Das sechste Jahr von CruelLamia (Wie weit würdest du gehen, um deine Liebe zu beschützen?) ================================================================================ Kapitel 35: Das Ende der Sterblichkeit -------------------------------------- Obwohl die Male an Harrys Hals nicht mehr zu sehen waren, brannten sie in ständiger Erinnerung an ihre erste richtige gemeinsame Nacht. Severus und Slughorn waren auch nach Stunden nicht wieder zurückgekehrt. Sicher zum Dank ihres Verteidigungslehrers, der die fette Qualle mit Met abgefüllt hatte, bis dieser sich nicht mehr daran erinnern konnte, dass zwei Schüler in seinen Unterrichtsräumen nachsitzen sollten.   Er war Severus etwas schuldig.   Draco und er hatten die ganze Nacht zusammen verbracht. Sie hatten eine Sitzbank in einer Art Matratze verzaubert. Sie war nicht sehr bequem, aber ihre aneinandergepressten Körper machte diesen Umstand mehr als wett. Der Alarmzauber, den sie im Nachhinein noch auf den Kerkergang gelegt hatten – wie unvorsichtig sie doch gewesen waren – war nicht ein Mal losgegangen. Es war die friedlichste Nacht, die Harry seit langem erlebt hatte.   Als Harry am Morgen wach geworden war, spürte er zwei kräftige Arme, die sich um ihn geschlungen hatten. Eine Hand ruhte auf seinem Herzen. Der Griff wurde fester, als er sich zu bewegen versuchte und Draco murmelte irgendetwas Unverständliches in seinen Nacken.   Er musste aufhören, daran zu denken, wenn er mit seinen Hauskameraden zusammen war. Jedes Mal wollte sich ein Lächeln auf seine Lippen stehlen. Wie sollte er das erklären? Lügen kam nicht in Frage. Er wollte diesem Moment nicht mit einer Lüge beflecken.   ‚Wie idiotisch!‘, schimpfte er mit sich selbst. Er kam sich vor, wie ein dummes, kleines Schulmädchen, das ein beiläufiges Lächeln seines großen Schwarms bekommen hatte und glaubte, dass es ihm irgendetwas bedeuten würde. Harry musste aufhören, bei diesen dämlichen Liebeskomödien, die hin und wieder bei seiner Tante im Fernseher liefen, hinzuschauen.   Im wahren Leben würde es nie so ablaufen; heimliche Liebende, die sich mit geheimen Zeichen Nachrichten schickten.   Wenn ich sage, du bist ein Riesenidiot, dann meine ich eigentlich, dass ich dich liebe. Und wenn ich dir sage, dass du verschwinden sollst, meine ich eigentlich, dass ich dich am liebsten küssen würde.   Oder irgendwelche inszenierten Streitereien, in denen sie sich durch vorher verabredete Codewörter Ort und Uhrzeit ihres nächsten Treffens übermittelten.   Am Ende führte das veränderte Verhalten sowieso dazu, dass es irgendjemand mitbekam und immer macht der eine dann etwas, was den anderen verletzt.   Draco und er gaben sich keine geheimen Zeichen. Alles blieb wie immer. Keine Erwartungen, niemand wurde verletzt, niemand bekam es mit.   Natürlich hatten sie Zeit zu zweit. Die hatten sie auch vorher schon gehabt, wenn auch nur sehr wenig. Nur nutzten sie diese jetzt anders.   Vorher trafen sie sich vor den Trainingsstunden mit den Babytodessern im Raum der Wünsch, um die Stunde zu besprechen. Jetzt saß Draco dabei auf Harrys Schoß und ihre Münder waren mit anderen Sachen beschäftig. Reden wurde zur Belanglosigkeit.   Beim Nachsitzen bei Severus entschuldigte sich ihr Lehrer, damit die beiden einen gemütlichen Abend vor dem Kamin verbringen konnten. „Macht hinterher sauber. Ich will nicht wissen, was ihr getan habt!“   Aber sie vergaßen dabei nicht, welche Aufgaben sie zu erfüllen hatten.   Severus meinte, dass Draco immer besser würde in Okklumentik und dass sie sich keine Sorgen machen müssten, wenn er das nächste Mal zum Dunklen Lord müsste. Das war eine Erleichterung.   Es war aber keine Erleichterung, dass Draco immer frustrierter aussah, wenn er mal wieder für längerer Zeit verschwunden war.   „Kann ich dir irgendwie bei deinem Auftrag helfen?“, fragte Harry bei einem ihrer Treffen. Er fing an, sich Sorgen um Draco zu machen und was passieren würde, wenn er seinen Auftrag nicht erfüllen könnte.   Es war bereits Ausgangssperre. Draco und Harry waren in einem alten, verwaisten Klassenzimmer, Tische und Stühle zur Seite geschoben, eine Decke in der Mitte ausgebreitet. Die Decke war weich und flauschig, aber Harry fuhr lieber mit seinem Fingern durch Dracos seidige Haare, während er ihn fest umschlungen hielt.   „Was meinst du?“, entgegnete Draco. Er sah nicht auf, tat lieber so, als wüsste er nicht, was Harry meinte.   „Du kommst nicht voran, nicht wahr?“ Harry ließ sich beirren.   Zu seinem Missfallen löste sich Draco aus ihrer Umarmung und sah ihn direkt an. „Du solltest dir darüber keine Gedanken machen.“   „Aber vielleicht könnte ich dir helfen, wenn du mir sagst, worum es geht.“ Irritiert beobachtete Harry, wie sich Dracos Blick bei seinen Worten verfinsterte. Aber es dauerte nur eine Sekunde, dann war es wieder vorbei.   „Du hast selbst gesagt, dass jeder von uns sich um seine eigenen Aufträge kümmern soll.“ Ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. „Du erinnerst dich? Als du mich den einen Abend an die Wand gepinnt hast?“   Harry wollte lachen, als er sich die Bilder des Abends in Erinnerung rief. Aber seine Sorge um Draco vertrieb alles andere.   „Hey, mach die keine Sorgen.“ Draco stupste ihn spielerisch an, das Lächeln ungetrübt auf seinen Lippen. Harry wollte sie küssen. „Ich werde das schon schaffen.“   Mit einem kleinen Ruck hatte Harry Draco auf die Decke gedrückt. Er hielt seine Handgelenke umklammert, direkt neben seinen Kopf. Er saß auf Dracos Becken, damit er nicht entkommen konnte. Draco nutzte das aus, drückte sein Becken nach oben und zeigte Harry sehr deutlich, wie sehr ihm diese Position gefiel.   Harry beugte sich nach vorn und verschlang Dracos Mund in einem tiefen, leidenschaftlichen Kuss. Es dauerte nicht lange und der Slytherin versuchte, seine Hände zu befreien, aber Harry hielt sie gnadenlos fest. Stattdessen löste er den Kuss und bemerkte mit einem aufkommenden Glücksgefühl, wie sein Geliebter versuchte, ihm zu folgen. Dracos Augen wirkten leicht glasig, als hätte er Fieber und er starrte auf Harrys Lippen, als wäre auf ihnen der einzige Zaubertrank, der sein Leiden heilen könnte.   Harry beugte sich wieder hinab, aber nur für einen flüchtigen Kuss. „Lass uns in die Bibliothek gehen. Wenn ich dir schon nicht helfen darf, kannst du vielleicht dort etwas Hilfreiches finden.“   Mit leichtem Bedauern in dem Blick schaute Draco auf Harrys Mund, nickte aber zustimmend.   Harry löste sich von Draco und stand vorsichtig auf. Er drehte sich um, um seinen Tarnumhang zu suchen, als sich plötzlich zwei starke Arme um ihn schlangen und gegen eine harte Brust zogen. Automatisch bedeckte er sie mit seinen eigenen – eine symbolische Erwiderung der Umarmung, denn Draco hielt ihn so fest, dass er sich nicht umdrehen konnte.   Er konnte spüren, wie Draco seinen Kopf halb auf seiner Schulter ablegte, sein warmer Atem strich sanft über seinen Hals. Ein Schauer überlief ihn, als Draco tief einatmete und anschließend einen nachhallenden Kuss hinter sein Ohr hauchte.   Für einen kurzen Augenblick verharrten sie so, bis diesmal Draco es war, der sich ohne ein weiteres Wort abwendete, um das Klassenzimmer wieder in seinen vorherigen Zustand zu bringen. Harry beobachtete ihn mit einem leichten Lächeln, bevor auch er sich wieder an die Arbeit machte.   Es dauerte nicht lange und sie machten sich versteckt unter dem Tarnumhang auf den Weg.   ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~   Die Bibliothek war wie immer auch mitten in der Nacht ohne Probleme zugänglich. Kein Zauber verriet ihre Gegenwart als Harry und Draco zuerst in den öffentlichen Bereich und anschließend in die Verbotene Abteilung vordrangen. Sie wählten einen Bereich aus und Draco begann sich die Bücherreihen entlangzuarbeiten, um ein Exemplar zu finden, dass ihn in sich lesen ließ.   Harry hatte zweimal versucht – das zweite Mal nur um ganz sicher zu gehen – Draco einen Band auszuleihen. Aber sobald er es geöffnet hatte, setzte der Schutzzauber ein. Selbst wenn Draco ein bereits geöffnetes Buch lesen wollte, ohne es zu berühren, fing es schon an zu kreischen. Er kam nicht herum, sich selbst zu beweisen.   Kurz beobachtete Harry wie Draco die Reihen entlangging. Für jemanden, der nicht wusste, was er tat, sah es so aus, als würde er nach einem bestimmten Buch suchen und dabei jeden Titel auf den Buchrücken lesen. Nur dass bei den meisten Büchern keine Titel auf den Einbänden waren.   Als Draco ein Buch gefunden hatte, setzte er sich einfach auf den Boden.   Harry musste grinsen. Er hätte den eingebildeten Slytherin nie so eingeschätzt, dass er sich jemals ohne einen weiteren Gedanken zu verschwenden, in Staub und Schmutz setzen würde. Nicht mal Wärme- oder Polsterungszauber hatte er benutzt. Er überraschte ihn immer wieder aufs Neue.   Harry sprach schnell die Zauber und ließ dann zwei brennende Kerzen in der Luft schweben, bevor er sich selbst ein Buch raussuchte. Es dauerte bei ihm nicht so lang wie bei Draco, was ihm einen neidischen Blick einbrachte. Zur Erwiderung zwinkerte Harry ihm zu. Dracos Schultern zuckten unkontrolliert und seine Lippen verzogen sich zu einem stummen Lachen.   Nach einem kurzen Kuss saßen beide Rücken an Rücken in ihre Bücher vertieft.   Eine Weile saßen sie da, alles um sich herum vergessen, in eine Welt voller dunkler Geheimnisse gesogen, nur ihrer eigenen Gegenwart bewusst. Die Kälte der Nacht verdrängt durch die Körperwärme des anderen, die eine genauso beruhigende Wirkungen hatte, wie die langsame gleichmäßige Atmung, die in den letzten Wochen so vertraut geworden war wie die eigene.   Die Schrift wurde immer kleiner und blasser, verschwamm vor seinen Augen, während das Gefühl der Sicherheit seine Lider schwer werden ließ.   „Hier, schau mal!“   Die Stimme war leise, durchbrach aber Harrys Dämmerzustand wie eine scharfe Klinge. Erschrocken zuckte er zusammen und brauchte ein paar Sekunden, um sich wieder zu sammeln. Schnell kontrollierte er die Umgebung, ob sich jemand unbemerkt genähert hatte, während gedöst hatte.   Beruhigt stellte er fest, dass alles unverändert war. Er drehte sich zu Draco um und bereute sofort den Verlust der Wärme.   Draco schaute ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Bist du eingepennt?“   Es half nicht, es zu leugnen. Er war ertappt worden. Ein zustimmendes Schnauben war alles, was er zustande brachte.   „Harry, Harry, Harry. Das ist so unvorsichtig von dir. Was, wenn ich nicht da gewesen wäre? Dich hätte hier jeder finden können. Wie hättest du dich da herausreden wollen?“ Dracos neckender Tonfall verriet seine Belustigung.   „Ach halt die Klappe. Wenn du nicht hier gewesen wärst, wäre ich gar nicht eingeschlafen.“, brummte Harry zurück.   „Also ist es jetzt meine Schuld? Vielleicht sollte ich dich dann alleine lassen.“ Draco machte Anstalten aufzustehen, aber Harry reagierte blitzschnell und zog ihn wieder zurück.   Durch den Schwung lag Draco plötzlich auf dem Rücken. Harry hing über ihn, ihre Lippen nur Millimeter voneinander entfernt. „Vergiss es.“, hauchte Harry sanft, bevor er die Lücke zwischen ihnen schloss.   