Cat'nRat von Alaiya ================================================================================ Katze mit Ratten ---------------- Ein breites Lächeln. Strahlende, dunkelbraune Augen. „Mein Name ist Isabell.“ „Gut.“ Val nickte. „Weiter.“ „Und ich bin fünf …“ Das junge Mädchen zögerte und sah zu dem billigen Kalender, der in Vals Bücherregal stand. Dann strahlte sie wieder. „Ich bin fünf Monate alt.“ Val seufzte. Dasselbe wie immer. „Nein. Wir hatten doch darüber gesprochen“, meinte er und bemühte sich um einen sanften Ton, während das innere Tier vor Frustration brüllte. „Du bist fünfzehn Jahre alt.“ Isabell ließ sich auf den Boden fallen. Ihre recht flache Nase zuckte auf eine für einen Menschen ungewöhnliche Art und Weise. „Aber das stimmt doch gar nicht.“ Bei diesen Worten zog sie einen Schmollmund. „Ja“, erwiderte er, „aber so müssen wir es erzählen.“ Sie sah ihn nicht an, sondern fing gedankenverloren an, ihre langen braunen Haare zu flechten. „Isabell“, sagte Val. Keine Reaktion. Eine Haarsträhne wurde über die andere gelegt. Dann die nächste. Val stöhnte genervt. „Isabell!“ Verschreckt sah sie auf. „Was denn?“ Sie saß da einfach, verängstigt, aber auch etwas verständnislos, und sah ihn an, den Kopf leicht schief gelegt. Das würde er ihr noch abgewöhnen müssen. Das T-Shirt, das er ihr gegeben hatte, trug sie verkehrt herum. Die Jeanshose, die er sich ohne Erklärung von seiner Cousine „geliehen“ hatte, war offen. Auch daran mussten sie noch arbeiten. Das schlimme war, dass er sich immer wieder an eines erinnern musste: Trotz ihres Erscheinungsbildes, das dem einer jungen und durchaus nicht schlecht gebauten Teenagerin entsprach, war sie in mehr als einer Hinsicht nur ein Kind. Also bemühte er sich um Geduld. Doch was sollte er tun? Er war ein Raubtier. Es war schwer. „Was hatten wir zu dem Thema gesagt?“, fragte er. Sie überlegte. Nun zuckten auch ihre Ohren ein wenig. Ja, sie würden fraglos noch ein wenig üben müssen. „Ähm“, machte sie dann schließlich langgezogen. „Menschen verstehen so etwas nicht?“, meinte sie dann. „Genau“, erwiderte Val. „Menschen verstehen so etwas nicht.“ „Aber wir können es ihnen doch erklären!“ Nicht schon wieder! „Nein, das können wir nicht. Sie würden es nicht glauben wollen.“ „Aber wir könnten es ihnen doch zeigen!“ „Nein, das können wir nicht“, erwiderte er mit nachdruck, ehe er unter seinem Atem hinzufügte: „Ich will in keinem verdammten Labor landen.“ „Aber wieso denn nicht?“ „Darüber haben wir doch auch geredet.“ Etwa schon zwanzig Mal in der vergangenen Woche. Aber was erwartete er? „Wir leben versteckt. Das ist Teil unserer Kultur.“ „Aber ich bin doch keine Katze“, antwortete das Mädchen. „Ja, aber du bist dennoch eine von uns.“ Zumindest solange er nicht seine Familie fragte. Die hätten wahrscheinlich eine andere Meinung davon. Nun, zumindest aßen Gestaltwandler einander nicht. Nun. Meistens nicht. Sie ließ sich rücklings auf den Boden fallen und streckte Arme und Beine von sich. Das T-Shirt fiel eng an ihren Körper und erinnerte ihn nicht zum ersten Mal daran, dass er ihr einen BH würde kaufen müssen. Doch er konnte ja auch nicht einfach in so einen Dessou-Shop gehen, oder? Rasch wandte er den Blick ab. „Ich will doch nicht lügen“, meinte sie. Woher diese Einstellung auch immer kam. „Im Fernsehen haben sie gesagt, lügen sei schlecht.“ Okay, das erklärte einiges. „Melv sagt auch, lügen sei schlecht.“ „Nun, Melv verstehen die Menschen nicht“, erwiderte Val und seufzte. „Warum eigentlich nicht?“ „Weil Menschen nicht rattisch sprechen.“ Warum war das so schwer? Mit einem schweren Seufzen setzte sich Isabell auf und legte erneut den Kopf schief. „Gar nicht?“ „Normale Menschen nicht. Nein. Nur Magier.“ „Menschen sind komisch.“ „Man gewöhnt sich daran.“ Val seufzte. Was sollte er nur machen? Es war doch nur eine Frage der Zeit, bis einer seiner Nachbarn etwas bemerkte. Er wohnte in einem verfluchten Studentenwohnheim! Das hier war so verrückte Scheiße, wie sie normal nur in Anime und diesem Kram passierte. Aber jetzt musste er erklären, warum ein Mädchen in seinem Zimmer schlief. Hey, es war immerhin kein geschlechtergetrenntes Wohnheim. Dennoch durften sie eigentlich niemand anderem im Zimmer übernachten lassen, verdammt. Er hatte das doch nicht so geplant. Wie zur Hölle hätte er auch wissen können, dass so etwas geschah?! „Können wir nicht raus?