Die Weltenwandlerin von Memories_of_the_Moon ================================================================================ Kapitel 24: Zweifel(los) ------------------------ „Nun, heraus mit der Sprache…!“ Natürlich fällt mir nichts Besseres ein, als knallrot anzulaufen. Legolas‘ Grinsen wird noch breiter. „Dacht‘ ich mir doch, dass da etwas im Gange ist…“ Ich versuche mich herauszureden, weiß aber, dass leugnen zwecklos ist. „Ich habe keine Ahnung, was du meinst…“, entgegne ich so scheinheilig wie möglich, während ich darauf warte, dass mein Kopf wieder etwas abkühlt. „Vielleicht das Verhalten meines Vaters?“, schlägt Legolas vor. „Warum? Wie verhält er sich denn?“, mime ich weiterhin die Unwissende. Es macht mir Spaß, Legolas ein wenig zu necken; gleichzeitig bin ich aber auch gespannt, wie er die ganze Sache zwischen Thranduil und mir wahrnimmt – als „Außenstehender“ quasi. Der Elbenprinz, der längst begriffen hat, dass ich nur ein bisschen herumalbere, antwortet: „Nun, ich würde sagen: Anders als sonst…“ Er wirkt plötzlich nachdenklich, was zur Folge hat, dass auch ich wieder ernster werde. Ich fühle, dass das hier einer dieser Momente ist – einer dieser Momente, in denen man einen Blick auf die Seele des anderen erhaschen kann; eine Art des „Miteinander“, die ich immer als magisch empfinde. Legolas‘ nächste Worte bestätigen mir meine Vermutung: „Er ist schon so lange nicht mehr glücklich gewesen…“ Bäm, da ist es! Dieses „heilige“ Gefühl der Offenheit, der Vertrautheit und der Verbundenheit – einer dieser „ewigen“ Momente, die mich tief im Innersten berühren und mich – im positivsten Sinne – wahrlich erschüttern. Ich merke wie Legolas, der noch eben gedankenverloren in die Ferne geschaut hat, mich beobachtet. Dabei lächelt er sanft – so als würde ihm gefallen, was er sieht. „Was…?“, frage ich, immer noch ganz gerührt. „Du bist so wunderbar, Ithilarinia…“ Den Elben scheint seine eigene Kühnheit zu überraschen; ich glaube, eine leichte Rötung seiner Wangen erkennen zu können. So kitschig und klischeehaft es auch klingen mag, ich glaube, mein Herz schmilzt in diesem Moment. Auf meinen Instinkt vertrauend umarme ich den Blonden, der augenblicklich seine Arme um mich legt und mir ins Ohr flüstert: „Ich danke dir, Ithilarinia. Danke, dass du hier bist. Danke, dass du ihn so glücklich machst…!“ Ich lächle und komme mir vor wie der glücklichste Mensch der Welt. Dies ist ein weiterer Beweis dafür, dass ich zu gering von mir selbst denke und dass es sehr wohl jemanden gibt, der mich so liebt wie ich bin – das schönste Gefühl der Welt! Legolas lässt mich in der Bibliothek zurück, da er noch ein paar Dinge zu erledigen hat und ich einfach nicht genug von Büchern kriegen kann. An diesem Tag aber zieht es mich irgendwie nach draußen; da ist diese Unruhe in mir, sobald ich mich irgendwo hinsetze und zu lesen beginne. Ich beschließe also, auf mein Gefühl zu hören – es führt mich zurück zu den Ställen. Ich schlendere zwischen den Pferdeboxen herum, meinen Gedanken nachhängend, eine Melodie summend. Das tue ich oft, weil es mich in einen ganz angenehmen Zustand versetzt; es hat etwas Friedliches und auch etwas Tröstendes finde ich. Vor einer der Boxen bleibe ich instinktiv stehen. Meine Gedanken und meine Aufmerksamkeit wieder aufs Hier und Jetzt lenkend, erkenne ich lächelnd das tiefschwarze Pferd vor mir. „Hallo, mellon nîn…“ Duáth wiehert leise, als wolle er mich ebenfalls begrüßen, aber nicht verschrecken. Ich strecke meine Hand nach ihm aus, merke aber, dass ich zögere. Warum? Plötzlich wird mir bewusst, wie oft ich eigentlich unsicher bin – all die vielen Momente, die vielen kleinen Augenblicke, die zusammengezählt und aufeinandergehäuft doch so viel Zeit ergeben. Kann es sein, dass das mein Leben ist? All diese Unsicherheiten, diese Ängste, diese Zweifel? In einem solchen Ausmaß? Das kann doch so nicht richtig sein, oder? Aber wie kann ich es… Duáth stupst mich energisch an, ich erschrecke und falle aus meinen Gedanken heraus… mitten in die Lösung des Problems. „Ich muss ganz einfach schneller sein!