Something Wrong von YutakaXNaoyukis_Mika ================================================================================ Prolog: -------- Zum ersten Mal merkte er, dass etwas nicht stimmte, als er die Band richtig kennen lernte. Nein, es war nicht, als er bei ihnen einstieg als Support. Auch nicht, als er festes Mitglied wurde, oder mit ihnen ihr erstes Saufgelage hatte. Nein. Der erste Dämpfer kam, als sie 2006 ihren großen Auftritt im Budokan hatten. Wieso es genau da geschah, konnte er sich nicht erklären? Aber es passierte genau an diesem Tag, in diesem Augenblick. Das zweite Mal geschah es bei einem Interview. Es war völlig belangloses Zeug, was sie da bequatschten und doch hatte er das Gefühl, dass etwas nicht in Ordnung zu sein schien. Dabei hatte er immer gedacht, dass er die Jungs mittlerweile so gut kannte, dass es nichts gab, was er nicht über sie wusste. Okay, die ganz privaten Details wollte er gar nicht wissen, auch wenn der ein oder andere von ihnen gern mal etwas davon preisgab, hieß das noch lange nicht, dass sie ihre intimsten Geheimnisse mit den anderen teilten. Sie waren Kollegen und Freunde, aber sie hockten nicht 24 Stunden aufeinander. Das wäre dann doch etwas zu viel verlangt. Nummer drei folgte einige Wochen nach diesem Interview und er stand da wie angewurzelt, als er mit ansah und vor allem hörte, wie ein lautstarker Streit vom Zaun brach. Zuerst flog eine Tasse quer durch den Raum, als er gerade die Tür zum Proberaum geöffnet hatte. Bedauerlicherweise schien sie noch etwas Kaffee enthalten gehabt zu haben. Sie landete scheppernd an der Wand neben ihm und das warme, braune Getränk verteilte sich nicht nur auf der weißen Wand und dem Boden, nein, auch sein an diesem Morgen frisch angezogenes Shirt bekam mehr als nur einen Spritzer ab. Allerdings schien das die beiden Streithähne nicht im Geringsten zu stören, so dass sie fleißig weiter stritten und sich Schimpfworte der aller feinsten Sorte an den Kopf warfen. Dezent räusperte er sich, um sich bemerkbar zu machen. Leider half das nicht viel. Erst als er die Tür mit einem lauten Knall zuwarf, schenkte man ihm Beachtung und sofort war es still. Wenn er dachte, dass damit die Sache gegessen war, hatte er sich geschnitten. Es folgte das Maß aller Dinge. Allerdings erfuhr er das nicht von den beiden Streithähnen persönlich. Nein, er musste es in den sozialen Netzwerken lesen. Aoi hatte sich dazu geäußert, die Band verlassen zu wollen, weil er sich nicht mehr wohl fühlte und es ihn nicht mehr mit dem erfüllte, was es am Anfang war. Als er das las, war er nicht nur sauer auf den Gitarristen, sondern ziemlich enttäuscht. Er hatte immer gedacht, dass sie in solchen Situationen miteinander reden konnten, doch dem schien nicht mehr so. Was war nur mit ihrem Rhythmusgitarristen passiert? Klar, er hatte gemerkt, dass er sich immer mehr zurückgezogen hatte und schweigsamer geworden war, doch damit hatte er einfach nicht gerechnet. Uruha hingegen wich Aoi immer mehr aus. Auf der Bühne, aber auch im Backstagebereich, was den Fans auch nicht verborgen blieb. Umgekehrt war es aber nicht anders. Genau das war es auch, was den Leader nun endgültig dazu veranlasste, einzugreifen. Lange genug hatte er zugesehen und es geduldet. Jetzt war Schluss damit. Kapitel 1: ----------- Es war ein Freitag, an dem er sich vorgenommen hatte, nach der Arbeit direkt zu dem Sorgenkind zu gehen. Er wusste, dass bei Aoi heute nichts anstand. Dieser hatte sich immer mehr zurückgezogen und selbst die sonst so häufigen Treffen mit den Indies fielen immer mehr aus. Kazuki und Mizuki hatten sich sogar schon an ihn gewandt und gefragt, was mit ihrem Senpai los wäre. Kai jedoch konnte darauf keine Antwort geben, denn er wusste es ja selbst nicht. Doch wenn selbst die beiden es nicht wussten, dann musste da schon gewaltig was im Argen liegen. Dem wollte er jetzt unbedingt auf den Grund gehen und die Sache klären. In seinen Augen war es wichtig, dass Aoi wieder zu sich fand und die Band und vor allem das Klima in der Band nicht darunter litt, dass einer von ihnen nicht mehr zurechtkam. Uruha zu fragen, war sinnlos. Der Sturkopf war noch einen Zacken schärfer. Da konnte man gegen eine Wand reden und hatte mehr Erfolg, denn da konnte man auf ein Echo hoffen. Nein, wenn Uruha sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann gab es nichts, was ihn davon abbringen konnte. Er hatte das schon so oft versucht und war immer wieder gescheitert. Da war sogar Ruki zugänglicher, wenn es um Sachen ging, die mit der Band zu tun hatten. So hatte jeder seine Macken. Da blieb also nur Aoi. Als die Probe ihr Ende fand und er seine Sachen zusammenpackte, sah er zu Aoi, der gerade seine Gitarre in der Tasche verstaute. „Hast du mal ne Minute?“ Etwas verwirrt sah der Bandälteste zu ihm auf und schien sich zu fragen, was jetzt kommen würde, aber Kais Lächeln schien ihn wieder etwas zu beruhigen, weshalb er nickte. „Klar. Ich warte draußen, dann kann ich noch eine rauchen.“ Der Leader nickte und packte auch den Rest seiner Sachen zusammen, verstaute die letzten Papiere in seine Tasche und sah sich um, ob er auch wirklich nichts vergessen hatte. Er war immerhin der letzte, der den Raum verließ und für seine Schusseligkeit mehr als bekannt. Nachdem alles erledigt war, ging er nach draußen. Wie vereinbart stand Aoi noch dort und zog gerade den letzten Rest seiner Zigarette ein, ehe er sie in dem kleinen Aschenbecher ausdrückte. „Perfektes Timing.“, grinste er. Ja, das war wieder der Aoi, den sie alle kannten, aber er wusste auch, dass es nur gespielt war. Kai lächelte jedoch. „Kennst mich doch. Ich kann´s halt.“, machte er gute Miene zum bösen Spiel. Er schulterte seine Tasche und lief dann mit dem Älteren langsam Richtung Parkplatz, wo der Wagen des Gitarristen stand. Kai war mit der Bahn gekommen, sein Auto war in der Werkstatt. Auf dem Weg zum Wagen schwiegen sie, bis Aoi es nicht mehr aushielt und die Stille durchbrach. „Also? Worum geht´s? Du hast mich doch sicher nicht umsonst gefragt, ob ich ne Minute habe oder?“ Er sah den Drummer von der Seite an, als sie am Auto zum Stehen kamen. Unsicher lächelte dieser und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. Eigentlich wollte er viel selbstsicherer auftreten, aber es war auch nicht leicht, ein solches Thema anzusprechen. „Ja, klar. Ich weiß nur nicht, ob das hier so gut ist, wenn wir das auf einem Parkplatz besprechen.“ Kai sah sich um. „Es geht um das, was in der letzten Zeit passiert ist und darum, dass etwas hier ganz und gar nicht stimmt. Hier läuft nämlich etwas ganz und gar falsch.“ Aoi legte den Kopf schief und über ihm erschien eine Art imaginäres Fragezeichen. „Ach ja? Hier läuft was falsch? Und das wäre?“ Am liebsten hätte Kai sich gerade die Hand gegen die Stirn geklatscht, aber das eine Wort war wohl Aussage genug, um dem Gitarristen klarzumachen, was er meinte. „DU!“ Damit war die Katze wohl aus dem Sack und Kai erntete erst einen ziemlich überraschten und dann einen ziemlich finsteren Blick seitens des anderen. Vermutlich hätte er ihm gern eine gescheuert, aber er wusste, dass er nicht der Typ dafür war. Stattdessen öffnete der Gitarrist nur die Tür seines Wagens und stieg ein, ohne ein weiteres Wort zu verlieren. Oh, da hatte er wohl einen wunden Punkt getroffen. Noch bevor Aoi die Tür schließen konnte, trat der Drummer näher. „Hey! So war das nicht gemeint, Aoi.“, versuchte er, den anderen zu beruhigen. Doch Aoi war wohl ziemlich angepisst von Kai und stieß ihn leicht von sich. „Vergiss es! Wenn du der Meinung bist, bitte. Aber vielleicht solltest du mal über den Tellerrand schauen und nicht nur auf mich schauen!