“, fragte sie nun und sah zum Fenster, an dem Sonnenstrahlen durch die Lamellen der Rolladen fielen. „Nur wenn du dich verwandelst“, antwortete Val. „Aber ich will laufen!“, erwiderte sie und sprang nun in einer für einen Menschen fiel zu flüssigen und kraftvollen Bewegung auf ihre Beine. Noch ein Punkt auf der Liste. „Ich weiß. Aber ich habe es dir doch schon erklärt: Wir dürfen uns so nicht sehen lassen.“ Sie zog wieder einen Schmollmund und sah in lange an. Den Bettelblick hatte sie perfektioniert. Schließlich seufzte er. „Wir können seine Sachen mitnehmen und dann kannst du im Wald laufen, ja?“ Sie strahlte. „Okay.“ Dann sah sie zu dem recht flachen Käfig, der in einer Ecke ihres Zimmers stand. „Nehmen wir Melv mit?“ Verschlafene Knopfaugen sahen aus einem holen, kleinen Baumstamm hervor. Eine kleine, braune Schnauze zeigte sich. Val zuckte mit den Schultern. „Wenn er will.“ Denn ihr Bruder war bei weitem nicht so begeistert von Waldausflügen – denn Geisterblut allein reichte nicht, um sich gegen etwaige Raubvögel oder Lüchse zu wehren. „Okay.“ Damit setzte sie sich vor den Käfig und begann im nächsten Moment zu schrumpfen. Kleiner, immer kleiner wurde sie, während ihre Züge unmenschlicher wurden, ehe schließlich eine Ratte mit braunem Fell vor dem Käfig hockte und sich in hohen Fiepslauten, zu hoch für ein normales, menschliches Gehör, mit ihrem Bruder zu unterhalten begann. Es war – ganz offenbar – eine längere Diskussion, doch am Ende kam Melvin zögerlich aus seinem Versteck hervor und sah Val in zögerlich erwartungsvoller Haltung an. Ob er immer noch erwartete, als Luchsfutter zu enden? Val nahm beide Ratten auf und ließ sie in die Bauchtasche seines Sweatshirts gleiten, wo nur Isabellas kleiner Kopf herausschaute. Zumindest Haustiere durfte er hier halten. Umso dankbarer wäre er gewesen, hätte Isabella nicht angefangen, ihre menschliche Gestalt zu bevorzugen. Wahrscheinlich sah sie wirklich zu viel fernsehen. „Vorsichtig“, warnte er sie, ehe er seine Lederjacke vom Haken nahm und seinen Helm nahm. Dann machte er sich auf dem Weg nach draußen, mit dem vagen Plan dort mit seinem Mofa tief in den Wald von Oregon zu fahren. Dort würde sie niemand beobachten. Hoffte er. Dort konnte er sich verwandeln und – von allem was es ihn anging – Isabelle im Notfall auch nackt in ihrer menschlichen Gestalt herumtollen. Selbst wenn er sich dabei wünschte, nicht als Mensch geboren worden zu sein. Wäre es einfach gewesen, wäre er als Luchs zur Welt gekommen. Sie mussten dringend an ihrem Verhalten arbeiten. Dringend. Denn wenn es so weiter ging, wie bisher, würde Isabell ihn nur in Probleme bringen. Wenn es so weiter ging, wie bisher, würde er aus dem Wohnheim geworden – oder schlimmer noch – in eine dieser Sexualstraftäterlisten eingetragen werden. Denn wer würde die Wahrheit schon glauben? Wer würde schon glauben, dass eine der Ratten, die er vor knapp einem halben Jahr auf einem seiner Waldausflüge gefunden hatte, sich als Werratte herausgestellt hatte? Wer würde schon glauben, das Isabell in Wahrheit braunes Fell hatte? Es sei denn natürlich, sie würde sich verwandeln. Und dann hätte er ganz andere Probleme. Wie hätte er es denn wissen sollen? Doch aussetzen konnte er die beiden ja auch nicht. Immerhin war er selbst kein Mensch. Und die beiden hatten sonst niemanden. Also, musste er sich etwas ausdenken. Etwas, das erklärte, wer das Mädchen war, das auf einmal bei ihm wohnte. Möglichst, ohne dass jemand auf die falschen Ideen kam. Immerhin war sie, vielleicht nicht für eine Ratte, doch für ihn, ein Kind. Egal wie ihre menschliche Gestalt aussah. Ja, manchmal wünschte er sich, er wäre als Luchs geboren worden. Denn vielleicht würde er sich dann nicht so pervers fühlen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)