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Das sechste Jahr

Wie weit würdest du gehen, um deine Liebe zu beschützen?
von

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Alte Rechnungnen

Verdammt! Was hatte er nur getan? Was hatte er sich dabei nur gedacht? Gar nichts natürlich. Egal, wie vorsichtig er war, wenn es zu Draco kam, schaltete sein Verstand einfach ab. Wieso ließ ihn dieser Slytherin nur so die Kontrolle über sich verlieren?

Harry hatte, seit er sich seine Gefühle eingestanden hatte, so penibel darauf geachtet, sich nichts anmerken zu lassen. Niemand könnte behaupten, irgendetwas über Harry Potters Liebesleben zu wissen.

Noch vor einem Jahr war das anders gewesen. Jeder hatte damals mitbekommen, dass er ein nicht kleines Interesse an Cho Chang gehabt hatte. Jeder war der Meinung gewesen, ihm Ratschläge geben zu müssen und sonst einen Kommentar dazu beisteuern zu müssen.

Zugegeben, er war das erste Mal in ein Mädchen verliebt gewesen, und er hatte wirklich Hilfe benötigt, aber im Nachhinein hatte sich diese Hilfe mehr als hinderlich als hilfreich erwiesen.

Das war ihm eine Lehre gewesen. Er hatte ohnehin schon viel zu viel Aufmerksamkeit. Da musste er nicht noch mehr auf sich lenken. Und die Beziehungen oder Affären des Auserwählten waren Titelbildmaterial. Solche Journalisten wie Rita Kimmkorn würden alles ans Licht zerren und die Tatsachen verdrehen, bis das Verhältnis selbst daran zerbrochen wäre. Seine Partner wären nur lebende Zielscheiben für Voldemort. Also hatte er sich einfach von allem romantischen ferngehalten. Da er eh nicht bekommen konnte, wen er wollte, war es ihm auch nicht schwer gefallen.

 

Nicht, dass Harry seither völlig allein gewesen wäre. Er hatte seinen Spaß gehabt.

Sex war ein gutes Mittel, um Stress abzubauen und abzuschalten. Es gab auch Möglichkeiten außerhalb von Hogwarts. Und wenn er seine Narbe verdeckte, konnte ihn niemand erkennen. Es waren definitiv genug Bilder vom ihm im Umlauf. Aber war seine Stirn verdeckt und die Narbe nicht sichtbar, sah man einfach durch ihn hindurch. Es gab keinen Jungen namens Harry Potter. Es gab nur die Fluchnarbe. Das war alles, was die Zaubererwelt an ihm interessierte.

 

Chang war nicht anders gewesen. Eigentlich konnte Harry froh sein, dass damals so viel schiefgelaufen war und sie nicht zu einander gekommen waren. Sie hatte ihn auch nur wegen seines Ruhms gewollt. Ihre eigene persönliche Trophäe zum Rumzeigen und Angeben. Aber nur solange er machte, was sie wollte. Und als sie gemerkt hatte, dass er nicht bereit war, ihren Knuddelmuff zu spielen, hatte sie sich einen anderen gesucht.

Harry seufzte einmal tief. Es war jetzt so lange her und seitdem war so viel passiert, aber die Verbitterung darüber steckte immer noch tief in ihm.

 

In der Großen Halle war es fast leer. Es war schon spät und die meisten Schüler waren in ihre Gemeinschaftsräume zurückgekehrt, machten noch die Hausaufgaben für den nächsten Tag oder lümmelten vor den Kaminen und redeten fröhlich mit ihren Freunden über irgendwelche Nichtigkeiten.

Nur ein paar vereinzelte Ravenclaws saßen noch an ihrem Haustisch. Es war interessant, welche Unterschiede es in ihren Lerngewohnheiten gab.

Einige zogen es vor, ihr Essen herunter zu schlingen, damit sie schnell wieder in ihren Gemeinschaftsraum oder in die Bibliothek zum Lernen konnten, andere nahmen ihre Bücher gleich mit an den Tisch und waren darin so vertieft, dass sie Stunden zum Essen brauchten. Granger hätte in diesem Punkt hervorragend zu der letzteren Gruppe gepasst. Aber da sie nun mal in Gryffindor und nicht in Ravenclaw gelandet war, hatte sie viele Freunde, die genau darauf aufpassten, dass sie nicht in dieses Muster fiel.

Harry dagegen zählte sich eher zu den Schlingern. Er zog die Ruhe der Bibliothek dem Krach der Großen Halle allemal vor. Nicht, dass er in diesem Punkt eine Wahl gehabt hätte. Er wurde von seinen Hauskameraden genauso gebremst wie Granger.

