Das sechste Jahr von CruelLamia (Wie weit würdest du gehen, um deine Liebe zu beschützen?) ================================================================================ Kapitel 20: Flüche und Gegenflüche ---------------------------------- Langsam legte sich die Staubwolke und man konnte wieder die eigene Hand vor Augen sehen. Der Raum war ein Trümmerfeld. Überall lagen Geröll und Steine herum und auch das Essen waren nicht verschont geblieben. Der Tisch war unter dem Gewicht einer umgefallenen Säule zusammengebrochen, das Essen lag auf dem Boden verteilt. Alles war bedeckt von einer hellgrauen Staubschicht aus den pulverisierten Steinen so fein wie Asche.   ‚Wir haben es anscheinend etwas übertrieben.‘, dachte Harry, als er sich umsah, um das Ausmaß der Schäden zu begutachten.   Ihr Publikum lag zwischen den Trümmern. Vereinzeltes Husten und Stöhnen war zu hören, aber niemand wagte, etwas zu sagen, während sie sich gegenseitig aufhalfen.   Dracos Seil hing immer noch um Harrys linkes Handgelenk. Das andere Ende war zwischen zwei größeren Steinbrocken eingeklemmt. Harry teste kurz die Stabilität, bevor er sich an dem Seil auf die Füße zog. Sein ganzer Körper tat weh und protestierte unter der plötzlichen Bewegung. Aber es half nichts. Er streifte das Seil ab und machte sich die Schmerzen ignorierend auf die Suche nach seinem Gegner.   Draco lag nur zwei Meter von Harry entfernt. Im Gegensatz zu allen und allem anderen lag auf ihm keine Staubschicht. Seine Erscheinung war makellos. Der Slytherin lag auf seinem Rücken, die Beine leicht angewinkelt, einen Arm neben sich abgelegt, während der andere seine Augen verdeckte. Sein Atem ging ruhig und gleichmäßig. Sein Zauberstab lag einen halben Meter neben seinem Kopf.   Harry lächelte. „Willst du da so liegen bleiben?“, fragte er und konnte seine Selbstzufriedenheit über seinen Sieg einfach nicht aus seiner Stimme herausnehmen.   „Ach, halt die Klappe, Potter.“ Draco bewegte sich immer noch nicht.   Langsam begann der Staub um sie herum, sich aufzulösen und auch die Gesteinsbrocken verloren immer mehr an Substanz.   „Hör auf zu schmollen.“ Harry trat mit seinem Fuß leicht gegen Dracos Schuhe. „Du hast dich sehr gut geschlagen. Du hättest mich beinahe gehabt.“   Dracos Lippen verzogen sich zu einem undeutbaren Grinsen und er gluckste leise. Er nahm seinen Arm von seinen Augen und blickte Harry immer noch mit diesem Grinsen im Gesicht direkt an. „Noch nicht. Aber ich hoffe bald.“   Harry zog fragend eine Augenbraue nach oben, schüttelte aber gleich darauf den Kopf. Er wollte sich nicht schon wieder Gedanken darüber machen, ob Draco mit ihm flirtete. Das war Blödsinn. Vor allem in ihrer jetzigen Situation. Stattdessen streckte er seine Hand aus, um Draco aufzuhelfen.   Draco ergriff die dargebotene Hand und ließ sich hochziehen. Er klopfte sich den nicht vorhanden Staub von seinen Sachen und machte sich dann auf die Suche nach seinem Zauberstab.   Der Raum nahm immer mehr und mehr sein ursprüngliches Aussehen an. Die Löcher in den Wänden füllten sich mit neuem Stein, während sich der Schutt immer weiter auflöste.   Ein überraschter Aufschrei war zu hören und Harry schaute sich um, um die Ursache ausfindig zu machen. Crabbe saß auf den Boden und rieb sich sein großes Hinterteil. Die Slytherins um ihn herum lachten.   