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Schuld

von

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"Ich würde ja sagen: es tut mir leid, aber... das stimmt nicht."

Beinahe schuldbewusst zog der Schwarzhaarige den letzten Vorhang seines aktuellen Verstecks vor die Fensterscheiben und hüllte somit den Raum annähernd in vollständige Dunkelheit. Nur eine kleine, alte Lampe spendete gerade noch genügend Licht, um die Schemen des Mannes und seines neuesten Opfers erkennen zu können.

Mit einem unheimlichen Lächeln wandte er sich diesem nun entgegen, betrachtete es aus der Ferne.

Keine Reaktion.

Kein ängstliches Winseln oder gar ein Hilfeschrei.

Nichts.

Etwas anderes hatte er auch gar nicht erwartet.

So war es schließlich immer.

Sein Lächeln wandelte sich allmählich in ein vorfreudiges Grinsen, mit dem der junge Mann langsam auf sein Opfer zu schlenderte.

Bedächtig blieb er dann neben dem kalten Tisch stehen, auf den er es gebettet hatte, und legte seinen Kopf schief.

Er liebte es, sich bei diesem kleinen Ritual Zeit zu lassen - zu betrachten, sich jedes noch so kleine Detail einzuprägen.

"Du bist wirklich schön, weißt du das?", lächelte er wieder etwas sanfter und beugte sich dabei hinab.

Langsam ließ er seine Hände in seine Hosentaschen gleiten, ballte sie darin, um sich selbst unter Kontrolle zu halten.

Die Gefahr war groß, dass er bei diesem wundervollen Anblick einfach die Beherrschung verlor und sich beinahe geifernd auf sein Opfer stürzte.

Aber das wollte er nicht.

Nicht jetzt.

Er wollte genießen.

Immerhin hatte es ihn so viel Mühe gekostet, es auszuwählen.

Oh ja, der junge Mann hatte so lang überlegen müssen, sich beinahe kindisch die Nase an einer Scheibe platt gedrückt, hinter der so viele Möglichkeiten auf ihn gewartet hatten.

Seine Augen hatten geglänzt, während er in Gedanken abgewägt hatte, welches Opfer das Beste für diesen besonderen Tag sein würde.

Wie lang hatte es wohl gedauert, bis er sich entschieden hatte?

Stunden?

Aber dies war egal, denn nun hatte er seine Wahl endlich getroffen.

Und er wusste, dass sie perfekt war.

"Ich hätte mich gar nicht anders entscheiden können", hauchte er, während er sich noch weiter hinabbeugte.

Der süßliche Duft der weißen Haut drang in seine Nase und erfüllte ihn mit einer ungeahnten Ekstase.

Wieder dieser Drang.

Schnell brachte er etwas Abstand zwischen sich und seine neueste Errungenschaft.

"Nein, noch nicht!", ermahnte er sich selbst, fuhr sich dabei durchs wirre Haar und bemühte sich, sich zu beruhigen.

Es durfte einfach nicht schon wieder passieren.

Er durfte diesmal nicht wieder übereilt beenden, was er so mühsam begonnen hatte.

Das Resultat wäre einfach zu unbefriedigend.

So wie die letzten Male.

"Warte einen Moment, ja?", lächelte er zum wiederholten mal und ließ sein Opfer schließlich für einen Moment aus den Augen.

Immer noch bemüht nicht zu übereifrig zu agieren, schlenderte der junge Mann auf einen weiteren Tisch zu, auf dem sich ein kleiner Teil seiner Ausrüstung befand.

Er blieb stehen und legte abschätzend seinen Kopf auf eine Seite.

Wie sollte er nur vorgehen?

Für einen kurzen Moment schloss er seine Augen, überdachte jede einzelne Option.

Während sein Kopf auf die andere Schulter wanderte, öffnete er seine Lider.

Er hatte sich entschieden.

Vorsichtig griff er nach einem Messer und nahm es vom Tisch.

Die Klinge blitzte auf, als er sein Werkzeug hin und her wog, es betrachtete und sogar mit dem Finger darüber glitt.

Ja, auch dies hier war eine perfekte Wahl gewesen.

Anders dürfte es gar nicht enden.