 

Aber heute war er froh, dass es auch die andere Gruppe gab, denn es war diesen Ravenclaw-Nachzüglern zu verdanken, dass er jetzt immer noch Essen auf den Tischen fand. Nicht, dass er Hunger gehabt hätte. Seine Dummheit hatte ihm gründlich den Appetit verdorben. Aber er musste etwas Essen. Es war ein anstrengender Tag gewesen und er brauchte Nahrung. Er würde heute früh zu Bett gehen und seinem Körper ein wenig von der Erholung geben, die er so dringend brauchte.

 

Er ignorierte die Ravenclaws, die neugierig aufsahen, als er an ihrem Tisch vorbei ging. Chang saß natürlich bei ihnen. Harry konnte ihren Blick auf sich spüren. Es war nervig. Als würde er nicht schon genug beobachtet werden. Wenigsten hatte er Draco für heute Abend verscheucht. Vielleicht würde es ja bei ihr auf die gleiche Art funktionieren?

Harry schüttelte es bei dem Gedanken, sich vor ihr auszuziehen und sich vor ihr zu befriedigen. Der Gedanke war abstoßend.

Er setzte sich mit dem Rücken zu ihr. Er hatte keine Lust, die ganze Zeit zu versuchen, den Blickkontakt mit ihr zu meiden. Lieber nahm er die Löcher in seinem Rücken in Kauf.

 

Nichts war seit Chang in irgendeine Art an die Öffentlichkeit gedrungen. Nicht mal seine ehemaligen Freunde hatten etwas über sein Sexualleben gewusst. Sie wussten nicht mal sein bevorzugtes Geschlecht. Selbst das hatte er völlig geheim gehalten. Und kaum war Draco mit ihm allein in der Dusche, hatte er nichts Besseres zu tun, als genau dieses Geheimnis zu lüften. Was wäre, wenn Draco die richtigen Schlüsse ziehen würde? Wenn er begriff, dass er gar nicht nach einem Mädchen, sondern nach einen Jungen suchen musste? Würde er es dem Dunklen Lord mitteilen? Hatte er es vielleicht schon? Das wäre mit Sicherheit sein Todesurteil. Voldemort vertraute ihm so schon nicht. Wenn er den Verdacht hätte, dass Harry ihn belogen hatte, dann würde er ihr nächstes Aufeinandertreffen bestimmt nicht überleben.

 

Er musste sich jetzt etwas einfallen lassen, um den angerichteten Schaden zu begrenzen. Vielleicht kam Draco ja nicht zu dem Schluss, dass es sich um Harrys Liebe um einen Mann handelte. Vielleicht dachte er nur, dass Harry etwas perverse Neigungen beim Sex mit Frauen hatte und sich gern fingerte? Das klang sogar für ihn abwegig. Und kein appetitanregender Gedanke. Er achtete nicht darauf, was er sich zum Essen nahm, füllte einfach seinen Teller mit dem, was ihm am nächsten stand.

 

Das Essen schmeckte wie Pappe. Nach nur ein paar Bissen fühlte er sich voll und schob seinen Teller weg. Besser als gar nichts. Vielleicht würde er sich später noch etwas von Dobby bringen lassen.

Er wollte gerade aufstehen, als er bemerkte, dass Chang sich von ihrem Platz erhob. Harry überlegte, ob er es ignorieren und einfach mit ihr zusammen gehen sollte, blieb dann aber doch sitzen. Auf den peinlichen schweigsamen Aufstieg zu den Türmen konnte er verzichten.

Aber Chang ging nicht zum Ausgang. Stattdessen ging sie genau auf ihn zu.

Am liebsten wäre er jetzt aufgestanden und in die andere Richtung verschwunden. Aber es gab keinen offensichtlichen Grund für ihn, diesen Weg einzuschlagen und er wollte kein unnötiges Misstrauen erwecken. Also wartete Harry geduldig ab, bis sie neben ihm stand und mit einem vorsichtigen Lächeln auf ihn herabblickte.

 

„Hi, Harry. Darf ich… Darf ich mich setzen?“ Harry starrte sie mit gespielter Überraschung einen Moment lang an, bis sein Miene ausdruckslos wurde und er auf dem Platz ihm gegenüber deutete.

Sie hatten seit ihrem letzten Streit am Ende des letzten Schuljahres kein Wort mehr miteinander gesprochen. Und er war nicht traurig darüber gewesen. Als sie aus dem Weg war, hatte er endlich Zeit gehabt, sich mit seinen anderen Gefühlen auseinanderzusetzen, die er bis dahin einfach nicht wahrnehmen wollte.

