Vergiss mein nicht von reuab_art (Willkommen im düstersten Kapitel des 19. Jahrhunderts /Otayuri /Victuuri) ================================================================================ Kapitel 13: Vergiss mein nicht ------------------------------ Ahhhhhhh, es ist zum verrückt werden! Da hatte ich schon fast alles fertig, da gab mein Laptop das Leben auf. Die Tastatur ist komplett hinüber... Nun habe ich brav auf dem Tablet geschrieben und es war... der HORROR! Entschuldigt bitte ;.;         Vergiss mein nicht       Der Geist der Weihnacht schwebte ersterbend über London. Die Kerzen brannten aus, der prächtige Schmuck wurde feinsäuberlich weggeräumt und das sich hinraffende Jahr näherte sich dem letzten Tag. Der Reverend strich behutsam das Altartuch glatt und verlor sich für einen Moment in seinen Gedanken. Erst eine sorgenvolle Stimme ließ ihn aufschauen. „Gibt es Neuigkeiten?“ Das wohlbekannte Gesicht Victors sah blasser aus als sonst und seine Augen hatten einen seltsamen Schimmer. Chris lächelte leicht, schüttelte jedoch den Kopf. „Nein. Ich habe mit allen gesprochen, doch niemand hat ihn gesehen. Es sieht ihm gar nicht ähnlich.“ Die besorgten Worte des Priesters hallten durch den Kirchenraum. Vorsichtig ging er ein paar Schritte auf Victor zu, der sich langsam auf eine der Bänke sinken ließ. „Es ist unsere Schuld.“ Er wusste, dass er aussprach, was ihnen allen in den letzten Tagen durch den Kopf ging. Sie hätten nicht tatenlos zusehen dürfen. „Wir haben nur an unser eigenes Wohl gedacht. Unsere eigene Zukunft.“ Victor atmete tief ein und faltete die Hände auf den Knien. „Ich wünschte, ich könnte dir widersprechen.“, erwiderte Chris nachdenklich. Doch auch er fühlte sich schlecht, denn Otabek hätte sie gebraucht. „Wie oft war er für uns da? Egal, wie schlecht es ihm selber ging, er hat nie an sich gedacht.“ Der Priester musste unwiderruflich schluchzen. Zu sehr traf ihn der Schmerz des Verlustes. Seit dem schicksalsschweren Abend machte er sich jede Sekunde Vorwürfe. „Wir müssen ihn finden! Die Winde werden zum Jahresende immer kälter und der Schnee ist ein grausamer Bettgeselle.“, unterbrach eine weitere Stimme die Stille zwischen beiden. Michele hatte den Raum betreten, den frischen Schnee von sich geschüttelt und zitterte am ganzen Körper. „Ich bin noch durch die Westviertel geritten, aber auch heute habe ich keine guten Nachrichten!“, berichtete er weiter. Victors Augen glitzerten unheilvoll. Langsam bildeten sich kleine Perlen, Elfentropfen von einem unwirklichen Glanz. Vorsichtig wischte er mit den zarten Händen über seine Wangen und sprach aus, was sich keiner traute zu denken: „Und wenn er tot ist!?“ Eine gespenstische Stille legte sich über den Kirchenraum und Chris suchte Halt an einer der Bänke. „Das darf nicht sein!“, erhob er seine Stimme. Michele ballte die Fäuste und verzog das schmale Gesicht schmerzvoll. „Wenn Victor aber recht hat? Wenn ich dieses Gör dafür erwische, was er ihm angetan hat! Ich werde ihn eigenhändig in der Themse versenken!“ Kaum ausgesprochen, hatte Victor ihn schon am Hals gepackt. „Hüte deine Zunge!“, zischte er und seine Augen funkelten voll Zorn. „Hört auf!“, mischte der Priester sich lautstark ein. „Ihr Narren! Was bringt es, wenn ihr euch nun gegenseitig angeht!?“ Der Barkeeper ließ von seinem Freund ab. „Es tut mir leid! Nur.. gib Yura nicht die Schuld dafür. Er hat doch genau wie wir keine Chance gegen Jean.“, gab der Silberhaarige nur zähneknirschend von sich. Michele rümpfte die Nase und wandte sich ab. „Ich reite wieder los. Einer muss ja wenigstens nach ihm suchen!“ Damit verschwand der Goldschmied wieder in der Kälte. Chris warf seinem Freund einen entschuldigenden Blick zu, doch dieser wandte sich ebenfalls zum Gehen.   Im Haus am Ende der Gasse gab es ein geschäftiges Treiben. Zur Jahreswende wurde wie jedes Jahr ein prächtiger Maskenball veranstaltet, den Jean noch mehr lobte, als seine Weihnachtsfeiern. Die Halle war eingehüllt in festliche Stoffe und die Mädchen vergnügten sich beim Aufhängen von glitzernden Laternen. Mila besah sich das Schauspiel und seufzte so laut, dass Yuri neben ihr aufhorchte. „Sieh dir all diese Puten an, wie sie herumkokettieren und so tun, als wäre dieser Abend nicht unser aller Verderben. Ich hasse diesen Ball, diese lüsternen Männer und ihre Spielchen. Nichts sind wir wert, nichts!