"Ich wäre dann soweit." Wieder dieses Lächeln. Undefinierbar, aber auf jeden Fall nichts Gutes verheißend. Zumindest nicht für sein Opfer, welches er jetzt erneut fixierte.

Mit jedem Schritt, den er darauf zu trat, stieg seine Vorfreude, die ihn beinahe schon wieder verleitete unüberlegt - viel zu schnell - zu handeln.

Aber... Früher oder später musste es ja sowieso geschehen.

"Du weißt hoffentlich, dass du etwas ganz Besonderes bist, oder?"

Der Schwarzhaarige beugte sich erneut herab, demonstrierte dabei das Messer, das er so sorgsam ausgewählt hatte.

Noch immer keine Reaktion.

Wie es zu erwarten war.

"Ich weiß, dass du nicht sprechen wirst, aber..." Noch einmal sog er den süßen Duft in sich auf. "...es würde dir ja auch eigentlich nichts nützen."

Nein, das würde es nicht.

Er würde sich von seinem Plan nicht abbringen lassen.

Wollte ihn vollenden und diesmal hoffentlich befriedigt sein.

"Nun dann."

Zögerlich senkte er das Messer, glitt vorerst jedoch nur sanft mit der Klinge über die weiße Haut vor sich.

Er wollte diesen Augenblick auskosten - sich beherrschen.

Seine Hand zitterte etwas, während sein Blick noch einmal auf diese unglaubliche Schönheit fiel.

Eigentlich war es fast zu schade, diese Perfektion zu zerstören, aber was sollte er schon tun?

Seinen Plan aufgeben?

Nein, er musste es beenden.

Jetzt.

Die glänzende Klinge glitt endlich fester über die weiße Haut.

Dieser kleine Schnitt genügte und schon lief die rötliche Flüssigkeit in einem zarten Rinnsal hinab.

Ehrfürchtig betrachtete er dieses Schauspiel, verspürte dabei ein Glücksgefühl, wie er es nur selten erleben durfte.

Der Zeigefinger seiner freien Hand glitt an das feuchte Rot, sammelte einen kleinen Tropfen davon, den er dann genüsslich an seine Lippen führte.

"Du bist wirklich perfekt", seufzte er mit geschlossenen Augen.

Der kleine Tropfen küsste seine Geschmacksknospen, legte sich über seine gesamte Zunge und löste letztendlich das aus, was er so sehr zu vermeiden versucht hatte.

Hitze übermannte ihn.

Ein Rausch, der sich nicht mehr stoppen lassen würde.

Jegliche Beherrschung war über Bord geworfen, als das Messer nun schwungvoll hinabsauste.

Die weiße Haut gab unter dem grausamen Hieb nach, zerplatzte beinahe.

Und schon quoll das Rot in weitaus größeren Strömen hervor.

Mit jedem weiteren Schnitt spritzte ein kleiner Teil davon über den Tisch.

Kleine rote Punkte.

Überall.

Erst als der junge Mann bemerkte, dass die Flüssigkeit sich sogar auf ihm selbst verteilte, stoppte er sich und seinen Rausch.

Er hatte es wieder getan.

Viel zu schnell.

Zu ungeduldig.

Enttäuscht ließ er die Klinge fallen, die leise klirrend neben ihm auf dem Boden aufprallte.

Seine Schultern senkten sich betrübt.

Er seufzte laut auf.

Warum?

Warum konnte er sich nie beherrschen?
 

"Oh nein", keuchte plötzlich eine altbekannte Stimme neben ihm. "Hast du es wieder getan?"

"Es tut mir leid." Der Kopf des Täters sank schuldbewusst auf seine Brust.

Ja, es tat ihm leid.

Mal wieder.

"Was für eine Sauerei!", schimpfte ihn die Stimme, doch er wagte es nicht den Besitzer anzusehen.

"Jedes Jahr das gleiche! Erwartest du jetzt etwa wieder...?"

Der Schwarzhaarige nickte vorsichtig.

Er fühlte sich schlecht.

Unbefriedigt.

"Gut", gab sein treuer Begleiter nach. "Aber diesmal schneide ich deine Geburtstagstorte, verstanden?"

Und schon schnappte Watari sich seinen Mantel und ließ den schuldbewussten L allein zurück.



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