“ Überrascht spreche ich meine Erkenntnis laut aus und spinne den Gedanken gleich weiter: „Ich muss schneller sein als die Angst, schneller als die Zweifel. Ich muss einen Schritt nach vorne machen statt zurück, handeln statt zu überlegen. Dann bin ich nicht mehr länger gefangen in meinen eigenen Gedanken, oder wenigstens nicht mehr so sehr!“ Angesichts dieser Erleuchtung klopft mein Herz ganz aufgeregt und ich spüre, dass meine Wangen ganz warm geworden sind. Mit gemischten Gefühlen sehe ich Duáth an. Ob er wohl gemerkt hat wie es mir geht? Kann es sein, dass er mich deshalb angestupst und mir somit zu einem nicht unwesentlichen Durchbruch in meiner Entwicklung verholfen hat? Als ich merke, dass ich wieder in eine meiner Gedankenspiralen zu geraten drohe, schüttle ich energisch den Kopf. Schluss damit! Nach vorne statt zurück! Entschlossen lege ich meine Hand auf den Kopf des nachtschwarzen Hengstes und beginne, ihn zu streicheln. „Siehst du, Ithil, du brauchst gar keine Angst zu haben…“, sage ich zu mir selbst. Ganz überzeugt klinge ich zwar nicht, aber die Worte sind dennoch wirksam. „Die meisten Sorgen macht man sich ganz umsonst… Und außerdem: Du kannst alles schaffen. Alles.“ Da habe ich auch schon den nächsten Einfall. Wenn ich jetzt schon mal dabei bin, könnte ich doch eigentlich gleich… !? Noch bevor ich die Chance habe, es mir anders zu überlegen oder auch nur weiter darüber nachzudenken, strecke ich meine Hand nach dem Riegel aus, öffne die Tür der Stallbox und schlüpfe hinein. Zu Duáth. „Hallo, mein Großer…“ Ich kann nicht verhindern, dass meine Stimme etwas zittert. Adrenalin rauscht durch meinen Körper; es gibt mir das Gefühl, mutig und stark und auch ein klein bisschen unbesiegbar zu sein. Es fühlt sich großartig an. Entschlossen, aber dennoch bedächtig, nähere ich mich dem schwarzen Tier. Der Hengst mustert mich mit unentschlüsselbarer Miene, macht aber keine Anstalten, zurückzuweichen oder mich auf Abstand zu halten. Es scheint nicht so als wäre ihm die Situation in irgendeiner Weise unangenehm. „Du schaffts das, Ithil. Du schaffst das…!“ Ich rede mir selbst gut zu, weil ich mich doch ziemlich klein fühle neben diesem Riesen, klein und unsich… Ich breche den Gedanken ab, indem ich Duáth berühre und damit beginne, ihm Hals und Rücken zu streicheln. „Sehr gut, du machst das sehr gut…“ Immer wieder sage ich diese Worte in beruhigendem Ton vor mir hin – nicht genau wissend, ob sie nun an mich selbst oder an das Pferd gerichtet sind. Als mir das bewusst wird, grinse ich. „Ich wusste ja gar nicht, dass ich so amüsant sein kann…“, sage ich zu Duáth, der mir daraufhin sanft ins Gesicht schnaubt. Ich lache. Und merke auf einmal, wie mir ein Stein vom Herzen fällt. Ich lege meine Arme um Duáths Hals, vergrabe mein Gesicht in seiner Mähne, schmiege mich an ihn. Obwohl sich mein Herzschlag langsam wieder beruhigt, fühlt er sich anders an als vorher, irgendwie entschlossener. Was das heißt, scheint mir klar: Ich habe endlich, nach all der Zeit, meinen Mut wiedergefunden. Hosted by Animexx e.V. 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