Das sechste Jahr von CruelLamia (Wie weit würdest du gehen, um deine Liebe zu beschützen?) ================================================================================ Kapitel 16: Macht und Wille --------------------------- Harry rieb sich über seine Augen und musste ein Gähnen unterdrücken. Er saß zusammen mit Granger und Weasley im Zauberkunst-Unterricht, in dem Professor Flitwick über Gedächtniszauber referierte und dabei immer wieder betonte, wie gefährlich eine unbedachte Anwendung von erinnerungsverändernden Zaubern und erst recht von Vergessenszaubern sei. Mit einigen Vergessenszaubern konnte man bestimmte Erinnerungen des Opfers löschen, andere konnte man durch den eigenen Willen beeinflussen und von einigen Minuten bis das gesamte Gedächtnis auslöschen. Dabei schüttelte der kleine Zauberer traurig seinen Kopf und erinnerte an Gilderoy Lockhart, der seit vier Jahren im St.-Mungo-Hospital auf der Langzeitstation für irreparabel Fluchgeschädigte lag.   Weasley sah Harry bei diesen Worten an und grinste schief. Harry ignorierte ihn und schaute wieder nach vorn. Seiner Meinung nach war Lockhart viel zu gut weggekommen. Er lag in einem warmen Bett und angeblich bekam er immer noch hin und wieder Post von einigen Fans seiner Bücher, in denen er von Abenteuern berichtete, die er nie erlebt hatte. Um sie als seine eigenen ausgeben zu können, hatte er den eigentlichen Helden das Gedächtnis gelöscht. Und weil nun sein eigenes ebenfalls gelöscht war, wusste niemand mehr, wer diese Heldentaten wirklich vollbracht hatte. Lockhart hatte so vielen Hexen und Zauberern einen Teil ihres Lebens unwiderruflich weggenommen. Dafür gehörte er nach Askaban. Es gab nur leider niemanden, der ihn deswegen anklagen würde.   Nicht einmal Dumbledore kümmerte es noch. Dabei hatte er damals diesen Blender eingestellt, um ihn bloßzustellen. Natürlich alles auf Kosten der Schüler, die in diesem Jahr mal wieder nichts in Verteidigung gegen die Dunklen Künste gelernt hatten. Und dabei hatte der Alte immer vermutet, dass Voldemort nicht wirklich tot gewesen ist. Und nachdem dieser mit Quirrell versucht hatte, den Stein der Weisen zu stehlen, war es nötiger denn je, einen kompetenten Lehrer in diesem Fach zu haben. Stattdessen bekamen sie diesen selbstverliebten Pfau. Wie die Schüler damals ihre ZAG- und UTZ-Prüfungen geschafft hatten, war Harry ein absolutes Rätsel.   Harry schluckte seine Wut hinunter und versuchte, sich wieder auf den Unterricht zu konzentrieren. Mit mäßigem Erfolg. Sie sollten noch die Bewegungen und Zaubersprüche üben, durften aber die Vergessenszauber selbst nicht an ihren Mitschülern ausprobieren. Ein Verbot, das auch dank Lockhart und seiner Dummheit entstanden war. Für Harry, der bereits erfolgreich einen schwarzmagischen Gedächtniszauber angewendet hatte, war das alles mehr als langweilig. Er übte nur halbherzig und beobachtete lieber seine Mitschüler.   Sein Blick fiel als erstes auf Turpin, sein Date in zwei Tagen. Sie übte einen Vergessenszauber. Soweit er das beurteilen konnte, stellte sie sich dabei nicht blöd an. Ihre Handbewegungen – ohne Zauberstab natürlich – waren präzise und die Betonung der Worte waren perfekt. Er bezweifelte, dass sie genug Willenskraft besaß, um jemandes Gedächtnis vollständig auszulöschen, aber für ein paar Minuten sollte es reichen. Als ob sie merken würde, dass er sie beobachtete, hob sie den Kopf und lächelte ihn scheu an. Er erwiderte kurz ihr Lächeln und wendete sich dann wieder ab.   