Herzblind von Schwarzfeder ================================================================================ Kapitel 18: .achtzehn --------------------- »Hasst er mich immer noch?« Mark klingt so amüsiert, dass ich ihm am liebsten einen meiner Schraubenschlüssel überziehen will, aber ich brumme nur und sehe ihn böse an. »Bist ja auch selbst Schuld«, gebe ich zurück und schließe meinen Werkzeugschrank ab. Seit dem Unfall sind jetzt über zwei Wochen vergangen in denen ich feststellen durfte, dass es ganz schön verunsichernd sein kann plötzlich in einer Beziehung zu sein mit jemandem, der einem so wichtig ist wie Elyas mir. Mittlerweile bin ich wirklich überzeugt, dass ich nicht nur andere Ansprüche an Beziehungen und allem habe, sondern dazu auch noch nie richtig verliebt war. Mir bleibt im Grunde nur vermuten, aber ich persönlich finde diese Vermutung sehr naheliegend. Ich hatte nie einen erhöhten Puls und Schweißausbrüche wenn mich eine meiner Exfreundinnen angelächelt hat oder gleich einen ganzen Sack an Zweifel, wegen einem blöden Missverständnis. Denn das Elyas sonst immer betont hat Beziehungsunfähig zu sein und ich das Gefühl habe ihm nicht sofort das geben zu können, was er vielleicht möchte, gibt wunderbaren Nährboden für Angst etwas falsch zu machen. Und die hab ich sonst nicht gehabt. Ich hatte vorher keine Angst etwas falsch zu machen. Sonst habe ich einfach gemacht worum ich gebeten wurde oder wonach mir der Kopf stand oder was ich als übliches Verhalten von meinem Vater beigebracht bekommen habe. Im Nachhinein tut es mir irgendwie auch leid, weil mein Verhalten in der Art vermutlich gemeint war, wenn ich abserviert wurde. Aber wirklich verstanden, was sie gemeint haben, habe ich erst jetzt. Mich beschäftigte meist nur, dass ich abserviert wurde bevor wir genug Zeit zusammen hatten um uns richtig kennen zu lernen. Und bei Sophie...nun, das ist auch nur noch Geschichte. Aber zumindest Elyas scheint, trotz seiner Behauptung kein Beziehungsmensch zu sein, nicht derart verunsichert wie ich. Oder er lässt es nicht durchscheinen. Ich fühle mich auch nicht vernachlässigt oder so. Aber nach zwei Wochen kann man wohl noch wenig beurteilen. Ich weiß nur, dass ich trotz allem sehr erfreut von der ganzen Sache bin, auch weil dieser eine Gedanke, der nie verschwunden ist, jetzt noch immer gilt. Ich kann mir immer noch vorstellen Sex mit Elyas zu haben, auch wenn noch nicht jetzt direkt. Aber dieses Kribbeln und all die anderen Emotionen, die da hoch kriechen, wenn er mich nur anlächelt, beweisen nicht gerade das Gegenteil. Mark lacht dreckig und holt mich wieder aus meinen Gedanken. »Du hast ganz rote Ohren, an was hast du gedacht, huh?« Ich blinzele ertappt und drehe mich dann weg. Seit er Elyas sein Handy gebracht hat, ist er hoch interessiert an ihm und mir. An diesem uns. Also fragt er mich lieber aus, anstatt von Alex zu erzählen. »Jetzt renn doch nicht weg, also echt«, beschwert er sich und legt ungefragt einen Arm um meine Schultern, während wir in den Umkleideraum gehen. »Ich wollte dir eigentlich nur helfen, weil ich dachte Eifersucht müsste bei ihm funktionieren. Ich konnte ja nicht ahnen, dass ihr schon längst weiter wart« »Hör auf mich so unverschämt anzulügen, du wolltest ihn nur ärgern. Du ärgerst andere gern. Alex tut mir leid, echt«, murre ich, aber Mark lacht nur. »Na gut, ein bisschen vielleicht. Aber witzig finde ich es immer noch«, meint er gut gelaunt und öffnet seinen Spind. Da wir heute zwei Stunden dran hängen mussten, sind wir allein in der Kabine und das ist auch gut so. Im Moment habe ich wirklich noch nicht die Nerven mich vor meinen anderen Arbeitskollegen zu outen. Das hebe ich mir für später auf. Irgendwann. »Also hasst er mich immer noch.