Der lange Weg nach Hause von Des-C-Kudi ================================================================================ Akt VII: Sehnsucht ------------------ Akt VII Sehnsucht . . . Zum wiederholten Mal wechselte sie die Kompresse auf seiner Stirn aus.   Sakura nahm das Tuch, tauchte es in die Schüssel auf dem Tisch und wrang das überschüssige Wasser aus, bevor sie es wieder auf seine glühend heiße Stirn legte. Seiner Körpertemperatur nach zu urteilen, würde sie die Kompresse eh wieder in wenigen Minuten auswechseln müssen. Sanft kämmte sie Sasuke die Haare aus dem Gesicht und legte anschließend ihre Hand prüfend gegen seine Wange. Ihr Blick glitt über sein schlafendes Gesicht. Seine Wangen waren durch das hohe Fieber stark gerötet und dunkle Ringe zeichneten sich unter seinen Augen ab.   Es war ein ungewohnter Anblick, ihn so schwach zu sehen.   Er konnte mit seinen Augen Ungeheuer bändigen, es mit zig Gegnern gleichzeitig aufnehmen und sogar einen Krieg beenden. Aber dennoch war er genauso sterblich wie jeder andere von ihnen auch und wurde von Gebrechen und Krankheiten nicht verschont.   Sie nutzte die seltene Gelegenheit, um sein Gesicht eingehend zu mustern. Seine Augen waren gesäumt von dichten, schwarzen Wimpern, für die manche Frauen sterben würden. Sie warfen lange Schatten auf seine Wangen. Ihr Blick wanderte über seine gerade Nase und blieb an seinen Lippen hängen, die durch das Fieber spröde und trocken waren.   Die gleichen Lippen, die sich gestern Nacht so erbarmungslos gegen ihre gedrängt hatten.   Die Erinnerung an seinen Kuss ließ wieder alles in ihrem Bauch auf angenehme Weise zusammenziehen. Man konnte es nicht einmal als richtigen Kuss bezeichnen – mehr ein sekundenlanges hartes Lippen aufeinanderpressen. Aber es hatte ausgereicht, dass in ihrem Körper seit gefühlt 24 Stunden die Schmetterlinge tobten.   Sein Kuss war wie alles andere an ihm auch – kraftvoll, stürmisch und völlig unbezwingbar.   „An wie viel wirst du dich noch erinnern können, Sasuke-kun?“, murmelte sie gedankenversunken.   Sie bezweifelte stark, dass es viel sein würde. Der Schlaf, gepaart mit dem hohen Fieber, würde schon dafür sorgen. Er hatte im Delir Dinge getan, die er so vielleicht niemals getan hätte – und je wieder tun würde. Und dass, obwohl sie das Verlangen aus seiner Stimme herausgehört hatte, es in seinen Augen gesehen hatte.   Er würde sich vielleicht an nichts mehr erinnern können, aber sie würde diesen kurzen Augenblick in ihrem Herzen bewahren und ihr Leben lang nicht mehr vergessen. . . . Im Laufe des Tages schaute Sakura immer wieder nach ihm, aber er lag genauso reglos im Bett, wie sie ihn zurückgelassen hatte. Am Abend brachte sie ihm eine leichte Suppe aus der Küche mit. Sie half ihm beim Aufrichten, sodass er gegen das Kopfende des Bettes lehnte. Da er nicht in der Lage war, alleine zu essen, tauchte sie kurzerhand den Löffel in die Suppe und führte ihn an seine Lippen. Sasuke öffnete automatisch den Mund und ließ sich von ihr füttern. Er starrte vor sich hin und schien nicht viel von ihr und der Umgebung mitzubekommen.   Sakura schmunzelte. Bei klarem Bewusstsein würde es ihm garantiert gegen seinen Stolz gehen, sich wie ein Kleinkind bemuttern zu lassen. Nach einigen Schlucken schüttelte er schwach den Kopf.   Sie legte den Teller weg und betrachtete nachdenklich sein komplett durchgeschwitztes Shirt. Entschlossen stand sie auf und holte aus dem Bad eine Schüssel mit kühlem Wasser und einen Waschlappen. Sie setzte sich auf die Bettkante und zog Sasuke sanft das Shirt aus. Er gab widerstandslos nach. Mit dem Waschlappen befreite sie seine Brust von Schweiß und Müdigkeit. Im Laufe der Prozedur kippe er mit dem Oberkörper nach vorne und lehnte sich erschöpft an sie, während sie vorsichtig mit dem Lappen über seinen Rücken fuhr. Sein heißer Atem hinterließ feuchte Flecken auf ihrem Nacken.   „Sakura…“, murmelte er. Sie senkte ihre Hand, als sie seine schwache Stimme vernahm.   „Du riechst gut.“   Sie biss sich auf die Lippe. Sogar im Fieber konnte er ihr den Wind aus den Segeln nehmen.   „Meinst du?“, entgegnete sie leicht.   Als Antwort brummte er nur etwas Unverständliches.   Ihr Lächeln verschwand nicht, als sie weitermachte. Irgendwie war er in diesem Zustand doch ganz knuffig.   Sie zog ihm ein sauberes Shirt über und packte ihn wieder unter die Decke. Nun brauchte er ausreichend Ruhe und Schlaf. Vielleicht konnte sie Akiko fragen, ob sie ihr eines der freien Zimmer überließ? Gerade wollte sie aufstehen, als seine tiefe Stimme hinter ihr ertönte.   „Bleib.“   Langsam drehte sie sich zu ihm um. Er starrte sie unter halb gesenkten Augenlidern an. Sie bildete sich ein, die Hitze in seinem Blick auf ihrer Haut spüren zu können.    „Bleib hier,… Sakura.“   Sie nickte zögernd. Er verfolgte jede ihrer Bewegungen, als sie auf ihrer Seite des Bettes mit gebührendem Abstand zu ihm unter die Decke schlüpfte. Erst dann schloss er die Augen.   Durch ihre Arbeit als Medizin-Ninja besaß sie ein gutes Immunsystem und war immer ausreichend geimpft. Daher bezweifelte sie, dass sie sich anstecken würde.   Und wer war sie, dass sie ihm diesen Wunsch ausschlagen konnte, wo sie doch selbst so gerne in seiner Nähe war?   Während sie zärtlich sein Gesicht betrachtete, das zu ihr gewandt war, fielen ihr langsam die Augen zu. . . . Es waren die morgendlichen Sonnenstrahlen, die ihn weckten.   Sasuke kniff die Augen zusammen, als es hinter seinen Augenlidern urplötzlich sehr hell wurde. Er drängte sich enger gegen seine Wärmequelle. Die Weichheit seines Kissens lullte ihn ein und er spürte, wie er wieder in den Schlaf abdriftete. Er holte einen tiefen Atemzug und sog den wohlvertrauten Duft ein. Er erinnerte ihn an Frühling, Wiesen und Sak-   Schlagartig riss er die Augen auf.   Sein Sichtfeld wurde von einem allzu bekannten Haarschopf, der sich gegen sein Kinn presste, versperrt. Wie in Zeitlupe senkte er seinen Blick. Sakuras schlafendes Gesicht drängte sich gegen seine Brust. Sie hatte beide Hände in sein Shirt vergraben und ihr ruhiger Atem strich über seinen Hals.   Aber es war sein eigener Arm, von dem er nicht den Blick losreißen konnte. Er hatte ihn um ihre Hüfte geschlungen und die Kunoichi eng an sich herangezogen, dass nicht einmal ein Lufthauch zwischen ihnen passte.   Was zur…?   Mit gerunzelter Stirn hob Sasuke den Kopf und ließ seinen Blick über ihre schlafende Gestalt hinweggleiten. Er entdeckte auf dem Nachttisch die Waschschüssel, ausgewrungene Tücher, leere Teller und Medikamente. Nun spürte er auch, wie ausgeruht und gestärkt sein Körper sich anfühlte. Die Lethargie, die ihn die letzten Tage heimgesucht hatte, schien aus seinen Körpergliedern wie von Zauberhand verschwunden zu sein.   Hatte Sakura ihn etwa gesund gepflegt?   Er betrachtete ihre sanften Gesichtszüge. Natürlich. Dafür würde er seinen einzigen Arm ins Feuer legen.   Sein Blick blieb unweigerlich an ihren Lippen hängen und er erstarrte.   Eine geisterhafte Erinnerung von weichen Lippen gegen seine huschte über ihn hinweg.   Mit zusammengezogenen Augenbrauen versuchte er den Gedankenfetzen zu packen, bevor er ihm entglitt. Aber es war aussichtslos – mehr als eine schemenhafte Erinnerung blieb nicht übrig. Waren es nur seine Hirngespinste, die sich da wieder etwas zusammenbrauten, oder hatte er Sakura tatsächlich geküsst?   Leise fluchend wich sein Blick nicht von ihrem Mund.   Was war bloß vorgefallen?   Und wieso konnte er sich verdammt nochmal an nichts mehr erinnern?   Genau in diesem Moment spürte er, wie sich Sakura regte. Sofort schloss er die Augen.   Ihre Wimpern strichen über Sasukes Schlüsselbein, als ihre Augenlider aufflatterten. Zögernd hob sie den Kopf und stieß dabei ihren Scheitel noch enger gegen sein Kinn.   „Sasuke-kun?“   Er antwortete nicht. Stattdessen ermahnte er sich, ruhiger zu atmen. Fast unbewusst verstärkte er seinen Griff um ihre Mitte. Er wusste nicht, woher dieses urplötzliche Bedürfnis kam, aber er war nicht gewillt, so schnell aus ihrer Umarmung zu flüchten.   Schließlich senkte sie den Kopf und kuschelte sich noch enger gegen seine Brust. . . . Wenige Stunden später öffnete Sakura die Augen. Sie hob den Blick und ertappe Sasuke dabei, wie er sie beobachtete. Keiner sagte etwas - stattdessen waren beide damit beschäftigt, in den Augen des Anderen zu versinken. Schließlich verzogen sich ihre Lippen zu einem kleinen Lächeln.   „Guten Morgen.“   „Hn.“   Sakuras Lächeln wurde breiter. Seine nichtssagende Antwort, die alles oder nichts bedeuten konnte, war immer unglaublich frustrierend. Aber gleichzeitig war sie so typisch für ihn, dass sie es nicht missen wollte. Sie hob ihre Hand und legte sie auf seine kühle Stirn. Er zuckte leicht zusammen, wich aber nicht zurück.   „Wie geht es dir? Das Fieber scheint immerhin weg zu sein.“   Sasuke zuckte mit den Schultern. „Besser als vorher.“   „Das freut mich.“ Sie schwieg einen Moment, bevor sie weitersprach: „Ich habe mir Sorgen gemacht. Du warst drei Tage lang nicht ansprechbar.“   Er hob nur erstaunt die Augenbrauen. So lange?   Sakuras Finger spielten mit einer schwarzen Strähne. Ihr Handballen strich dabei über seine Wange, die mit kurzen Bartstoppeln versehen war. Sie sehnte sich danach, über seine Haut zu streichen und die Erhebungen mit ihren Fingerspitzen zu erkunden.   Stattdessen senkte sie die Hand und nickte, als sie die Überraschung in seinen Augen sah. „Du warst absolut nicht bei Sinnen. Kannst du dich denn an nichts mehr erinnern?“, fragte sie zögernd. Hatte er den Kuss vollkommen vergessen? Er sah die stumme Frage in ihren Augen. Was versuchte sie ihm mitzuteilen? Hatte er sie etwa tatsächlich geküsst? Die Frage lag ihm bleischwer auf der Zunge, aber er bekam die Zähne einfach nicht auseinander.   „Nein. Ich kann mich an nichts erinnern“, sagte er schließlich.   „Oh.“   Ihr Lächeln fiel in sich zusammen. Die Enttäuschung stand ihr ins Gesicht geschrieben.   Gerade wollte er nachhaken, als es an der Zimmertür klopfte.   Verlegen schälte sie sich aus seiner Umarmung und tapste zur Tür. Sie öffnete diese einen Spaltbreit. Er hörte Akikos Stimme, die sich nach seinem Befinden erkundigte. Sein Blick glitt über Sakuras schlanke Gestalt und blieb wie hypnotisiert an ihren sanft gerundeten Hüften hängen.   Sasuke hob rechtzeitig den Blick, als sie sich zu ihm umdrehte.   „Uhm. Dann mache ich mich mal fertig für die Klinik.“ Bevor er etwas entgegnen konnte, war sie bereits im Badezimmer verschwunden.   Verdammt.   Wie sollte er sich ihr gegenüber verhalten, wenn er nicht einmal wusste, was zwischen ihnen beiden vorgefallen war?   Und dass etwas vorgefallen war, war unbestreitbar. . . . Sasuke verließ noch am gleichen Tag entgegen Sakuras Proteste das Bett. Nachdem er sichergestellt hatte, dass der Mauerbau, der kurz vorm Ende stand, zufriedenstellend verlief, nutzte er die Gelegenheit, um wieder zu seiner alten Stärke zu gelangen. Die nächsten Tage trainierte er unbarmherzig und ließ seinen Körper immer wieder bis an seine Grenzen gelangen.   Den Nebel in seinem Kopf konnte er allerdings nicht lichten.   Er redete sich ein, dass alles wieder seine gewohnten Bahnen ging. Beide gingen ihrer Arbeit nach, er versuchte sie wie immer zu ignorieren und sie ließ ihn weitestgehend in Ruhe. Fast könnte er meinen, dass alles wieder wie vorher war - bevor sie beide während des Kampfes im Wald eine unsichtbare Grenze überschritten hatten.   Aber es waren die Kleinigkeiten im Alltag, die ihn stutzen ließen.   