“, knurrte er und Kai war etwas irritiert. Hatte er da etwas verpasst? „Wie meinst du das?“, hakte er nach und der Blick Aois wurde wieder etwas weicher. „Bin ich etwa der einzige, der dieses Theater verursacht hat? Oder gibt es da noch jemanden?“ Und sofort wusste Kai, worauf Aoi anspielte. Oder besser auf wen er anspielte. „Uruha!“, platzte es sofort aus ihm raus. Aoi nickte. „Mit ihm kann man nicht reden.“, seufzte Kai sofort und sah den anderen entschuldigend an. „Deshalb will ich ja mit dir reden und wissen, was los ist. Kouyou hat komplett auf Durchzug gestellt und sagt nicht ein Wort. Aber vielleicht kannst du mir erklären, was los ist, damit ich verstehe, warum ihr euch so verhaltet.“, startete er einen neuen Versuch. Als Antwort bekam er ein Seufzen und eine geöffnete Beifahrertür. „Steig ein und wir reden bei mir weiter. Dann kann ich es dir auch zeigen.“ Das war doch mal ein Ansatz und Kai nahm diesen kleinen Finger, den Aoi ihm reichte, dankend an. Jetzt bekam er doch hoffentlich eine Lösung zu dem, was hier ablief. Vielleicht konnte man dem dann auch ein Ende setzen. Die Fahrt verlief eher schweigend, was aber nicht schlimm war, denn so konnte er sich schon einmal die Worte zurechtlegen, was er sagen wollte und wie er am besten darauf einging. Er hatte ja keine Ahnung, was ihn wirklich erwarten würde. Kapitel 2: ----------- Bei Aoi angekommen, blieben sie kurz im Auto sitzen. Aber nicht, weil sie nicht aussteigen wollten, sondern eher, weil Aoi die Hände verkrampft am Lenkrad festhielt und die Stirn dagegen gelehnt hatte. So hatte er ihn noch nie gesehen und sie kannten sich immerhin schon ein paar Jahre. Vorsichtig hob er den Arm und legte ihm eine Hand auf den Rücken. „Hey, alles okay?“, fragte er mit leiser Stimme. Der Gitarrist zuckte erst zusammen, hob aber wieder den Kopf und sah ihn mit einem ziemlich gequält wirkenden Lächeln an. „Ja, alles in Ordnung. Lass uns raufgehen. Ich könnte jetzt nen Bier vertragen.“, grinste er und löste sich endlich vom Lenkrad. „Klingt nach nem Plan.“, ging Kai einfach darauf ein. Gemeinsam verließen sie den Wagen und gingen das recht leere Parkhaus, das zum Wohnkomplex gehörte, entlang zum Fahrstuhl. Er war lange nicht hier gewesen, aber viel hatte sich seit seinem letzten Besuch wirklich nicht verändert. Okay, es war ein Parkhaus und ein einfacher Fahrstuhl. Lediglich die Gänge, die sie betraten, hatten einen neuen Anstrich bekommen, sahen jetzt etwas freundlicher aus, wie er fand. Und wenn er sich recht entsann, lief der Fahrstuhl auch nicht mehr so ruckartig. Er war geschmeidiger beim Fahren und wesentlich leiser. Aois Vermieter hatte wohl wirklich was gemacht, nachdem der Gitarrist und seine Kumpels sich mehrfach darüber beschwert hatten, ständig stecken geblieben zu sein. Zumindest kam das sehr häufig vor, wenn sie zu Besuch waren oder sie Termine hatten und zu spät kamen, weil ihr Gitarrist auf dem Weg nach unten im Fahrstuhl stecken geblieben war. Kein Wunder! Wer lief schon gern mit seinem Gepäck und einer Gitarre auf dem Rücken ganze 12 Etagen runter? Also er hätte darauf auch verzichten können. Oben angekommen öffnete sich die Fahrstuhltür mit einem leisen Pling und sie traten in den Flur, der zu Aois Wohnung führte. Hier roch es noch nach frischer Farbe. „Hat dein Vermieter endlich mal was getan, damit es hier freundlicher wirkt, was?“, schmunzelte Kai und folgte dem Älteren. Aoi musste lachen. „Ja, aber auch erst, nachdem er selbst ein eher unangenehmes Erlebnis mit meinen Nachbarn aus der 10. Etage hatte.“ Kai legte den Kopf schief. „Was ist passiert?“ Während Aoi die Tür aufschloss und Kai rein bat, begann er von dem Highlight zu berichten. „Na ja, ich hatte ihm ja erzählt, dass der Fahrstuhl ständig stecken bleibt. Dann kam er wohl einen Tag, um das zu überprüfen und an dem Tag war der gute alte Fahrstuhl mal wieder in der 5. oder so hängen geblieben. Natürlich riefen die Insassen nach Hilfe, nutzten die Zeit aber intensiv, um sich ordentlich zu beschäftigen. Da es sonst ja immer länger dauerte, rechneten sie nich damit, dass sie schon so früh aus dem Teil befreit werden würden. Sie waren also mitten in ihrem Schäferstündchen, als ganz plötzlich die Tür aufging und vor ihnen der Vermieter mitsamt den Technikern vom Fahrstuhlbetreiber vor ihnen standen.“, lachte er und schlüpfte aus seinen Schuhen, stellte die Gitarrentasche ab und hing seine Jacke über die kleine Garderobe in seinem Flur. Kai sah ihn nur mit großen Augen an, ehe er verarbeitet hatte, was er da für eine Geschichte zu hören bekam. Dann musste auch er lachen. „Hahaha! Na dann hat er ja jetzt eine bleibende Erinnerung an das nicht ganz jugendfreie Pärchen aus der 10., was?“ „Oh ja, und wie! Die beiden haben sich aber trotzdem nicht gebessert. Ich will nicht wissen, was die in ihren vier Wänden treiben, wenn die´s schon im Fahrstuhl nicht lassen können.“, scherzte Aoi und bat Kai ins Wohnzimmer. Auch Kai wollte sich das besser nicht vorstellen. Aber das war auch nicht der Grund, warum er mit Aoi hatte reden wollen. Er war hier, um die Sache zu klären, warum der Gitarrist überlegte, die Band verlassen zu wollen. „Möchtest du etwas trinken? Ein Bier?“ Der Drummer setzte sich auf das große, dunkle Sofa und schüttelte den Kopf. „Lieber was Alkoholfreies, ich muss noch nach Hause kommen und du weißt, ich vertrag Alkohol nicht so gut.“ Nein, er hatte ein bleibendes Erlebnis gehabt und sich vor versammelter Mannschaft zum Affen gemacht. Heute wollte er unfallfrei und ohne solch eine Erfahrung den Weg nach Hause finden. „Okay, ich bring dir was Anderes.“, hörte er nur aus der Küche lachen. Ja, ja, sollte sich der andere ruhig lustig über ihn machen. Noch war die Stimmung immerhin nicht so schlecht. Neugierig, wie er eben war, sah er sich in dem großen und doch recht gemütlichen Raum um. Aoi hatte sich neue Möbel gekauft, seit der das letzte Mal hier war. Das Sofa war neu, andere Bilder hingen an der Wand und auch der ganze Stil hier drin wirkte so ganz anders. „Du hast dich neu eingerichtet…“, erwähnte er fast beiläufig, als Aoi zurückkam und ihm ein Glas in die Hand drückte, während er selbst eine Dose Bier in der Hand hielt. Als Antwort bekam er ein Nicken. „Ja, das musste sein.“ Der Ältere setzte sich zu ihm auf das Sofa, nahm einen großen Schluck vom Bier und lehnte sich dann zurück. Sein Kopf landete auf der Rückenlehne und er schloss die Augen. Ein tiefes, langes Seufzen verließ die Lippen des Wohnungsbesitzers. „Ich hätte es nicht mehr ausgehalten.“ Kai sah ihn an und wusste nicht, was er so wirklich dazu sagen sollte. „Warum?