 

Chang saß leicht zusammengekauert auf der Bank, schaute unsicher zu ihm herüber. Sie öffnete ihren Mund, um ihn gleich darauf wieder zu schließen. Ihre Nervosität war nervenaufreibend und Harry hatte eigentlich keine Geduld, zu warten bis sie endlich ihre Sprache wiedergefunden hatte. Andererseits wollte er ihr auch nicht helfen. Er hätte einfach gehen können, aber sein Ruf als Goldjunge musste in Takt bleiben. Und die restlichen Ravenclaws beobachteten sie jetzt genau. Man konnte nicht von ihm erwarten, dass er sich ihr gegenüber über die Maßen freundlich oder zuvorkommend verhielt, nachdem was zwischen ihnen vorgefallen war, aber er müsste sich zumindest anhören, was sie zu sagen hatte.

Wenn nur endlich Wörter aus ihrem Mund kämen.

 

Nach drei weiteren Anläufen schaffte sie es dann endlich, ihrer Stummfischmimik ein paar Töne beizufügen.

„Weißt du… ich hatte überlegt… wir sind letztes Jahr nicht gerade im Guten auseinandergegangen. Und wir hatten nicht mal die Gelegenheit, uns auszusprechen und…“ Ihre Stimme zitterte leicht. Sie gab ihm ein entschuldigendes kleines Lächeln, welches ihn vor einem Jahr noch hätte schwach werden lassen. Aber die Zeiten waren vorbei.

 

„Und… was?“, fragte Harry kalt. Er hatte eine wage Ahnung, worauf dieses Gespräch hinauslaufen sollte.

 

„Ich dachte, … es ist jetzt so viel Zeit vergangen. Vielleicht… Vielleicht könnten wir noch einmal über alles reden und vielleicht… noch mal… noch mal von vorne anfangen?“

 

Harrys Blick blieb unverändert. Er hatte schon mit so etwas gerechnet. Seit ihrer unschönen Trennung hatte sie sich von einer Beziehung in die nächste gestürzt. Keine hatte länger als zwei Monate gehalten. Und immer wieder hatte er ihre Blicke auf sich gespürt. Sogar immer häufiger, je öfter sein Name im Tagespropheten erwähnt wurde. Seit dem Vorfall im Ministerium wusste jeder, dass Voldemort wieder auferstanden war und Harry war vom Jungen-der-nur-Aufmerksamkeit-will zum Auserwählten aufgestiegen. Und das lockte natürlich solche Nogschwänze wie Cho Chang an. Aber wenn er diese Farce schon überstehen musste, konnte er auch ein bisschen Spaß dabei haben. Und was wäre lustiger, als dieses eingebildete Miststück von ihrem schnellen Besen zu stoßen?

„Was meinst du mit ‚noch mal von vorne anfangen‘?“ Sie noch weiter in Verlegenheit zu bringen, schien ein guter erster Schritt. Und dazu musste er nichts weiter tun, als sich dumm zu stellen.

 

„Na, du weißt schon… Wir beide…“ Sie atmete einmal tief durch. Natürlich war sie es nicht gewohnt, für die Zuneigung anderer arbeiten zu müssen. Verehrer hatte sie genug und war bisher immer nur umworben worden. Wenn sie etwas wollte, genügte ein kleines Lächeln und sie bekam alles, was sie sich wünschte und noch viel mehr. Aber Harry würde sie arbeiten lassen. Und dann würde er sie eiskalt abblitzen lassen.

„Ich würde gerne noch mal mit dir ausgehen.“

 

Harry neigte den Kopf leicht zur Seite und runzelte die Stirn.

„Ich… Ich weiß nicht.“

 

„Ich verstehe, wenn du… wenn du immer noch wütend auf mich bist. Ich war damals sehr unfair zu dir gewesen. Wegen Hermine… und so. Ich weiß ja, dass ihr seit der ersten Klasse sehr gut befreundet seid.“

Hatte sie wirklich so lange gebraucht, um zu begreifen, dass zwischen ihm und Granger nichts lief?

„Wir könnten ja zu Anfang mit Hermine und Ron zusammen ausgehen, wenn dir das lieber ist. So eine Art Doppeldate. Dann wären wir auch nicht so unter Druck?“

 

‚Aaahh! Granger ist ja jetzt mit Weasley zusammen. Kein Grund mehr, eifersüchtig zu sein.‘ Er war sowieso überrascht gewesen, dass jemand, der so von sich und seinem Aussehen überzeugt war, Granger als Konkurrenz betrachten könnte.