Die Art, wie sie sich im Bett gefährlich nah seiner Seite näherte, die zarte Röte, die sich manchmal in seiner Nähe ohne Grund auf ihren Wangen ausbreitete und ihr Lächeln erst. So vertrauensvoll, so intim. Ihre strahlenden Augen trugen dabei eine geheime Botschaft, die er einfach nicht entziffern konnte.   Von Tag zu Tag verwirrte sie ihn immer mehr. Sollte sie nicht Abstand wahren? Waren seine Signale vor seiner Krankheit etwa nicht deutlich genug gewesen?   Aber das war, bevor er im Fieber etwas getan hatte, was er offensichtlich nicht hätte tun sollen.   Glaubst du, du hast eine Antwort auf deine Fragen gefunden?   Er holte mit Kusanagi aus und zerteilte die Bäume vor ihm gezielt in zwei Teile. Sekundenspäter schlugen die Stämme mit einem lauten Krachen auf den Boden ein. Während die pechschwarzen Flammen von Amaterasu am Holz leckten, ließ er gedankenverloren sein Katana sinken. Ihr Gespräch nach der Begegnung mit dem Kaufmann hatte er nur zu gut in Erinnerung.   Allerdings hatte Sasuke ihr nur einen Teil der Wahrheit erzählt.   Seine Reise hatte ihm in vielerlei Hinsicht geholfen. Er hatte Zeit für sich gefunden, über seine Vergangenheit, Itachis Tat und seine und Narutos Verantwortung, die sie von Geburt an trugen, nachzudenken. Vieles sah er jetzt aus einem anderen Blickwinkel.   Aber er hatte ihr nicht erzählt, dass Sakura selbst zu eines seiner größten, ungelösten Probleme zählte.   Sasuke hatte gehofft, seine Gedanken auf seiner Reise soweit sortieren zu können, um herauszufinden, welche Position sie in seinem Leben einnahm. Während er Naruto als seinen Bruder sah und mit Kakashi eine vater-sohn-ähnliche Beziehung führte, konnte er Sakura nicht einordnen. Mit ihr war es schon gefühlt seit seiner Kindheit anders. Nie verhielt sie sich so, wie er es sich wünschte. Nie benahm sie sich so, wie er es erwartete. Wenn er glaubte, sie endlich in ihrer Gesamtheit verstanden zu haben, machte sie etwas, was ihn wieder völlig aus der Bahn warf. Ihr Temperament war weit gefürchtet, aber gleichzeitig war sie sanft und besonnen. Sie war unglaublich intelligent und gerissen, dennoch war sie von einer unschuldigen, naiven Natur umgeben. Die Zerstörungskraft ihrer Hände war verheerend, was sie aber nicht davon abhielt, zu heilen und zu reparieren. Sie war durch und durch mit Widersprüchen versehen.   Wie konnte eine Kunoichi, so simpel und doch so hoch komplex, so ein Chaos in seinem Kopf anrichten?   Je mehr er Zeit mit Sakura verbrachte, umso komplizierter wurde sein Problem.   Dabei liegt die Antwort doch so nah.   Aus unerfindlichen Gründen sträubte er sich, in den Tiefen seiner Gedanken und seines Herzens auf die Suche nach der Lösung des Problems zu machen. In wenigen Tagen würde der Mauerbau abgeschlossen sein. Und dann würden Sakura und er wieder getrennte Wege gehen. Ein Ausweichen würde sein Problem nicht lösen. Aber manche Fragen blieben besser unbeantwortet. . . . Die Zeit rannte ihr davon.   Sakura verabschiedete sich vom Patienten, der sich überschwänglich bei ihr bedankte und anschließend von seiner Frau begleitet die Klinik verließ. Lächelnd schaute sie ihm hinterher. Der gleiche Patient hatte noch Wochen zuvor wimmernd vor Schmerzen in seinem Bett gelegen und nun sah man ihm nichts mehr von seinen Verletzungen an. Die Zeit war wie im Fluge vergangen.   Aber ihr eigenes Problem war weiterhin ungelöst.   Ihrem Ziel, Sasuke davon zu überzeugen, mit ihr nach Konoha zurückzukehren, schien sie auch Monate später kein bisschen nähergekommen zu sein. Ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass der Uchiha sofort das Weite suchen würde, sobald ihre Arbeit in Karagakure erledigt war. Und dieses Mal würde er sich nicht umstimmen lassen und sie nicht mehr auf seine weitere Reise mitnehmen. Zu allem Überfluss machten ihre Gefühle – und seine – ihr zusätzlich einen Strich durch die Rechnung. Er schien etwas für sie zu empfinden, was weit über rein platonische Freundschaftsgefühle hinausging. Seine Berührungen waren Beweis genug. Und natürlich erinnerte er sich nicht mehr an den Kuss. Wäre ja zu schön gewesen, um wahr zu sein. Manchmal sehnte sie sich einfach danach, diesen dickköpfigen Kerl an den Schultern zu packen und hemmungslos zu küssen. Genauso, wie er es getan hatte. Vielleicht konnte sie so seinem Gedächtnis auf die Sprünge helfen.   Einzig seine Reaktion, die sich nicht abschätzen ließ, hielt sie von ihrem gewagten Unterfangen ab.   Es gab nur zwei Möglichkeiten: Entweder er erwiderte ihre Annäherungen mit der gleichen Leidenschaft oder aber er wies sie zurück und ihr letztes Fünkchen Hoffnung, ihn nach Hause zu bringen, ging verloren.   Grübelnd nagte sie an ihrer Unterlippe, während ihr Blick durch den nahezu leeren Krankensaal schweifte.   Wie überzeugte man einen sturen Uchiha, der sich offensichtlich nicht überzeugen lassen wollte? . . . „Ihr kommt doch heute Abend, Haruno-san, oder?“   Sakura hatte gerade die Taverne nach ihrer Arbeit in der Klinik betreten, als Akiko ihr entgegenkam. Sie runzelte die Stirn. „Was meint Ihr?“   „Na, wolltet Ihr morgen nicht schon abreisen?“, fragte Akiko verwundert. „Zumindest hat es Shioshi-sama berichtet. Jedenfalls wurde zu Eurem und Uchiha-sans Ehren ein Dorffest auf dem Marktplatz arrangiert.“   Sakura starrte die Tavernenbesitzerin mit offenem Mund an, hatte sich dann aber schnell wieder unter Kontrolle.   „Selbstverständlich. Wir werden beide kommen.“   Nachdem sie Akiko versichert hatte, dass Sasuke und sie als Ehrengäste natürlich nicht auf dem Fest fehlen würden, machte sie sich wutschnaubend auf den Weg zu ihrem Zimmer.   Diesem Mann würde sie gehörig die Leviten lesen!   Aber als Sakura die Tür aufriss, fehlte vom Uchiha jede Spur.   Typisch. Jede Wette, dass sich dieser Sturkopf irgendwo verkrochen hatte, um nicht am Fest teilnehmen zu müssen. Um sich beruhigen, trat sie unter die Dusche und versuchte sich anschließend passabel herzurichten, soweit es möglich war. Sie hatte nur ihre Shinobi-Kleidung mitgenommen, die wohl oder übel ausreichen musste. Mit Spangen steckte sie ihre Haare hoch und zupfte einige Strähnen heraus, die ihr Gesicht umrahmten. Nach einem letzten prüfenden Blick in den Spiegel, verließ sie die Taverne. Auf der Straße hörte sie schon von Weitem laute Musik und Gelächter. Aber stattdessen marschierte sie gezielt in den naheliegenden Wald.   Als sie Sasuke jedoch entdeckte, blieb sie wie angewurzelt stehen.   Er wirbelte Kusanagi gerade über seinen Kopf hinweg. Seine Bewegungen waren geschmeidig und ähnelten denen eines Raubtiers. Das Mondlicht ließ die feinen Schweißperlen auf seiner nackten Brust aufleuchten und seine Silhouette hatte in der Dunkelheit etwas fast Magisches. Sein Anblick ließ ihr Herz schmerzhaft zusammenziehen. Seelenruhig senkte Sasuke sein Schwert. Er nahm sein Hemd und wischte es sich über die Brust, bevor er Kusanagi wieder zurück in die Scheide steckte. Erst dann schaute er Sakura direkt an.   „Wir werden morgen aufbrechen.“   „Das habe ich mittlerweile auch schon aus zweiter Hand erfahren.“   Er ignorierte den leisen Vorwurf in ihrer Stimme. „Unsere Arbeit hier ist getan.“   „Aber die Mauer ist doch noch gar nicht fertig“, warf sie ein.   „Die paar Steine können sie auch ohne uns aufeinanderstapeln“, erklärte er unwirsch.   Gerade wollte er an ihr vorbeigehen, als ihre erstickte Stimme ihn mitten in der Bewegung innehalten ließ.   „Was ist mit uns beiden?“   Er schwieg einen Moment, bevor er kühl erwiderte: „Ich werde weiterreisen… und du wirst nach Konoha zurückkehren.“   Sasukes reservierter Ton versetzte ihr einen Stich. Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter und wirbelte entschlossen zu ihm herum. „Aber zum Dorffest kommst du doch, oder?