Draco zog Harrys Kopf weiter zu sich herab und Harry lächelte in den Kuss, überwältigt, wie normal sich das alles anfühlte und wie glücklich es ihn machte.   „Du wolltest mir etwas zeigen?“   Hellgraue Augen blickten ihm vorwurfsvoll entgegen. Harry hatte sich wieder aufgerichtet und er konnte Draco ansehen, dass er damit nicht einverstanden war.   Mit einem Seufzen gab der Slytherin nach. Er tastete mit einer Hand nach dem Buch, das achtlos auf den Boden gefallen war.   „Ja, in dem Buch stand etwas, dass ich nicht verstanden habe. Irgendetwas darüber, wie man getrennte Seelenstücke miteinander verbinden kann.“   Harrys starrte mit weit aufgerissenen Augen und aufgeklappten Mund hinab. Konnte das sein? Nein! Das war nicht möglich. Soweit er wusste, hatte Dumbledore alle Bücher über Horkruxe aus der Verbotenen Abteilung entfernt. Es war nicht vorstellbar, dass dieser pedantische Mann eines übersehen haben könnte. Und Draco hatte etwas über Seelenstücke verbinden, nicht Seelenstücke abspalten gesagt.   Draco, der sich von Harry abgewendet hatte, um das Buch zu suchen, bekam von seinem inneren Tumult nichts mit. Harry hatte sich wieder im Griff, bevor Draco sich mit einem triumphalen Blick wieder zu ihm umdrehte.   „Hier.“   Während er die richtige Stelle raussuchte, schaute Harry nach außen hin geduldig zu. Nichts verriet den Sturm, der in seinem Inneren tobte.   ‚Geht es wirklich um Horkruxe? Und wenn ja, kann ich es irgendwie benutzen?‘ Er wollte ganz sicher nicht selbst einen machen. Voldemorts Anblick genügte, um den Wunsch nach Unsterblichkeit im Keim zu ersticken. Aber vielleicht enthielt das Buch Informationen, die sein Lord noch nicht kannte, so unwahrscheinlich das auch war.   „Hier ist es.“ Draco reichte ihm das Buch und zeigte auf die Stelle, die er meinte.   Harry griff danach, bevor ihm wieder in den Sinn kam, dass hier jedes Buch mit einem Schutzzauber belegt war. Geschockt hielt er den Atem an und wartete auf das unausweichliche Kreischen.   Nichts passierte.   Verwirrt betrachtete er den Einband.   – Finis mortalitatis –   Harry kannte das Buch. Er hatte schon ein paar Mal darin geblättert. Aber die Erzeugung von Inferi, Anleitungen wie man Maledicti – was auch immer das war – aufspüren und fangen konnte, Tränke, die einen Menschen bei lebendigen Leibe verrotten lassen konnten oder auch wie man einen Obscurus züchtet und ihm dann die Macht entzieht, waren nicht die Themen, die ihn interessierten. Dass Draco ausgerechnet in diesem Buch etwas suchte, was ihn bei seinem Auftrag helfen konnte, irritierte ihn genauso sehr, wie es ihn amüsierte. Draco war doch durch und durch Slytherin.   Der Abschnitt war länger. Es ging als ersten um den Zustand der Seelenstücke. Das Wort Horkrux wurde nicht einmal erwähnt, aber nach allem, was Harry über sie wusste, musste es genau darum gehen. Vielleicht hatte der Autor nicht gewusst, wie die Seelengefäße genannt wurden? Oder er hatte die Bezeichnung bewusst weggelassen. Was auch immer der Grund war, ohne ihn wäre das Buch sicher wie alle anderen aus der Verbotenen Abteilung verbannt worden.   „Es geht um ein Ritual kombiniert mit einem Zaubertrank, die die Seelenstücke wieder miteinander verbinden sollen, wenn man zu viele abgespalten hat.“, unterbrach Draco seinen Gedankengang. „Hier steht direkt, ‚wenn man so dumm ist, seine Seele mehrfach zu teilen‘.“   Harry wusste nicht, ob er entsetzt oder belustigt sein sollte. Er hielt ein Buch in den Händen, dass Voldemort, den mächtigsten Zauberer aller Zeiten, ein Genie, als dumm bezeichnete.   „Ich habe das komplette Buch durchgesehen. Es steht absolut nichts darin, wie man seine Seele überhaupt teilt oder wozu das gut sein soll.