Er ließ seinen Blick weiter wandern und blieb dann bei Draco hängen, der nicht daran dachte, sich an den Übungen zu beteiligen. Der Slytherin saß etwas weiter in der Ecke als üblich, halb im Schatten verborgen, als wollte er sich verstecken. Aber Harry konnte dennoch seine düstere Miene erkennen, wusste aber nicht, warum er in so einer schlechten Stimmung war. Selbst die anderen Slytherins hatten etwas Abstand zu ihrem Prinzen genommen. Es schien beinah, als hätte er eine unsichtbare Mauer aus Eis um sich herum aufgebaut. Harry war neugierig was ihn in so schlechte Stimmung versetzt hatte. Er würde ihn später fragen, wenn sie beim Training waren.   Harry riss sich von dem Anblick los und drehte sich wieder um. Granger schaute ihn missbilligend an. Er hob fragend eine Augenbraue und sie deutete auf das Buch vor ihm, in dem die Handbewegungen und die Zaubersprüche beschrieben waren.   „Welcher soll’s sein?“, fragte er leicht genervt. Er hatte ihre Auseinandersetzung am Morgen noch nicht vergessen.   Sie zeigte mit der Spitze ihres Zauberstabs auf einen Spruch, mit dem man vergessenen frühkindliche Erinnerung heraufbeschwören konnte und blickte ihn herausfordernd an. Harry musste ein selbstgefälliges Grinsen unterdrücken. Er richtete seinen Zauberstab auf Granger, die erschrocken ihre Augen aufriss, bevor sie einen überraschten Ausdruck annahmen. Dann fing sie an, zu lächeln. Harry konnte genau den Moment erkennen, in dem die Erinnerung zu Ende war. Sie schüttelte sich kurz und schaute Harry mit großen Augen an.   „Das… das war… ein ungesagter Zauber.“, stammelte sie. „Und du hast den Zauber gleich beim ersten Mal geschafft… Ohne Worte.“   „Der Spruch ist ja nun nicht so schwer. Das schaffst du bestimmt auch.“, erwiderte er trocken.   Sie wussten beide, dass das nicht stimmte. Der Spruch war schwer und erforderte selbst mit Worten ein hohes Maß an Konzentration. Granger hatte diesen ausgewählt, um Harry vorzuführen. Aber sie unterschätzte den Auserwählten gewaltig. An irgendeinen Punkt kam man mit auswendiggelerntem Wissen nicht mehr weiter. Dann zählten allein die Macht, die man hatte, und der Wille, diese zu benutzen. Granger war im Vergleich zu den meisten Schülern eine mächtige Hexe, aber auch ihr Potential hatte Grenzen, an denen sie langsam angekommen war. Harry dagegen war jetzt schon um einiges stärker als sie und er konnte spüren, dass sein Potential noch lange nicht erschöpft war.   Er lächelte sie versöhnlich an – immerhin durfte er sie nicht völlig gegen sich aufbringen – und schaute dann wieder in sein Buch, um wenigstens so zu tun, als würde er sich die anderen Zauber auch noch anschauen. Aus den Augenwinkeln erkannte er, wie Granger ihn durch zusammenpresste Augen anstarrte. Sie hatte ihn zwar immer angespornt, mehr zu lernen, aber sie hatte nie erwartet, dass er sie überholen könnte. Sie war wütend und verunsichert. Harry war zufrieden mit sich.   Weasley, der neben ihnen saß, bekam von alldem nichts mit.   ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~   Harry war froh, als die Stunde vorbei war. Er konnte Granger und ihre ihn durchbohrenden Blicke nicht länger ertragen. Glücklicherweise war das ihre letzte gemeinsame Stunde für den Tag gewesen. Nach dem Mittagessen hätte sie noch Arithmantik und er konnte sich ganz auf sich selbst konzentrieren. Nur noch das Essen überstehen.   Sie packten ihre Sachen zusammen. Turpin ging an ihnen vorbei und lächelte Harry schüchtern an, bevor sie eilig weiter ging. Weasley rempelte ihn daraufhin spielerisch an und zog vielsagend seine Augenbrauen nach oben. Am liebsten hätte Harry ihm sein süffisantes Grinsen aus dem Gesicht geschlagen. Eine untypische Reaktion für einen Zauberer. Aber für jemanden, der unter Muggeln aufgewachsen war und jeden Sommer gezwungen war, wieder zu ihnen zurückzukehren, ganz normal. Naja. Vielleicht auch nicht. Harry konnte sich nicht vorstellen, dass Tom Riddle körperliche Gewalt einem guten Fluch vorgezogen hätte. Er stellte sich den 15jährigen Tom mit erhobenen Fäusten vor und hätte fast angefangen, laut zu lachen, als etwas anderes seine Aufmerksamkeit auf sich zog.   