Let us not curse the darkness. Let us kindle little lights. von Laura_Glanz ================================================================================ Kapitel 5: requirements ----------------------- Sechs Tage waren vergangen, Tage in denen ich mich durch Helia endlich wieder sicher fühlte. Die Angst vor dem Nachtvolk rückte immer mehr in den Hintergrund und ein neuer Alltag festigte sich, ein Alltag in dem Helia an meiner Seite stand. Wann immer es uns möglich war trafen wir uns an geheimen Orten, küssten uns, sobald niemand uns sah, und lagen unbeobachtet, Arm in Arm auf der Wiese fern ab vom Schloss. Es glich einen Traum, aus dem ich nie wieder aufwachen wollte. Ich würde jeden Tag meines Lebens so verbringen, doch hatte ich von Anfang an gewusst, welch Schicksal diese Liebe hatte. Ich war vom königlichen Blute und Helia war mein Leibwächter. Mir war klar gewesen wie töricht das war und dennoch genoss ich es mit jeder Zelle meines Körpers.... bis zum siebten Tage, als mich die Realität plötzlich wieder zurück auf den Boden der Tatsachen riss. Die Mittagssonne stand an jenem sonnigen Tag hoch am Himmel während Helia und ich uns im Königsgarten aufhielten. Wir hatten einige Köstlichkeiten aus der Speisekammer aus dem Schloss geschmuggelt und saßen nun auf einer Decke unter einer prächtigen Trauerweide. Den gesamten Vormittag hatte ich Helia bei seinem Training beobachtet, hatte das Spiel seiner Muskeln zugeschaut und sein Talent im Umgang mit dem Schwert bewundert und nachdem Helia sich in dem nahen Fluss abgekühlt hatte, saßen wir nun lachend beisammen und machten uns über den Picknick-Korb voller Brot, Käse, Wurst und Obst her. Mir war vorher nie aufgefallen, wie attraktiv er war. Seine violetten Augen glitzerten vor lauter Leidenschaft und Freude. Sein feuchtes Haar verlieh ihm einen wilden Ausdruck und passte perfekt zu den Muskeln, die sich deutlich unter seinem hellbraunen Oberteil abzeichneten. Es schien, als hätte ich vor einigen Tagen zum ersten mal die Augen geöffnet und noch immer war ich sprachlos von diesem Anblick. Lächelnd schob Helia sich eine Traube in den Mund, beugte sich danach zu mir herunter um meine Lippen mit seinen zu versiegeln. Auch er wusste was er mit alle dem riskierte und dennoch küsste er mich, würde es wahrscheinlich selbst dann machen, wenn wir nicht allein wären. Ich seufzte als er sich von mir löste und vermisste sofort das wohlige Gefühl seiner weichen Lippen auf den meinen. „So könnte ich den Rest meines Lebens verbringen“, gestand ich flüsternd während ich einen Vogel beobachtete, welcher sich auf einem dicken Ast, der über unseren Köpfen hing, niederließ und fröhlich sein Lied zwitscherte. Helias Lächeln wurde wärmer. Ohne mir eine Antwort geben zu müssen wusste ich, das auch er so dachte. „Wir sollten öfter Essen aus der Küche klauen“, lachte er und griff nach einem Stück Käse, welches er mir zwischen die Lippen schieben wollte. Jedoch wurde unsere Zweisamkeit in diesem Moment jäh unterbrochen. Erschrocken zuckte ich zusammen als sich plötzlich eine der Wachen zu uns gesellte. Es handelte sich um einen braunhaarigen Mann in einer silbernen Rüstung. Seine Stirn war von Sorgenfalten überzogen und in seinen braunen Augen lag ein Ausdruck den ich nicht zu deuten vermochte. Besorgt und neugierig zog ich eine feingeschwungene Augenbraue in die Luft und tauschte einen fragenden Blick mit Helia. Kurz verbeugte Sich der Mann erst vor mir und dann vor Helia, was mir zeigte das dieser Mann eine geringere Stellung innerhalb der Wachen hatte als mein Freund. „Der König wünscht euch umgehend zu sprechen Sir.