Harry grinste kurz in sich hinein, bevor etwas anderes seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Unter einem sich gerade auflösendem Stein, befand sich ein kleines Stück Pergament. Er wollte danach greifen, aber der Stein war noch zu massiv und er konnte ihn nicht durchdringen. Immer mehr verblasste das Hindernis und Harry konnte deutlich eine Schrift auf dem Zettel erkennen. ‚Draco.‘ Er blickte sich nach dem Slytherin um, der gerade seinen Zauberstab gefunden hatte und sich danach bückte.   Aus den Augenwinkeln sah Harry, wie Nott eine schwungvolle Bewegung vollführte und auch das Essen und das Trinken wieder auf den reparierten Tisch ihren Platz fanden. Draco gesellte sich zu Nott und kontrollierte die Karte des Rumtreibers. Harry hatte gar nicht an sie gedacht. Sie hätten sie ausversehen zerstören können. Seit er die Fähigkeit erlernt hatte, alle Lebewesen in seiner Umgebung zu spüren, hatte er sie nicht mehr selbst benötigt. Aber sie hatte seinem Vater gehört, er hat sie mit erschaffen. Harry sollte besser auf sie achtgeben. Draco untersuchte die Karte genau und nickte ihm dann zu. Erleichtert wandte Harry sich den anderen Slytherins zu.   „Ist irgendjemand verletzt?“ Draco und Nott brauchte er nicht fragen. Er hatte vollstes Vertrauen in ihre Fähigkeiten, sich bei einem solchen Übungskampf zu schützen, auch wenn er ein bisschen außer Kontrolle geraten war. Es war immer noch kein Vergleich zu einem echten Kampf und sie hatten noch nicht einmal schwarzmagische Flüche verwendet.   Die anderen Jungtodesser brauchten noch mehr Übung. Ihr jetziger Zustand bewies eindeutig, dass sie das Training brauchten. Beinahe jeder von ihnen hatte mehrere Schrammen und Schürfwunden und ihre Kleidung war an mehreren Stellen zerrissen. Einige mehr, andere weniger. Mit einer Kopfbewegung deutete Harry an, dass Draco und Nott ihnen helfen gehen sollten. Er selbst wendete sich wieder dem Stück Pergament zu, zu neugierig, was er darauf finden würde.   Endlich hatte der Stein sich aufgelöst und Harry griff nach dem Zettel. Er hatte sich nicht geirrt. Es war eindeutig Dracos Schrift. Darauf standen neun Initialen und hinter jeder stand eine kleine Notiz.   D. G.: hübsch und intelligent, aber sehr arrogant – näher im Auge behalten   P. P.: aufdringlich, nervig, sehr langweilig im Bett – dann wäre P. zu bedauern   M. B.: So einen schlechten Geschmack traue ich nicht mal P. zu. Selbst ohne Brille kann man ihr schwerfälliges Auftreten und ihre bullige Erscheinung nicht mit etwas Begehrenswertem verwechseln. Was ist P.s Typ? Vielleicht steht er ja auf sowas? (L.T.: unscheinbar, schüchtern à gibt es nicht in Slytherin)   T. D.: intelligent, kreativ/experimentierfreudig im Bett, Aussehen passabel – käme in Frage   L.B.: beängstigend, viel zu groß – überragt Potter um anderthalb Köpfe (Was ist P.s Typ?)   J.K.: lesbisch, Beziehung mit H., hübsch aber IQ wie V. oder G. – nicht auszuschließen   H.R.: bi, Beziehung mit J., ziemlich eingebildet, steht auf Sex an ungewöhnlichen Orten – nutzt J. nur aus. Mieser Charakter, selbst für eine Slytherin.   M.H.: langweilige Persönlichkeit, im Bett akzeptabel, hübsch - möglich   S.B.: Hübsch, solange sie den Mund zu lässt. Ernsthaft! Noch nie was magischer Zahnkorrektur gehört? Da sahen selbst G.s Zähne vorher besser aus. Da müsste P. beim Küssen aufpassen, dass er sich nicht verletzt.   