“   Er neigte seinen Kopf über die Schulter hinweg in ihre Richtung. „Sollte ich?“   Oh, dieser arrogante Mistkerl.   Sakura stemmte die Hände in die Hüften und starrte ihn angriffslustig an. „Ja, das solltest du. Das gebietet die Höflichkeit. Immerhin erweisen uns die Dorfbewohner so ihre Dankbarkeit.“ Sie schloss kurz die Augen, als sie sich sammelte. „Wenn du nicht für sie gehen willst, dann tu es mir zuliebe. Lass uns noch den letzten gemeinsamen Abend zusammen genießen.“   Sie hielt den Atem an, als sie seinen schweren Blick auf sich spürte. Es verging wohl eine Ewigkeit, als er schließlich nickte.   „Meinetwegen.“   Sofort strahlte sie auf. Sanft schubste sie Sasuke an der nackten Schulter Richtung Dorf. „Na los, geh schon duschen.“ Sie kicherte, als er sie mit hochgezogenen Augenbrauen anschaute. „Oder willst du vollkommen verschwitzt auftauchen?“   „Tz.“   Er verdrehte leicht die Augen und wollte gerade den Wald verlassen, als Sakuras fröhliche Stimme hinter ihm erklang.   „Und wehe, du tauchst nicht auf. Ich werde auf dich warten.“ . . . Sasuke näherte sich dem Marktplatz und blieb unschlüssig stehen. Wer hätte gedacht, dass in diesem kleinen Dorf so viele Menschen lebten? Es war rappelvoll und immer mehr Menschen strömten aus den Straßen auf den Platz. In der Luft hing der Geruch von gebratenem Fleisch, bunte Lampions waren aufgehängt, die die Massen in sanftes Licht tauchten und von irgendwoher erklang laute Musik. Die Dorfbewohner genossen das Fest in vollen Zügen, da sie in den letzten Monaten immer wieder schwere Schicksalsschläge erlitten hatten.   Da er Sakura in der Menge nicht entdecken konnte, lehnte er sich gegen eine Hausmauer und schaute dem Treiben zu. Sasuke war kein großer Freund von Menschenansammlungen, was sich leicht durch sein Leben als Shinobi erklären ließ. Außerdem fühlte er sich bei solchen Anlässen einfach fehl am Platz. Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er den Abend nur mit Trainieren verbracht. Die Enttäuschung in Sakuras Gesicht hatte er aber einfach nicht ertragen können. Einmal mehr wunderte er sich, wie viel Einfluss sie doch über ihn zu haben schien.   „Da bist du ja!“   Plötzlich tauchte Sakuras strahlendes Gesicht vor ihm auf, und ehe er protestieren konnte, hatte sie bereits seine Hand gepackt und zog ihn in die Menschenmenge.   „Sasuke-kun, du musst unbedingt die Takoyaki hier probieren. Die sind unglaublich lecker! Ich konnte mich einfach nicht zurückhalten…“   Er blendete ihren begeisterten Wortschwall aus und starrte stattdessen ihre beiden ineinander verschlungenen Finger an. Ihre Hand war warm und fest, und obwohl sie so viel kleiner als seine war, konnte sie ihn mühelos mit sich ziehen. Es erinnerte ihn daran, wie sie einst ihn und Naruto immer an den Händen gepackt und überall mit sich geschleift hatte. Ein seltsames Ziehen stellte sich in seiner Brust ein.   Mitten im Menschengetümmel blieben sie stehen und Sakura sah ihn erwartungsvoll an.   „Auf was hast du Lust?“   Sein Blick strich über ihr Gesicht und blieb schließlich an ihren Lippen hängen, die im sanften Licht rosig und glänzend wirkten. Es wurmte ihn, dass er von der geisterhaften Erinnerung an einen Kuss geplagt wurde, aber sich nicht an einziges Bruchstück richtig erinnern konnte. Auf sein Gedächtnis war doch sonst auch immer Verlass.   Wie es sich wohl anfühlte, seine Lippen auf Sakuras zu legen?   „Warte. Ich komme gleich wieder.“   Sakura tauchte in der Menge unter und er blieb alleine zwischen den Menschen stehen. Einige Dorfbewohner nutzten die Gelegenheit, um ihm zu danken und andere klopften ihm beim Vorbeigehen anerkennend auf die Schulter. Da er nicht wusste, was er sagen sollte, nickte er nur höflich.   Sakura erlöste ihn schließlich, als sie mit rosafarbener Zuckerwatte auftauchte. Sie lachte, als sich sein Gesicht beim Anblick des Zuckeralbtraums verzog.   „Keine Sorge, ich weiß doch, dass du keine süßen Sachen magst.“ Sie zauberte hinter ihrem Rücken Takoyaki am Stiel hervor. Während beide nebeneinanderstehend die Menschen um sich herum beobachteten, verzehrten sie die Köstlichkeiten in einem angenehmen Schweigen. Als an ihrem Stiel nur noch ein Fitzelchen Zuckerwatte kleben blieb, konnte sie es einfach nicht sein lassen, ihn noch ein bisschen zu ärgern.   Sie wedelte mit der Zuckerwatte vor seinem Gesicht herum.   „Willst du denn nicht auch einmal probieren, Sasuke-kun?“, kicherte sie.   Als er sich ihr zuwandte, erstarrte er.   Sasukes Augen fixierten das Stück Zuckerwatte, das an ihrem Mundwinkel hängen geblieben war. Plötzlich fühlte sich sein Mund wie ausgedörrt an. Er schien wohl völlig die Kontrolle über seine Körperglieder verloren zu haben, als sich seine Hand wie von selbst hob. Mit dem Daumen strich er über ihren Mundwinkel und führte die Zuckerwatte an seine Lippen.   Seine dunklen Augen blickten unentwegt in ihre, als seine Zunge kurz über seinen Daumen fuhr und die Zuckerwatte in seinen Mund beförderte.   „Schmeckt süß“, murmelte er nach dem Schlucken.   Mit aufgerissenen Augen starrte Sakura ihn an. Ein heißer Blitz jagte geradewegs in ihren Unterleib und nistete sich dort ein.   Oh, Kami. Ich sterbe.   Plötzlich fühlte sie sich völlig kurzatmig und hatte das Gefühl, jeden Moment unter seinem durchdringenden Blick dahinzuschmelzen.   „Und jetzt wird getanzt!“, rief jemand laut.   Auf einmal wurden sie beide von hinten in die Menge geschubst und fanden sich zwischen lauter tanzenden Menschen wieder. Der Andrang war groß und sie stießen immer wieder gegeneinander. Gerade, als er flüchten wollte, packte Sakura ihn lachend an der Hand.   „Lauf nicht weg, du Miesmuschel. Lass uns tanzen.“   Seine Antwort kam postwehend.   „Nein.“   Sakura grinste. Als ob sie ihn nach dieser Aktion einfach gehen lassen würde.   „Gib’s zu, Sasuke-kun“, sagte sie mit einem schelmischen Lächeln, „du weiß nicht, wie man tanzt.“   An seinem Mundwinkel zuckte es verdächtig, aber er schwieg.   „Dabei ist es doch so einfach“, rief sie, während sie sich mit ausgebreiteten Armen im Kreis drehte. Sie wusste nicht, ob es an seiner Anwesenheit lag, aber sie fühlte sich wie berauscht. Diese Nacht mit ihm sollte nie mehr aufhören. Nachdem sie eine schiefe Pirouette vollzogen hatte, wäre sie beinahe hingefallen, als ein saftiger Schubser von einem tanzenden Dorfbewohner sie ins Straucheln brachte. Aber ein starker Arm umschlang ihre Mitte und sie wurde an Sasukes Brust gezogen, bevor sie Bekanntschaft mit dem Boden machen konnte.   Sie legte ihre Hände auf seine Brust und schaute mit leuchtenden Augen zu ihm auf.   „Siehst du, ganz leicht.“   Sasuke schluckte schwer. Irgendetwas stimmte mit seinem Körper nicht. Seit Sakura ihn auf dieses Fest geschleppt hatte, nahm er die Farben und Geräusche seiner Umgebung stärker wahr als sonst. Korrektur, er nahm sie stärker wahr. Das Grün ihrer Augen schien zu brillieren und alles im Hintergrund verblassen zu lassen. Außerdem hörte sein Herz nicht auf, wie wild in seiner Brust zu hämmern und kribbelnde Energie schoss unentwegt durch seinen Bauch. Er hasste dieses ungewohnte Gefühl, wünschte sich aber gleichzeitig, dass es nicht aufhörte.   Zweifelnd hob er eine Augenbraue.   „Das nennt man Tanzen?“   Ihr Lächeln wurde breiter. „Oh, ich kann es sogar noch besser.“   Sakura drehte sich geschwind in seiner Umarmung um, sodass sie mit dem Rücken an seiner Brust lehnte. Aufregung machte sich ihr breit, da ihr diese Position nur zu gut bekannt war. Wie schaffte es dieser Mann bloß, dass sie in seiner Nähe immer wieder völlig die Kontrolle über sich verlor? Ein Blick, und jedes Mal war es um sie geschehen. Sie drapierte seine Hand auf ihren Bauch und schaute zu ihm hoch. „Aber dieses Mal zusammen.