“   Harry sah Draco eindringlich an. Er haderte kurz mit sich, bevor er den Mund aufmachte. „Du solltest dir darüber keine Gedanken machen.“   „Was meinst du damit?“ Dracos zu Schlitzen verengte Augen ließen einen kalten Schauer über Harrys Rücken laufen. Würde Draco das wollen? Wenn er wüsste, um was es ging?   Harry wollte nicht, dass Draco seine Seele zerriss, egal ob das Seelenstück in ihm blieb oder in ein Gefäß zur Sicherung seiner Unsterblichkeit eingeschlossen wurde. Das Ritual, das hier beschrieben wurde, schien zwar die schlimmsten Nachwirkungen dieses Prozesses zu neutralisieren, aber es würde ihn zweifellos verändern. Sie wie es auch Tom Riddle verändert hatte.   „Bitte vertrau mir einfach.“ Flehentlich schaute er dem Menschen, der ihm am meisten auf der Welt bedeutete in die Augen, betete, dass er ihn verstehen möge, auch wenn er nichts sagte.   Es dauerte eine Ewigkeit, bis Draco endlich nickte. „In Ordnung.“   Harry spürte, wie ihm ein Stein vom Herzen fiel. Er lächelte und gab Draco einen sanften Kuss, bevor er sich wieder dem Buch zuwandte. Voldemort könnte das trotz allem interessieren.   „Soweit ich das verstehe, verbindet man alle Teile wieder zu einem Ganzen, wobei die Stücke aber in ihren Gefäßen bleiben. Wie soll sowas gehen?“, fragte Harry ohne aufzusehen.   „Frag mich nicht. Ich darf anscheinend nicht mal wissen, worum es geht.“ Eine leichte Verbitterung war in Dracos Stimme zu hören. Eine Spur von Verrat, die er zu unterdrücken versuchte.   Sein schlechtes Gewissen legte sich um Harrys Herz und drückte fest zu. Es gab zu viel, was er vor Draco geheim halten musste. „Sei mir nicht böse. Es geht hier um Geheimnisse, die nicht mal ich wissen dürfte. Das ist größer und weitaus gefährlicher als unsere heimliche Beziehung. “ Er atmete tief ein. „Voldemort wird sich aber mit Sicherheit dafür interessieren.“   Ausdruckslos starrte Draco ihn an. Es gab ihm einen tiefen Stich, zu sehen, dass er seine Maske aufgesetzt hatte. Harry wusste nicht, was er dachte und es jagte ihm eine höllische Angst ein.   Draco öffnete gerade seinen Mund als ein Fauchen sie aufschreckte. Erschrocken drehte Harry sich um.   „Mrs. Norris!“ Ihre lampenartigen Augen waren starr auf sie gerichtet.   „Wir müssen hier schnell weg. Filch wird bestimmt gleich…“ Ihm blieben die Worte im Mund stecken, als Filchs Präsenz sich plötzlich in sein Bewusstsein drängte – viel zu schnell, viel zu nah – und sich mit eiligen Schritten zielsicher auf die Bibliothek zu bewegte. „Er ist gleich hier.“   Harry räumte die Bücher weg, während Draco die Zauber aufhob. Er ließ dabei die Katze keinen Moment aus den Augen. Sie hatte einen Buckel gemacht und fauchte unaufhörlich. Ihren Zusammenstoß schien sie ihm noch nicht verziehen zu haben.   Die Eingangstür zur Bibliothek öffnete sich mit einem Knarren. Harry griff nach seinem Tarnumhang und warf ihn über sie beide.   Es war so hell. Warum war es so hell?   „Harry!“, hauchte Draco in sein Ohr, einen leichten Anflug von Panik war darin zu hören.   Harry folgte seinem Blick. Direkt über Mrs. Norris schwebte noch eine der Kerzen. Schritte waren zu hören. Sie kamen immer näher. Es war wie ein Echo der Präsenz, die er immer näherkommen fühlte. Unangenehm kratze es an seinem Bewusstsein, gepaart mit der Angst, was passieren würde, wenn man ihn hier fände. Zusammen mit Draco.   „Accio!“ Blitzschnell kam die Kerze auf sie zu geschossen, verlosch auf ihren Weg und landete sicher in Harrys ausgestreckter Hand. Draco umklammerte seinen Arm und zog ihn gerade rechtzeitig unter den Umhang zurück, als Filch um die Ecke bog.   „Hast du etwas gefunden, meine Süße?“ Eine Art Schniefen war zu hören. Schnüffelte Filch etwa in der Luft wie ein Hund, der nach einer Spur suchte?   