Harry fing laut an, zu lachen und konnte nicht mehr aufhören. Das waren sehr interessante Gedanken. Sein Lachen erregte die Aufmerksamkeit der anderen. Er konnte die irritierten Blicke auf sich spüren und besonders ein Paar hellgrauer Augen, die ihn ansahen, als ob er den Verstand verloren hätte.   Draco ging auf Harry zu und hatte schon seinen Mund geöffnet, um zu fragen was los sei, als Harry ihm das Pergament entgegenstreckte und ihn amüsiert anschaute. Dracos Augen weiteten sich vor Schreck und er riss Harry den Zettel aus der Hand.   „Verdammt!“, presste Draco zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.   „Was ist denn los?“ Harry gluckste immer noch vor sich hin. „Ich fand das sehr interessant. Vor allem die Ergänzungen über deine eigenen Erfahrungen. Sehr aufschlussreich.“ Harry wusste, dass Draco es mit keinem dieser Mädchen ernst gemeint hatte. Die einzige richtige Beziehung, die der Slytherin bisher hatte, war mit Parkinson gewesen. Und nach allem, was er wusste, war Draco froh, dass er sie wieder los war.   Draco funkelte ihn wütend an. „Das solltest du nicht sehen.“   „Warum nicht?“, fragte er jetzt ehrlich neugierig. „Es ist ja nicht so, als ob ich nicht wüsste, dass Voldemort dich darauf angesetzt hat. Es hätte mich eher gewundert, wenn er es nicht getan hätte. Und jetzt weiß ich wenigstens mal, wie der Stand deiner Ermittlungen ist. Anscheinend habe ich mich noch nicht verraten.“   Draco seufzte schwer und griff sich in den Nacken, um die sich eben dort gebildete Verspannung weg zu massieren. „Nein, hast du nicht.“ Plötzlich legte sich ein teuflisches Grinsen auf seine Züge. „Aber du könntest mir ja einen kleinen Tipp geben.“   „Pft! Davon träumst du. Aber…“ Blitzschnell, wie man es von dem besten Sucher auf Hogwarts erwarten würde, hatte Harry Draco das Pergament wieder entrissen und beäugte neugierig die Notizen. „… vielleicht ändere ich ja meine Entscheidung noch.“ Mit einem spielerischen Funkeln in den Augen blickte er Draco an. Harry überlegte kurz, ob er Draco noch nach seiner Einschätzung zu den männlichen Slytherin fragen sollte, entschied sich aber schnell wieder dagegen. Draco machte kein Anzeichen, dass er vermuten würde, dass Harry auf Männer stand trotz seiner Performance am Abend zuvor. Schlafende Schlangen sollte man nicht wecken.   Harry wusste nicht, was für eine Reaktion er von seinem ehemaligen Rivalen erwartet hatte, aber dieser ernsthafte Blick und diese starre Haltung war es auf jeden Fall nicht. Überrascht wich er einen halben Schritt zurück. ‚Habe ich mir das eingebildet oder haben sich Dracos Augen gerade eine Spur verdunkelt?‘   Aber bevor er den Slytherin fragen konnte, was los war, wurden sie von einer sehr gereizten Stimme gestört.   „Seid ihr endlich fertig mit dem Herumgealbere oder was? Ich dachte, wir sind hier, um zu trainieren?“ Bletchley kam auf sie zu und sah alles andere als glücklich aus. Draco nahm Harry schnell wieder das Pergament aus der Hand und steckte es tief in seinen Umhang. Harry ignorierte ihn und schaute stattdessen kalt zu Bletchley. Er hatte nicht vergessen, dass dieser Widerling beinahe Draco schwer verletzt hatte und spürte eine kalte Wut in sich aufsteigen. Der Wunsch, diese nichtswürdige Kreatur leiden zu sehen, wurde jedes Mal stärker, wenn er ihn ansah. Manchmal, und es wurde immer seltener, fragte Harry sich, ob er schon immer diese sadistische Seite in sich gehabt hatte oder ob sie erst entstanden ist, als er angefangen hatte, sich mit den Dunklen Künsten zu beschäftigen.   