« Es ist mehr eine Feststellung als eine Frage, aber ich sehe mich trotzdem dazu gezwungen etwas dazu zu sagen. »Hassen ist zu viel gesagt, er mag dich nicht, aber es ist ja auch nicht so, dass ihr euch oft sehen würdet, also können wir sicherlich alle damit leben«, erkläre ich und werfe meine Arbeitsschuhe in den Spind, bevor ich ihn für heute abschließe. Mark grinst wieder, aber ich will gar nicht wissen, was sein Kopf wieder für Ideen ausbrütet. Ich ziehe meine Jacke über und greife nach meiner Tasche. »Also, hast du noch irgendeinen Kommentar, den du nicht für dich behalten kannst? Sonst gehe ich jetzt und sage bis Montag« »Nein, ich habe genug gesagt. Schönes Wochenende und liebe Grüße an deinen Tierarzt«, flötet Mark gut gelaunt, bevor er sein Handy herauszieht. »Er ist nicht mein Tierarzt, er ist Mowglis Tierarzt und– ach halt die Klappe«, knurre ich, mache eine wegwerfende Handbewegung und verlasse die Kabine, begleitet von Marks Gelächter. Ich weiß wirklich nicht warum er so gute Laune hat, ich will es auch nicht wissen. Vermutlich ist Alex Schuld daran und dann will ich es wirklich nicht wissen. Tief durchatmend laufe ich über den verlassenen Hof und während nun ich nach meinem Handy krame um zu gucken ob Elyas mir geschrieben hat, schlage ich die Richtung zur Haltestelle ein. »Die Jugend von heute, immer die Handys in der Hand.« Verdattert bleibe ich stehen und drehe den Kopf. Elyas steht an der Wand lehnend neben dem Tor und grinst mich verschmitzt an. Er sieht so lässig aus, dass mir heiß wird. Ich schlucke schwer. Ich hab es keinem verraten, aber Elyas hat mich echt wieder zum Teenager gemacht. Dieses Gefühls auf und ab auf der heftig schwankenden Emotionsachterbahn kenne ich nur aus dieser Zeit. »Elyas«, sage ich leicht heiser und er lacht. Ich kriege eine Gänsehaut. »Überraschung«, meint er schlicht und kommt näher. Mein Herzschlag verdreifacht sich gefühlt und ich bekomme schwitzige Hände. An seiner Stirn sieht man noch die Narbe vom Unfall, die nur bedingt durch die Haare verdeckt wird und vermutlich nie ganz verschwinden wird im Gegensatz zu den ganzen blauen Flecken, von denen er mehr hatte, als ich ertragen konnte. Denn während er schon nach dem Wochenende wieder arbeiten gehen wollte, hätte ich ihn am liebsten noch im Bett gewusst bis auch die letzte Prellung abgeheilt ist. Zum Glück sahen sein Hausarzt und sein Vater es wenigstens ähnlich, weshalb er erst vor zwei Tagen wieder zur Arbeit durfte. Die Zeit zur Genesung hat er dann bei mir oder Anna und Elisa verbracht. »D–Das ist wirklich eine Überraschung«, murmle ich und versuche ruhig durchzuatmen. Elyas schmunzelt und lehnt sich zu mir. »Darf ich dich küssen?«, fragt er leise und ich komme kaum dazu darüber nach zu denken, bevor ich einem Impuls folgend nicke. Er lächelt, das kann ich noch sehen, dann legen sich seine Lippen auf meine und ich bekomme weiche Knie. Das muss irgendwo verboten sein, bin ich mir sicher. Aber selbst wenn, dann würde ich trotzdem nicht damit aufhören. Als Elyas sich wieder löst, grinst er zufrieden, greift nach meiner Hand und zieht mich mit. Da sein Auto einen Totalschaden hat und das hin und her der Versicherungen noch nicht geklärt ist, habe ich ihm einfach meinen Wagen geliehen, weil ich eh nicht jeden Tag damit zur Arbeit fahre. So hat Elyas ein Auto, während die Anwälte sich miteinander rumprügeln und ich Elyas, weil er schneller von A nach B kommt. Dass er mich jetzt abholt war nicht geplant, aber ich freue mich um so mehr. »Übrigens haben wir noch eine Überraschung für dich«, verkündet Elyas dann aber, als ich auf den Beifahrersitz rutsche. Ich vergesse fast das anschnallen, weil ich ihn völlig irritiert ansehe. »Wir?