 

Harry schaute sie an, als würde er über das, was Chang gesagt hatte, intensiv nachdenken.

„Mmmhh. Und ich müsste nicht mit irgendwelchen ungerechtfertigten Eifersuchtsanfällen rechnen? Ich rede nicht nur von Hermine. Sondern auch, zum Beispiel Rons jüngerer Schwester. Ginny ist auch wie eine kleine Schwester für mich. Und wir verbringen viel Zeit miteinander.“ Es machte wirklich Spaß, zu beobachte, wie ihr zuversichtliches Lächeln mit jedem Wort weiter in sich zusammen fiel. Weasleys kleine Schwester war ein ganz anderes Kaliber als Granger. Man musste keine schlaue Ravenclaw sein, um zu sehen, dass diese Göre Harry nicht als Bruder sah. Wäre Chang wirklich bereit permanent mit Weasley um seine Aufmerksamkeit zu konkurrieren und sich dabei zurückzuhalten und sie nicht zu verfluchen, nur um sich seine Freundin nennen zu können? Könnte sie ihre Eifersucht im Zaum halten, auch wenn sie wusste, dass er am Abend mit Weasley zurück in den Gryffindor-Turm gehen würde, während sie allein in dem anderen Turm saß?

Gespannt wartete Harry auf eine Antwort.

 

„Ich… Sie…“ Sie schluckte hart und Harry konnte sehen, wie ihre Entschlossenheit ins Wanken geriet. „Sie ist wie eine kleine Schwester für dich?“

 

„Ja, aber sicher. Sie war ja auch immer dabei, wenn ich in den Ferien mit Hermine bei Ron zu Besuch war.“ Noch ein weiterer Schlag. Oh, wie sehr er das gerade genoss.

 

„Ich denke… Ich denke, ich würde damit klar kommen. Wenn sie für dich wie eine Schwester ist…“

Sie gab Harry ein hoffnungsvolles Lächeln.

„Ich habe nicht vor, den gleichen Fehler noch einmal zu machen. Du hattest nie irgendein Interesse an Hermine gezeigt. Ich war bloß verunsichert und eifersüchtig. Deswegen habe ich damals so überreagiert. Aber ich habe sehr lange darüber nachgedacht und mir ist dann irgendwann klar geworden, dass es niemals einen Grund dafür gegeben hatte. Sie war deine Freundin und nicht mehr. Und bei Ginevra ist es das gleiche. Ich weiß, dass du kein solches Interesse an ihr hast. Deswegen, ja! Ich verspreche dir, dass es keine solchen Eifersuchtsanfälle geben wird.“

 

Harry schaute sie nachdenklich an. Chang war definitiv kein Mensch, der gerne teilte. Es würde ihr schwer fallen, Harry mit seinen Freunden zu teilen, besonders mit den weiblichen. Aber sie war anscheinend so entschlossen, den Auserwählten als ihren Freund zu bezeichnen, dass sie das in Kauf nahm.

Harry war enttäuscht. Er hatte gehofft, dass Weasleys Namen allein reichen würde, damit sie einknickte. Aber da hatte er ihre Entschlossenheit wohl unterschätzt.

Aber wenn seine Freunde sie nicht aus der Reserve locken konnte, vielleicht taten es ja ihre.

 

Harry nickte ihr kurz zu, als Zeichen, dass er sie verstanden hatte und ihre Aussage so akzeptierte. Als Antwort bekam er ein strahlendes Lächeln. Zeit, den anderen Punkt anzusprechen, den ihre Beziehung damals hatte scheitern lassen, bevor sie überhaupt begonnen hatte.

 

„Du warst damals sehr wütend auf Hermine gewesen wegen deiner Freundin und dem Fluch, den Hermine auf das Pergament gehext hatte. Hat sich das geändert?“ Es spielte eigentlich keine Rolle, trotzdem wartete er gespannt auf ihre Antwort. Wie weit würde sie sich verbiegen, um zu bekommen, was sie wollte?

 

Changs Miene nahm kurz einen harten Zug an. Es war nur für einen Bruchteil einer Sekunde, sagte Harry aber alles, was er wissen musste.