Harry verschränkte die Arme vor der Brust und wartete, was Bletchley zu sagen hatte, nicht gewillt, mehr Zeit als nötig mit diesem Wurm zu verbringen.   „Ich dachte, du solltest uns etwas beibringen, zeigen, wie wir richtig kämpfen. Stattdessen zeigst du uns erst diese dämlichen Schildzauber und jetzt dieses Expellamus-Mist. Das war ein schönes Schauspiel, was ihr hier aufgeführt habt, aber in einem echten Kampf sind diese Zauber völlig sinnlos.“   Ein kaltes Lächeln zierte Harrys Lippen. Das kannte er doch schon. „Weißt du, Bletchley, als ich letztes Jahr die anderen unterrichtet hatte – nebenbei 28 Schüler aus den anderen Häusern – gab es auch jemanden, der meinte, dass solche Zauber in einem Kampf gegen Voldemort nichts bringen würden.“ Harry löste sich aus seiner Position und ging langsam, beinahe raubtierartig auf Blechtley zu. Eine dunkle Aura umgab ihn und jeder, der ein bisschen Verstand besaß, hätte schleunigst das Weite gesucht. „Nun… Ich habe den Expelliarmus in einem Kampf gegen Voldemort benutzt. Und ich habe diesen Kampf offensichtlich überlebt. Ich habe Smith damals gesagt, dass er gerne gehen könne, wenn er sich nicht damit abgeben wollte. Er ist geblieben. Wie alle anderen auch. Jeder einzelne von ihnen beherrscht diese Zauber aus dem Effeff. Wie willst du gegen sie kämpfen, wenn du ihnen auf dem Schlachtfeld gegenüberstehst? Sie können die meisten deiner Zauber abwehren und weil du keine Entwaffnungszauber kennst, kannst du dich nicht auf sie vorbereiten und sie treffen dich völlig unvorbereitet. Und schon bist du deinen Zauberstab los und besiegt.“   „Das ist Blödsinn!“ Bletchley wurde immer lauter. „Natürlich kenne ich die Zauber. Mich würde keiner unvorbereitet treffen.“   Hinter Harry hörte man ein kleines Glucksen. Draco hatte sich in Bewegung gesetzt und blieb neben Harry stehen. Er schaute seinen Mitschüler mit einer Mischung aus Belustigung und der gleichen Wut an, die auch Harry verspürte. „Du kennst die Zauber, ja? Wie hast du gerade den Entwaffnungszauber genannt? Expellamus? Bitte führe ihn uns doch mal vor. Ich bin zu neugierig, was passiert.“   Bletchleys wirkte wie ein in eine Ecke gedrängtes Raubtier. Die Zähne waren gefletscht und ein Grollen entwich seiner Kehle.   Unbeeindruckt blieben Harry und Draco vor Bletchley stehen. Harry überlegte kurz und schnalzte mit seiner Zunge, bevor er weiter sprach.   „Da das Training ein Befehl von Voldemort persönlich war, kann ich dir nicht anbieten, einfach zu gehen, wenn dir mein Unterricht nicht passt. Aber ich hätte folgenden Vorschlag für dich…“ Harrys Lächeln nahm leicht diabolische Züge an. „Da du ja glaubst, dass meine Art zu kämpfen so sinnlos ist, hast du bestimmt kein Problem, dich mit mir zu duellieren. Wenn du gewinnst, kannst du den Unterricht übernehmen und wir lernen, was du für richtig hältst. Wenn ich gewinne, dann machen wir den Unterricht genauso weiter, wie ich ihn geplant habe. Und das bedeutet, dass als Nächstes der E x p e l l i a r m u s dran ist.