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Die Weltenwandlerin

von

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Anderswo

„Es ist an der Zeit, dass du dich erinnerst…“
 


 

Augenblicklich schießen mir tausend Fragen durch den Kopf, mein Mund aber bleibt stumm. Ich nicke nur. Es ist als wären es genau diese Worte, die ich schon so lange hören will.
 

Wenn Thranduil angesichts meiner Widerspruchslosigkeit überrascht ist, dann zeigt er es nicht. „Bereit?“, fragt er. Wieder nicke ich. Es ist nicht so als wären plötzlich all meine Bedenken verschwunden, aber so langsam wird mir klar, dass ich aktiv etwas dafür tun muss, damit es mir wieder bessergehen kann.
 

Thranduil lächelt; er beugt sich zu meiner Hand hinunter, die er noch immer in seiner hält, und haucht einen Kuss darauf. „Alles wird gut, Ithil.“
 

Er scheint sich dessen sicher zu sein. Und allmählich wächst auch mein Glauben daran. Bin ich nicht schon so weit, bis hierher gekommen? Und habe ich jetzt nicht endlich die Unterstützung, nach der ich mich schon so lange sehne?
 


 

Thranduil führt mich zum Baum; der Hirsch begleitet mich auf meiner anderen Seite. Flankiert von zwei Königen – wer hätte das gedacht?
 

Wenige Meter vor dem Giganten bleiben wir stehen. „Den Rest des Weges musst du alleine gehen…“ Die Stimme des Elben ist leise, als würde er zögern, das zu sagen. Ich kann mir denken warum. Es ist ihm nicht recht, mich nicht begleiten zu können. Dabei weiß ich doch, dass ich diesen Weg nicht wirklich alleine gehe. Thranduil wird immer bei mir sein.
 

Ich will sagen, dass alles gut ist, aber irgendwie scheint mir momentan die Fähigkeit zu sprechen abhandengekommen zu sein. Also drücke ich seine Hand und versuche ihm so zu vermitteln, dass ich mich nicht von ihm im Stich gelassen fühle. Dann löse ich mich aus seinem Griff, wende mich ab und setze den Weg fort.
 

Was mich erwartet, weiß ich nicht. Ich habe keine Ahnung, worauf ich da eigentlich genau zugehe. Aber angesichts der Aussicht es macht mir nichts aus: Ich sehe den Baum vor mir – so lange liebe ich diese wundervollen Pflanzen nun schon. Sie sind so majestätisch und geheimnisvoll, stark, aber auch sanft und friedlich – und übrigens ganz fantastische Zuhörer. Und dieses Exemplar hier scheint eine Art Meister in all diesen Dingen zu sein. Zumindest sagt mir mein Gefühl das.
 


 

Plötzlich fühlt es sich so an als würde ich durch eine unsichtbare Barriere, einen Schutzwall laufen. Ich spüre wie sich die Energie verändert. Sie wird dichter, intensiver. Als ich mich kurz zu Thranduil umdrehe, ist der verschwunden; an der Stelle, wo er eben noch gestanden hat, sind nur mehr Gras und Blumen. Ich lasse meinen Blick über die Wiese gleiten – keine Spur von meinem Begleiter, vom Hirsch ebenso wenig.
 


 

Panik wäre vermutlich die logische Reaktion. Aber mein Instinkt sagt mir, dass alles in Ordnung ist; vermutlich verschleiert die Energie das Bild vor meinen Augen einfach. Außerdem habe ich nichts gehört, keinen Laut, bis auf die Grillen.
 

„Kein Grund zur Sorge...“, rede ich mir gut zu, ehe ich mich wieder umdrehe und die letzte Entfernung zum Baum zurücklege. „Alles ist gut…“
 


 

Ganz nah am Baum scheint die Luft fast zu vibrieren. Und doch fühlt es sich nicht ungut an; eher wie Nach-Hause-Kommen.
 

Überlegend was genau ich jetzt wohl tun soll, lege ich zunächst eine Hand an den Stamm. Nichts geschieht.
 

Ich streiche mit meinen Fingern über die zerfurchte Rinde. Nichts geschieht.
 

Nun berühre ich auch mit der zweiten Hand den Baum. Noch immer geschieht nichts.
 

An dieser Stelle muss ich lachen. Was habe ich eigentlich erwartet? Vielleicht bin ich aber auch einfach nur nervöser als ich glaube.
 


 

Da ist mir plötzlich als würde ich ein Geräusch hören, eine Stimme, ein Wispern. Ich lausche angestrengt, kann aber nicht verstehen, was gesagt wird. Woher das wohl kommen mag? Kann es sein, …?
 

Ich nähere mich mit meinem Kopf dem Baum. Tatsächlich scheint das Geräusch lauter zu werden. Wie cool ist das denn!?
 