„Ich bin immer noch der Meinung, dass es sehr unfair von Hermine gewesen ist, uns nicht zu sagen, dass sie das Pergament verflucht hatte. Wir hatten alle ein Recht darauf zu erfahren, worauf wir uns einlassen.“

 

„Ihr habt alle gewusst, worauf ihr euch einlasst. Wir haben die DA gegründet, damit ihr alle die Möglichkeit habt zu lernen, wie ihr euch schützen könnt. Und wir alle haben gewusst, dass wir große Schwierigkeiten bekommen, wenn man uns entdeckt. Jeder, der dieses Pergament unterschrieben hatte, hat sich einem großen Risiko ausgesetzt.“

 

„Trotzdem hätte ich gerne gewusst, was ich da unterschreibe. Und Marietta hätte nie…“

 

„Hätte uns nie verraten, wenn sie gewusst hätte, dass wir wissen würden, dass sie es gewesen ist? Wenn sie uns nicht verraten hätte, müsste sie jetzt auch nicht mit den Konsequenzen leben. Ich finde es nur fair. Sie hat uns alle verraten und jeder einzelne hatte ein Recht, zu erfahren, dass sie es gewesen ist.

Ganz ehrlich, Cho. Ich verstehe nicht, wie du sie so in Schutz nehmen kannst. Klar sie ist deine Freundin, aber sie hat dich genauso verraten.“

 

Chang presste ihre Lippen hart aufeinander, bis nichts weiter als eine dünne Linie übrig blieb. Harry schaute sie scharf an.

„Du hast es gewusst. Nicht wahr? Du hast gewusst, dass sie vorgehabt hatte, uns zu verpetzen. Und du hast sie nicht aufgehalten. Uns nicht einmal gewarnt.“

 

„Nein! Das ist nicht wahr.“, rief sie etwas lauter. Sie sah nun sehr aufgeregt aus. „Ich habe es nicht gewusst. Sie… Sie… Marietta war die Tage davor schon so angespannt. Und es wurde jeden Tag schlimmer. Ich hatte gewusst, dass sie … dass sie unter Druck von Seiten ihrer Familie stand.“

Harry unterdrückte das Bedürfnis die Augen zu verdrehen. Hoffte sie, mit ihrer Stotterei Mitleid zu bekommen?

„Ihre Mutter arbeitet doch im Ministerium und…“ Ihre Stimme versagte.

 

„Das mag alles sein, ändert aber nichts daran, was passiert ist. Wenn sie solche Schwierigkeiten damit gehabt hatte, hätte sie gar nicht erst an den Treffen teilnehmen sollen.“

 

„Das hat sie meinetwegen getan. Sie wollte mir einen Gefallen tun. Sie hatte von Anfang nicht bei der DA mitmachen wollen. Ich habe sie überredet.“, gab Chang kleinlaut zu.

 

„Warum?“, platze Harry heraus. Sie musste doch vorher gewusst haben, in welche Lage sie ihre Freundin brachte, wenn sie sie um so einen Gefallen bat.

 

„Ich wollte einfach nicht allein zu den Treffen.“ Sie hatten wenigstens den Anstand schuldbewusst auf ihre Finger zu starren, während Harry sie bloß verständnislos ansah. Wie egoistisch konnte ein Mensch sein? Seine Freunde in so eine Lage zu bringen, nur weil man allein zu unsicher war.

 

„Dann wäre es vielleicht besser gewesen, wenn du nicht zu den Treffen gekommen wärst.“, sagte er kalt.

 

„Aber ich wollte doch in deiner Nähe sein.“ Ihre Augen weiteten sich vor Schreck, als sie bemerkte, was sie eben gesagt hatte und eine leichte Röte bildete sich auf ihren Wangen.

„Ich… Ich meine… Wie hätte ich dir denn sonst näherkommen sollen? Du hattest seit Ced… seit dem Trimagischen Turnier nicht mehr versucht, mit mir zu sprechen. Und ich war auch zuerst dankbar dafür. Nicht… nicht, weil ich nicht mit dir zusammen sein wollte, sondern weil ich nach Ced… weil ich noch nicht wieder bereit für eine Beziehung gewesen bin.“

 

Auffällig war, dass sie ihm weder in die Augen sehen, noch über Diggorys Tod sprechen konnte. War es möglich, dass sie doch so etwas wie ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie auch Diggory nur benutzt hatte? Oder lag es daran, dass ihre Gefühle für ihn wenigstens ernst gewesen waren? Harry konnte sich nicht entscheiden.

 

„Und mit dir zu sprechen, war fast unmöglich. Du warst ja nie allein. Immer waren Ronald oder Hermine in deiner Nähe. Als es dann hieß, dass wir uns alle regelmäßig treffen könnten, um Verteidigung gegen die Dunklen Künste zu üben und du unser Lehrer sein würdest, habe ich gedacht, das wäre meine Chance, dir etwas näher zu kommen. Aber ich konnte doch nicht allein dahin. Also hatte ich Marietta gebeten, mich zu begleiten.“

 

„Wusste sie, wozu sie ihre Einwilligung gegeben hat?“

Chang sah von ihren Fingern auf, Verwirrung stand ihr ins Gesicht geschrieben.

