Die Weltenwandlerin von Memories_of_the_Moon ================================================================================ Kapitel 16: Konfrontation ------------------------- „Willkommen, Ithil, im Herzen des Waldes.“ Es ist als wären wir direkt im Paradies gelandet. Ich könnte schwören, dass das hier der Ort ist, an dem sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Vor mir erstreckt sich eine recht ansehnliche Wiese, ein bunter Fleckenteppich aus Blumen aller Farben und Formen. Sie beheimaten die unterschiedlichsten Schmetterlinge und Marienkäfer und zwischendrin, im hohen Gras, zirpen die Grillen. Gläserne Libellen schwirren durch die Luft neben singenden Vögeln, die ich zuvor noch nie gesehen habe. Doch der eigentliche Blickfang dieses Ortes ist der gigantischste Baum, den ich je gesehen habe: Auch wenn er sicher nicht der höchste seiner Art ist, so hat sein Stamm doch einen gewaltigen Umfang. Seine Äste und Zweige bilden eine majestätische Krone beeindruckenden Ausmaßes und die Wurzeln, die aus dem Boden herausragen, lassen ansatzweise erahnen, wie mächtig erst das Wurzelreich unter der Erde sein mag. „Ist das…?“ Ich fühle mich sprachlos, so, als gäbe es keine Worte, um das hier zu beschreiben. Thranduil nickt und beantwortet meine unvollständige Frage: „Ja, das ist der älteste Baum dieses Waldes, vielleicht sogar von ganz Mittelerde. Niemand weiß, wie alt er genau ist; es gibt auch nicht viele, die diesen Ort schon einmal gesehen haben.“ „Was meinst du damit?“, frage ich nach. „Dieser Ort ist verborgen“, erklärt mein Begleiter. „Er ist versteckt und geheim. Abgeschirmt von jedem Blick durch eine ganz eigene Magie. Nur wenigen ist der Zutritt erlaubt.“ Jetzt bin ich noch verwirrter als vorher. „Ich… ich verstehe nicht…“ „Das heißt, dass nur wenige hierher finden können. Nur die, denen es erlaubt wird…“ Okay, langsam getraue ich mich nicht mehr nachzufragen. Tatsache ist, dass ich nach wie vor nicht verstehe, worauf Thranduil hinauswill. Er merkt das offenbar, denn er schaut ziemlich amüsiert aus. Dann wird sein Gesicht jedoch wieder ernst; er hebt meine Hand, die er noch immer in seiner hält, an seine Lippen und haucht einen Kuss darauf: „Dies ist der Beweis dafür, Ithil, dass du besonders bist. Sehr sogar.“ Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ein paar Augenblicke lang vergesse zu atmen. Um meiner Verlegenheit zu entkommen, spreche ich eine Erinnerung an, die mir plötzlich in den Sinn kommt: „Das hast du damals auch schon gesagt; damals, bei unserer ersten Begegnung…“ „Und ich bin vom ersten Moment an bis zu diesem hier und sicher auch noch in alle Ewigkeit überzeugt davon“, entgegnet Thranduil augenblicklich. Er meint es das ernst, oder? Mein Gesicht fühlt sich extrem heiß an; sicherlich ist es feuerrot. „Ich… ähm…“ Tatsache ist, ich weiß nicht, was ich sagen, was ich denken soll. Ich habe keine Kontrolle mehr, weder über diese Situation noch über mich selbst. Hektisch suche ich nach einer Lösung, nach einem Ausweg, aber da ist nichts. Da flammt eine andere Erinnerung vor meinem inneren Auge auf: die schöne, fremde Elbin, die Thranduil so strahlend anlächelt, der Tanz der beiden, die Worte der anderen. Augenblicklich ist das Hochgefühl, das ich eben noch verspürt habe, verschwunden; eine leise Traurigkeit nimmt seinen Platz ein. „Glaubst du nicht, dass du das bald anders sehen wirst?“ Ich senke den Blick, scheue mich davor, Thranduil anzusehen. „Warum sollte ich?