Wo wollte Draco hin? Normalerweise räumte der Slytherin seine Sachen ganz langsam zusammen, wenn sie gemeinsam Unterricht hatten, um hinter Harry herschleichen zu können. Aber jetzt konnte Harry spüren, wie sich Dracos Schritte schnell von ihm fortbewegten. Seine Neugierde war geweckt. Was hatte der Slytherin vor?   Harry beeilte sich und warf seine Sachen achtlos in seine Tasche. „Geht schon mal ohne mich zum Essen. Ich muss noch etwas erledigen.“ Er würde sich später eine Ausrede einfallen lassen. Ohne sich noch mal nach dem Paar umzudrehen, stürmte Harry aus dem Klassenraum.   ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~   Draco war schnell. Harry hatte Schwierigkeiten mit ihm mitzuhalten, ohne sich zu verraten. Gut, dass er seine Präsenz spüren konnte. Sonst hätte er ihn schon längst in dem Irrgarten aus Hallen und Treppen verloren. Er konnte nur mit Sicherheit sagen, dass er immer weiter nach oben ging. Sie waren jetzt in der siebenten Etage, aber wo genau, wusste Harry nicht. Er war noch niemals zuvor hier gewesen.   Es war so ruhig. Die Gänge zum Gryffindor-Turm waren mit schwatzenden Bildern versehen, denen anscheinend niemals der Gesprächsstoff ausging. Diese hier sagten gar nichts, beobachteten nur aufmerksam ihre Umgebung. Unbekannte Gesichter blickten auf ihn herab, musterten ihn misstrauisch, als ob sie wüssten, dass er nicht hierher gehörte. Beinahe verächtlich blickten arroganten Hexen und Zauberer aus ihren Rahmen auf sein Gryffindor-Emblem, das stolz auf seinem Umhang prangte. Und plötzlich war ihm klar, wo er sein musste. Ravenclaw. Irgendwo hier musste der Eingang zum Gemeinschaftsraum der Raben sein.   Was bei Morgana wollte Draco hier? Ein mulmiges Gefühl breitete sich in seinem Magen aus und er beschleunigte seine Schritte in dem Moment, als Draco seine verlangsamte. Und dann spürte er, wer bis eben noch aus seiner Reichweite gewesen war. Turpin. Das war nicht gut. Das war überhaupt nicht gut. Was hatte Draco vor? Er rannte beinahe, ignorierte dabei die Bilder, die anfingen, sich über sein Benehmen zu beschweren. Abfällige Kommentare über Gryffindors und rüpelhaftes Verhalten begleiteten seinen Weg.   Er wusste, dass er zu spät kam, als er einen Schrei hörte. Turpin taumelte aus einem Seitengang orientierungslos auf ihn zu. Sie hielt sich dabei den Kopf, als ob sie starke Schmerzen hätte. Hinter ihr kam Draco aus dem Gang und sah überrascht zu Harry. Der Slytherin blieb stocksteif stehen. Harry entschied sich, ihn erstmal zu ignorieren und sich auf das Mädchen zu konzentrieren. Turpin hatte keine offensichtlichen Verletzungen. Aber das musste nichts heißen. Es gab so viele Flüche, deren Auswirkungen nicht sichtbar waren oder erst viel später zum Tagen kamen. Er ging nicht davon aus, dass Draco so dumm war, einen schwarzen Fluch zu benutzen. Aber was hatte er mit dem Mädchen getan. Und warum? Sie verlor nun völlig ihr Gleichgewicht und Harry fing sie auf, bevor sie zu Boden fallen konnte. Ein kurzer Blick zu Draco zeigte ihm, dass dieser seine Augenbrauen missbilligend zusammengezogen hatte. Von Dracos Verhalten nur noch mehr irritiert, bekam Harry erstmal nicht mit, wie sich Turpin in seinen Armen wand und aus seinem Griff zu befreien versuchte. Erst als sie ihn anschrie, ließ er sie los.   Turpin stand vor ihm, rieb sich mit ihren Händen immer wieder über ihre Arme, wo er sie Sekunden zuvor noch festgehalten hatte, als wollte sie seine Berührung wegwischen.   