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Die Weltenwandlerin

von

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Ablenkungen

Am Abend desselben Tages
 


 

„Du musst nicht mitkommen, wenn du nicht willst“, wiederholt Thranduil nun schon zum dritten Mal. Er sitzt mir gegenüber in einem der Gästezimmer und mustert mich seit mehreren Minuten aufmerksam, wenn auch möglichst unauffällig. Wenn es nach ihm ginge, hätte er mich ohne zu Zögern in seinen Gemächern einquartiert. Normalerweise wäre ich dieser Einladung mit Freuden gefolgt; jetzt aber scheint sie mir zu persönlich, zu intim. Ich brauche momentan ein bisschen Abstand, Raum für mich. Widerspruchslos und ohne nachzufragen ist der Elbenkönig meinem Wunsch nachgekommen, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Allein gelassen hat er mich aber nicht. Er scheint irgendetwas zu merken, auch wenn ich mir Mühe gebe, alles zu verbergen.
 

Nun sitzen wir also hier. Die Unterhaltung war von Anfang an etwas mühselig, eine Seltenheit bei uns, was mit ziemlicher Sicherheit an mir liegt. Mittlerweile schweigen wir uns schon seit mehreren Minuten an.
 

Thranduils Gegenwart reicht zwar aus, um mich ein wenig abzulenken, aber dennoch ist mir nicht ganz wohl. Ich drehe die Wörter in meinem Kopf zehnmal um, bevor ich sie ausspreche, und versuche, meine Stimme möglichst neutral klingen zu lassen. Was ihn offenbar nicht daran hindert, mir langsam aber sicher auf die Schliche zu kommen. Es ist, als könnte er hinter die Worte, hinter meine Fassade direkt in mein Inneres blicken. Und das, was er dort sieht, scheint ihm nicht zu gefallen, ihn zu beunruhigen – zu Recht, auch wenn ich das nicht laut zugeben würde.
 

Abwartend sieht mich der Elb an. Da fällt mir ein, dass er immer noch auf eine Reaktion meinerseits wartet. „Ich weiß“, sage ich rasch. „Und ich danke dir. Aber das passt schon. Vielleicht tut es mir ganz gut…“
 

Ich sehe seinen fragenden Gesichtsausdruck; momentan ist mir aber nicht unbedingt nach Erklärungen zumute. „Nicht so wichtig…“, winke ich schnell ab, bevor der Elb nachbohren kann. „Lass uns ein andermal darüber sprechen…“
 

Okay, den letzten Teil hätte ich vielleicht weglassen sollen, fällt mir da auf. Aber jetzt ist es schon wie es ist. Thranduils nach oben gezogene Augenbraue ignorierend wechsle ich gekonnt das Thema: „Solltest du dich nicht langsam mal umziehen?“
 

Die Miene des Elben wechselt von kritisch zu amüsiert. Er beugt sich vor, kommt mir so ganz nah und flüstert mir verführerisch ins Ohr: „Und ich dachte schon, du würdest mich immer umwerfend finden… egal, was ich trage und was nicht…“
 

Natürlich fällt mir dazu nichts Besseres ein, als knallrot anzulaufen und zu stammeln: „Ich… äh… ja… du…“
 

Der Elbenkönig grinst triumphierend. „Na bitte, sag ich’s doch…“
 

In diesem Moment klopft es an der Tür und von draußen erschallt eine Stimme: „König Thranduil!?“ ‚Gottseidank!‘ – Ich frage mich, woher dieser Gedanke kommt. Ich bin doch sonst so gerne allein mit Thranduil. Warum jetzt gerade nicht? Bin ich zu sehr mit meinen eigenen Gedanken beschäftigt? Was ist nur los mit mir?
 

Der Elb scheint über die Störung gar nicht erfreut zu sein. „Ich glaube, du musst wirklich los…“, versuche ich ihm daher so schonend wie möglich beizubringen. Er grinst mich rätselhaft an. Dann beugt er sich nochmals zu mir und raunt: „Das wird noch ein Nachspiel haben…“
 

Noch bevor ich etwas erwidern oder sonst irgendwie reagieren kann, rauscht er zur Tür. Dort dreht er sich noch einmal zu mir um: „Überleg es dir…“ Einen Moment lang schaut es so aus, als wolle er noch etwas hinzufügen, doch dann verlässt er das Zimmer ohne einen weiteren Kommentar.
 


 

Als die Tür hinter ihm ins Schloss fällt, ist die folgende Stille so laut, dass mir ein Schauer über den Rücken läuft. Dennoch atme ich erleichtert aus. Das wäre erst mal geschafft Ich bin froh, erst mal alleine zu sein. Ja, ich hätte gerne mit Thranduil gesprochen, ihm alles erzählt, alles gebeichtet, sehr gerne sogar. Aber dann wäre ich vermutlich endgültig zusammengebrochen. Und dann wären wir nie mehr zu dem für sein Reich so wichtigen Essen mit den Botschaftern aus den verschiedenen Teilen Mittelerdes gekommen.
 

Es ist nicht das erste Mal, dass es mir so geht. Aber das erste Mal in einem solchen Ausmaß. Irgendetwas ist diesmal anders; es ist tiefer, endgültiger. Ich glaube, ich darf mich jetzt so wenig wie möglich mit mir selbst beschäftigen. Jedenfalls nicht, bis ich glaube, das wieder halbwegs im Griff zu haben. Ich habe zu sehr Angst vor der Wahrheit; ich kann mich dem unmöglich stellen. Auch, wenn ich weiß, dass ich mit Thranduil immer über alles reden kann, habe ich das Gefühl, das diesmal nicht zu überleben.
 

Aber Schluss damit; ich wollte mich doch ablenken. Nun gilt es erst mal, mich für das Bankett zurechtzumachen. Der Rest muss warten.
 


 

Es klopft ein weiteres Mal an der Tür. Dankbar für die weitere Ablenkung, gehe ich hin und öffne sie. Vor mir steht einer der Elben, die hier im Palast beschäftigt sind. Er hält ein großes Paket in seinen Händen, das er mir mit folgenden Worten überreicht: „Mylady“ – er verneigt sich – „ein Geschenk des Königs.“ Dankend nehme ich ihm die Schachtel ab, er verneigt sich erneut und verschwindet dann wieder.
 

Als ich das Paket öffne, staune ich nicht schlecht: Darin befindet sich ein wunderschönes Kleid, das ebenso grün ist wie meine Augen. Es ist bodenlang und mit schwarzer Spitze besetzt – haargenau, wie ich mir mein Traumkleid vorstellen würde. Ich drücke es glücklich lächelnd an meine Brust und tanze so im Walzertakt durchs Zimmer. Ich hätte nicht gedacht, dass ich mich heute noch so viel besser fühlen könnte.
 

Wieder klopft es an der Tür. Eine Elbin kommt herein. Sie lässt mir ein Bad ein und hilft mir dann dabei, das Kleid anzuziehen. Als sie mein Haar bürstet, kann ich mich fast entspannen. Zufrieden betrachte ich mich im Spiegel. Vielleicht wird ja doch noch alles gut.



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