Harry seufzte laut auf.

„Ich meine, hat sie dich zu den Treffen begleitet, weil du lernen wolltest, dich zu verteidigen? Oder hat sie dich begleitet, damit du mir näherkommen konntest?“

 

„Oh! Ich… Ich…“ Wieder konnte sie ihm nicht in die Augen sehen. „Ich hatte sie gebeten, mit mir zusammen Verteidigung gegen die Dunklen Künste zu lernen.“

 

„Ah, jetzt bin ich überrascht. Ich habe mich immer gefragt, warum Marietta mich nicht leiden kann. Sie hat mich immer so böse angeschaut. Wenn sie dich zu Treffen wegen mir hätte begleiten müssen, wäre das eine plausible Erklärung gewesen.“

 

„Äh, naja.“ Sie fing an ihre Finger unter dem Tisch zu kneten. Harry war zwar nicht in der Lage, Emotionen zu spüren, aber ihre gesamte Erscheinung schrie nur so von Nervosität und Schuld. Sie haderte mit sich, ob sie weiter sprechen sollte oder nicht. Ihre Augen huschten hin und her, wussten nicht, wo sie hinschauen sollten. Wechselten zwischen ihren unruhigen Händen in ihrem Schoß und Harrys, die vor ihm unbewegt auf dem Tisch lagen, die Finger ineinander verschränkt.

Hastig sprach sie weiter.

„Marietta hatte gewusst, dass ich an dir interessiert war und sie hat gedacht, dass du mich überredet hättest, an den Treffen teilzunehmen. Sie wollte auf mich aufpassen, wie sie gesagt hat.“

 

Das war natürlich eine noch bessere Erklärung. Aber kein Grund, den man nicht hätte beseitigen können.

„Und ich nehme nicht an, dass du irgendetwas gesagt hast, um sie zu berichtigen?“

 

Sie schüttelte kaum merklich den Kopf.

Harry konnte nicht behaupten, dass er überrascht wäre. Seine sogenannten Freunde waren auch nicht besser. Sie waren genauso manipulativ wie Chang. Nur mit dem Unterschied, dass Harry es rechtzeitig erkannt hatte, und sich gegen seine Freunde gewandt hatte. Marietta Edgecombe hatte da weniger Glück gehabt und musste nun für immer mit dem Wort Petze in Pickelschrift rumlaufen. Es war ein Fluch von Granger. Der war permanent.

 

„Was ist nun mit uns, Harry?“ Aus seinen Gedanken gerissen, schaute Harry sie ungläubig an. Ihr Blick war jetzt wieder auf ihn gerichtet, ihre Augen flehend, beinahe verzweifelt. Sie biss sich auf die Unterlippe und sah in diesem Moment so mitleiderregend aus, dass Harry nicht anders konnte und laut loslachte. Ihm war egal, dass jetzt alle Blicke auf ihn gerichtet waren. Es waren nur noch die paar Ravenclaw im Raum und Chang würde ihnen mit Sicherheit verbieten, herumzuerzählen, dass er sie hatte abblitzen lassen. Also konnte er sich ruhig ein bisschen gehen lassen.

 

„Was mit uns ist? Gar nichts. Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich jemals wieder mit dir ausgehe. Nicht nachdem, was zwischen uns vorgefallen ist, und schon gar nicht nachdem, was du mir eben erzählt hast.“

Er lehnte sich ein Stück in ihre Richtung, beobachtete die wechselnden Emotionen in ihrem Gesicht. Ihre dunkelbraunen Augen blickten schockiert, dann ungläubig auf ihn herunter. Sie hatte wirklich gedacht, dass sie ihn mit ihrer Mitleidstour rumkriegen würde.

„Du benutzt sogar deine beste Freundin, um zu bekommen, was du willst. Nicht nur, dass du Marietta unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, zu den Treffen überredet hast, du hast auch noch gewusst, dass sie Probleme damit hat und als es schlimmer wurde, hast du nichts getan, um ihr zu helfen. Stattdessen hast du sie im Stich gelassen.

Ich muss mich wohl bei Marietta entschuldigen. Wie es aussieht, ist nicht sie die Verräterin, sondern du. Du hättest diesen Fluch verdient.“

 

Bei diesen Worten stand Chang ruckartig auf und stürmte aus der Halle, ohne Harry oder ihre Freundinnen noch eines Blickes zu würdigen. Amüsiert beobachtete Harry, wie die Ravenclaws eilig ihre Sachen zusammenpacken und ihr hinterher rannten.