Harry ging einen Schritt auf sie zu. „Lisa! Was ist los? Was hat…“   Sie hob ihren Kopf und der Blick in ihren Augen ließ ihn innehalten. Angeekelt schaute sie ihn an und wich dann einen Schritt vor ihm zurück. „Komm bloß nicht näher.“   Völlig überfordert mit der Situation schaute er zu Draco. Der Slytherin hatte eine entspannte Haltung angenommen und grinste diabolisch und zufrieden mit sich selbst. Ein Schauer ging durch Harrys Körper bei diesem Anblick, unterdrückte ihn aber sofort. „Was hast du mit ihr gemacht?“ Soweit das überhaupt möglich war, wurde Dracos Grinsen noch eine Spur breiter.   „Och, nichts weiter.“ Er kam langsam auf ihn zu. Jede Bewegung, jeder Schritt elegant und präzise, wie ein Raubtier, dass sich an seine Beute heranpirschte. Harry musste hart Schlucken, obwohl sein Mund auf einmal völlig ausgetrocknet war. Draco lehnte sich ein Stück vor und flüsterte ihm mit unschuldiger Stimme ins Ohr. „Sie hat mir nur erzählt, dass sie nun doch nicht mit dir ausgehen will.“   „Was?“ Harry konnte Dracos warmen Atem an seinem Ohr spüren und eine Gänsehaut breitete sich auf seinem ganzen Körper aus. Er konnte einen Moment lang nicht klar denken und so dauerte es, bis die Worte ihren Weg in sein Bewusstsein fanden und ihn zurück in die Wirklichkeit holten. Er riss die Augen auf und drückte Draco von sich weg. Er brauchte Abstand zu dem Slytherin, damit er wieder klar denken konnte.   Draco lachte leise, aber Harry ignorierte ihn. Er musste sich als erstes um Turpin kümmern. „Was hat er dir angetan?“   Sie schüttelte ihren Kopf und verzog daraufhin schmerzhaft ihr Gesicht. Sie presste ihre Hände gegen ihre Schläfen und ein kleiner Schmerzensschrei entwich ihrem Mund. Harry wollte wieder einen Schritt auf sie zugehen, aber sie wich ihm wieder aus.   „Er hat… Er hat mir gar nichts angetan. Komm einfach nicht näher. Hast du verstanden?“ Immer noch sah sie ihn mit Ekel in ihren Augen an.   Harry konnte nichts anderes machen, als zu nicken. Es brachte jetzt offensichtlich nichts, mit ihr darüber zu diskutieren. „Lass mich dich wenigstens auf die Krankenstation bringen. Dir geht es nicht gut.“   Wieder schüttelte sie ihren Kopf und wich noch weiter vor ihm zurück.   Draco verdrehte seine Augen und murmelte etwas, dass für Harry wie „Heldenkomplex“ klang. „Ist schon gut. Ich bringe sie in die Krankenstation.“ Draco umfasste ihren Arm und sie ließ sich ohne Proteste wegführen.   Harry blieb an der Stelle stehen und überlegte fieberhaft, was gerade eben passiert war.   ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~   Gedankenverloren ging Harry wieder hinunter zur Großen Halle. Er konnte den Weg nicht verlieren. Er musste nur Draco und Turpin folgen, bis er wieder in einer vertrauten Umgebung war. Aber auch danach blieb er auf sie fokussiert. Er war etwas überrascht, dass Draco die kleine Ravenclaw wirklich zur Krankenstation brachte. Machte er sich keine Sorgen, dass man dort rausbekommen könnte, was er mit ihr gemacht hatte? Denn, dass er etwas getan hatte, war offensichtlich, auch wenn er und Turpin es abstritten. Solche Symptome, wie das Mädchen gezeigt hatte, ergaben sich nicht aus dem Nichts heraus. Und warum sollte sie sonst Harry gegenüber so abweisend sein, wenn sie ihn nur wenige Minuten zuvor noch angelächelt hatte? Der Blick, mit dem sie ihn angesehen hatte… Angewidert, als ob Harry der ekelhafteste Zauberer der Welt wäre. Was hatte Draco nur für einen Fluch benutzt? Harry kannte keinen, der eine solche Wirkung hatte.   