“ Er machte sich die Mühe, jeden einzelnen Buchstaben zu betonen und ihm damit noch mal seinen Fehler von eben vor Augen zu führen. Harry wusste, dass er ihn damit nur noch wütender machen würde, aber wenn es tatsächlich zu einem Kampf käme, wäre es nicht von Nachteil, wenn Bletchleys Wut sein Urteilungsvermögen trüben würde. Nicht, dass Harry das nötig hätte, aber je kürzer der Kampf, umso eher könnten sie weiter machen und nicht noch mehr Zeit verschwenden.   „Schon gut.“, presste Bletchley zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. „Lass uns diesen Kinderkram nur so schnell wie möglich hinter uns bringen, damit wir endlich mit den richtigen Zaubersprüchen anfangen können.“   Harry beobachtete skeptisch, wie Bletchley wieder zu den anderen Slytherins zurück ging. Er stellte sich etwas weiter abseits hin und sah niemanden in die Augen. Das war zu leicht gewesen. Oder? Schon das zweite Mal war er jetzt vor den anderen Jungtodessern bloßgestellt und gedemütigt worden. Es war kaum zu glauben, dass dieser arrogante Slytherin so leicht aufgegeben hatte. Harry wusste nicht so recht, ob er froh sein sollte, dass er ihre Zeit nicht mit einem sinnlosen Kampf verschwenden musste, oder ob er enttäuscht war, weil er nicht Gelegenheit bekommen hatte, Bletchley ein paar Schmerzen zuzufügen.   Harry richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die anderen Slytherins, die neugierig zwischen Bletchley und ihren beiden Anführern hin und her schauten. Soweit er das beurteilen konnte, hatte Nott in der Zwischenzeit alle Wunden geheilt.   ‚Nott ist ziemlich gut mit Heilzaubern. Könnte mir vorstellen, dass er ein sehr guter Heiler werden würde. Werde das mal bei Gelegenheit mit Voldemort besprechen. Es wäre praktisch, jemanden in den Reihen zu haben, der nicht nur kämpfen, sondern auch heilen kann. Außerdem wäre ein Todesser im St.- Mungo bestimmt auch nicht verkehrt.‘ Harry nickte Nott zu und bedankte sich stumm für seine Hilfe.   „Sind alle wieder fit?“ Einstimmiges Nicken und zustimmendes Gemurmel war die Antwort. „Gut! Dann werdet ihr jetzt selbst den Expelliarmus üben. Erst an Attrappen bevor ihr gegeneinander antretet. Ich will erst sichergehen, dass jeder die richtige Betonung kann, bevor ich euch aufeinander loslasse.“, sagte er mit einem kleinen Seitenblick auf Bletchley.   Es brauchte nur ein Augenzwinkern und schon ragten zwischen den Säulen hinter Harry steinerne Zaubererstatuen hervor identisch mit der, die er vorher schon zur Demonstration genutzt hatte. Es standen immer zwei Statuen zwischen zwei Säulen. Das gab genug Platz, damit die Slytherin sich nicht gegenseitig behindern konnten. „Versucht, genau zu zielen. Wenn ihr eine der Steinschlagen trefft, könnte sie euch das übel nehmen und sich vielleicht von der Säule lösen, um euch zu beißen.“ ~Das wäre doch schade, nicht wahr?~ Vielleicht bildete er sich das nur ein, aber die Steinschlangen schienen sich schneller zu bewegen, nachdem er Parsel gesprochen hatte. Auf jeden Fall wirkten die Slytherins etwas nervös und schauten ihn unsicher an.   Harry verdrehte die Augen und seufzte schwer. „Das war doch nur Spaß. Hat hier keiner Sinn für Humor?“   „Dein Sinn für Humor lässt sehr zu Wünschen übrig, Potter.