“, war das einzige, was ihm durch den Kopf schoss und ohne groß nachzudenken, seinen Mund verließ. Er bekam keine Antwort auf diese Frage. Stattdessen erhob sich Aoi, stellte seine Dose Bier auf den kleinen Tisch vor ihnen und trat auf einen Schrank zu. Die Tür wurde geöffnet und ein kleines Buch kam zum Vorschein. Kai wusste nicht, was es für eines war, bis er es in den Händen hielt und er aufgefordert wurde, es zu öffnen. Noch nie hatte er es gesehen und konnte es nicht zuordnen. Also blieb ihm nur eins. Öffnen und sehen, was sich darin verbarg. Aoi saß bereits wieder neben ihm und hatte sich in seine Ausgangsposition zurückversetzt. Allerdings starrte er jetzt an die Decke seines Wohnzimmers und schien darauf zu warten, was Kai jetzt dazu sagen würde. Nur langsam und irgendwie unsicher schlug er den Deckel des Buches auf und runzelte die Stirn. Was war das? Dort stand ein Datum. Das war kurz nachdem er zur Band gekommen war. Da war er zwar schon festes Mitglied, aber wirklich zuordnen konnte er das Datum dennoch nicht. Also blätterte er eine Seite weiter. Ein Bild war zu sehen. Oder besser ein Foto. Sie alle als Band. Sie sahen noch ziemlich gruselig aus, wie er jetzt eingestehen musste. Irritiert sah er zu Aoi, der sich aber nicht regte und keinen Mucks von sich gab. Okay, also weiter. Es folgten noch ein paar andere Seiten, die etwas Belangloses zeigten, wie er fand. Kleine Unternehmungen, ihr erstes Saufgelage und ein kleines Grillfest, das sie veranstaltet hatten. Doch dann kam ein Foto, mit dem er erst einmal zurechtkommen musste. Verwirrt blinzelte er. Betrachtete es noch einmal ganz genau und sah dann zu dem Gitarristen und dann wieder auf das Bild. Immer wieder öffnete und schloss sich sein Mund, weil er etwas sagen wollte, aber nicht wusste was. Er kannte die Jungs jetzt seit so langer Zeit, aber DAS war eine absolute Überraschung für ihn. „Ich… ich wusste nicht, dass… dass du… ich meine… also… Wieso?... Warum?... Also… Du hättest doch etwas sagen können, Aoi.“, murmelte er und sah den anderen nun völlig überrascht an. Jetzt wusste er auch, warum es im Moment so war, wie es war. Aber wie sollten sie das denn jetzt lösen? Kapitel 3: ----------- Mit einer solchen Offenbarung hatte er wirklich nicht gerechnet. Aber noch wichtiger war, dass es nicht nur den Gitarristen betraf. Aoi hatte ihm gerade gesagt oder besser gezeigt, was hinter seinem Rücken in der Band tatsächlich los war. Kai fragte sich nur, warum er davon nichts mitbekommen hatte. War er wirklich so blind gewesen, dass er nicht einmal mitbekam, dass sich zwischen den Jungs etwas verändert hatte? Okay, jetzt hatte sich definitiv was geändert, aber nicht unbedingt so, wie dieses eine Bild es zeigte. Es war mehr ein gewisser Zickenkrieg, der da herrschte und der gefiel ihm gar nicht. „Darf ich denn fragen, seit wann das zwischen euch läuft?“, wandte er sich direkt an den Älteren und legte das Album geschlossen wieder auf den Tisch. Klar, er hatte ein Datum ganz am Anfang des Albums gesehen, aber er wusste nicht, ob dies eine solche Bedeutung haben konnte. Aoi würde doch aber jetzt hoffentlich eher auf seine Fragen antworten, wo er ihm schon auf diese Weise gesagt hatte, was los war. Er selbst konnte das noch immer nicht so ganz fassen. Doch irgendwie hätte es ihm auch klar sein müssen. Wenn er jetzt so darüber nachdachte, gab es ja genug Anzeichen dafür. „Lange genug.“, kam es gemurmelt. Aoi hatte sich nicht ein bisschen gerührt. Noch immer starrte er an die Decke. „Aber keine Sorge, das ist gelaufen.“, fügte er dann auch schon an. „Das ist vorbei und da wird auch nichts mehr passieren.“ Kai legte den Kopf schief. „Wie jetzt?“ Ein Seufzen. „Nich wie jetzt. Die Sache ist Geschichte, Kai. Das, was du da siehst, ist nicht mehr und wird nicht mehr sein.“ Man konnte die Enttäuschung und auch eine gewisse Wut in der Stimme des anderen hören und Kai fragte sich, was denn passiert war. Gerade wollte er fragen, als sich der Gitarrist im zuwandte. Ein trauriges Lächeln lag auf seinen Lippen. „Du willst wissen, was passiert ist?“ Wie gut der andere ihn doch kannte. Neugier war in den meisten Fällen sein zweiter Name und so nickte er. Aoi holte einmal tief Luft, ehe er sich aufsetzte und noch einmal einen großen Schluck von seinem Bier nahm. Mit einer Hand fuhr er sich durch das dunkle Haar, bevor er anfing, ihm von dem einen Tag zu erzählen, der das alles veränderte, was bis vor kurzem noch alles für ihn war. „Sehen wir uns heute Abend?“, hatte er ihn am Telefon gefragt und sein Freund hatte daraufhin gekichert. „Hast du schon wieder solche Sehnsucht nach mir?“, bekam er als Antwort, was ihn grummeln ließ. „Was denn? Auch wenn wir zusammenarbeiten, heißt das nicht, dass ich dich nicht auch außerhalb der Arbeit sehen will. Außerdem weißt du genau, dass es niemand wissen darf. Was glaubst du, was passiert, wenn das rauskommt?“, plapperte er drauf los und erneut vernahm er ein Lachen. „Na gut, aber komm nicht so früh, sonst könnte es einer mitbekommen.“ „Okay, dann sehen wir uns nachher.“ Und schon war er wieder besserer Laune. Er freute sich, dass er wenigstens die Nacht bei ihm sein konnte. Ihre gemeinsame Zeit war eben einfach viel zu kurz bemessen und es war von Jahr zu Jahr schwieriger geworden, es geheim zu halten. Am schlimmsten war es, dass es keiner der anderen mitbekommen durfte. Seufzend lehnte er sich auf dem Sofa zurück und schloss noch einmal die Augen. Er sollte sich noch einmal frisch machen, bevor er dann zu ihm fuhr. Etwas Zeit war noch. Es war gerade einmal später Abend. Wenn er meinte, er solle nicht so früh da sein, dann hieß das, dass er vor zehn Uhr abends nicht aufkreuzen sollte, auch wenn er gern noch mehr Zeit mit ihm verbringen wollte. Anfangs lief das noch ganz anders bei ihnen. Da konnten sie fast die Finger nicht voneinander lassen. Jede freie Minute haben sie genutzt, um sich zu sehen und miteinander zu verbringen. Aber das ließ nach, je bekannter sie wurden, denn es bestand immer mehr das Risiko, dass man sie auf der Straße erkannte. Zudem waren sie oft unterwegs. Sie konnten lediglich die Zeit für das Song schreiben oder komponieren als Ausrede nutzen. Zu oft ging das aber auch nicht, weil es sonst auffällig wurde. Heute hielt sich der Kontakt nach der Arbeit oft in Grenzen und wurde wenn, für eher sehr intime Momente genutzt. Doch auch damit gab er sich mittlerweile zufrieden, solange er einfach nur bei ihm sein konnte. Mit einem Lächeln auf den Lippen erhob er sich und stapfte erwartungsvoll unter die Dusche. Die Uhr behielt er nur nebenbei im Auge. Notfalls kam er auch etwas früher bei ihm an, dann hatte er etwas mehr von ihm. Ja, das war doch heute sicherlich machbar. Also lieber schneller duschen und dann einfach ein paar Wechselsachen einpacken. Er durfte immerhin nicht mit den gleichen Klamotten am nächsten Tag auf der Arbeit aufkreuzen. Und Klamotten in der Wohnung des anderen zu bunkern, ging auch nicht, denn das konnte schnell entdeckt werden. Es nervte ihn, aber sie waren in all den Jahren verdammt vorsichtig gewesen. Bisher waren sie damit immer gut gefahren. Vor sich hin trällernd duschte er sich, wusch sich fix das dunkle Haar, um dann genauso schnell wieder aus der Dusche zu steigen und sich abzutrocknen. Das Haar war fix in einen Turban gewickelt, bevor er nackt ins Schlafzimmer tapste und sich eine frische Shorts, ein Shirt und eine einfache Jeans überwarf. Dann noch schnell die Haare föhnen und ein wenig herrichten und dann suchte er alles Nötige zusammen. Er wollte ganz schnell los. Sehnsucht? Ja, die hatte er. Wer hatte das nicht, wenn man bei dem Menschen sein wollte, den man liebte? Er lag halt gern in seinen Armen, ließ sich von ihm küssen, berühren und noch ganz andere Sachen. Und die erwarteten ihn in dieser Nacht ganz bestimmt auch wieder. Nach einem anstrengenden Arbeitstag war das genau das Richtige. Eilig stopfte er eine frische Shorts, ein weiteres Shirt und ein paar Socken in eine kleine Tasche. Dazu noch die immer bereitliegende Kosmetiktasche mit allem nötigen Kleinkram für die Hygiene und schon schnappte er sich sein Handy und die Geldbörse, um sich im Flur eine leichte Jacke über zu werfen und in seine Schuhe zu schlüpfen. Dann schnappte er sich den Schlüssel und verließ er mit einem Klacken seine Wohnung. Aoi hatte beste Laune und freute sich einfach auf das, was kommen sollte. Gebannt saß Kai auf dem Sofa und lauschte den Worten Aois ganz genau. Eigentlich wollte er ihn kurz unterbrechen und fragen, wann das war, aber er wollte dann doch erst einmal abwarten, was passiert war. Jetzt wusste er lediglich, dass es wohl nicht mehr Aoi zuhause geschehen war. Was er jetzt jedoch in Erfahrung gebracht hatte, war, dass Aoi wohl aus diesem Grund sein halbes Mobiliar ausgetauscht hatte. Doch dann machte Aoi eine Pause und nahm erneut einen großen Schluck von seinem Bier, bis er feststellte, dass es leer war. „Moment, ich hol mir ein neues.