Als ich so nah bin, dass mein Ohr den Stamm berührt, kann ich allmählich ein Wort ausmachen. „Ithilarinia…“ Es ist eine tiefe, sonore Stimme, die da meinen Namen flüstert. „Komm.… komm zu mir… Weltenwandlerin…“
 

Die Worte verklingen, verpuffen. Ich lausche, aber es kommt nichts mehr. Nur Stille. Ich staune. Was ist da gerade passiert?
 

In diesem Moment geht die Welt in Weiß auf.
 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 


 

Es ist so hell, dass es mich blendet. Alles um mich herum erstrahlt in hellstem, reinstem Weiß. Ich versuche, meine Augen mit der Hand vor dem starken Licht abzuschirmen, aber das bringt nicht viel. Also schließe ich sie.
 

Ich habe das Gefühl als würde mich das Licht durchdringen. Als würde es keine Grenzen, keine Hindernisse kennen und mich ganz und gar durchleuchten. Unangenehm ist es aber nicht. Nach all der Dunkelheit tut ein bisschen Helle richtig gut.
 


 

„Da bist du ja…!“
 

Die dunkle Stimme von vorhin erschreckt mich; ohne darüber nachzudenken öffne ich die Augen. Das grelle Weiß ist verschwunden, es blendet nicht mehr. Stattdessen befinde ich mich an einem undefinierbaren Ort.
 

„Sei gegrüßt, Weltenwandlerin!“
 

Ich sehe mich um, kann aber niemanden finden. „Wer bist du?“, frage ich in den endlosen Raum hinaus.
 

„Ich bin der ich bin…“, kommt es geheimnisvoll zurück, gefolgt von einem tiefen Lachen, das die Luft vibrieren lässt. „Aber nicht der, der glaubst, dass ich bin…“
 

Na toll, eine gestaltlose Stimme, die in Rätseln spricht. Das hat mir gerade noch gefehlt…
 

„Also bist du nicht Gott…!?“, entgegne ich unsicher. Wieder ertönt ein Gelächter, das mich irgendwie an den Klang von bebenden Steinen erinnert. Ich scheine den Besitzer der Stimme ja ganz schön zu amüsieren.
 

„Ja, kleines Menschlein, das ist richtig. Ich bin nicht Gott deiner Welt…“
 

Wie ein Echo hallen diese letzten Worte wieder und wieder. Ich schweige, warte darauf, dass die Stimme fortfährt, doch vergeblich; anscheinend bin ich wieder mit dem nächsten Zug dran.
 

„Dann bist du ein anderer Gott?“ Das ist die erste Frage, die mir in den Sinn kommt. „Ein Gott einer anderen Welt?“
 

Darauf folgt ein bedrohlich klingendes Grollen, unter dem ich mich instinktiv ducke, wie um nicht von einem Blitz erschlagen zu werden.
 

„Darum geht es jetzt nicht!“, donnert die Stimme über mich hinweg. Gerade noch amüsiert, scheint sie jetzt ungeduldig zu werden – ein meiner Meinung nach etwas plötzlicher Stimmungsumschwung.
 

Ich schweige, warte ab. Ich habe zwar keine Angst, aber ganz wohl ist mir bei dieser Sache hier auch nicht. Immerhin habe ich nicht wirklich eine Ahnung, mit wem ich es zu tun habe.
 

Als die Stimme wieder erklingt, scheint ihr Zorn schon wieder verflogen zu sein: „Die eigentliche Frage lautet: Wer bist du?“ Und nach einigen Momenten fügt sie hinzu: „Ich weiß ja, wer du bist… Aber weißt du es auch?“
 

Ich überlege, aber mir fällt keine gute Antwort darauf ein. Also sage ich einfach das Nächstbeste, das mir in den Sinn kommt: „Ich glaube, ich habe es vergessen…“
 

Die Reaktion erfolgt prompt. „Guuuhuuut. Das ist sehr guuuhuuut. Erkenntnis ist der erste Schritt auf dem Weg zu Veränderung. Du musst erst sehen, bevor du verändern kannst. Wirklich sehr guuuhuuut.“
 

Abrupt schlägt die Stimmung des Unsichtbaren wieder um; es ist als ob da mehrere Personen mit derselben Stimme sprechen würden. „So, nun aber genug geredet. Es ist an der Zeit, dass du dich erinnerst.“
 

Ich werde nicht gefragt, ob ich will oder ob ich bereit sei; anscheinend habe ich da nichts zu sagen.
 

Auf einmal fährt von oben ein heller Blitz herab, so schnell, dass ich keine Zeit habe auszuweichen. Er trifft auf mich, fährt durch mich hindurch…
 


 

… und dann ist alles schwarz.



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