“, spie sie aus und spuckte auf den Boden vor sich. Yuri rieb sich verlegen den Nacken. „Es tut mir leid, was dort passiert. Ich wünschte, ich könnte helfen.“ Doch die Rothaarige rümpfte nur die Nase. „Yuri! Das ist, was wir sind! Wir sind keine Damen, Herrinnen oder Edelfrauen. Wir sind der Dreck auf den Straßen Londons. Kein Puder, kein Lippenstift und keine feinen Kleider können verbergen, was wir sind. Schau!“ Sie deutete auf die Treppe. An das Geländer gelehnt stand Yura, fein dressiert und aufgehübscht. „Was siehst du?“, fragte Mila den Kartenspieler. Dieser legte den Kopf schief und überlegte. „Hm… Na, Yura eben. Wie immer hübsch anzusehen.“ Doch er erntete nur ein bitteres Lachen. „Nein, mein Junge! Ich sage dir, was ich sehe. Ich sehe den Tod in ihm. Er ist nur noch wie wir. Jean hatte von ihm, was er wollte. Benutzt und weggeworfen. Eine schöne Hülle ohne Leben.“ Yuris Augen weiteten sich vor Schreck. Milas Worte hatten ihm eine ganz andere Sicht auf den Jungen gezeigt. Als hätte jemand die nebligen Schleier gelüftet, sah er nun glasklar. Yuras Augen waren dumpf und dunkel geworden. Sein Haar lag nur noch in leblosen Strähnen über den Schultern und sicherlich war er noch magerer geworden. Fast schien er um Jahre gealtert, so ergraut war die Haut. „Mila…“, begann er zögerlich. „Ich kann das nicht mitansehen. Wir müssen doch etwas tun.“ Seine Stimme klang flehend, doch die schöne Rothaarige schüttelte nur mit dem Kopf. „Zu spät!“, hauchte sie und ließ den verzweifelten Yuri völlig sich selbst überlassen stehen. Doch darauf wollte er es nicht beruhen lassen. Mit einem tiefen Atemzug suchte er nach einem Funken Mut und ging zu dem Jungen, der noch immer starr an der Treppe stand. „Yura?“, fragte er vorsichtig, erhielt aber keine Antwort. „Möchtest du, dass ich dir einen Tee mache? Es ist heute ziemlich kalt.“ Wieder keine Antwort, nur ein leichtes Kopfschütteln. „Oder vielleicht ein paar Früchte? Ich war auf dem Markt und habe noch dazu Nüsse geholt.“ Wieder nur ein Kopfschütteln. Yuri seufzte und fasste noch einmal Mut. „Hör mir bitte zu. Ich möchte dir helfen. Es gibt ein Leben weit weg von hier. Aber bitte rede mit mir.“ Zum ersten Mal blickten ihn die toten Augen an. „Danke für deine Sorgen. Aber mir geht es gut.“ Damit wandte der Junge sich ab und der Kartenspieler konnte schwören, dass ihn eine geisterhafte Aura umgab. Ihm stellten sich beim Gedanken an die Begegnung gerade schon die Nackenhaare hoch. Was war nur aus dem kämpferischen Yura geworden, der sich nie von Otabek losgesagt hätte? Was musste Jean ihm nur angetan haben? Yura schob langsam die schwere Holztür zur Kammer zu und schritt müde durch den Raum. Oft wusste er nicht, ob es Tag oder Nacht war, ob er lebte oder starb. Auf dem Bett lag sein Kostüm für den Ball. Ein feines, halbdurchsichtiges Stück aus Seide und Samt, das ihn an diesem Abend feengleich erscheinen ließe. Daneben die perlenbestickte Maske, die nur einen Blick auf die zarten Lippen unter ihr freigab. Wozu das alles, fragte er sich unweigerlich und wünschte sich einmal mehr dem Ganzen ein Ende zu setzen. Sein Herz hatte doch bereits aufgehört zu schlagen. Ihm blieb nur noch die Ewigkeit in der Hölle für das, was er Otabek angetan hatte. Otabek… allein der Gedanke an ihn ließ den Jungen erschaudern. Noch immer konnte er sich genau an das Gefühl seiner Lippen erinnern, obwohl Jean diese immer wieder beschmutzt hatte. Wie sehr widerte ihn das alles an. „Otabek…“, flüsterte er leise. „Wenn du mich nur noch ein einziges Mal küssen würdest. Ich würde dir bis an das Ende der Welt folgen.“ Doch er wusste, er hatte verloren. Otabek würde ihm niemals verzeihen. Er ließ sich neben das Kostüm sinken und verfiel in einen traumlosen Schlaf.   