“, fragt mein Begleiter. Es fällt mir schwer es auszusprechen; ein Kloß bildet sich in meinem Hals und meine Augen brennen. „Irgendwann wird jemand anderes noch viel mehr ‚besonders‘ sein…“ Jetzt ist es offenbar an Thranduil, verwirrt zu sein. „Was meinst du damit?“ Ich seufze, während ich versuche, die Kontrolle über das in mir tobende Gefühlschaos wiederzuerlangen. „Ich weiß, es ist total unrealistisch und vielleicht auch anmaßend, aber ich dachte immer, dass es ewig so weitergehen könnte. Das mit uns meine ich… was auch immer das ist… Und so selbstsüchtig das auch klingen mag, die Idee, dich ‚teilen‘ oder besser gesagt ‚hergeben‘ zu müssen, …“ Ich schüttele geknickt den Kopf. Worte reichen nicht mehr aus an dieser Stelle. Obwohl ich ihn immer noch erfolgreich nicht ansehe, merke ich, dass Thranduils Verwirrung nur größer wird. „Würdest du mir bitte erklären, was du mir sagen willst?“ Ich seufze noch einmal. Es scheint mit jeder Minute schwieriger zu werden, darüber zu reden. Damit es endlich heraus und vorbei ist, wähle ich meine nächsten Worte sorgfältig aus, darauf bedacht, klar und deutlich zu sein: „Die Elbin vom Empfang. Ich rede von ihr. Und davon, dass ihr angeblich heiraten werdet. Und dass ich dann vermutlich nicht mehr ganz so ‚besonders‘ sein werde…“ Mir ist klar, dass Thranduil schlau genug ist, um die Eifersucht in diesen Worten zu vernehmen. Aber sieht er auch das, was dahinter liegt? Auch wenn es sich ein klein bisschen gut anfühlt, es endlich ausgesprochen zu haben, schäme ich mich. Ich habe zum ersten Mal seit einer Ewigkeit mein Inneres preisgegeben, meine Seele offenbart – etwas, von dem ich mir geschworen habe, dass ich es nie mehr tun würde. Da ich dieses Gefühl kaum aushalte, hebe ich die Hände und verberge mein Gesicht darin. Ich wünschte, es wäre nie so weit gekommen. Auch wenn ein Teil von mir der Meinung ist, dass genau das gut ist. Thranduil stellt sich vor mir hin und umfasst mit seinen Händen sanft meine Oberarme. „Ithil?“ Seine Stimme klingt liebevoll, wo ich doch alles andere erwartet habe. Dennoch bin ich misstrauisch. Nicht einmal so sehr ihm gegenüber. Aber wie soll ich mich dem je stellen? „Ithil, würdest du mich ansehen?“ Es ist eine sanfte Bitte, kaum mehr als ein Flüstern. Stumm schüttele ich den Kopf. Ich weiß jetzt schon, dass ich es nicht ertragen kann. Ganz egal wie einfühlsam Thranduil die Worte auch sprechen wird, ich fühle mich nicht in der Verfassung, sie entgegenzunehmen. Doch der Elb lässt nicht locker. „Bitte, Ithil…“ Mit jedem seiner Worte fällt es mir schwerer, standhaft zu bleiben. „Für mich?... Liebling?“ Oh verdammt. Dieses eine Wort, dem ich aus dem Mund dieses Mannes einfach nicht widerstehen kann. Mich innerlich wappnend lasse ich meine Hände sinken und hebe den Blick. Doch ich lasse ihn nicht zu Wort kommen. „Das war es, was du mir nach dem Essen erzählen wolltest, oder?“ Ich kann meine Traurigkeit nicht verbergen und außerdem fühlt es sich gut an, sie zuzulassen. „Du musst mir nichts erklären, ich… ich verstehe schon…“ Das tue ich übrigens wirklich. Ist wohl Teil meiner ‚empathischen Fähigkeiten‘. Die möglichen Motive anderer zu ‚durchschauen‘. „Ithil!“ Täusche ich mich oder klingt Thranduil langsam doch etwas genervt? Ich sehe ihn etwas schockiert an. Mit ungeduldiger Miene schlägt er vor: „Wenn ich jetzt auch einmal etwas dazu sagen dürfte…!?“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)