“ Besorgnis schlich sich nun auch in das hübsche Gesicht des Angesprochenen, welcher dem Mann kurz zunickte und sich anschließend erhob. Schweigend klopfte er sich den nicht vorhandenen Dreck von der blauen Stoffhose danach richtete er seine Aufmerksamkeit auf mich und streckte mir die Hand entgegen. Stumm ging ich auf die mir angebotene Hilfe ein und ließ mich von ihm auf die Beine ziehen. „Was ist wohl passiert?“, fragte ich flüsternd an Helia gewandt, welcher jedoch noch nicht auf die Frage einging und sich wieder der Wache widmete. „Bitte kümmert euch darum“, bat er und deutete auf unseren Piknick platz. Die Wache nickte und machte sich daran die Decke zusammen zurollen. „Komm.“ Ohne ein weiteres Wort griff Helia nach meiner Hand und zog mich hinter sich her. Ich stolperte geradezu über den Kiesweg zurück zum Schloss, stets darauf bedacht nicht über den Saum meines Kleides zu stolpern, was ziemlich unelegant aussah. „Helia was ist los?“, fragte ich leicht außer Atem und zog leicht an seiner Hand, worauf er mir einen entschuldigenden Blick zuwarf und sein Tempo drosselte. „Ich weiß es nicht, aber der Ausdruck im Gesicht der Wache gefiel mir ganz und gar nicht.“ „Mir auch nicht. Ich hoffe mit Vater ist alles in Ordnung.“ Der Gedanke daran, meinem Vater oder gar meiner Mutter wäre etwas geschehen bereitete mir Unbehagen, also beschleunigte ich mein Tempo noch etwas, bis ich mit Helia auf einer Augenhöhe war. Schweigend eilten wir die Treppen hinauf, durchquerten die große Eingangshalle und ließen auch die große Treppe, welche uns in den Westflügel, des zweiten Stocks führte hinter uns und liefen den langen Flur entlang, bis wir an einer weißen, gigantischen Flügeltür am Ende des Ganges ankamen. Zwei Wachen, die vor der Tür zum Thronsaal positioniert waren verneigten sich stumm als sie mich erblickten und öffneten anschließend die Flügeltür. Mein Vater saß auf den steinernen Thron am Ende der Halle, daneben auf einem kleineren Thron hatte sich meine Mutter niedergelassen. Stumm starrte sie auf die, in den Schoß gelegten Hände. Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht. „Mutter?“, fragend schritt ich auf meine Eltern zu, bis mein Vater sich schließlich regte. Seufzend richtete er sich auf und kam die wenigen Stufen von seinem Thron zu uns herunter gelaufen. „Helia, tritt bitte vor.“, sprach mein Vater freundlich, dennoch lag ein gewisser Unterton in seiner Stimme, welcher mich skeptisch in meiner Bewegung inne halten lies. Stumm beobachtete ich Helia, welcher der Bitte meines Vaters folge leistete. Hatte man Helia und mich vielleicht doch gesehen? Waren wir aufgeflogen? Angst machte sich in mir breit. Unmöglich, wir waren stets auf der Hut gewesen. Mit einem Blick in Helias Gesicht wusste ich, dass auch er den gleichen Gedankengang hatte wie ich. Seinen Augen zierte ein leichter Funken von Panik und sein normalerweise, leicht bräunlicher Hautton wurde schlagartig blasser. Gehorsam näherte er sich meinen Vater und verneigte sich, indem er sein Knie beugte und den Kopf gesenkt hielt. Nach außen hin gab er sich ruhig und gefasst, doch ich erkannte die Aufregung, die er ausstrahlte. Unsicher wanderte mein Blick von Helia zu meinem Vater, welcher einige Meter von meinem Freund entfernt stand und nun etwas hinter seinem Rücken hervorholte. „Wir haben eine Antwort bekommen“, begann der König ohne Ausschweifungen. Sofort versteifte ich mich, als ich sah, was genau mein Vater da in den Händen hielt. Ein Brief... Das rote