“, erwiderte Parkinson. Ihre Stimme hatte eine repulsive Wirkung auf Harry. Er konnte nicht mal genau sagen, warum das so war, aber ihm wäre es lieber, wenn dieses Weib den Mund geschlossen halten würde. Aber er wusste, dass er so viel Glück nicht haben würde.   „Tz! Slytherin, die Angst vor Schlangen haben. Das dürfte der Lacher des Jahrhunderts sein.“   „Sehr witzig!“   „Sag ich doch.“   „Es reicht jetzt!“, mischte sich Draco ein, „Fangt endlich an, zu üben. Unsere Zeit ist gleich vorbei.“ Und wie Harry es gewöhnt war, hörten die Slytherins aufs Wort. Jeder stellte sich vor eine Statur. Einige übten erst die Bewegung, andere erst den Spruch, nur wenige versuchten es gleich richtig. Wie erwartet, gelang es Nott gleich beim ersten Mal. Harry konnte es an der Farbe des Zaubers erkennen. Leider traf er den Zauberstab seines „Gegners“ nicht, sondern erwischte den steinernen Zauberer bloß an der Schulter. Aber Harry war sich sicher, dass es nicht lange dauern würde, bis er den Zauber beherrschte.   Parkinson hatte sich ebenfalls gleich richtig an dem Zauber probiert. Auch sie enttäuschte Harrys Erwartungen nicht. Der Lichtblitz war viel zu orange und er schlingerte merkwürde auf sein Ziel zu, das er noch um einen Meter verfehlte. Stattdessen schlug der Zauber in eine Säule. Zu Harrys großer Überraschung löste sich tatsächlich der Kopf einer Steinschlange von dem Felsen und hisste stumm in Parkinsons Richtung. Sie drehte sich mit schreckgeweiteten Augen zu Harry um.   Harry überspielte seine Überraschung und zuckte mit den Schultern. „Du musst eben vorsichtiger sein.“ Sie funkelte ihn wütend an und drehte sich dann wieder zu der Säule um. Die Schlange schlängelte in der Zwischenzeit wieder an der Säule entlang, als wäre nie etwas gewesen.   Alle waren in ihren Übungen vertieft und Harry entschied sich, sie erst einmal selbst probieren zu lassen, bevor er ihnen Tipps gab. Er drehte sich zu Draco um, der wieder seinen Posten neben der Karte des Rumtreibers bezogen hatte und nachdenklich zu Parkinson starrte.   Harry ging zu ihm. „Was ist los? Überlegst du gerade, ob der kleine Austausch eben eine tiefere Bedeutung hatte und darin irgendein geheimes Zeichen versteckt war, dass ich unsterblich in Parkinson verliebt bin?“ Harry lachte leise.   „Ich hoffe einfach für dich, dass sie nicht deine Auserwählte ist.“ Er seufzte schwer. „Neun.“ Draco hatte das letzte Wort so leise gesagt, dass Harry es fast überhört hätte. Verwirrt sah er ihn an.   Jetzt war es an Draco leise zu lachen. „Neun Mädchen, die in Frage kommen. Nur neun. Leichter könnte es beinahe nicht sein. Und dennoch habe ich absolut keine Idee. Ich habe zwar Millicent, Hannah und Stella von der Liste gestrichen, aber nur, weil ich nicht glaube, dass du so einen schlechten Geschmack in Aussehen und Charakter hast. Aber eigentlich weiß ich auch das nicht. Vielleicht ist dir der Charakter völlig egal und du bist nur an einem hübschen Gesicht interessiert oder du siehst doch über das Aussehen hinweg, solange die Hexe selbst wenigstens einen guten Charakter hat. Keine Ahnung. Du machst es mir wirklich nicht leicht.“   „Mmh.“ Mehr konnte Harry im Moment nicht sagen. Ein ungutes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus. Bisher hatte er das nur als Spiel gesehen. Aber er wusste nicht, wie wichtig es Voldemort wirklich war, hinter sein Geheimnis zu kommen. Das letzte, was er wollte, war, dass Draco Probleme seinetwegen bekam. „Was hat Voldemort gesagt, wird passieren, wenn du es nicht rausbekommst?