttert, mit ihm gespielt und sogar seine Windeln gewechselt. „Fuck“ Der Mann mit dem sandbraunen Haar brüllte auf und schmiss den Sessel um. Wie sollte er so weitermachen? Er versuchte sich abzulenken. Er las, machte Spaziergänge und wenn er zurückkam machte er Nickerchen. Vielleicht konnte er es doch schaffen. Irgendwie. Mit dem Wissen, dass Sirius hinter Harry her war... Er musste es versuchen. Es kostete Remus zwei Wochen bis er entschieden hatte was er tun sollte. Tatsächlich hatte er es schon gewusst, als Dumbledore gegangen war. Er konnte nicht hier bleiben mit dem Wissen was passieren würde. Er schrieb einen Brief an Dumbledore um ihm zu sagen, dass er sein Angebot akzeptierte. Mit einem Mal machte es ihn wahnsinnig ständig in der Hütte zu sein. Er wollte gehen, ihn suchen, ihn davon abhalten zu tun was auch immer er geplant hatte. Er wollte zu Harry gehen, ihn in Sicherheit wissen. Er wollte einfach nur irgendwas tun! Er musste Vertrauen in Dumbledore haben. Er wusste was er tat, richtig? Er musste einfach. „Ich werde ihn schnappen, James. Ich werde ihn schnappen und... ich werde-“ Wütend über die ganze Situation lief Remus hin und her. Er hasste es hier, obwohl er es gewesen war, der sich isoliert hatte. Er war es gewesen, der diese Entscheidung überhaupt getroffen hatte. Aber jetzt konnte er es nicht mehr ertragen. Er wollte fort, an andere Orte. Er musste einfach. Hier ausbrechen, nach Sirius suchen. Und natürlich auch nach Harry. Der nächste Vollmond war grauenvoll. Remus hatte größere Schmerzen als er die letzten Jahre je hatte. Als er am nächsten Morgen erwachte schmerzte sein ganzer Körper. Er konnte sich kaum bewegen. Da waren so viele neue Wunden überall auf seinem Körper und er war sich sicher, dass die meisten Narben hinterlassen würden, die ihn immer daran erinnerten was er war. Selbst wenn Dumbledore ihm den Trank anbot, er würde sich noch immer verwandeln. Es gab keine Heilung davon. Und eines Tages würde es jemand herausfinden. Er musste den Unterricht während des Vollmonds schwänzen. Als ob das niemand mitbekommen würde. Vielleicht würde der Schulrektor sich etwas einfallen lassen. Aber was? Er bezweifelte, dass es eine Möglichkeit gäbe es geheim zu halten und wenn die Schüler es herausfänden, dann wüssten es früher oder später auch die Eltern. Und er würde wieder alleine sein... Seufzend griff er nach dem Papier, das Sirius' Gesicht zeigte. Seit Dumbledores Besuch lag dieses auf dem Kaminsims. Sirius. Es war alles wegen Sirius. Sein Leben hatte eine Bedeutung gehabt, bis alles von ihm genommen wurde und nun war die Person zurück, die ihm all das genommen hatte. Er starrte den Mann an, der sich auf dem Papier bewegte und Wut kam plötzlich in ihm auf. Er war kurz davor das Foto zu zerreißen und es wegzuwerfen. „Das ist alles deine Schuld! Nur deine Schuld!“, fuhr Remus das Foto an. „Du hast versprochen ihn zu beschützen! Du hast es versprochen... Du sagtest, du würdest niemals... Du würdest eher sterben als ihn zu hintergehen...“ Seine Stimme wurde ruhiger und er erstickte an einem Schluchzen. „Du hast versprochen bei mir zu sein. Was immer auch passiert“ Und damit drückte er das Papier feste gegen seine Brust. „Ich habe dich geliebt, Sirius... Ich habe dir vertraut...