“, meinte er nur und Kai sah ihm irritiert nach. Sollte das hier ein Saufgelage werden? Sein Blick wanderte wieder durch den Raum, blieb an einem Bild hängen. Er seufzte. Was da wohl passiert war? Aoi war eigentlich immer ein lustiger und offener Kerl gewesen. Jetzt wirkte hier alles so trist und steril. So kannte er ihn gar nicht. Und von den schönen Bildern der Band blieb wirklich nur noch eines. Alles andere waren eher so komische Kunstdinger, mit denen er selbst nichts anfangen konnte. Aber bevor er mit dem anderen wieder auf Smalltalk ging, wollte er den Rest der Geschichte hören. Als er vor dem Wohnkomplex seines Zieles ankam, sah er kurz auf die Uhr und atmete tief durch. Er war viel zu früh. Von zehn Uhr abends war er weit entfernt. Es war gerade einmal acht und er hatte keine Ahnung, wie er ihm das erklären sollte. Aber war das nicht eigentlich egal? Wichtig war doch nur, dass sie sich sehen konnten. Für ihn zählte auch nicht wirklich mehr. So überlegte er auch nicht lange und zückte den Schlüssel mit dem süßen Anhänger aus seiner Tasche. Auch das war ihr süßes Geheimnis. Sie hatten sich gegenseitig den Schlüssel zur Wohnung des anderen gegeben. Damals war es ein Beweis ihrer gegenseitigen Zuneigung und Aoi hatte sich einen Keks gefreut, als er ihn bekommen hatte. Jetzt konnte er ihn damit auch gleich überraschen. Er hatte sogar extra noch eine Flasche Sake mitgebracht, damit sie den Abend schön ausklingen lassen konnten. Ungeduldig trippelte er von einem Fuß auf den anderen, als er mit dem Fahrstuhl in die entsprechende Etage fuhr. Er hasste es, wenn das Teil einfach nicht in die Gänge kam. Das dauerte aber auch immer ewig. Ganz besonders, wenn man es eilig hatte. Wieso war der aber auch immer so langsam? Heute hatte er das Gefühl, der machte das extra, um ihn noch mehr zu quälen. Genervt beobachte er die elektrische Anzeige, die ihm genau sagte, in welcher Etage er sich befand. Dann stoppte er plötzlich und die Tür ging auf. Allerdings war er noch nicht angekommen. Nein, eine ältere Dame mit Rollator stieg ein und suchte erst einmal die Taste für das Erdgeschoss. „Wo möchten Sie denn hin, junger Mann?“, fragte sie ihn ungeniert. „Einen Freund besuchen.“, lächelte er und sah wieder auf die Anzeige. Hoffentlich fuhr das Ding weiter nach oben und nicht erst nach unten. Wenigstens diesen Gefallen tat ihm das olle Ding. Erleichtert, dass er endlich angekommen war, flitzte er wie ein Wirbelwind den Flur entlang und blieb vor der Tür stehen, die das einzige war, was ihn jetzt noch von seinem Freund trennte. Sein Herz wummerte heftig in seiner Brust und seine Nervosität stieg. Er fühlte sich wie ein Teenager. Mit zittriger Hand steckte er den Schlüssel in das Schloss und öffnete die Tür. Freudestrahlend rief er vom Flur aus in die Wohnung: „Überraschung! Bin schon daha!“ Sein Strahlen konnte dem Kai Konkurrenz machen, wenn dieser erst einmal richtig loslegte. Schnell waren die Schuhe in einer Ecke des Flures gelandet, die Tasche fallen gelassen und er ins Wohnzimmer gestürmt, wo er mit einem Mal stehen blieb. „Was?!“ Völlig verdattert blieb er stehen und starrte auf das, was er zu sehen bekam. Mit allem hatte er gerechnet, aber ganz gewiss nicht damit. Sein Mund öffnete und schloss sich immer wieder und doch wusste er nicht, was er sagen sollte. Er blinzelte noch ein paar Mal und hoffte wohl insgeheim, dass es sich hierbei um ein Trugbild handelte, doch das war es nicht. Es war genauso, wie es noch vor wenigen Sekunden gewesen war. Sein entsetzter Blick wandelte sich zu traurig, enttäuscht zu unglaublich wütend und verletzt. Jetzt wusste er, warum er nicht vor zehn da sein sollte. „Du bist so ein verdammter Arsch!“, brüllte er los. Okay, jetzt brauchte Aoi eigentlich gar nicht mehr weitererzählen, denn irgendwie wurde ihm allein dadurch bewusst, was geschehen war. Kapitel 4: ----------- Kai schluckte. „Ano… das hat er wirklich getan?“ Aoi nickte und sein Blick wurde traurig, so dass Kai ihn einfach in den Arm nehmen musste. „Das tut mir echt leid.“ Nie hätte er gedacht, dass er so etwas von einem seiner Freunde zu hören bekommen würde, doch Aoi würde ihm ganz gewiss keine Lüge auftischen. Schon gar nicht, wenn er so niedergeschlagen war. Zudem hatten die letzten Wochen deutlich gezeigt, dass etwas vorgefallen war. Jetzt hatte er die Antwort auf seine Frage bekommen und irgendwie gefiel ihm diese absolut und gar nicht. Wie konnte man einem Menschen so etwas antun, wenn man diesen doch eigentlich liebte? War er nicht aus diesem Grund mit ihm zusammen gewesen? Sie hatten es so lange geheim gehalten und nun so etwas. Nein, da musste er dafür sorgen, dass Aoi wieder der Alte wurde und er nahm sich vor, das auch irgendwie hinzubekommen, egal wie. Nur zögerlich legte Aoi die Arme um Kai und ließ sich das erste Mal seit langer Zeit so richtig gehen. Es tat ihm wirklich gut, es nun einfach mal losgeworden zu sein. Ob er das wirklich gebraucht hatte? Mit niemandem hatte er darüber reden können und jetzt war Kai einfach hier und er fühlte sich so erleichtert und einfach schon viel besser. Allerdings verkniff er es sich, einfach loszuheulen. So viel Stolz wollte er sich dann doch noch bewahren. Das machte er dann doch lieber, wenn er allein war. Trotzdem war er dankbar, dass der Drummer ihm einfach zur Seite stand und ihn sogar ohne zu zögern umarmte. Aber irgendwie war das auch wieder typisch für ihn. „Danke, Kai.“, murmelte er dann doch leicht verlegen und löste sich wieder von ihm. Der Jüngere legte den Kopf schief und runzelte die Stirn. „Nicht danke, Aoi. Wir sind doch Freunde und nicht nur Kollegen. Ich bin froh, dass du mir das erzählt hast. Jetzt weiß ich, was passiert ist und ich hoffe, dass wir eine Lösung finden, um das in den Griff zu bekommen.“, seufzte er. „Ich meine, … keiner von uns möchte, dass die Band darunter leidet, aber in der letzten Zeit gab es doch so einige Schwierigkeiten deswegen. Das müssen wir ändern.“ Noch wusste er nicht, wie das gelöst werden sollte, denn er kannte sich mit solch einer Problematik innerhalb einer Band nicht aus, aber er würde sich auf jeden Fall Gedanken darüber machen. Irgendwas musste er finden. Allein schon, um Aoi wieder zu dem Mann zu machen, der er vorher war, denn da fand er ihn viel besser. Er war offener, fröhlicher und einfach ein wesentlich positiverer Mensch. Und genau den wollte er wieder zurückhaben. Uruha war erst einmal nebensächlich. Der verhielt sich ja fast schon normal. Was er übrigens nicht verstehen konnte. Ging es ihm so sehr am A… vorbei, was geschehen war? Hatte ihm das mit Aoi denn so wenig bedeutet? Das würde er noch mit ihm besprechen müssen. Auf alle Fälle. Er war immerhin der Leader der Band und er musste für Ruhe und Harmonie in der Band sorgen. „Ich wird mich dann aber jetzt erstmal nach Hause machen. Wir sehen uns dann morgen, okay?“ Leicht klopfte er ihm nochmals auf die Schulter und erhob sich dann vom Sofa. „Und lass den Kopf nicht hängen. Ganz ehrlich, wenn er so etwas abzieht, dann hat er dich nicht verdient. Was ihn da geritten hat, will ich gar nicht wirklich wissen, aber es war garantiert nicht die Vernunft.