Sollte es ihm zu denken geben, dass er sich mehr über den Fluch Gedanken machte, den Draco verwendet hatte, als sich Sorgen, um die unschuldige junge Hexe zu machen, die diesen Fluch abbekommen hatte? Wem wollte er etwas vormachen? Über diesen Punkt war er längst hinaus. Das Mädchen interessierte ihn nicht. Er hatte selbst in der kurzen Zeit so viele schlimme Dinge getan, um den einen Zauberer zu schützen, was machte da das Leben einer kleinen Hexe schon aus? Es störte ihn eher, dass Draco seine Pläne vereitelt hatte. Vielleicht konnte er das wieder gerade biegen. Im Moment musste er abwarten. Turpin wollte ihn nicht in seiner Nähe haben. Er würde später noch einmal versuchen, mit ihr zu reden, wenn sie wieder aus der Krankenstation heraus kam. Vielleicht hatte Madam Pomfrey ja dann den Fluch schon gebrochen und er konnte mit ihr wie geplant am Samstag ausgehen. Er konnte nicht mit Sicherheit sagen, dass er Draco schon überzeugt hatte.   Harry ging in die Halle und steuerte auf den Gryffindor-Tisch zu. Erneut war sein schauspielerisches Talent gefragt. Er war den anderen ohnehin noch eine Erklärung für sein plötzliches Verschwinden schuldig. Die Wahrheit war besser als jede Lüge, die er hätte erzählen können. Zumal es sich herumsprechen würde, dass Turpin auf der Krankenstation war.   „Harry! Was ist denn mit dir los?“ Ausgerechnet die kleine Weasley hatte ihn als erstes entdeckt und machte sofort alle auf ihn aufmerksam und dass etwas nicht mit ihm stimmte. Er musste sehr mitleiderregend aussehen. Selbst Granger schaute ihn besorgt an, als er sich langsam auf seinen Platz setzte. Sofort waren alle Augen auf ihn gerichtet und jeder am Tisch wartete gespannt, dass ihr inoffizielles Oberhaupt das Wort ergriff.   „Es ist wegen Lisa.“, sagte Harry leise. Weasley neben ihm verzog das Gesicht. Es hätte ihn auch gewundert, wenn sie noch nicht erfahren hätte, dass er die Ravenclaw um ein Date gebeten hatte. „Ich weiß nicht, was auf einmal mit ihr los ist. Sie will plötzlich nicht mehr mit mir ausgehen.“ Das hatte zumindest Draco gesagt. Und es war Dracos Fluch. Warum sollte er daran zweifeln?   „Aber wieso denn das?“, fragte Finnigan überrascht. „Sie hat sich doch so über deine Einladung gefreut.“   „Ja, sie hat sogar Cho runtergemacht.“, bestätigte Thomas.   „Ich weiß es nicht. Sie hat nur gesagt, dass sie nicht mehr mit mir ausgehen will und dass ich mich von ihr fernhalten soll.“ Eine Weile war es völlig still an ihrem Tisch.   „Sei nicht traurig, Harry.“ Sein unerwünschtes rothaariges Anhängsel rutschte zu ihm und legte ihren Kopf auf seine Schulter, versuchte so von unten in seine Augen zu schauen. Sollte das sexy oder unschuldig wirken? Was auch immer ihre Absicht war, es ging daneben. Sie sah einfach nur lächerlich aus. „Wenn sie eben nicht will. Ich würde gerne mit dir gehen, wenn…“   „Vielleicht hat ja Cho was damit zu tun. Ich meine, …“ Beinahe dankbar schaute Harry zu Granger, weil sie die Nervensäge unterbrochen hatte. Granger sah wirklich so aus, als würde er ihr leidtun und nach einer Lösung suchen, „… vielleicht haben sie noch einmal miteinander gesprochen und Cho konnte Lisa doch überzeugen, dass sie nicht mit dir ausgeht.“ Sie sah wirklich mitfühlend und besorgt aus. Anscheinend hatte sie ihre Auseinandersetzung in dem Moment vergessen, in dem sie das Gefühl hatte, dass Harry ihre Hilfe brauchte.   Harry schüttelte den Kopf. „Nein. Was auch immer ihre Meinung geändert hat, hat nichts mit Cho zu tun. Nach der letzten Stunde hatte sie mich noch angelächelt. Dann habe ich gesehen, wie Malfoy ihr hinterher geschaut hat und dann schnell den Klassenraum verlassen hat.“ Kein Grund, zu lügen. „Deswegen bin ich vorhin so schnell weg. Ich hatte ein ungutes Gefühl und wollte wissen, was los ist.“ Er schaute auf seine Hände und knete sie unruhig, zeigte, wie unwohl er sich fühlte. Erleichtert stellte er fest, dass es Weasley dadurch zu unbequem auf seiner Schulter wurde und sie ihren Kopf wieder wegnahm. „Ich habe Malfoy aus den Augen verloren, aber kurze Zeit danach habe ich gesehen, wie sie zusammen aus einem Seitengang hinausgekommen sind.