“ Kapitel 3 - Abfahrt ------------------- Letzten Endes hatte er keine andere Wahl als den Hogwarts Express zu nehmen, statt nach Hogsmeade zu apparieren. Früh am Morgen machte er sich, zusammen mit seinem Koffer, auf den Weg nach King's Cross, um sich durch die Barriere zu Gleis 9¾ zu begeben. Der Koffer war ein Geschenk von James, Sirius und Peter gewesen. Sie hatten immer darüber gelacht wie er ihre Hausaufgaben kontrolliert hatte, oder sie zurück gehalten hatte, wenn sie einen Streich durchführen wollten, der viel zu riskant war. Also gaben sie ihm den Koffer mit der Gravur „Professor R.J. Lupin“ eingraviert. Remus hatte ihn für jedes verbleibende Jahr in Hogwarts benutzt, wodurch er schon einige Gebrauchsspuren aufwies, sowie ein paar Flecken. Keiner von ihnen hätte wohl je gedacht, dass Remus ihn eines Tages wirklich als Professor benutzen würde. Und Remus selbst war wohl der letzte gewesen, den man davon hätte überzeugen können, dass er den Koffer je für seinen eigentlichen Zweck benutzen würde – wie es die Gravur zumindest sagte. Remus saß in einem Abteil und versuchte zu schlafen, da er die letzte Nacht kaum Schlaf abbekommen hatte. Er war müde und hatte Schmerzen, die er einfach nur vergessen wollte. Gerade als er dachte, dass er einschlafen würde, hörte er plötzlich Stimmen. Natürlich wusste er, dass irgendwann Kinder hereinkommen würden. Er hielt seine Augen geschlossen und versuchte weiter zu schlafen. Nachdem er einmal tief Luft geholt hatte und ruhiger wurde, döste er langsam weg, nicht wissend, was um ihn herum geschah. Er hörte nicht die Gespräche über Sirius und auch nicht, neben wem er da eigentlich saß. Also konnte er auch nicht bemerken wie die Hexe mit dem Imbisswagen vorbeikam oder auch andere Schüler, die kurz hereinblickten. Das Schmerzen in seinem Körper wurde langsam weniger und er konnte sich auf seinem Sitz entspannen. Er brauchte einfach Schlaf nach dieser langen, ermüdenden Nacht. Der Wolf in ihm hatte Remus einiges abverlangt. Als er erwacht war, hatte er mehr Kratzer auf seinem Körper, mehr Wunden, die vernarben und nie ganz verschwinden würden. Es war nicht der Anblick, der ihn störte, es war die Bedeutung, die ihm zutiefst verhasst war. Sie erinnerten ihn jeden Tag daran, was er war: ein Monster. Er war nur ein Monster. Sirius hätte ihn dafür geschlagen, ihn angeschrien. Aber Sirius war nicht hier. Niemand war hier. Er war alleine, wie er es auch die letzten zwölf Jahre gewesen war. Jedes Mal, wenn er seine Augen schloss konnte er Sirius' Gesicht sehen. Wie er lachte, als er von den Auroren mitgenommen worden war. Er hatte nur andere Leute darüber reden hören, doch er konnte sein Gesicht so klar sehen, als hätte er ihm in jener Nacht direkt gegenüber gestanden. Die Nacht in der er seine Freunde betrogen hatte, seine Familie. Die Nacht, die alles verändert hatte. Auch wenn Remus recht gut schlief, im Vergleich zu anderen Nächten, schlief er bei weitem nicht lang genug, da er immer wieder von Stimmen oder Geräuschen im Abteil. Er brauchte einen Moment bis er verstanden hatte, dass der Zug gehalten hatte und die Lichter aus waren. “Ruhe!