Lachsiegel war durchgebrochen, was bedeutete, dass mein Vater ihn bereits gelesen hatte. Sofort kam mir das besorgte Gesicht der Wache in den Sinn und das untypische Verhalten meines Königs. Eine Gänsehaut kroch meine Arme hinauf bis zu meinem Nacken und meinem Rücken wieder runter. Auch Helia versteifte sich kurz, richtete sich dann aber wieder auf und trat auf mein Vater zu, dieser reichte ihm den Umschlag. Helia zog den Brief aus dem Umschlag, entfaltetet ihn und begann ihn zu lesen. Innerhalb weniger Sekunden veränderte sich das Mienenspiel meines besten Freundes. Seinem ernsten Gesichtsausdruck wich einer entsetzten Miene, welche sich dann in Verwirrung und Wut wandelte. Ich beobachtete wie er die Zähne aufeinander presste und sich eine kleine Falte zwischen seinen Augen bildete. Minuten vergingen in dem er den Brief ein zweites und sogar ein drittes Mal überflog, wohl auf der Suche nach einigen aufschlussreichen Antwort auf seine unausgesprochenen Fragen. „Das kann er nicht ernst meinen“, knurrte er aufgebracht und schloss seine Faust fester um das Papier. „Eure Majestät, das kann-“ „Helia!“, unterbrach mein Vater ihn mit einer endgültigen Handbewegung. Nur selten hatte ich meinen Vater mit solch einer Autorität erlebt. Dennoch wagte ich es endlich mich zubewegen. Neugierig trat ich vor uns gesellte mich zu meinem Freund. „Wa- was ist los?“, fragte ich kleinlaut sowohl an Helia als auch an meine Eltern gerichtet. Erst als ich neben meinem Leibwächter zum stehen kam erblickte ich das Siegel, welches in das rote Lachs eingestampft war. Wieder überkam mich eine Welle aus Gänsehaus, welche meine Vermutung bestätigte. „Oh nein.“ Ein erstickter Laut entwich meiner Kehle. Stumm blickte ich meinem Vater in die Augen, welcher meine lautlose Bitte erkannte. „Lass es sie lesen“, sprach er an Helia gewandt, welcher mir widerwillig den Brief reicht. Mit zitternden Fingern nahm ich ihm das auseinander gefaltete bräunliche Blatt aus der Hand. Die fein säuberlichen Federschwünge überzogen das komplette Papier mit anmutigen Buchstaben. Ungläubig laß ich die ersten Zeilen, überflog die scheinheiligen, freundlichen Worte, doch erkannte die Provokationen zwischen den Zeilen. Was zum? Zitternd las auch ich die Zeilen ein zweites mal, bis zu den Worten, die mir ein unterdrücktes Schluchzen entlockten. Das konnte er unmöglich ernst meinen. Die altbekannte Angst überkam mich abermals und verwandelte sich innerhalb von Sekunden in Übelkeit. Mir wurde schlecht und der Raum in dem ich mich befand fing an sich zu drehen. Dennoch laß ich die entscheidenden Worte ein drittes mal. … Ich unterbreite euch hiermit ein Gegenangebot. Ich schicke euch ein Drittel meiner Männer um euch im Kampfe gegen euren Feind zu unterstützen. Jedoch habe ich drei Forderungen. Land, Früchte und eine Königin. Zum einen werde ich -sobald gewonnen ist, was es zu gewinnen gilt- Itis unter meine Obhut nehmen und somit meine Länder erweitern. Zweitens fordere ich jeden Monat einen Teil der Ernte eurer königlichen Felder und im letzten Punkt fordere ich die Hand eurer liebreizenden Tochter, ich fordere jeden Zentimeter von ihr, jeden Atemzug und jeden Funken Leidenschaft. Sie wird an meinem Hofe leben und sobald mein Versprechen eingelöst wurde wird sie durch das Band der Ehe die Meine sein. Ich fordere Ihre treue mir und meinem Volke gegenüber Dies ist mein Angebot. Meine Unterstützung in eurem Krieg im Tausche gegen Länder, die Früchte eurer Ernte und die Liebe eurer Tochter. Sollte die Prinzessin nicht, bis Mitternacht der nächsten