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Die Weltenwandlerin

von

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Heimwärts

In dieser Nacht schlafe ich so gut wie schon lange nicht mehr – und zum ersten Mal unter freiem Himmel. Ich weiß zwar nicht, ob Thranduil beabsichtigt hatte, tatsächlich hier im Herzen des Waldes zu übernachten, aber ich bin froh, dass es so gekommen ist.
 

Als ich morgens die Augen aufschlage, in Thranduils Arme eingehüllt wie in einen Kokon, bin ich so erholt und ausgeruht als hätte ich mehrere Tage lang geschlafen. Ich fühle mich stark und mutig und dazu bereit, mich dem neuen Tag zu stellen – eine Seltenheit bei mir, die ich es gewohnt bin, ständig an mir selbst und meiner „Überlebensfähigkeit“ zu zweifeln.
 


 

Bevor wir das Herz des Waldes wieder verlassen, versuche ich, mir diesen Ort so genau wie möglich einzuprägen. Alle meine Sinne tragen zusammen, was sie finden können, um ein möglichst detailgetreues und umfangreiches Bild zu erzeugen. Ich hoffe, mich so erinnern zu können – daran, wie unendlich glücklich und geborgen und geliebt ich mich hier gefühlt habe.
 

„Du weißt, dass du jederzeit hierher zurückkehren kannst?“ Thranduil taucht lautlos neben mir auf. „Ganz egal, ob mit mir oder ohne mich – dieser Ort wird dir immer offenstehen…“
 

„Ich vermisse es jetzt schon, hier zu sein“, verleihe ich meinen Gefühlen der Sehnsucht, des Abschieds und der Melancholie Ausdruck. „Ich glaube, das hier ist der schönste Ort aller Welten…“
 

Thranduil greift nach meiner Hand.
 

„Weißt du, es gelingt mir nicht immer zwischen den Welten zu reisen, ganz egal, wie sehr ich es auch will oder das Gefühl habe, es zu brauchen…“, vertraue ich dem Elben meine Sorgen an. Es fällt mir nicht leicht, das auszusprechen. Aber ich spüre, wie mein Vertrauen zu Thranduil immer weiter wächst – ich bin bei ihm tatsächlich „gut aufgehoben“; es wird mir hier nichts Schlimmes passieren.
 

„Hast du Angst?“ Mein Begleiter sieht mich von der Seite her an.
 

Ich nicke nur, weiche seinem Blick aber aus. Es ist ein unangenehmes Gefühl, Ängste „absichtlich“ heraufzubeschwören.
 

„Wovor, Ithil?“
 

Meine Gedanken rasen. Und doch kriege ich kein Wort heraus. Es ist als würden mich meine Ängste in mir selbst einsperren, zur Strafe, dass ich sie aus ihrem Schlummer geweckt habe.
 

„Lass dir Zeit, Ithil…“ Thranduils Stimme klingt ganz weich und sanft. Er scheint zu merken, was in mir vorgeht. Mit diesem Gedanken und dem hellen, warmen Gefühl, das damit einhergeht, kann ich mich aus der Umklammerung meiner Ängste zumindest soweit befreien, dass ich wieder sprechen kann: „Ich habe Angst davor, dass es wieder schlimm wird in meiner Welt, vielleicht sogar noch schlimmer als bisher, und ich nicht hierher zurückkommen kann… Ich habe Angst davor, keinen Ausweg, keine Zuflucht zu haben…“
 

„Das kann ich sehr gut verstehen…“, meint Thranduil. Ich sehe ihn an. Sein Blick ist ebenso wie seine Stimme weich und liebevoll. „Ich wünschte, ich könnte dir diese Last nehmen, Ithil. Ich wünschte, ich könnte dir versprechen, dass nichts davon je eintreten wird…“
 

Er nimmt diese Sache so ernst, lässt sich so sehr darauf ein, dass es mir plötzlich nicht mehr wichtig scheint, dass auch er mir keine Lösung anbieten kann. Thranduils Anteilnahme rührt mich so sehr, dass meine Ängste in den Hintergrund rücken – ich muss lächeln.
 