“, sagte er mit einer heiseren Stimme, als alle um ihn herum durcheinander redeten und übereinander zu stolpern schienen. Er wurde die Decke los, die er über sich gelegt hatte und beschwor eine Flamme in seiner Hand. „Bleibt wo ihr seid“, befahl er den anderen, erhob sich und ging langsam auf die Abteiltür zu. Im Augenwinkel konnte er das Gesicht eines Jungen sehen, dessen grüne Augen ihn fokussierten. Die Augen Lilys im jungen Gesicht von James. Ein stechender Schmerz schoss durch seine Brust und er konnte kaum atmen. Harry. Er wusste der Junge hätte Ähnlichkeit mit seinen Eltern. Man hatte es schon sehen können, als er gerade mal ein Baby gewesen war. Doch ihn nun hier zu sehen war anders. Es war das erste Mal nach so vielen Jahren. Nun sah er aus wie James, als er mit ihm zur Schule gegangen war. Nur seine Augen hatten dasselbe sanfte Grün wie Lilys. Er brauchte nicht einmal mehr Licht um sich sicher zu sein. Gerade als er an der Tür angekommen war, ging diese auf und er fand sich einer Gestalt gegenüber, die einen Umhang trug und die er nur allzu gut kannte. Damals während des Kriegen waren sie überall gewesen. Dementoren. Die so genannten 'Wächter' Askabans. Natürlich waren sie hier. Sie würden den Zug nach Sirius durchsuchen. Das Abteil wurde eiskalt und er fühlte sich, als würde auch der letzte Rest Glück, der noch in ihm war, aus ihm herausgesaugt. Er musste sich konzentrieren. „Keiner von uns hier versteckt Sirius Black unter seinem Umhang. Geh“, sagte er ernst, ehe er seinen Zauberstab zog. „Expecto Patronum“ Seine Stimme war nur ein Flüstern, doch es war genug. Eine silbrige, wolfsgleiche Kreatur kam aus seinem Zauberstab und schoss auf den Dementor zu, der dadurch gezwungen war zurückzuweichen. „Harry! Harry!“ Remus hörte eine Stimme und drehte sich um. Harry lag am Boden. Ein rothaariger Junge kniete an seiner einen Seite, während ein schwarzes Mädchen mit Locken und krausem Haar an seiner anderen Seite saß. Die anderen zwei, die auch mit im Abteil waren, saßen noch immer an ihren Plätzen. Der Zug bewegte sich wieder und die Lichter gingen an. Langsam öffnete Harry seine Augen. Die Kinder an seiner Seite halfen ihm zurück auf seinen Sitz. „Bist du in Ordnung?“, fragte der Rothaarige mit offener Sorge. „Ja“, antwortete Harry und sah zur Tür, wo Remus den Dementor mit seinem Patronus davon gejagt hatte. „Was ist passiert? Wo ist dieses – dieses Wesen? Wer hat geschrien?“, fragte Harry und sah sich um. Remus runzelte die Stirn. Niemand hatte geschrien. Es war still gewesen. Sehr still. Seine Gedanken wanderten umher. Dementoren ließen Menschen ihre schlimmsten Erlebnisse noch einmal durchleben. Was, wenn er den Tod seiner Eltern sah? Vielleicht war es Lily, die geschrien hatte. Aber dann wiederum... hatte er das damals überhaupt realisiert? Er war nur ein kleiner Junge gewesen, der nicht bemerkt hatte, was vorgefallen war. Also warum wäre das seine schlimmste Erinnerung? Ganz in Gedanken verloren realisierte Remus nicht, dass der rothaarige Junge wieder begonnen hatte zu sprechen. „Niemand“, sagte er, um auf Harrys Frage zu antworten. Remus musterte ihn, blinzelte ein paar Mal. Bevor Harry noch mehr solcher Fragen stellen konnte, nahm er eine Schokoladentafel heraus und zerbrach sie. Überrascht von dem Geräusch sahen die Kinder zu ihm. „Hier“, sagte er und reichte Harry ein großes Stück der Schokolade. „Iss. Dann geht’s dir besser.“ Aber statt zu essen fragte Harry weiter. „Was war das für ein Wesen?“ „Ein Dementor“, gab Remus zurück, während er auch den anderen Schokolade gab. „Einer der Dementoren von Askaban“ Er fühlte die Augen aller Anwesenden auf sich, aber erklärte nicht weiter. Stattdessen steckte er das Schokoladenpapier zurück in seine Tasche und lehnte sich zurück. Es war besser nun nicht zu viele Fragen zu beantworten. Harry sollte sich erst beruhigen. So auch die anderen, auch wenn niemand sonst so blass wie er war. Natürlich nicht. Harry war der einzige, der so etwas Grauenvolles erlebt hatte. Es war keine Überraschung, dass er so empfänglich gegenüber Dementoren war. „Iss“, sagte Remus noch einmal. „Das hilft. Entschuldigt mich, ich muss mit dem Lokführer sprechen.