“ Nah genug an der Wahrheit.   „MALFOY!“, knurrte Weasley. „Da hast du doch deine Antwort. Dieser hinterhältige Slytherin hat sie bestimmt bedroht, damit sie nicht mit dir ausgeht, nur um dir eins reinzuwürgen.“   Thomas und Finnigan sahen sich mit einem merkwürdigen Ausdruck im Gesicht an, der deutlich zeigte, dass sie anderer Meinung waren, was sich da in dem Gang abgespielt haben könnte. ‚Klar, als ob die kleine schüchterne Ravenclaw in einem Gang mit einem Slytherin rumknutschen würde, nachdem sie sich mit einem anderen Zauberer verabredet hatte.‘ Wenn die Geschichte nicht noch weiter gehen würde, hätte Harry diesen Gedanken weiter geschürt. Es wäre bestimmt lustig gewesen, Draco zu beobachten, wenn er mit diesen Vorwürfen von den Gryffindors konfrontiert worden wäre.   Stattdessen schüttelte Harry wieder seinen Kopf. „Es sah nicht danach aus. Sie hat nicht gewirkt, wie jemand, der bedroht worden wäre oder so. Im Gegenteil. Malfoy war überraschend nett zu ihr gewesen. Hat sie sogar zur Krankenstation gebracht.“   Der ganze Tisch schaute überrascht zu Harry. Er konnte ihre verwunderten Blicke auf sich spüren und musste sich ein Lachen verkneifen.   „Wieso musste sie zur Krankenstation?“, fragte Granger vorsichtig.   „Sie sah aus, als ob sie Kopfschmerzen hätte und hat ein bisschen geschwankt!“   „HARRY!“ Seinen überraschten Gesichtsausdruck musste er nicht einmal spielen. Grangers Ausbrauch hatte ihn wirklich erschreckt. „Bist du nicht auf die Idee gekommen, dass Malfoy sie verflucht haben könnte?“, sprach sie nun wieder etwas leiser.   „Oh, glaubst du… Glaubst du wirklich?“   „Mensch, Harry! Wir reden hier von Malfoy! Natürlich ist das möglich. Das ist sogar sehr wahrscheinlich!“, pflichtete Weasley seiner Freundin bei.   Granger schaute sich in der Zwischenzeit um. „Sie sind beide nicht da. Vielleicht solltest du mal zur Krankenstation gehen und nach dem Rechten sehen. Nur zur Sicherheit.“   „Ja. Ja, vielleicht hast du recht.“ Zustimmendes Gemurmel kam von den anderen. „Ich geh dann mal. Wir sehen uns später.“ Er schaute noch mal alle an, bevor er sich erhob. Seine Blicke wurden teils mitfühlend, teils besorgt erwidert. Nur Weasley neben ihm schaute provokant weg. Als ob ihn das interessieren würde.   „Viel Glück, Harry.“   Harry verließ die Große Halle und ging zur Krankenstation. Draco und Turpin waren immer noch dort. Außer Madam Pomfrey war niemand bei ihnen. Sein Magen knurrte unangenehm. Er hätte sich irgendetwas vom Tisch mitnehmen sollen. Egal! Er würde später Dobby beauftragen, ihm etwas zu Essen in den Raum der Wünsche zu bringen.   Ein paar Meter vor dem Eingang blieb er stehen. Die Tür war zu. Wenn er hineingehen würde, würde er bestimmt sofort wieder weggeschickt werden und würde nichts erfahren. Er sollte sie vorher sicherheitshalber erst einmal belauschen. Die Räume waren schalldicht. Nichts, was einen treuen Anhänger von Weasley Zauberhafte Zauberscherze aufhalten würde. Harry grinste und einen Accio und zwei Minuten später, hielt er ein Langziehohr in seiner Hand.   Er vergewisserte sich, dass niemand in der Nähe war und steckte dann das eine Ende der Schnur in sein Ohr, während er das andere mit der ohrförmigen Öffnung auf den Boden legte. Die Schnur wurde immer länger und es dauerte nicht lange, bis sich das verzauberte Ohr unter der Tür durchgequetscht hatte.   „… wird nicht ewig anhalten. Aber ich kann nichts machen, um den Fluch vorher zu brechen.“ Harry konnte Madam Pomfreys Stimme erkennen. Die Zwillinge hatten nicht zu viel versprochen. Es klang wirklich so, als stünde er mit im Raum.   „Ich bin nur froh, dass die Kopfschmerzen endlich weg sind. Es ist nicht das erste Mal, dass ich einen Fluch abbekommen habe, aber solche Schmerzen hatte ich noch nie.“   „Das kann leider passieren, wenn man zwei solcher Flüche hintereinander abbekommt.“   ‚Zwei Flüche?‘   „Wer tut nur sowas?“, fragte das Mädchen mit Verzweiflung in der Stimme   ‚Derjenige steht mit im Raum.‘   „Offensichtlich jemand, der nicht will, dass du mit Potter ausgehst und zu feige ist, es dir ins Gesicht zu sagen.“   ‚Und derjenige wärst dann du selbst, mein lieber Draco.‘   „Aber dem armen Mädchen auch noch das Gedächtnis zu löschen… Dabei hätte so viel schief gehen können.“ Das war also der zweite Fluch. Aber was war der erste?   „Nur gut, dass sie da waren, Mr. Malfoy. Wer weiß, was sonst noch passiert wäre.“   ‚Pft!‘   „Ich kenne diesen Zauber nicht. Aber es ist klar, dass sie sich die nächste Zeit Mr. Potter nicht nähern sollten. Sonst setzt die Wirkung ein und sie fühlen sich von ihm abgestoßen.“   „Im Moment habe ich daran eh kein Interesse. Ich muss nur an ihn denken und es schüttelt mich überall.“   ‚Wie nett!‘ Harry wusste, dass sie nichts dafür konnte, aber er fühlte sich dennoch ein wenig beleidigt.   „Und was meinen Sie, wie lange wird die Wirkung andauern?“   ‚Was? Weißt du etwas nicht, wie lange dein eigener Fluch anhält?‘, dachte Harry spöttisch, obwohl er wusste, dass das mit zu Dracos Show gehörte.   „Das kann ich nicht genau einschätzen. Wie gesagt, ich kenne diesen Zauber nicht. Meine Diagnosezauber haben nur ergeben, dass er langsam nachlässt. Aber wie lange es dauert, bis er völlig verschwunden ist…? Ich würde schätzen, mehrere Wochen. Ich werde mich aber belesen und versuchen, dass wir ihn schneller brechen können.“   ‚Mehrere Wochen? Wirklich?‘ Harry stöhnte innerlich auf. Da konnte er sein Date mit Turpin wirklich vergessen. Er würde sicher nicht mehrere Wochen auf gut Glück warten, ob oder ob nicht der Fluch dann gebrochen war. Sie war nicht das einzige Mädchen in Hogwarts. Vielleicht war es ja auch schon genug gewesen und Draco war überzeugt, dass er auf Frauen stand. Aber wenn nicht? Er sollte lieber auf Nummer sicher gehen und sich ein neues Date suchen. Nicht für dieses Wochenende. Da würde kein Mädchen ja sagen, so kurz nachdem er ein anderes gefragt hatte. Und das hatte jeder mitbekommen. Der Nachteil, wenn man sowas in der Großen Halle machte. Zur Essenszeit. Er musste also ein bisschen Zeit verstreichen lassen und vielleicht sollte er die Nächste in einem etwas privateren Rahmen fragen. Draco hatte ihn sowieso immer im Blick und würde es mitbekommen. Er musste ja nicht ganz Hogwarts mit seinem Liebesleben unterhalten. Harry hoffte nur, dass er Draco erstmal von einem ersten Verdacht abgelenkt hatte, damit er jetzt ein bisschen Zeit hatte, um ein neues Date zu finden. Zuallererst musste er mit Turpin einen sauberen Abschluss finden. Sonst würde sein Ruf ganz gewaltig leiden.   Harry zog an der Schnur des Langziehohrs und es kam augenblicklich zurück, wurde immer kleiner. Er verstaute es schnell in seiner Tasche und klopfte dann zaghaft an der Tür, bevor er sich vorsichtig öffnete und hineinlugte.   „Ähm, Entschuldigung. Ich wollte…“   „Igh!“, kam es von dem Krankenbett, vor dem die Madam Pomfrey stand. Turpin saß darauf und schaute um die Heilerin herum. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht schien noch angeekelter zu sein als vorher, sofern das überhaupt möglich war.   „Na, na! Was ist das denn für ein Benehmen! Fluch hin oder her. Sie sind eine junge Dame und sollten sich entsprechend verhalten. Mr. Potter kann nichts dafür und ist extra herkommen, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Nicht wahr, Mr. Potter?