Die Weltenwandlerin von Memories_of_the_Moon ================================================================================ Kapitel 21: Zuhause ------------------- „Thranduil?“, frage ich mit einem deutlich hörbaren Zittern in meiner Stimme. Einen Moment lang befürchte ich, keine Antwort zu erhalten, auf Stille und Nichts zu stoßen. Umso erleichterter bin ich, als die mir so unendlich gut bekannte Stimme antwortet: „Ich bin hier, Ithil, alles ist gut.“ Ich vergrabe mich tiefer in den Stoff an Thranduils Brust, tiefer in diesen unverkennbaren Duft, den ich – so wird mir in diesem Moment klar – ohne zu zögern als „Zuhause“ identifizieren würde. Ein Gedanke der mir ein Lachen entlockt. Spannung fällt von mir ab wie ein großer, schwerer Stein; ich fühle mich so leicht und unbeschwert wie schon lange nicht mehr. „Ist alles in Ordnung?“, ertönt Thranduils sonore Stimme. „Ja, alles gut“, antworte ich. „Ich bin nur so unheimlich erleichtert dich zu sehen… Ich dachte schon, ich hätte dich für immer verloren…“ Trotz meiner Freude zittert meine Stimme an dieser Stelle wieder. Ich kann immer noch nicht glauben, wie knapp es war – beinahe hätte ich einen riesigen Fehler gemacht, den ich mit Sicherheit bis in alle Ewigkeit bereut hätte. Wobei, das mit dem Bereuen wäre vermutlich ausgefallen; immerhin hätte ich mich nicht an dieses Leben mit Thranduil erinnern können, oder? Der Gedanke lässt mich zittern. Ich fühle wie Thranduil mich noch fester an sich drückt. „Ich bin hier, Ithil. Ich bin hier…“ Wir beschließen, noch ein wenig auf der Lichtung zu bleiben und legen uns nebeneinander ins Gras. Ich greife nach Thranduils Hand, ganz einfach, weil mir gerade danach ist – kommentarlos erwidert der Elb den Kontakt. Ich schaue nach oben, beobachte die Wolken, die über den blauen Himmel ziehen. Ich erinnere mich daran, wie ich als Kind dort oben nach Figuren und Formen gesucht habe. Einfach unbeschwert. Ein Gefühl, das ich schon lange nicht mehr kannte – bis jetzt. „Du hast dich also entschieden, die Weltenwandlerin zu bleiben?“, fragt Thranduil nach einer Weile. Ich drehe den Kopf in seine Richtung; er schaut mich nachdenklich an. Der Anblick seiner blaugrauen Augen erinnert mich plötzlich an all die schönen Momente, die ich schon mit ihm verbringen durfte. Gleichzeitig ist da eine Art Versprechen von Fortsetzung – eine Ahnung, dass es da in Zukunft noch viele weitere solcher Momente geben könnte. „Woran denkst du gerade?“ Thranduils Stimme holt mich ins Hier und Jetzt zurück. Er hat sich auf die Seite gedreht, mir zugewandt, den Kopf auf eine Hand gestützt und schaut liebevoll auf mich herab. „Daran, dass ich mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen kann…“ Es tut gut, einfach zu sagen, was in mir vorgeht, ohne vorher darüber nachzudenken und Angst vor den möglichen Konsequenzen zu haben. Es ist unheimlich befreiend. „Geht mir auch so…“, meint Thranduil und streicht gedankenverloren über die Konturen meines Gesichts. Irgendetwas ist anders. In dem Moment, als seine Haut auf meine trifft, ist da eine Art Kribbeln. Wie von selbst schließen sich meine Augen reflexartig. Das Kribbeln intensiviert sich. „Feinfühligkeit hat auch gute Seiten…“, haucht mir Thranduil ins Ohr und löst damit einen Schauer aus, der mir über den Rücken fährt. Ich halte ganz still. Thranduils Berührungen sind so sanft, so federleicht und doch breitet sich eine Gänsehaut auf meinen Armen aus. Es ist ein sehr intensives Gefühl, aber auch wunderschön. „Könntest du bitte niemals damit aufhören?“, seufze ich nach einiger Zeit. Thranduil lacht. „Sehr wohl, Majestät!“ Dann wird er plötzlich wieder ernst. „Du hättest dir Vieles ersparen können… wenn du dich anders entschieden hättest…“ Ich schlage die Augen auf. Er wirkt traurig. „Das wäre es nicht wert“, entgegne ich klar und bestimmt. „Niemals, auf keinen Fall. Nicht, wenn ich das hier dafür aufgeben muss.“ „Meine kleine, tapfere Weltenwandlerin…“ Thranduil lächelt wieder und greift nach meiner Hand. „Habe ich dir schon einmal gesagt, wie besonders du bist?“ Ich lache. „Ich glaube, mit diesem Wort werde ich mich nie anfreunden…! Und könntest du mir bitte mal erklären, was es mit dieser Bezeichnung ‚Weltenwandlerin‘ auf sich hat?“ Thranduil grinst. „Na ja, so viel sei zumindest gesagt: Ich glaube, du bist jetzt schon ein Mythos, eine Legende…“ „Thranduil!“ Lachend stürze ich mich auf ich, sodass er das Gleichgewicht verliert und auf dem Rücken landet, ich halb auf ihm drauf. „Was hast du jetzt wieder angestellt?“ „Ich? Jetzt wieder? Gar nichts…“, antwortet der Elb mit scheinheiliger Unschuldsmiene. „Das warst alles du selbst… Ich habe lediglich ein wenig nachgeholfen, dass dein Ruf dir vorauseilt…“ Ich brauche nur den Mund aufzumachen, da kommt er mir schon zuvor: „Mach dir keine Gedanken deswergen. Du hast jedes Bisschen davon verdient.“ „Und wenn ich die Erwartungen nicht erfülle?“, will ich skeptisch und auch ein wenig verunsichert wissen. „Dann bekommen es die Kritiker mit mir zu tun!“, entgegnet Thranduil entschlossen. „Spaß beiseite, Ithil. Du erfüllst die Erwartungen nicht nur, du übertriffst sie sogar. Außerdem glaube ich kaum, dass es irgendjemand hier in Mittelerde wagen wird, dich zu kritisieren.“ Er scheint sich da ziemlich sicher zu sein. „Weil ich unter deinem Schutz stehe?“, necke ich ihn. „Das sowieso. Vor allem aber, weil du einzigartig bist, Ithil. Du bist die Weltenwandlerin.“ Langsam fange ich an zu begreifen. „Du siehst mich ganz anders als ich mich selbst sehe…“ „Ja, kann sein…“, meint Thranduil. „Ich weiß ja nicht, was du siehst, aber das, was ich sehe, ist eindeutig…“ „Sag jetzt nicht ‚besonders‘!“, warne ich ihn lachend. „… wunderschön“, vollendet der Elbenkönig seinen Satz. „Das, was ich sehe, ist wunderschön.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)