“ Und mit diesen Worten erhob sich Remus und verließ das Abteil, während er Harry einen letzten Blick zuwarf. Seine Gedanken schweiften ab, als er den Gang des Zuges entlanglief. Sie hatten wirklich Dementoren in einen Zug voller Kinder geschickt? Leicht schüttelte er den Kopf zu sich selbst. Das war Wahnsinn. Was dachte sich das Ministerium nur dabei? Als würden nicht schon genug Dementoren dort draußen patrouillieren. Er biss sich auf die Unterlippe und ging auf den Führerstand zu. Als er die Tür öffnete, drehte sich der Mann dort um. „Sie sind fort, oder?“, fragte er und Remus nickte. „Ja, fürs erste. Wie lang ist es noch bis zu unserer Ankunft?“, wollte Remus wissen und der Mann blickte kurz nach draußen, dann auf seine Uhr, auf der sich die Zeiger viel zu schnell bewegten für eine normale Uhr. „Etwa 30 Minuten, Sir“, gab er dann zurück. „Unglaublich... Dementoren im Hogwarts Expres...“ Es war nur ein Murmeln, doch Remus hatte es gehört. „Ich hoffe sie werden uns nicht noch einmal stoppen“, erwiderte er und der Mann seufzte. „Schon richtig, Aber was soll man sonst tun, wenn Sirius Black irgendwo dort draußen ist. Gefährlich. Sehr gefährlich.“ Remus nickte nur, offensichtlich nicht mehr in der Stimmung dazu nun über Dementoren oder Sirius Black zu reden, weshalb er das Thema wechselte. „Ist es möglich eine Eule los zu schicken?“, fragte er und der Mann zog an einem Glöckchen. „Natürlich ist das möglich“, antwortete er, „Gehen Sie einfach in den Gepäckwagen. Man erwartet Sie dort“ „In Ordnung. Vielen Dank, Sir“, sagte Remus höflich und verließ den Führerstand. Er musste es Dumbledore wissen lassen was passiert war. So lief er zu besagtem Waggon und ihm wurde ein Käfig überreicht. „Sie ist unsere Schnellste. Überlassen Sie einfach alles ihr“, erklärte die Hexe, die ihm die Eule in dem Käfig überreicht hatte. Remus bedankte sich, nahm in einer ruhigen Ecke Platz und zog ein Papier und einen Kugelschreiber heraus. Obwohl er während seiner ganzen Schulzeit immer Federn benutzt hatte, bevorzugte er Kugelschreiber eindeutig. »Albus, es waren Dementoren im Hogwarts Express, offensichtlich auf der Suche nach Sirius. Harry hat es nicht gut aufgenommen und ist zusammengebrochen. Es geht ihm gut, aber ich hoffe wir müssen nicht noch mehr Dementoren in Hogwarts erwarten. -R. Lupin« Er brachte das Papier an einem Bein der Eule an und öffnete ein Fenster, um sie raus fliegen zu lassen. Er fühlte sich nicht wohl bei dem Gedanken an diese Kreaturen. War das wirklich notwendig? Er seufzte etwas, dankte der Hexe noch einmal und machte sich auf den Weg zurück zu seinem ursprünglichen Abteil. Die Schüler in den Abteilen schienen sich alle darüber auszutauschen, was sie gerade erlebt hatten. Er konnte ein paar Gesprächsfetzen auffangen, als Türen sich öffneten und wieder geschlossen wurden, doch das meiste klang eher wie ein Brummen in seinen Ohren. Wieder am Abteil angekommen öffnete er die Tür und sah sich um, nur um zu bemerken, dass Harry noch immer die Schokolade in seiner Hand hielt. Er schenkte dem Jungen ein kleines Lächeln. „Ich hab die Schokolade nicht vergiftet, weißt du...