“ Kai griff nach der Bierflasche, die vor Aoi auf dem Wohnzimmertisch stand. „Und hör auf, dich zu betrinken. Das bringt gar nichts und macht die Sache nur noch schlimmer und nicht besser. Ich lad dich morgen Abend nach der Arbeit zum Essen ein und dann unternehmen wir gemeinsam was. Versprochen.“, schlug er vor. Er wollte einfach nicht, dass sich sein guter Freund wegen so einer Sache ständig einen hinter die Birne kippte. Das brachte niemandem etwas und am allerwenigsten Aoi selbst. Da blieb nur, ihn von dummen Gedanken abzubringen. „Wir sehen uns dann morgen pünktlich bei der Probe. Und vergiss dieses Mal nicht deine neue Gitarre. Die hast du immerhin nicht umsonst bekommen.“, zwinkerte er ihm noch zu, ehe er seine Tasche schnappte und in den Flur ging, um sich die Schuhe anzuziehen. Auch die Jacke war schnell übergeworfen. Den Gitarristen ließ er im Wohnzimmer sitzen. Er hatte ja schon viel von ihm verlangt und heute sollte er sich über nichts mehr Gedanken machen. „Bis morgen.“, rief er und verließ dann die Wohnung. Zurück blieb ein nachdenklicher Rhythmusgitarrist, der irgendwie nicht wusste, was er mit alldem jetzt anfangen sollte, was in der letzten Stunde geschehen war. Eine halbe Stunde später war Kai endlich zuhause, schmiss seine Tasche in die nächste Ecke und sich einfach auf das Sofa. Sein Kopf landete hinten gegen die Lehne und sein Blick wanderte gen Decke. Das Licht hatte er ausgelassen, denn er brauchte erst einmal ein paar Momente, um alles zu verdauen. Irgendwie war es schwer zu realisieren, dass die beiden Gitarristen seit so langer Zeit unbemerkt eine Beziehung hatten. Vor allem untereinander. Wieso war ihm das nie aufgefallen? Klar, der Fanservice war teilweise schon extrem, aber nie so, dass man mehr daraus hätte schließen können. Und wenn, dann müsste er sogar bei Ruki und Reita manchmal davon ausgehen, dass auch bei den beiden etwas lief. Na hoffentlich nicht! Noch so ein Drama konnte er nun wirklich nicht gebrauchen. Eine Katastrophe dieser Art war schon genug! Noch mehr und er würde durchdrehen. Jetzt musste er erst einmal herausfinden, wie er das Klima in der Band wieder ins Lot brachte. Dass Aoi sauer auf Uruha war, war verständlich, aber das konnte kein Dauerzustand bleiben. Und erst recht nicht, wenn Uruha sich der Sache so gleichgültig gegenüber verhielt. Ob er sich für das Verhalten überhaupt schon entschuldigt hatte? Vielleicht sollte er mal ein ernstes Wörtchen mit ihm reden, immerhin konnte er jetzt konkret sagen, worum es ihm ging. Nochmal würde er sich nicht abwimmeln lassen. Hier ging es um mehr. Er fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. War er froh, dass er keine Beziehung hatte. Das brachte nur Stress mit sich. Zudem hatte er auch gar keine Zeit dafür. Es war einfach nicht drin, auch wenn es sicherlich schön war, seine freie Zeit mit dem Menschen zu verbringen, der einem so nah stand. Aber das hier zeigte ihm deutlich, was wäre, wenn es in die Brüche ging. Nein, da blieb er lieber überzeugter Single und mit seiner Arbeit verheiratet, wie die anderen ihn immer neckten. Die konnte ihm wenigstens nicht fremdgehen, denn von allein würde die sich nicht erledigen. Bei dem Gedanken musste er schmunzeln. Ja, das war doch immer noch die beste Lösung. Kapitel 5: ----------- Nicht weit entfernt hockte noch immer ein ziemlich nachdenklicher Gitarrist auf seinem Sofa und betrachtete die Bierflasche, die noch immer dort stand, wo Kai sie zuvor hingestellt hatte. Seitdem der Drummer die Wohnung verlassen hatte, hatte er sie auch nicht mehr angerührt. Wieso eigentlich nicht? Dabei war ihm doch wirklich danach zumute gewesen, sich zu betrinken. Hatte der Leader schon so eine beruhigende Wirkung auf ihn, dass er allein durch eine Bitte dafür sorgte, dass er vom Alkohol abließ? Eigentlich ja nicht, denn sonst hatte das auch nie etwas gebracht. Oder lag es einfach nur daran, dass er sich endlich alles von der Seele hatte reden können? So wirklich glaubte er nicht daran, aber er verspürte auch nicht das Bedürfnis, den Rest der Flasche zu leeren. Stattdessen saß er hier und dachte über das nach, was Kai ihm gesagt hatte. Irgendwie war er ja schon süß, dass er sich so um ihn kümmerte und das nur, weil er Liebeskummer hatte. Okay, war das noch Liebeskummer? Eigentlich sollte er den Kerl echt in den Wind schießen. Er hatte ihn immerhin betrogen. Aber irgendwie hing er dann doch noch an ihm. Aber das Schlimmste daran war ja, dass Uruha noch nicht einmal zu bereuen schien, was er getan hatte. War er ihm denn nicht mehr genug? Oder war er einfach zu schlecht im Bett, dass er sich jemand anderen suchen musste? Genau das nagte so sehr an ihm. Aber er war sich auch irgendwie zu stolz, um den anderen Gitarristen genau diese Fragen zu stellen. So wirklich wollte er darauf keine Antwort haben. Seufzend schloss er die Augen und dachte an ihre Anfangszeit zurück. Es war wirklich toll gewesen. Klar, die Geheimnistuerei war nicht so toll, aber sie hatte auch ihren gewissen Reiz gehabt. Uruha war auch immer so lieb und total süß zu ihm gewesen. Es war einfach nur zu schön, um wahr zu sein gewesen. Und wenn er es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, hätte er niemals für möglich gehalten, dass Uruha ihn betrügen würde. Er wusste ja noch nicht einmal, wie lange das schon ging. Aber wollte er das wissen? Dann wäre er vermutlich nur noch enttäuschter von dem anderen. Das täte vermutlich nur noch mehr weh. So konnte er sich wenigstens vormachen, dass es nur das eine Mal war, auch wenn er sich sicher war, dass dem nicht so war. Dafür war DAS eindeutig zu vertraut gewesen, was da abgelaufen war. Wenn er aber mal so wirklich darüber nachdachte, war der Leadgitarrist noch nie ein Kind von Traurigkeit gewesen. Ob er sich überschätzt hatte, als er ihn an sich gebunden hatte? Doch war es nicht eigentlich Uruha selbst, der das hatte tun wollen? Oder war es nur ein Vorwand? „Maaah!“, platzte es aus ihm heraus und er fuhr sich mit beiden Händen durch das schwarze Haar. „Warum mach ich mir um den Kerl noch Gedanken!?“, grummelte er. Ja, das war eine verdammt gute Frage. Das mit Uruha war Geschichte und er sollte endlich damit abschließen. Uruha war kein Mann für Beziehungen, das war ihm dadurch nur noch bewusster geworden, auch wenn sie so lange ein Paar gewesen waren. Zumindest aus seiner Sicht. Er hätte sich einfach jemand anderen aussuchen sollen. Okay, ausgesucht hatte er sich Uruha ja auch nicht. Er konnte ja nichts dafür, wenn sich sein Herz einfach für den Typen entschied. Vielleicht hätte er einfach einen der anderen nehmen sollen, wenn es schon einer aus der Band sein musste. Das hätte ihm vermutlich weniger Herzschmerz eingebracht. Abermals seufzte er. Er machte sich schon wieder viel zu viele Gedanken. So erhob er sich, griff nach seinem Bier und spazierte auf seinen kleinen Balkon. Dort schnappte er sich die Zigaretten, die griffbereit lagen. Das brauchte er jetzt. Schnell war sie zwischen seine Lippen geklemmt und angezündet. Genüsslich sog er den Rauch ein und stieß ihn wieder aus. Das tat gut. Klar, war ungesund, störte ihn aber recht wenig. Entspannt lehnte er sich an das Geländer und hob die Flasche an seinen Mund, um einen kleinen Schluck zu nehmen. Er wollte das Bier dann doch nicht verkommen lassen, auch wenn Kai gemeint hatte, er solle sich nicht besaufen. Bei dem Gedanken musste er schmunzeln. Ja, Kai, der Gute. Die absolute Bandmama. Er machte sich echt immer Gedanken. Abermals hob er die Flasche. „Auf dich, Kai-san.