“   Harry nickte zögerlich und warf einen traurigen Blick zu Turpin. Draco verzog verächtlich das Gesicht. Harry ignorierte ihn. Die Show war für die beiden Hexen.   „Wie geht es dir?“   „Besser, wenn du nicht in meiner Nähe bist.“ Sie drehte sich provokant von ihm weg. Gehörte das auch mit zu dem Fluch?   Er schaute sie kurz verletzt an, entschied, dass er von ihr keine Antworten bekommen würde und wendete sich direkt an die Heilerin. Draco und dessen selbstzufriedenes Grinsen ignorierte er.   „Sagen sie mir, was los ist?“ Er bemühte sich, seine Stimme besonders mitleiderregend klingen zu lassen.   „Das darf ich leider nicht ohne das Einverständnis von Ms. Turpin.“   „Malfoy weiß doch auch Bescheid.“, rief er aufgeregt. Merlin! Seine schauspielerische Leistung wäre eigentlich einen Artikel in der Hexenwoche wert.   „Mr. Malfoy hat Ms. Turpin hierher begleitet und war auf ihren Wunsch hin bei der Untersuchung dabei.“   Harry biss verärgert die Zähne zusammen. „Ich hätte sie ja hergebracht, aber sie lässt mich plötzlich nicht mehr in ihre Nähe.“   „Bei Merlin! Sagen Sie ihm doch einfach, was passiert ist, vielleicht geht er dann endlich und ich muss ihn nicht länger ertragen.“ Sie war so bissig. Das passte überhaupt nicht zu dem Bild, das er von ihr hatte.   „Also schön. Mr. Potter, wie es scheint, hat Ms. Turpin einen Fluch abbekommen, der dazu führt, dass sie sich von Ihnen, und zwar nur von Ihnen, abgestoßen, um nicht zu sagen angeekelt fühlt.“   „Oh!“ Was sollte man sonst auf so eine Aussage hin sagen?   „Die Wirkung wird zwar mit der Zeit nachlassen, aber ich kann noch nicht sagen, wie lange es dauert. Bisher habe ich keinen Gegenfluch.“   „Wer hat das getan?“ Natürlich wusste er die Antwort. Aber er würde sich keinen Gefallen tun, wenn er Draco beschuldigte.   „Das wissen wir nicht. Ms. Turpin hat ihren Angreifer leider nicht erkannt. Und auch Mr. Malfoy konnte niemanden sehen, als er sie gefunden hatte. Da hat jemand saubere Arbeit geleistet.“   Was anderes hatte er auch nicht von Draco erwartet. Aber sie wollte ihm nicht sagen, dass ihr Gedächtnis gelöscht worden war. Warum verheimlichte sie das?   „War es das dann endlich? Ich würde gerne meine Ruhe haben. Und ich kann mich nicht entspannen, solange er im Raum ist.“   „Ich gehe ja schon.“ Er schaute noch einmal traurig zu Turpin. „Unser Date am Samstag wird dann wohl nichts werden. Wir können es ja nachholen, wenn die Wirkung des Fluchs nachgelassen hat.“ Bis dahin würde er schon eine Möglichkeit finden, wie er sich einem anderen Mädchen zuwenden konnte, ohne dass sein Ruf Schaden nahm. Wahrscheinlich würde es sich eh von selbst klären. Wenn sie sich ihm gegenüber so auch vor den anderen Schülern benahm, konnte ihm keiner verübeln, wenn er sich jemand anderen suchte, Fluch hin oder her.   „Nein.“ Sie schaute ihn an und das erste Mal, seit sie von Dracos Fluch getroffen worden war, konnte er keinen Ekel in ihren Blick erkennen, sondern ehrliches Bedauern. „Ich denke nicht, dass wir das Date nachholen sollten. Wer auch immer den Fluch auf mich gehetzt hat, will nicht, dass wir miteinander ausgehen. Und bitte, nimm es mir nicht übel, aber ich möchte nicht immer darauf achten müssen, ob mich jemand verfluchen will oder nicht.“   Harry nickte verstehend und lächelte sie traurig an, um ihr zu zeigen, dass er nicht böse war. Aber sein Lächeln schien schon wieder eine Welle des Fluchs auszulösen und ihr Gesicht verzog sich wieder angewidert. Seufzend wendete er sich ab. Wenigstens brauchte er sich darüber jetzt keine Gedanken mehr zu machen.   Harry schaute noch kurz Draco, warf ihm einen Blick zu, der deutlich sagte, dass das Thema noch nicht beendet war und verließ dann die Krankenstation. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)