„Ich danke dir…“
 

Überraschung zeichnet sich in seiner Miene ab. „Bitte was?“
 

Ich stelle mich auf meine Zehenspitzen und gebe dem Elben einen Kuss auf die Wange. Dann umarme ich ihn ganz fest. „Ich danke dir…“
 

„Also jetzt verstehe ich gar nichts mehr…“, gibt Thranduil zu.
 

Ich lache. „Du bist ein Schatz.“ Dann strecke ich ihm meine Hand hin. „Komm, lass uns nach Hause gehen…“
 


 

Der Ritt zurück verläuft ereignislos. Ich bemerke jedoch eine Veränderung meiner Wahrnehmung: Ich fühle mich den Bäumen und dem ganzen Wald noch mehr verbunden als vorher; es ist als wäre ich ein Teil davon, als würde ich dazugehören. Ein fantastisches Gefühl, das sich durch die Ereignisse im Herzen des Waldes gesteigert zu haben scheint, und das ich auch in meiner Welt kenne. Ich berichte Thranduil davon: „… Irgendwann fiel mir auf, dass ich mich wohler fühlte, wenn Bäume in der Nähe waren. Ich fühlte mich zu ihnen hingezogen… Manchmal kommt mir vor, ich habe Bäume lieber als Menschen…“
 

An dieser Stelle lacht der Elb. „Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Mir geht es manchmal ähnlich…“
 

Ich schmunzle. „Wir zwei haben ziemlich viel gemeinsam… kann das sein?“
 

„So ist es…“, raunt Thranduil mir ins Ohr. Es kitzelt. Beide lachen wir.
 


 

Zurück am königlichen Hof treffen wir bei den Stallungen auf Legolas. Der Waldlandprinz scheint erleichtert uns zu sehen, versucht aber, es zu überspielen. „Adar! Ithilarinia! Wie gut, dass ihr wieder da seid…!“
 

Thranduil lässt Dúath vor seinem Sohn anhalten. „Alles in Ordnung?“
 

„Alles in bester Ordnung“, beeilt sich Legolas zu sagen. Dass er dabei zu schnell ist, fällt nicht nur mir auf.
 

Thranduil steigt vom Pferd und meint mit belustigter Miene: „Da bin ich nicht einmal 48 Stunden weg und schon bricht alles zusammen…“ Er klopft seinem Sohn freundschaftlich auf die Schulter. „Nun? Heraus mit der Sprache…!“
 

„Es ist nur eine Kleinigkeit…“, gesteht Legolas kleinlaut.
 

Thranduil lacht. „Schon gut, mein Sohn. Ich werde mich sofort darum kümmern. Aber zuerst…“ Er wendet sich mir zu. „… zuerst werde ich dieser Schönheit vom Pferd herunterhelfen. So viel Zeit muss sein!“
 

Ich habe Thranduil selten so ausgelassen erlebt. Legolas scheint es ähnlich zu ergehen – seine Miene spiegelt eine Mischung aus Skepsis und Freude wider.
 

Thranduil streckt mir seine Arme entgegen und hebt mich federleicht von Dúaths Rücken herab. „So, bitte sehr die Dame…“
 

Ich komme nicht weiter als bis „Danke, mein H…“, als der Elbenkönig mich plötzlich in seine Arme zieht. „Ich danke dir, Ithil…“, flüstert er an meinem Ohr. „Wie geht es dir?“
 

Ich muss lächeln. Ich glaube, an so viel Fürsorge könnte ich mich glatt gewöhnen. „Alles gut, danke. Du kannst getrost regieren gehen…“
 

Thranduil lächelt mich an. „Wir sehen uns später, meine kleine Weltenwandlerin…“ Und zu Legolas meint er noch, halb ernst, halb scherzhaft: „Pass mir ja gut auf sie auf…“ Dann dreht er sich um und schreitet majestätisch davon. Mir wird warm ums Herz. Was habe ich doch welches Glück!
 

Ein Räuspern lässt mich zusammenzucken. Legolas grinst mich an. „Nun? Heraus mit der Sprache…!“



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