“   Bevor Sasuke etwas entgegnen konnte, fing sie an, ihren Körper langsam zum Takt der Musik zu bewegen.   Wie hypnotisiert betrachtete er die rosafarbenen Haarsträhnen, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatten und nun in ihrem Nacken kräuselten. Die Sehnsucht, über jenes Stückchen Haut zu streichen, das üblicherweise immer von Haaren bedeckt war, war fast überwältigend. Er spürte jede Kurve ihres weichen Körpers, der sich im Takt zur Musik gegen seinen drängte.   Spielte das Schicksal ihm einen bösen Streich oder wiederholte sich gerade ihr Erlebnis während des Kampfes im Wald? Sasuke schien hinter ihr wie versteinert zu sein. Kurzerhand presste sie ihren Körper der Länge nach an seinen. Sie schlang einen Arm um seinen Nacken und zog seinen Kopf herunter zu ihrem.   „Wieso tanzt du nicht?“, flüsterte sie.   Er strich mit seiner Nase aufreizend langsam über die Linie ihres Nackens. Ein verbotenes Bild tauchte vor seinen Augen auf, wie seine Lippen eine feuchte Spur von ihrem Hals bis zu ihrem Mund zogen.   „So…“, presste er heiser hervor, „tanzt man nicht auf einem Dorffest.“   Röte schoss ihr in die Wangen. „Ich weiß“, gestand sie leise. „Stört es dich?“   „Sehr sogar.“   Aber er rückte keinen Zentimeter ab.   Ermutigt von seiner Reaktion, wippte sie mit geschlossenen Augen weiter zur Musik und ließ es nicht aus, ihren Hintern immer wieder gegen seinen harten Körper zu pressen. Ihr Verhalten hätte ihr in einer anderen Situation die Schamesröte ins Gesicht getrieben, aber heute war wohl ihre letzte gemeinsame Nacht und plötzlich schien sie keine Hemmungen mehr zu haben.   „Hör auf.“ Mit malmenden Zähnen versuchte Sasuke sie am Bewegen zu hindern. Er wusste nicht, wie lange er ihre Nähe noch ertragen konnte. Schon spürte er, wie Blut in Regionen schoss, die sich lieber nicht bemerkbar machen sollten. Aber stattdessen schmiegte sie sich noch enger an ihn.   „Wenn du dich nicht bewegst, werde ich mir einen anderen Tanzpartner suchen“, murmelte sie. Eine leere Drohung.   Fast unwillkürlich zog er sie näher an sich heran. Ihm missfiel der Gedanke, dass Sakura so mit einem anderen Mann tanzte. Aber gleichzeitig war er auch derjenige, der sie am wenigsten verdient hatte.   „Und wieso tust du es nicht?“, fragte er dennoch.   „Du weißt, wieso.“   Ihre leise Antwort hing bedeutungsschwer zwischen ihnen beiden. Sakura drehte den Kopf zu ihm um. Sie schämte sich nicht für ihre Gefühle und stand zu ihnen.   Sasuke schaute sie mit einer Intensität an, dass sie unweigerlich an seinen Kuss in jener Nacht denken musste. Die gleiche Hitze, der gleiche brennende Blick. Aber anders als letztes Mal war er bei klarem Bewusstsein. Wie von selbst fiel ihr Blick auf seine Lippen.   Jetzt oder nie.   Mit wild klopfendem Herzen näherte sie sich langsam seinem Gesicht.   Bevor sie jedoch den Abstand zwischen ihnen beiden überbrücken konnte, explodierten urplötzlich Feuerwerkskörper hinter ihr. Sakura riss den Kopf herum und sah, wie sich leuchtende Muster am Himmelszelt abbildeten. Sofort klatschten die Dorfbewohner laut Beifall.   Plötzlich spürte sie, wie Sasuke sie losließ und von ihr wegtrat.   „Wir werden noch vor Sonnenaufgang aufbrechen.“   Er wartete ihre Antwort nicht ab und verschwand zwischen den drängenden Massen. Mit schwerem Herzen schaute Sakura seinem dunklen Haarschopf nach. Sekunden zuvor hatte sie vor Verlangen buchstäblich noch gebrannt, aber nun fröstelte sie. Sie umschlang ihren Oberkörper mit beiden Armen und biss sich auf die Lippe, bis sie Blut schmeckte. Während die Dorfbewohner neben ihr ausgelassen tanzten und lachten, versuchte sie, die aufsteigenden Tränen wegzublinzeln.   Morgen würden sich ihre Wege trennen.   Und sie war außerstande, etwas dagegen zu tun. . . . tbc… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)