“, grinste er und leerte sie dann in einem Zug. Vielleicht hätte er sich einfach in die Bandmama vergucken sollen. Mit Kai wäre das sicher alles viel einfacher. Kai traute er einen Seitensprung einfach nicht zu. Natürlich sagte man immer, dass stille Wasser tief seien und vor allem dreckig, aber doch nicht Kai. Der war viel zu lieb für diese Welt. Zumindest in seinen Augen. Okay, als Leader konnte er auch richtig gemein sein und das hatte er ihnen schon oft gezeigt. Aber er ging jetzt eher von dem privaten Kerl aus. Das hatte er ihm ja eben auch gezeigt. Der Gedanke war irgendwie witzig. Kai und er? Nee, das ging doch nicht. Kai stand absolut auf Mädels und das wusste jeder. Da war Reita noch mehr bi als Kai. Da war er sich absolut sicher. Dennoch wäre es echt eine Herausforderung, zu sehen, wie der Drummer auf solche Annäherungen reagieren würde. Süß war er auf jeden Fall und von seinem Körper sprach er mal lieber nicht. Der Kerl konnte sich wirklich sehen lassen. Also wenn man so von dem ausging, was er zu bieten hatte, war ihr Drummer ein absoluter Glücksgriff. Allerdings war dieser Typ verdammt schwer zu erobern. Aber… wollte er ihn überhaupt erobern? Er hatte gerade erst eine Enttäuschung hinter sich. Lieber sollte er sich erst einmal mit seinem Singleleben anfreunden und es auskosten. Das wäre vermutlich viel besser für ihn. Aber die Einladung zum Abendessen bei Kai würde er sich definitiv nicht entgehen lassen. Die bekam immerhin nicht jeder. Das war doch schon mal ein Grund mehr, sich auf den nächsten Tag zu freuen. Da überstand man die Probe mit seinem Ex doch gleich viel leichter, wenn man die Aussicht auf ein leckeres, selbstgekochtes Essen von und mit Kai hatte. Und genau das zauberte ihn an diesem Tag zum ersten Mal ein ehrliches Lächeln auf die Lippen. Kapitel 6: ----------- Es war vermutlich ganz gut, dass der Leader nichts von den Gedankengängen des anderen ahnte. Wer wusste schon, was er sonst mit ihm angestellt hätte. Begeistert wäre er sicherlich nicht. Kai war immerhin froh darüber nicht in so einem Drama gelandet zu sein, in welchem sich Aoi gerade befand. Liebe und Beziehungen waren einfach nicht sein Ding. Viel zu kompliziert und anstrengend. Außerdem sah man ja, in was für einem Dilemma man am Ende steckte. Und jetzt musste er dafür sorgen, dass die Band mit dieser Misere auch zurechtkam. Alles andere wäre eine Katastrophe. Aoi und Uruha waren immerhin einer der Hauptparts auf der Bühne. Ihr Zusammenspiel war von entscheidender Bedeutung. Nicht nur auf der Bühne. Auch bei der Ausarbeitung von Songs. Es hing also viel davon ab, dass er die Zwei wieder auf ein normales Niveau brachte. Wenigstens so weit, dass sie wieder miteinander redeten und sich wie Kollegen verhielten. Die große Quizfrage war nur… Wie sollte er das auf die Reihe kriegen? Mit diesem Gedanken verbrachte er dann auch den restlichen Abend und die halbe Nacht, bis er irgendwann eingeschlafen war. Am nächsten Morgen hatte er dementsprechend kleine Augen und tapste sich am Bauch kratzend in Richtung Küche. Er brauchte definitiv einen extra starken Kaffee, wenn er den Tag überleben wollte. Und eine Lösung war noch nicht wirklich in Sicht. Bisher war er nur zu dem Entschluss gekommen, mit Uruha reden zu müssen. Joar, das hätte aber sicherlich auch jeder andere an Erfindungsgeist gehabt. Also genial war diese Idee noch nicht. Da musste schon noch etwas mehr her, um die ultimative Lösung zu sein. Die Frage war halt, wie er Uruha dazu brachte, Aoi zu erklären, warum er so einen Mist gemacht hat. Aber dann musste er ja auch hinbekommen, dass Aoi dem anderen überhaupt zuhörte. Also eigentlich war es ein doppeltes Problem. Vielleicht war es aber auch erstmal von Bedeutung, rauszubekommen, warum der Leadgitarrist das überhaupt gemacht hatte. Schon so viele Gedankengänge und noch nicht einmal die Kaffeemaschine in Gange geschmissen. Jetzt wunderte er sich echt, dass er überhaupt Schlaf bekommen hatte. Oder sollte er sich lieber glücklich schätzen? War ja auch egal. Heute musste er einen Schritt vorwärtskommen, denn noch so eine Nacht und er wäre der Tod auf Latschen. Er kannte ja fast schlaflose Nächte, aber die waren dann eher mit Arbeit gefüllt und nicht mit Lösungsfindungen für Beziehungsprobleme seiner Bandkollegen. Seufzend befüllte er die Kaffeemaschine mit dem dunklen Pulver und betätigte dann den Knopf, um dann auch schon das erfreuliche Gluckern zu vernehmen. Nicht mehr lange und er konnte endlich den Muntermacher zu sich nehmen. Klar, so eine kleine Kapselmaschine wäre jetzt praktisch, aber der Kaffee schmeckte einfach nicht, wie richtiger Kaffee. Und jetzt brauchte er extra starken. Während das Gebräu so langsam durch den Filter in die Kanne lief, marschierte er noch einmal fix ins Badezimmer, um sich zu erleichtern, frisch zu machen und dem komischen Ding im Spiegel einen guten Morgen zu wünschen. Den da drin musste er später echt noch ein ansehnliches Äußeres verpassen, wenn er damit auf die Straße wollte. Er erkannte sich ja noch nicht einma selbst da drin. Schon gruselig. Schnell war noch etwas Wasser ins Gesicht geklatscht und die Haare nach hinten gestrichen, bevor er wieder das Bad verließ. Sofort kam ihm der frische Duft von Kaffee entgegen. Oh ja, schnell einen Kaffee und dann hoffentlich etwas mehr Elan für den Tag. Er war ja sonst kein Morgenmuffel, aber heute wäre er am liebsten noch einmal ins Bett gewandert. Ging nur leider nicht. Zufrieden stellte er fest, dass in der Kanne schon genug für einen großen Becher war. Ohne zu zögern zog er die Kanne aus der Maschine und füllte sich den größten Kaffeebecher, den er im Hause hatte mit dem dunklen Gebräu. Genüsslich sog er den Duft ein, stellte die Kanne zurück und tapste mit seinem Muntermacher auf seinen kleinen Balkon. Sofort wurde ganz leicht am Becher genippt. „Mmmmh…“, seufzte er zufrieden und ließ sich auf seinen kleinen Stuhl sinken. Der Kaffee tat gut. Jetzt würde es ihm gleich viel besser gehen. Und der Kaffee verfehlte seine Wirkung nicht. Nachdem er tatsächlich seine 20 Minuten auf dem Balkon seinen Kaffee genoss und seine Müdigkeit langsam verflog, kam auch sein sonniges Gemüt wieder. Er nahm sich vor, heute die Sache mit Uruha unbedingt zu klären und wenn er da endlich Bescheid wusste, dann würde er sich daranmachen, zwischen den beiden Gitarristen zu vermitteln. Und vielleicht war das auch alles nur ein Missverständnis und die beiden fanden doch wieder zueinander, so dass sich das alles in Wohlgefallen auflösen würde. Wäre doch eigentlich die allerbeste Lösung und vor allem die einfachste. Also die Zuversicht sprudelte gerade nur so aus ihm heraus. Und genau das war es, was ihn mit einem fröhlichen Grinsen an diesem Morgen zur Arbeit gehen ließ. Er war hochmotiviert und voller Tatendrang. Kapitel 7: ----------- Gerade betrat er den Proberaum, als ihm erneut etwas entgegenkam, womit er nicht rechnete. In letzter Sekunde konnte er dem Wurfgeschoss ausweichen, indem er sich duckte. Blinzelnd drehte er sich zu dem Gegenstand um, der nun über ihm durch die geöffnete Tür flog und an die Wand im Flur knallte. Zu seinem Entsetzen musste er feststellen, dass es auch noch einer seiner Drumsticks war, die mit Ach und Krach zum Wurfgeschoss degradiert wurden und dann dadurch auch noch zerstört wurden. Zuerst seufzte er und wandte sich wieder in die Richtung, aus dem sein Stick geflogen gekommen war. Langsam fiel die Tür hinter ihm ins Schloss. Ohne ein weiteres Wort stapfte er auf den Tisch zu, stellte seine Tasche darauf ab und begann, selenruhig seine Papiere und seinen Rechner auszupacken. Es war ja schon erstaunlich, dass die anderen alle anwesend waren, aber er fand es viel schlimmer, dass sich die Szene von vor Wochen nun ein weiteres Mal wiederholte. Hatte er zuvor noch recht gute Laune gehabt, war diese nun wieder im Keller gelandet. Nachdem alles auf dem Tisch lag, wanderte die Tasche neben das kleine Sofa, auf dem sich der Leader niederließ. Sein Blick schweifte von einem zum anderen, denn alle Blicke lagen auf ihm. Die Jungs ahnten wohl schon, was jetzt auf sie zukam. „Könnte mir mal bitte jemand erklären, was dieser Mist schon wieder sollte?