Am letzten Abend des Jahres drängten hunderte von begeisterten Männern in die Halle. Sie alle waren fein herausgeputzt, selbst die Masken waren teuer verziert. Hier wurde gezeigt, wer Rang und Geld hatte. Jean trug einen schwarzen Mantel mit etlichen Perlen und eine ebenso schwarze Maske. Für Yuri sah er aus wie der Tod persönlich. Schaudernd stand der an der Bühne und mischte seine Karten publikumswirksam. Heute war er für das Glücksspiel zuständig und würde wieder einmal für guten Umsatz sorgen. Sein Blick fiel auf Yura, der schützend hinter dem Geschäftsmann stand. Sein Kostüm bedeckte kaum die Hüften und die dürren, nackten Beine wirkten zittrig. Der Schwarzhaarige war mehr als verwundert darüber, wie offenherzig der arme Blonde sich präsentieren musste. Schnell fand er eine Lösung für seine Verwunderung. Jean hatte Yura am Arm gepackt und zu einigen der Anwesenden geschleift. Dort ließ er ihn alleine stehen, verängstigt und schutzlos. Wie auf einem Viehmarkt betrachteten die Männer die zierliche Ware. Einer nach dem anderen konnte seine Finger nicht bei sich behalten und schlussendlich platzte Yuri der Kragen. Aufgebracht und mit unverhofft mutiger Stimme sprechend, zog er Yura mit sich. „Die Herren entschuldigen kurz?“ Eilig schleifte er den völlig perplexen Blonden an den Rand der Bar. „Bist du verrückt?“, fragte der Junge mit dünner Stimme, doch der Kartenspieler lächelte herzlich. „Ja, vermutlich! Aber ich habe dir gesagt, dass ich auf dich aufpasse und dir helfen will.“ Yuras Augen glitzerten für einen kurzen Moment dankbar. Beide sahen sich still an und noch immer hielt der Ältere die Hand des Jungen. Doch schnell fand das Treffen ein jähes Ende. „Du Miststück!“ Jean hatte Yura schmerzhaft im Nacken gepackt. „Wirst du wohl brav sein? Glaubst du, ich füttere dich hier umsonst durch?“ Yuri wollte etwas erwidern, doch die Angst vor dem Geschäftsmann lähmte ihn. „Mach deinen Job!“ Damit schubste er den Jungen von sich. „Ich habe keine Zeit für deine Kinderspielchen. Lady Isabella erwartet mich und ich werde sie nicht warten lassen. Sei froh, dass ich dich nicht hinaus werfe, du Biest! Zimmer 14! Und beweg dich endlich!“ Folgsam nickte Yura und senkte den Kopf. Der Kartenspieler neben ihm brauchte einige Zeit, bis er das eben Gesagte zu etwas Sinnvollem zusammengesetzt hatte. Hatte Jean Yura etwa aussortiert? Hatte er so schnell die Freude an ihm verloren? Das meinte Mila also mit ihren Worten, als sie sagte, er sei wie sie. Den Namen der Lady kannte der Schwarzhaarige hingegen gut. Sie war die Tochter eines reichen Fabrikbesitzers und dieser suchte zurzeit einen heiratswilligen Schwiegersohn. Jean würde mit dieser Allianz noch enorm an Einfluss gewinnen. Yura war ihm dabei wohl nun im Weg. Noch ehe der Kartenspieler wieder aus seinen Gedanken auftauchte, war der Junge verschwunden. Hatte er sich wirklich seinem Schicksal ergeben?   Leisen Schrittes öffnete Yura die Tür zum Zimmer, das nun wohl sein neues Zuhause wäre. Die feine Kammer würde er schon bald verlassen müssen. Am Fenster stand bereits die dunkle Gestalt eines stattlichen Mannes, eingehüllt in einen braunen Mantel mit allerlei Blütenbestickungen. Yura fühlte Übelkeit in sich aufsteigen, alleine bei dem Gedanken an sein Schicksal. Der Mann wandte sich ihm zu, um den Hals ein glänzendes Kreuz und das Gesicht mit einer schweren Kapuze bedeckt. Darunter erkannte Yura nur eine schlichte Ledermaske und schmale, nach unten gezogene Lippen. Angst durchfuhr den Jungen und er zitterte unweigerlich. Das war also, was nun aus ihm geworden war. Eine namenlose Hülle, lediglich zu dem Schicksal verdammt. Mit wackeligem Schritt ging er auf das karge Bett zu. „Ihr wünscht?“, fragte er leise und setzte sich auf die rauen Laken. Doch der Mann schritt nur auf ihn zu und kniete sich vor ihn. „Keine Sorge, ich schreie nicht. Ich… mache, was ihr wollt.“ Wieder antwortete ihm der Fremde nicht, er strich lediglich eine der goldenen Strähnen zurück. Yura zitterte noch immer, denn die Berührung irritierte ihn. Es fühlte sich an, als hätte er all das schon einmal durchlebt. Vorsichtig zog der Fremde das Kinn des Jungen zu sich und versiegelte seine Lippen mit den eigenen. Yuras Herz schlug zum ersten Mal seit dem Weihnachtsabend wieder kräftig gegen seine zarte Brust. Das konnte doch nicht…?       Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)