Vollmondnacht in meinem Königreich eintreffen sehe ich dieses Angebot unwiderruflich als abgelehnt an. Nun liegt es bei euch König der Menschen. Wie wichtig ist euch meine Hilfe? Was würdet ihr geben? Hochachtungsvoll S. U. König von Ascathron Geschockt starrte ich auf die Initialen des Mannes, bei dessen Gedanken sich mir jede Faser meines Körpers widersetzte. Nein, nein, nein, nein! Das darf nicht wahr sein.. Ich wollte etwas sagen, irgendetwas, doch kein einziger Laut verließ meine Kehle. Immer wieder wiederholten sich die geschriebenen Worte in meinen Gedanken. …die Liebe eurer Tochter. „Das ist meine Schuld eure Majestät. Ich hätte sie niemals mitnehmen dürfen“, kam es gepresst von Helia, was mich dazu veranlasste ihn fassungslos anzustarren. Er gab sich die Schuld dafür. Ich wollte widersprechen, ihm sagen, dass er nichts dafür konnte. Ihm daran erinner, dass es meine Idee war, doch ich konnte nicht. Wie zu Eis gefroren stand ich da, nicht fähig mich zu bewegen. Ich starrte lediglich auf die scheinheiligen Initialen vor mir, welche mich stillschweigend verhöhnten. „Wir werden einen anderen Weg finden gegen Itis anzukommen.“ Tröstend legte sich eine Hand auf meine Schulter, was mich aus der Starre riss. Mit Tränen in den Augen starrte ich meinen Vater an, ich hatte nicht bemerkt das er sich mir genähert hatte. Aufmunternd lächelte er mich an. „Wir finden einen anderen Weg“, wiederholte er seine Worte leise, damit nur ich sie hörte. Doch wäre es möglich? Einen anderen Weg zu finden? „Wir werden auf diese Forderungen nicht eingehen“, mit diesen Worten drehte sich mein Vater zu Helia um, welcher ihm zustimmend zunickte. „Keine Sorge mein Kind, wir werde eine Lösung finden.“ Mit auf den Rücken verschrenkten Händen kehrte er zu seinem Thron zurück, wiederholte dabei die letzten Worte seines Satzes immer wieder vor sich her. Ich wusste dass ihm das alles belastete. Itis, dessen Armee aus Söldner und Ganoven immer größer und bedrohlicher wurde und nun auch noch der dunkle König, welcher offensichtlich ein Auge auf seine Tochter geworfen hatte. Hätte ich doch nur nie die schützenden Mauern meines Reiches verlassen, dann wüsste der König der Vampire nichts von meiner Existenz. Abermals überkam mich ein tiefes Schluchzen und ohne es verhindern zu können tropfte die erste Träne auf das Papier in meinen Händen. In diesem Moment brachen alle Dämme. Ich schaffte es nicht die Mauern aufrecht zu erhalten und ohne Helia oder meinen Eltern nochmals anzuschauen flüchtete ich aus dem Thronsaal. Weinend eilte ich den langen Flur entlang, ignorierte dabei Helias rufe hinter mir, welcher mir panisch gefolgt war, doch ich konnte es nicht, konnte ihm gerade meine Tränen nicht zeigen und meine Erkenntnis. Er würde meine Gedanken sofort lesen können, ich war immerhin ein offenes Buch für ihn. Stattdessen rannte die Treppe zur Eingangshalle hinunter, durchquerte abermals die beeindruckende Eingangshalle und stürmte hinaus in den Garten, welcher vor wenigen Augenblicken für mich noch einer der beruhigendsten Orten von ganz Iliora gewesen war. So voller Farbe und Anmut. Ein Ort, an dem man sich zurückziehen konnte. Doch plötzlich überzog ein endloser grauer Schleier diese Idylle und wo, seit den Geschehnissen in Ascathron, nur ein kleiner Fleck von Dunkelheit in mir lag, bildete sich nun eine riesige schwarze Klaue, die ihre langen Finger nach meinem Licht ausstreckten. Er hatte seine Pranken nach mir ausgestreckt und ich wusste, dass es kein Entkommen geben würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)