“, brummte Kai. Als Allererstes wollte er erst einmal den Übeltäter ermitteln, der es wagte, ihn mit einem seiner eigenen Sticks zu attackieren. Den Rest klärte er im Anschluss. Ein Schweigen folgte, bis Ruki die Augen verdrehte und sich Kai gegenüber auf das zweite kleine Sofa fallen ließ. Genervt von der Situation verschränkte er die Arme vor der Brust und überschlug die Beine. Absolute Abwehrhaltung. Das kannte Kai schon. Aber scheinbar gab es da etwas, dass auch ihrem Vocal nicht in den Kram passte. Na dann raus mit der Sprache. „Mich regt die ganze Sache einfach auf.“, knurrte der Jüngste unter ihnen. Kai legte den Kopf schief. „Ach, und welche?“, wollte er auch gleich wissen. Ohne ein Wort zu sagen, ob Ruki die Hände und zeigte mit beiden in entgegengesetzte Richtungen. Eine deutete auf Uruha und die andere auf Aoi. Der Drummer folgte Rukis Zeichen und wusste sofort, was gemeint war. Dennoch seufzte er und lehnte sich zurück. „Und das ist ein Grund, mit Gegenständen um sich zu schmeißen?“ „Das war ich nicht, das war Uruha.“, verteidigte sich der Kleinste und zog eine Schnute. „Ja, weil du dein verdammtes Maul nicht halten kannst und es einfach nervt, wenn du von Sachen laberst, von denen du keine Ahnung hast. Also halt dich einfach raus.“, pöbelte der Gitarrist auch schon los. Kai runzelte die Stirn. Also mit so einer heftigen Reaktion seitens Uruha hatte er nun nicht gerechnet. „Jungs!“, ermahnte der Leader. „Ich weiß, dass es im Moment einfach schwer ist, aber sowas macht jede Band mal durch.“ Na hoffentlich nicht, dachte er sich so. Dennoch musste er versuchen, dass sie sich alle zusammenrissen, damit diese Sache nicht zu einem Scheitern der Band beitrug. Das wollten sie garantiert alle nicht. „Das wird sich alles schon wieder in die richtigen Bahnen bewegen, es braucht nur einfach Zeit und Geduld von unserer Seite aus. Und jetzt hört auf, euch diese fiesen Blicke zuzuwerfen. Das bringt alles nichts.“, seufzte er. Automatisch wanderte sein Blick zu Aoi, der ziemlich niedergeschlagen aussah. Ihn schien das echt fertig zu machen. Na den würde er heute mit zu sich nehmen und dann würde er ihm ein leckeres Essen kochen. Da hatte er jedenfalls zugesagt. „Und jetzt lasst uns proben.“, bestimmte er und reichte jedem einen Zettel. Der war vom Management. „Nächsten Monat stehen ein paar Interviews an. Sucht euch aus, zu welchem ihr wollt und nachher planen wir dann, wer mit wem wo hingeht, damit ich die Zusagen verteilen kann. Und für dich steht in vierzehn Tagen ein Partnershooting mit Aoi an. Es geht um ESP.“, wandte er sich an Uruha. „Reiß dich dieses Mal aber zusammen.“, fügte er mit ernstem Ton und einem mehr als wissendem Blick hinzu. „In der Pause muss ich mit dir reden.“ Uruha runzelte die Stirn. Er schien sich wohl zu fragen, worum es ging. War ihm aber egal. Er musste die Sache klären. Allein, um Aoi Erleichterung zu verschaffen und wieder den alten Gitarristen hervorzulocken. Er musste wieder lockerer werden. Eben einfach der Aoi, den sie kannten. So wie jetzt konnte es einfach nicht bleiben. Und Uruha schien durch die Aktion eben auch nicht sonderlich gut drauf zu sein. Damit beendete er das Vorgeplänkel und startete die Probe. Er nahm heute auch keinerlei Rücksicht, wie er es die Male zuvor getan hatte. Er kannte nun den Hintergrund für das Verhalten zwischen Uruha und Aoi. Das sollte aber nichts daran ändern, wie sie sich auf der Bühne und allgemein in der Band verhielten. Sie hatten vorher gewusst, was eine Beziehung innerhalb der Band für ein Risiko birgt und trotzdem hatten sie sich darauf eingelassen. Klar, Aoi tat ihm unheimlich leid. Er konnte Uruhas Tat nicht gutheißen, aber das mussten die beiden klären. Er konnte lediglich einen Schubs geben. Einen, der hoffentlich etwas brachte. Nach knapp zwei Stunden schlug er die erste Pause für diesen Tag vor. Ruki und Reita verschwanden sofort. Rukis Lunge schrie auch gleich nach einer neuen Ladung Teer. Da ließ sich Reita nicht lange bitten, ihm zu folgen. Aoi war etwas zögerlicher und Uruha wollte gerade den Raum verlassen, als Kai ihn gleich zurückpfiff. „Uruha! Du bleibst hier!“ Der Brünette zuckte zusammen und drehte sich zum Drummer. „Muss das jetzt sein? Ich hab Pause.“, murrte er. „Ja, muss es.“, bestimmte Kai und deutete auf das Sofa. Nur widerwillig folgte Uruha der Aufforderung und setzte sich. „Und was kommt jetzt? Willst du mich zusammenscheißen, weil ich dich fast mit deinem blöden Drumstick getroffen habe? Oder weil ich Ruki angeschnauzt habe, dass er sich aus meinen Sachen raushalten soll?“, spekulierte der Gitarrist. Kai lachte daraufhin nur. „Wenn es man nur das wäre. Der Stick ist leicht zu ersetzen. Getroffen hast du mich nicht und Ruki kann sowas auch mal gebrauchen. Nein, es geht um etwas ganz anderes.“ Uruha sah ihn verwirrt an. „Und um was?“ Kai seufzte und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar, bevor er anfing. „Es geht um die Sache zwischen Aoi und dir. Ich weiß davon und ich möchte, dass ihr das klärt. Nicht nur, weil es zwischenmenschlich ein absolut arschiges Verhalten von dir war und ist. Nein, auch weil es enorme Auswirkungen auf die Band hat. Und bevor du mich jetzt unterbrichst, werde ich dir jetzt sagen, was ich von dir will.“ Der Blick des Drummers wurde mehr als ernst. „Ich weiß, dass ihr über Jahre ein Paar wart. Ich weiß, was du getan hast. Ich weiß, dass es noch immer zwischen euch steht. Und ich will, dass du dich wenigstens für dieses beschissene Verhalten bei ihm entschuldigst und ihm erklärst, warum du diesen Mist überhaupt getan hast. Als Freund und Kumpel hätte ich dir dafür wahrscheinlich mächtig den Marsch geblasen, aber als Bandkollege möchte ich nur, dass die Sache nicht zwischen euch steht und die Band belastet. Ihr sollt nicht wieder ein Paar oder beste Freunde werden. Das verlange ich gar nicht. Es geht nur darum, dass das Klima wieder stimmt. Keine Ahnung, ob er dir das jemals verzeihen kann, aber das ist auch nicht wichtig. Er soll nur endlich wissen, was in deinem Kopf vor sich ging, um dem Menschen wehzutun, der dich geliebt hat. Ich hätte dich niemals für so einen Typen gehalten, aber ich verurteile dich nicht dafür. Vielleicht hattest du deine Gründe, vielleicht auch nicht. Geht mich soweit auch nichts an. Aber ich lasse nicht zu, dass die Band daran zerbricht.“ Uruha lauschte den Worten Kais bis zum bitteren Ende und fuhr sich dann selbst durchs Haar. Kurz schwieg er, ehe er ihn doch etwas traurig anlächelte. „Weißt du… Es geht dich eigentlich wirklich nichts an und… ja, ich habe meine Gründe oder besser einen Grund. Willst du wissen, welcher das ist?