Harry versuchte ruhig zu atmen und sich auf seine Sinne zu konzentrieren. Seine Augen hatte sich noch nicht an die plötzliche Dunkelheit gewöhnt. Er war völlig blind. Filch konnte er spüren, aber Mrs. Norris nicht.   „Sie können noch nicht lange weg sein.“ Filch machte einen Schritt von ihnen weg. Dann einen zweiten und blieb dann stehen. „Was ist denn, meine Süße? Ist doch noch jemand hier?“   Er drehte wieder um und ging jetzt direkt auf sie zu. Langsam konnte Harry wieder Umrisse erkennen, aber er wusste nicht, was er machen sollte. Filch einfach verfluchen und abhauen?   Zwei Arme schlangen sich behutsam um seinen Körper und zogen ihn nach hinten. Harry hielt den Atem an, sicher, dass das Knarren einer Diele sie jeden Moment verraten würde.   Aber nichts passierte.   Er wurde ruhig immer weiter nach hinten gezogen, immer weiter weg je näher Filch ihnen kam. Seine Augen gewöhnten sich langsam an die Dunkelheit. Die Umrisse wurden klaren und er konnte sogar erkennen, wie Filchs Kopf misstrauisch hin und her zuckte. Mrs. Norris starrte dabei die ganze Zeit in ihre Richtung. Hatte sie sich überhaupt bewegt?   Filch schnüffelte noch einmal und gab dann auf. „Lass uns gehen. Wenn wir uns beeilen, erwischen wir sie noch. Der Schulleiter geht viel zu nachsichtig mit den Bälgern um. Wenn ich noch…“ Seine Stimme verhallte, während er sich von ihnen wegbewegte. Mrs. Norris blieb noch einen Moment stehen, ihre unheimlichen Augen auf sie fixiert, bevor sie sich auch umdrehte und ihrem Herrchen hinterherlief.   Harry konnte Dracos warmen Atem spüren, als er genauso erleichtert wie er selbst ausatmete. „Das war knapp.“, sagte er leise.   „Zu knapp. Für einen Augenblick habe ich gedacht, er hätte uns erwischt.“, entgegnete Draco. „Wir können froh sein, dass Mrs. Norris Angst vor dir hat.“   Harry drehte sich um. „Wie kommst du darauf, dass sie Angst vor mir hat?“   „Das war ziemlich offensichtlich.“ Draco zog den Tarnumhang von ihnen und gingen einen Schritt zurück. Harry wollte hinterher, aber die Erinnerung an ihre Unterhaltung, bevor dieses dämliche Vieh aufgetaucht war, hielt ihn zurück. „Sonst wäre sie direkt auf uns zu gekommen und hätte solange gefaucht, bis nicht mal dieser Squib das Offensichtliche hätte ignorieren können.“   „Sie könnte genauso gut vor dir Angst haben.“   „Aber ich habe sie nie verletzt.“   „Das war ein Versehen!“, protestierte Harry.   „Ich glaube nicht, dass sie diesen Unterschied versteht.“   Harry verdrehte die Augen. „Wie auch immer. Wir können froh sein, dass sie nichts weiter gemacht hat.“ Sein Blick glitt nach unten. „Und dass der Boden nicht geknarrt hat.“   „Das liegt daran, dass ich unsere Schuhe zu Geräuschschluckern verzaubert habe.“, sagte Draco selbstgefällig. Ein süffisantes Grinsen zierte sein Gesicht und Harry wollte nichts weiter tun, als ihn zu küssen. Er ballte seine Hände zu Fäusten, um sie davon abzuhalten, nach Draco zu greifen.   Draco musterte ihn von oben nach unten. Sein Gesichtsausdruck nahm einen genauso gequälten Ausdruck an, den Harry auch auf seinem vermutete, aber im Gegensatz zu Harry, griffen Dracos Hände nach ihm und zogen Harry zu sich.   „Harry...“, flüsterte er. Was immer er noch hatte sagen wollen, er verzichtete darauf zugunsten eines langen leidenschaftlichen Kusses.   Harry erwiderte den Kuss sofort, zog Draco noch näher zu sich und weigerte sich, ihn wieder loszulassen, bis sie beide kaum noch Luft bekamen. Erst dann lösten sich ihre Lippen voneinander. Ein Blick in die Augen seines Geliebten – das sonst so helle Grau wirkte beinahe noch dunkler als das Schwarz der Pupille, das es verdrängt hatte – sagte Harry mehr als Worte es je könnten. Alles war gut. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)