« »Siehst du gleich«, sagt er nur grinsend und startet den Motor. Ich habe keine Ahnung wen Elyas damit meinen könnte, weshalb ich grübelnd aus dem Fenster sehe, während er zur WG fährt und Elyas macht auch keine Anstalten sich zu erklären. Er ist zwar kein richtiger Geheimniskrämer, aber er bindet auch nicht jedem alles auf die Nase, weshalb ich manchmal doch hartnäckig sein muss, wenn ich etwas wissen will. Und weil er hinter seiner verschmitzten Art so viel so gut verstecken kann, ist mir eigentlich schon seit Beginn an klar, dass ich noch einiges an ihm kennen lernen kann und sollte. Wieder einmal lasse ich die Post Post sein, auch wenn ein Teil schon oben raus guckt und laufe direkt die Treppen hoch. Mir geht kurz durch den Kopf, dass ich gleich noch duschen muss, während ich die Haustürschlüssel aus der Jacke krame und versuche Elyas lachen hinter mir aus zu blenden. Wenn es um Überraschungen geht, fehlt mir meine sonstige Geduld. Vor allem bei angekündigten Überraschungen. Als ich den Schlüssel im Schloss drehe, höre ich schnelle Schritte und Gezischel hinter der Tür, weshalb ich Elyas skeptisch anschiele, der mittlerweile aufgeholt hat und noch sehr viel breiter grinst. »Mach auf wenn du dich traust«, flüstert er mir zu und ich schlucke schwer. Jetzt doch etwas zögernd, mache ich die Tür auf und schiele in den Flur. Mein Bein in den Spalt schiebend, damit Mowgli nicht flüchten kann, drücke ich die Tür weiter auf, doch der Flur ist verwaist. Dafür ist die Garderobe ganz schön voll und die ganzen Schuhe darunter deuten auf Besuch hin. »Bin wieder da?«, rufe ich fragend und öffne die Tür noch weiter. Aber immer noch kein Mowgli. Mich beschleicht ein ungutes Gefühl. »Wo ist mein Kater?«, frage ich unruhig, aber Elyas schiebt mich einfach weiter rein und schließt die Haustür hinter uns. Ich lasse meine Sachen an der Garderobe fallen und gehe dann in die Küche, die... voll ist. Nuri steht direkt im Türrahmen und hält mir einen Vertrag entgegen. Mein Blick fliegt zu Mathis, der danebensteht, gegen die Küchenzeile gelehnt, und grinst. Momo sitzt auf einem der Stühle, hat hochrote Wangen und meinen Kater auf dem Schoß, was mich wenigstens ein bisschen beruhigt. Allerdings verstehe ich nicht ganz was Nina und Lucas hier machen, die die übrigen beiden Stühle besetzen, während Anna und Elisa sich auf der Bank breit machen. Elisas Grinsen macht mir Angst und mit meiner anfänglichen Ruhe ist es sofort wieder Essig. »...was ist das?«, frage ich heiser und traue mich kaum nach dem Schriftstück zu greifen. »Der Vertrag für den Nachmieter von Maries Zimmer«, erklärt sie. »Was? Aber ich hab doch noch gar nicht–« »Das haben wir gemerkt und das brauchst du auch nicht«, brummt Mathis und deutet auf eine bestimmte Zeile. Ich greife doch danach und kriege große Augen. »Wohnraumvertrag zur Untermiete zwischen den Parteien Gabriel Lorentz und... Moritz Weiß?«, völlig verdutzt sehe ich zu Momo, der aussieht, als ob er gleich vom Stuhl fallen will. Mathis lächelt schief, während Nuri zufrieden grinst. »Marie hat auch schon zugestimmt, also bist du quasi überstimmt und uns allen ist Momo lieber als irgendjemand, der noch erzogen werden muss«, erklärt sie und ich sehe zu Nina. »Und du lässt ihn echt gehen?« »Er ist doch eh meistens hier und ich muss ja nur über den Flur. Außerdem kann er dann hier Tiere haben und Lucas und ich wollen jetzt richtig zusammen ziehen. So ist es doch echt am Besten für alle!«, meint sie schmunzelnd und ich brumme, bevor ich Momo ansehe. »Tiere, ja?« Er schluckt schwer und schielt mich von unten her an. Eigentlich ist das die perfekte Lösung und ich weiß es, aber das ist das erste Mal, dass ich bei so einer großen Entscheidung nicht gefragt wurde. Da halte ich es für angebracht den Zweifler zu spielen. »Vielleicht... einen Hamster? Oder zwei?«, fragt er dann leise und ich lache, während Nina einwirft, dass es wohl eher zehn werden. »Du müsstest nur noch unterschreiben«, wirft Nuri ein und hält mir einen Kuli entgegen, bevor sie den Mietvertrag aufblättert und auf eine leere Zeile über Momos Unterschrift deutet. Ich muss grinsen und unterschreibe einfach. »Und dafür das ganze Aufgebot?«, frage ich dann und sehe zu Elyas, der hinter mir steht. Er schmunzelt, aber schüttelt den Kopf. »Weißt du was heute für ein Tag ist?