“ In diesem Moment konnte er seine Sorge nicht aus seiner Stimme heraushalten.   Überrascht schaute Draco ihn an. „Er meinte, dass er nicht erwartet, dass du dich bzw. sie verrätst. Also eigentlich nichts.“   Harry nickte. Aber so einfach war es nicht. Voldemort war unberechenbar. „Du hast noch andere Aufgaben, nicht wahr?“   Draco blickte ihn misstrauisch an. „Woher willst du das wissen?“   „Du bist nicht der einzige, der seine Umgebung im Auge behält.“ Die Wahrheit war, dass ihm schon zu Beginn des Schuljahres aufgefallen war, dass Dracos Namen hin und wieder von der Karte des Rumtreibers verschwand. Er hatte eine Weile gebraucht, bis er dahinter gekommen war, dass Draco in den Raum der Wünsche ging. Aber er hatte keine Ahnung, was er dort machte. „Ich weiß nicht, was du tust, aber ich könnte versuchen, dir zu helfen. Dann hättest du wenigstens eine Aufgabe schon erledigt und müsstest dir wegen dieser keine Sorgen machen.“   Draco schnaubte verächtlich. „Du hast mir doch lang und breit erklärt, dass sich jeder um seine eigenen Aufträge zu kümmern hat. Falls du dich nicht erinnerst, das war der Tag, an dem wir uns bei Voldemort gesehen hatten. Der Tag, an dem du mich an die Wand gepinnt hast und mich für Stunden hast hängen lassen.“   Draco funkelte ihn wütend an. Harry schaute von unten durch seine zerzausten Haare und versuchte, so unschuldig wie möglich auszusehen. Die Aktion brachte den gewünschten Erfolg und Draco zog amüsiert einen Mundwinkel nach oben. „Lass den Mist.“   Aber Harry konnte sich nicht entspannen. Er machte sich Sorgen und suchte krampfhaft nach einer Lösung. Vielleicht konnte er Voldemort irgendwie überzeugen, Draco von diesem Auftrag abzuziehen.   Er ließ seinen Blick schweifen und blieb an Parkinson hängen. „Streich sie!“, sagte Harry, bevor er diesen Gedanken überhaupt in seinem Kopf formuliert hatte. „Ich kann ihre Stimme nicht ertragen. Ich will jedes Mal gleich umdrehen und gehen, wenn ich sie höre.“   Ohne ein weiteres Wort ging Harry wieder zu den Trainierenden. Aus den Augenwinkeln konnte er noch Dracos zögerliches Nicken erkennen.   Er hatte keine Ahnung, wie er Voldemort überzeugen sollte, das Thema ruhen zu lassen. Es wäre sein perfektes Druckmittel gegen Harry. Er konnte eigentlich nur hoffen, dass sich bald eine Möglichkeit ergeben würde, wie er seinem Lord seine Treue beweisen und endgültig sein Vertrauen gewinnen konnte. Das wäre wahrscheinlich die einzige Möglichkeit.   Sechs der angeblich neun in Frage kommenden Mädchen waren jetzt hier und zeigten traurige Versuche, einen einfachen Expelliarmus zustande zu bringen. Welche Verschwendung magischen Talents. Notfalls würde er eine der dummen Gören opfern. Wenn es sein müsste, würde er alle opfern. Hauptsache er war in Sicherheit.   Harry hörte ein dumpfes Kreischen und blieb abrupt stehen. Unwillkürlich sah er nach oben.   Die Abenddämmerung brach gerade an und Hogwarts wurde langsam in ein schummriges Zwielicht getaucht. Wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, wie sich aus den Schatten der Türme dunkle Gestalten lösten. Kurze Zeit später kreisten 20 Raben um die spitzen Dächer und zogen mehr und mehr die Dunkelheit um das Schloss. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)