Er konnte nicht glauben, dass Chang ernsthaft geglaubt hatte, dass er noch mal mit ihr ausgehen würde. Er hätte eher Lust, ihr einen richtigen Denkzettel zu verpassen. Sie hätte es wirklich verdient, mit diesen Pusteln im Gesicht herumlaufen zu müssen. Nur nicht mit dem Wort Petze. Schlampe würde besser zu ihr passen.

‚Das müsste sich doch eigentlich bewerkstelligen lassen…‘

Ein kleines teuflisches Grinsen legte sich auf Harrys Züge. Ja, dann würde sie niemanden mehr ausnutzen können. Keiner würde mehr mit ihr was zu tun haben wollen.

 

Ein kleiner Seufzer entschlüpfte seinen Lippen. Irgendwie war es schon schade. Er war schon lange nicht mehr aus dem Schloss geschlichen. Ein bisschen Ablenkung, um den Kopf frei zu bekommen, würde mal wieder ganz gut tun. Nicht, dass er dafür wirklich ein Mädchen in Erwägung gezogen hätte, und schon gar nicht Chang, aber…

Harry stockte mitten in seinen Gedanken. Natürlich! Er könnte mit einem Mädchen ausgehen. Nicht ernsthaft, nur so tun als ob. Wenn er Mädchen datete, würde doch niemand vermuten, dass er auf Männer stehen könnte. Damit könnte er Draco von dem Gedanken abbringen. Das wäre zwar nicht fair den Mädchen gegenüber, aber das würde er in Kauf nehmen. Jetzt musste er sich nur noch entscheiden, wen er fragen sollte. Weasley würde sofort ja sagen, aber dann würde er sie gar nicht mehr losbekommen. Gryffindors waren im Allgemeinen keine gute Idee. Es würde ihn sehr einschränken, wenn er jemanden aus seinem Haus nehmen würde. Slytherins fielen genauso raus. Das könnte den falschen Eindruck erwecken und er wollte keines der Mädchen in Schwierigkeiten bringen. Eigentlich waren sie ganz in Ordnung, wenn man sie erst etwas besser kannte. Parkinson war etwas nervig, aber auch sie wollte er nicht zur Zielscheibe machen. Blieben also nur Hufflepuffs und Ravenclaws. Er wusste allerdings nicht, wer von den Mädchen gerade Single war und wer bereits in einer Beziehung steckte. Aber das hätte auch Zeit bis morgen. Morgen beim Frühstück, könnte er sich alle potentiellen Mädchen angucken und spontan entscheiden, mit wem er ausgehen wollte.

Erleichtert, dass er eine Lösung gefunden hatte, schnappte er sich seinen Teller, den er noch vor Kurzem zur Seite geschoben hatte. Das Essen war zwar in der Zwischenzeit kalt, aber es schmeckte viel besser als vorher.

 

Als Harry kurze Zeit später auf den Weg in seinen Gemeinschaftsraum war, wurde er von zwei Raben aufgeschreckt, die plötzlich an einem Fenster neben ihm verbeiflogen und dabei mit ihren schweren Schwingen gegen Glas schlugen. Er beobachtete sie, wie sie sich in den Himmel erhoben und sich zu einer kleinen Schar gesellten, die am Nachthimmel ihre Kreise zogen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Yamis-Lady
2020-01-08T20:56:41+00:00 08.01.2020 21:56
sehr gut, harry, sehr gut! er hat ihr mehr als gründlich die meinung gegeigt!~
ich hab cho nie leiden können. ebenso wenig wie cedric.

wieder ein super tolles Kapitel. nur weiter so! =)
Antwort von:  CruelLamia
09.01.2020 21:56
Bin absolut deiner Meinung. Mochte die beiden auch nie. Ich empfand Cedric immer irgendwie als unaufrichtig. Habe aber vielleicht auch einfach ein falsches Bild von Hufflepuffs.
Und Cho mit ihrem hin und her und sich nicht richtig entscheiden können...