“ Kai runzelte nun die Stirn. So viel wollte er davon gar nicht wissen und doch nickte er unbewusst. „Ich habe es getan, weil Aoi sich gar nicht bewusst ist, dass er eigentlich jemand anderen liebt und nicht mich. Schon seit langer Zeit ist das so und er hat es noch immer nicht wirklich begriffen. Ich wusste nie, wie ich es ihm sagen sollte und hab so einfach versucht, ihn von mir zu stoßen. Ich hatte gehofft, dass er sich so endlich klar wird, dass er doch einen ganz anderen liebt, immerhin fiel der Name so oft, wenn wir intim waren, wenn er im Schlaf gesprochen hat. Ich hab einfach versucht, ihn auf diese Weise dazu zubringen, mich zu hassen.“ Jetzt war Kai total verwirrt. „Wie jetzt? Und in wen ist Aoi dann tatsächlich verliebt, wenn nicht mehr in dich?“ Das rückte das alles irgendwie in ein völlig neues Licht. Mit so etwas hatte er nun ganz und gar nicht gerechnet. Uruha schmunzelte und zeigte dann einfach nur noch mit dem Finger auf sein Gegenüber. „In dich.“ Kapitel 8: ----------- Völlig verdattert starrte er den anderen an und musste erst einmal durchdringen lassen, was ihm da gerade gesagt wurde. Aoi war in ihn verliebt? Bitte was?! Wie kam Uruha denn auf diesen Blödsinn? Nie und nimmer! So wie Aoi auf dem Sofa gekauert hatte, hing der Kerl noch viel zu sehr an dem Mann, der hier vor ihm stand. Heftig schüttelte er den Kopf. „Du spinnst!“, war das einzige, was ihm einfiel. „Glaub bloß nicht, dass ich dir den Schwachsinn abkaufe! Das is doch bloß ne Ausrede, damit dir keiner einen Strick aus deiner Tat dreht.“, murrte der Drummer. Also er hatte ja schon vieles zu hören bekommen, aber das war echt die Krönung. Uruha dachte wohl echt, er wäre total bescheuert. „Du hast es geschafft, dass er dich auf gewisse Weise hasst, aber er liebt dich immer noch. Und jetzt hör auf, mich für blöd zu verkaufen. Rede mit ihm, damit sich das innerhalb der Band nicht noch mehr ins Negative steigert. Und komm bloß nicht auf die bekloppte Idee, ihm auch diesen Müll auf die Nase binden zu wollen.“, seufzte er und wandte sich dann wieder ab. Die Pause war immerhin gleich vorbei und er wollte nicht, dass Reita und Ruki auch noch Wind von der Sache hier bekamen. Reichte, wenn sie drei jetzt mit dem ganzen Mist zu tun hatten. Er fragte sich eh, wo Aoi geblieben war, hatte dieser doch zu Beginn seines Gespräches mit Uruha noch im Raum gestanden. Vielleicht wusste er, was passieren würde, und war vorsichtshalber einfach gegangen. Jetzt war er froh drum, denn das, was Uruha von sich gegeben hatte, war einfach nur absoluter Blödsinn gewesen. Aoi und in ihn verliebt. Noch größeren Müll hätte der Gitarrist echt nicht von sich geben können. Es dauerte auch keine zwei Minuten mehr, da betraten die anderen auch schon den Raum. Ruki und Reita bequatschten wieder irgendwas und Aoi sah ziemlich niedergeschlagen aus. Aber das tat er in letzter Zeit ja eh. Leider konnte er als Leader nicht immer darauf Rücksicht nehmen und sie mussten als Band weitermachen, damit ihre Karrieren nicht darunter litten. Allerdings war das nicht so leicht, jetzt wo er wusste, was geschehen war. Aoi bemitleidete er und Uruha wünschte er wegen seinem Verhalten insgeheim doch ein wenig die Pest an den Hals. In seinen Augen tat man sowas keinem Menschen an, den man liebte. Das war das Allerletzte, wie er fand. Trotzdem musste er die Haltung wahren und neutral bleiben. Er durfte weder dem einen noch dem anderen den Vorzug geben. Beide waren gleichwertige Mitglieder der Band und diese Beziehungskiste mussten sie unter sich klären, auch wenn er ein wenig mithelfen wollte, dieses Problem aus dem Weg zu räumen. „Sag ma, Kai. Wegen diesen Terminen da. Hast du da ne bestimmte Vorstellung oder is das völlig Banane, wer wann mit wem da einen wahrnimmt?“, meldete sich Ruki zu Wort und wedelte mit seinem Zettel in der Hand. „Hab da nämlich mal drüber geschaut und gesehen, dass das doch ganz schön viele sind in nächster Zeit. Ich will ja nicht meckern, aber du weißt schon, dass ich noch viel mit dem nächsten Merch zu tun habe und noch ein paar Songs auf das Finish warten.“ Was hatte er eigentlich erwartet? Dass es reibungslos und ohne Meckern abläuft? Das wäre zu viel des Guten gewesen. Seufzend nahm er sich seinen Zettel in die Hand und ging die Liste durch. Er hatte sich zuvor schon ein paar Notizen gemacht, weil er insgeheim ja doch damit gerechnet hatte, dass so etwas von dem ein oder anderen kommen könnte. „Gut, wenn dir das nicht passt, dann bekommst die folgenden Termine.“ Und schon drückte er ihm einen Stift in die Hand und zählte ihm auf, was er sich für Ruki notiert hatte. Am Ende grinste er ihn frech an. „Lass dich dann einfach überraschen, wer mit dir diese Termine hat. Die anderen können sich die anderen dann gern unter sich aufteilen.“ Dann sah er sich in der Runde um. „Oder ist noch jemand ohne Fahrschein? Kein Problem. Notfallplan liegt für jeden vor, aber ich dachte, dass ihr das vielleicht gern allein unter euch ausmachen wollt.“ Von Ruki kam nur ein gediegenes Grummeln, ehe er seinen Zettel wegsteckte. Na toll, er hatte seine Chance verspielt. Hätte er mal nur die Klappe gehalten. Neben Reita und Uruha, sah auch Aoi ihren Drummer geschockt an. War Kai vorhin noch recht gut drauf, schien er jetzt schlecht drauf zu sein. Was war denn passiert? Hatte das Gespräch mit Uruha etwa was ergeben, was ihm nicht gefiel? Hatte Uruha ihm was erzählt, was dazu führte, dass er vielleicht sauer auf sie war? Musste er jetzt auch mit irgendwas rechnen von Seiten des Drummers? Irgendwie war es ein komisches Gefühl. Dennoch wagte er es, den anderen anzusprechen. „Ano… mir ist es eigentlich egal. Wenn du was hast, dann würde ich die Termine gerne übernehmen. Habe in nächster Zeit auch nix geplant, da passt das dann schon.“ Kais Blick wanderte zu Aoi und wurde wieder etwas sanfter, er lächelte sogar etwas und nickte dann. „Okay, ich geb sie dir nachher.“ Mit Aoi hatte er schließlich noch eine Verabredung, wenn er sich recht entsann. Immerhin wollten sie zusammen etwas kochen oder eher er den Älteren bekochen, denn Aoi war nicht wirklich DER Koch. Reita maulte. „Warum fragst du uns denn, wenn du eh alles schon geplant hast?“, murrte der Bassist. Kai verdrehte die Augen. „Weil ich weiß, dass ihr wieder meckert, dass ihr dann und dann was vorhabt und ich euch doch hätte fragen sollen. Jetzt geb ich euch die Chance und es passt wieder nicht?“ Ein Seufzen folgte. „Sprich dich mit Uruha und Ruki wegen der Termine ab, die hier draufstehen.“ Er übergab dem Blonden seine Notizen und setzte sich dann einfach auf das Sofa im Proberaum. „Ich geb derweil Aoi seine Termine.“ Damit wandte er sich an den Rhythmusgitarristen und winkte ihn zu sich. Die anderen würden sich schon einig werden. Als Aoi dann bei ihm saß und auf seinen Zettel sah, sprach Kai dann aber etwas anderes an. „Bleibt es denn bei nachher? Oder hast du was anderes vor?“ Er sprach leise, wollte nicht unbedingt, dass die anderen gleich wieder von allem etwas mitbekamen. Er hoffte, dass Aoi sich heute noch daran erinnerte, was sie abgemacht hatten. Der Blick des Älteren sprach Bände und der Drummer musste grinsen. „Na das Abendessen, du Keks.“ Leicht buffte er ihm gegen die Schulter. „Ich hab dich nicht umsonst eingeladen. Das war mein Ernst und die Einladung steht noch immer. Also? Sag ja und komm nachher einfach mit. Du hängst sonst nachher nur wieder mit nem Bier allein vor deiner Glotze, richtig?“ „Wie gut du mich doch kennst…“, murmelte Aoi daraufhin ein wenig verlegen. Er hatte nicht damit gerechnet, dass er nach Kais Stimmungswechsel tatsächlich noch den Abend mit diesem verbringen würde. Aber der Drummer war eben doch immer für eine Überraschung gut. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)