«, fragt er dann und ich runzle die Stirn. »Der 13. Oktober, oder nicht?« Er nickt leicht und zieht nun selbst etwas hinter seinem Rücken hervor. »Das ist das Behandlungsprotokoll von Mowgli. Seine erste Behandlung war am 13. April«, sagt er. Ich komme nicht ganz mit. »Ich... steh’ auf dem Schlauch«, murmle ich leise. Elisa lacht und murmelt etwas das nach »Ich wusste es« klingt, aber das geht mir grade sonst wo vorbei. »April bis Oktober, wieviel Monate sind das?«, fragt er schlicht und ich blinzele kurz verdutzt, bevor ich große Augen bekomme. »A–Aber... Die Anzeige ist doch erst am 15. April bearbeitet worden und... u–und...« Elyas schüttelt lächelnd den Kopf. »In Rücksprache mit ein paar anderen Ärzten habe ich erfahren, dass man auch den Tag des Fundes geltend machen kann und das hab ich für dich gemacht. Mowgli ist ab heute dein Kater. Ohne Wenn und Aber.« Mir schnürt sich der Hals zu. Elyas zieht hinter dem Protokoll ein anderes Formular hervor auf dem jede Menge Fachchinesisch steht, aber eine Zeile in grün markiert wurde. »Eigentümer: Gabriel Lorentz«, flüstere ich heiser und sehe zu Mowgli, der das ganze Trara verschläft. Mir wird heiß und kalt und ich beiße mir unwillkürlich auf die Unterlippe. »...scheiße, ich hab noch nicht geduscht«, krächze ich, entscheide dann aber, dass es mir das wert ist und hebe Mowgli einfach von Momos Schoß und drücke ihn an mich. Mein Kater, jetzt wirklich. ~ »Tut’s noch weh?«, ich muss bei dem unterschwelligen Amüsement selbst grinsen und schüttle den Kopf. Der schlafende Mowgli fand mein Knuddeln nicht so witzig und hat das sehr deutlich gemacht, aber auch wenn es gebrannt hat und mir die Lacher der anderen eingebracht hat, war es mir egal. Besser kann ein Tag mit Überstunden einfach nicht enden. Mittlerweile ist es spät. Diese ganze Überraschung war wirklich gut durchgeplant. Denn während ich nämlich duschen war, auch um Mowgli nicht völlig zu traumatisieren und Nuri dann meine Kratzer versorgt hat, zauberten die anderen aus irgendwelchen Ecken jede Menge Leckereien hervor. Es wurde zu einer kleinen Alles in einem–Party und auch wenn es trotzdem schade ist, dass Marie nicht dabei war, ist da plötzlich dieses Alles ist einfach wunderbar und kann kaum besser werden Gefühl. Über diesen Gedanken schmunzelnd, kraule ich Mowgli über den Kopf, der es sich auf meiner Brust bequem gemacht hat. Ich zucke leicht zusammen, als Elyas mir über die Wange streicht und so gegen die Kratzer kommt. »Mowgli ist wirklich der Einzige, der dich neben mir kratzen darf, nur das du es weißt«, murmelt er und legt sich neben mich. Ich blinzle völlig verwirrt. »Wer sollte mich denn sonst kratzen und wieso?«, frage ich dann, aber Elyas blinzelt nur, bevor er lacht und mich küsst. Eigentlich will ich nachhaken, was er meint und wieso er mich überhaupt kratzen will, aber das vergesse ich bei dem ganzen wohligen Blubbern im Inneren. Mowgli vorsichtig festhaltend rutsche ich näher, als er sich wieder löst. Die Augen schließend muss ich wieder lächeln. »Manchmal weiß ich wirklich nicht, was dir immer durch den Kopf geht. Warum lächelst du?«, fragt er dann und jetzt muss ich lachen. »Das sagst ausgerechnet du?«, frage ich lachend, während Mowgli aufsteht und über mich laufend sich ans Kopfende legt. Vermutlich mache ich zu viele Bewegungen um eine würdige Schlafunterlage zu sein. »Vielleicht sollten wir uns drauf einigen, dass wir noch einiges haben, was wir aneinander kennen lernen können«, sage ich deshalb und bekomme dafür ein lächelndes Nicken und einen Kuss. Einen sehr schönen und tiefen Kuss. Und während sich meine Arme über seine Schultern schieben um ihn angemessen zu erwidern, schießt mir durch den Kopf, wie sehr das ganze Leben auf den Kopf gestellt werden kann, nur weil man einen kleinen, schwarzen Kater findet. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)