Sie sollte ursprünglich gar nicht in der FF auftauchen, aber dann war sie da und ich habe das für eine kleine Retourkutsche genutzt. 😇

LG Lamia 🐱
Antwort von:  Yamis-Lady
11.01.2020 13:59
thehe, gut dass du sie eingebracht hast.
sonst wäre vieles nicht so lustig geworden 😇
hat draco richtig gut gemacht mit dem angewandelten zauber~
da er das so gut kann, kann er vllt einen zauber so umändern, dass harry und er ihn mit ihren gefühlen unglaublich stark werden lassen könnten. so eine art partner-zauber der liebe xD
Antwort von:  CruelLamia
11.01.2020 15:33
Mmhhh... ich denke mal drüber nach. Wenn mir was passendes einfällt, wird's umgesetzt. 😁
Von:  Larciel
2017-09-03T12:35:03+00:00 03.09.2017 14:35
Huhu.
War eine ganz schöne Arbeit sich bis hier her durch zu kämpfen. Lach.
Im positiven natürlich.^^
Ich mag deinen Schreibstil, und die Idee die du hattest find ich absolut klasse.
Auch die Art wie du erzählst ist sehr flüssig und es macht Spaß in die Geschichte einzutauchen.
Mit einigen Wendungen konntest du mich wirklich überraschen, und ich bin gespannt was du noch alles geplant hast.^^
Ich freue mich schon auf die nächsten Kapitel, und werde mich da auch auf jeden Fall wieder zu Wort melden.^^
(Dann auch mehr auf die einzelnen Kapitel eingehen)
Alles in allem, ganz großes Kino das du bisher lieferst.

Liebe grüße
^^


Antwort von:  CruelLamia
03.09.2017 15:48
Huhu!

Vielen lieben Dank für deinen tollen Kommentar.

Ich freue mich, dass du die "Arbeit" auf dich genommen hast und dich bis hierher durch meine FF gekämpft hast. *lach*

Was meinen Schreibstil angeht:
Ich gebe zu, ich bin immer noch dabei, mich da richtig zu finden. Beim Schreiben an sich, klingt es für mich immer gut und wenn ich es mir anschließend durchlese, kriege ich immer einen Schreck und schreibe alles noch gefühlte 10.000 mal um. Aber ich habe das Gefühl, dass es besser wird.

Ich freue mich, dass die Storyline nicht so vorhersehbar ist und das ich dich hin und wieder überraschen konnte. Ich hoffe, auch hier im positiven Sinne. Und es sind noch ein paar Dinge geplant, bei denen ich total aufgeregt bin, wie sie ankommen werden.

Ich freue mich immer über Lob und Kritik. Lob motiviert und nur mit Kritik kann man besser werden.

Nochmals vielen Dank. Ich habe mich sehr über deinen Kommentar gefreut. 😍

LG Lamia 🐱
Von:  LacrimaMare
2017-09-02T12:51:15+00:00 02.09.2017 14:51
Oh bitte bitte..ich will weiter lesen...du glaubst garnicht mit was für einem grinsen ich das hier gelesen habe...fantastisch...ich freue mich schon auf mehr...
Antwort von:  CruelLamia
02.09.2017 16:03
Huhu!

Erstmal danke schön für deinen tollen Kommentar. 😁 Da muss ich auch gleich grinsen.

Freut mich, dass dir meine FF so gefällt. Mir sind in der Zwischenzeit meine vorgeschriebenen Kapitel ausgegangen, aber die Storyline steht und ich arbeite fleißig daran, dass ich weiter jeden Freitag eins hochladen kann.

Hoffe, dass sie dir auch weiterhin gefallen wird.

LG Lamia 🐱
Von:  Sandy
2017-09-02T08:43:44+00:00 02.09.2017 10:43
Huhu ich bin es wieder Sandy und gestern war Freitag wieder, das heißt es gab ein neues Kapital wieder raus!!
Das war wieder einfach toll harry hat es cho echt gegeben war wieder echt toll und ich fande das schon doff das was cho gemacht sie hat auch ihre Freundin manipuliert hoffe sie bekommt ihr fett noch weg von harry mit dracos Hilfe...!!! Weiter so du schreibst einfach spitze wirklich klasse weiter so die ff ist einfach spitze bin schon gespannt wie das neue Kapitel wieder

LG Sandy bis zum nächsten Freitag bei Kapitel 15

Antwort von:  CruelLamia
02.09.2017 10:55
Huhu!

Vielen lieben Dank für deinen tollen Kommentar und für deine Treue. 😍

Ja, Cho wird noch leiden müssen und ja, mit Dracos Hilfe. Wie hast du das nur erraten? 😉

Dieses Kapitel war ursprünglich gar nicht geplant. Cho hat sich einfach in die Story gedrängelt. 😅
Aber das wird unsere beiden Lieblinge ein Stück näher bringen. Vielleicht bemerkt man davon schon was im nächsten Kapitel. 🤔

Bis nächste Woche.

LG Lamia. 🐱


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