“ Er konnte nicht wirklich glauben, dass Harry sie noch immer nicht gegessen hatte. Dann aber nahm er endlich einen Biss und Remus setzte sich auf seinen Platz. „Wir werden in zehn Minuten in Hogwarts ankommen“ Wieder sah er den Jungen neben sich an. Jetzt wo das Licht wieder an war, sah er noch mehr nach James aus. Das gleiche unkontrollierbare, ungekämmte schwarze Haar, die gebräunte Haut und er trug ebenso eine Brille. Nur das schelmische Funkeln in seinen Augen fehlte. Stattdessen waren sie so sanft und vertrauensvoll wie es Lilys Augen gewesen waren. Remus seufzte tief und sah aus dem Fenster, aus dem er kaum etwas erkennen konnte. Es herrschte tiefste Dunkelheit, also drehte er sich zurück. „Bist du in Ordnung, Harry?“, fragte er und wollte sich in der nächsten Sekunde schon selbst dafür rügen. Er konnte seinen Namen nicht wissen, oder? Aber Harry fragte nicht nach. Er nickte nur und presste ein leises „Alles gut“ heraus. Bis zu ihrer Ankunft am Bahnhof war es sehr ruhig. Und als sie endlich den Zug verließen, verlor Remus Harry, der sicher schon in eine Kutsche gestiegen war, aus den Augen. Er lief auf eine andere Kutsche zu, strich sanft über die Nüstern des Thestrals vor sich, ehe er sich auf die Kutschbank sinken ließ. Während seiner Schuljahre hatten er – und auch die anderen Marauder – sich immer gefragt, wie sich die Kutschen bewegten. Doch nun wusste er es. Thestrale. Natürlich. Nachdem er Menschen im Krieg hatte sterben sehen, konnte er diese Tiere nun ebenfalls sehen. Aber ihm fiel auch auf, dass sie anderen Schülern nicht verborgen blieben. Da war ein blondes Mädchen, das eines streichelte und auch der Junge, der zuvor mit ihm im Abteil gesessen hatte. Während sie zum Schloss aufbrachen fühlte sich Remus in seine Kindheit zurückversetzt, als alles noch anders gewesen war. Als er glücklich mit seinen Freunden gewesen war und das Schlimmste worüber sie sich Gedanken hatten machen müssen, eine schlechte Note war oder wie sie an Vollmond raus kamen. Er strich sich durchs Haar und biss sich auf der Unterlippe herum. Nach so vielen Jahren kam er nun zurück zu dem Ort, de er einst sein zweites Zuhause genannt hatte. Er war sich sicher alle geheimen Gänge, all die versteckten Wege zu kennen, durch die man in das Schloss oder wieder hinaus kam. Oder auch Wege zur Küche. Sie hatten alles in ihre Karte geschrieben, die kurz vor ihrem Abschluss konfisziert worden war. Sie waren wirklich traurig darüber gewesen und aufgebracht, hatten sogar versucht sie zurück zu bekommen. Er fragte sich, ob sie noch existierte, oder ob sie schon längst weg geworfen worden war... Als die Kutsche in Hogwarts ankam, stieg er aus seiner heraus, nur um einen blonden Jungen neben Harry zu sehen, der offensichtlich nicht glücklich damit war. Langsam kam er näher. „Gibt es hier ein Problem?“, fragte Remus mit sanfter Stimme. Der Junge drehte sich um und warf ihm einen überheblichen Blick zu. „Oh, nein – ähm – Professor“, antwortete er und schmunzelte seinen größeren Freunden zu, ehe er die Stufen hoch zum Schloss ging. Harry und seine Freunde nahmen den selben weg, aber Remus blieb noch einen Moment zurück. Selbst hier konnte er die Dementoren sehen. Er hoffte wirklich, dass es näher am Schloss keine mehr gab. Mit einem tiefen Seufzen nahm er die Stufen nach oben und als er schließlich durch die gewaltingen Tore trat, strömte Wärme auf seinen Körper ein. Wärme, die er seit Jahren nicht mehr gefühlt hatte... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)