Die Erben von NiOniOn (Buch Eins: ANBU) ================================================================================ Kapitel 1: Schicksalsnacht -------------------------- Es war weit nach Mitternacht und der Mond war bereits im Begriff hinter dem Wald am Horizont unterzugehen. Dennoch hatte Uchiha Makani noch keine einzige Minute Schlaf finden können. Mit unaufhörlich kreisenden Gedanken starrte sie zu dem Erdtrabanten empor, der durch die geöffnete Tür zur Veranda einen Lichtstreifen auf ihren Futon warf. Normalerweise beruhigte es sie, völlig unbewegt dem kontinuierlichen Rauschen der zahllosen Energieströme zu lauschen, die die Natur um sie herum am Leben hielten, doch heute wollten ihr die Ereignisse der vergangenen Tage einfach keine Ruhe für derartige Muße lassen. Seit knapp zwei Monaten war sie nun bei der ANBU, der Attentäter-Einheit ihres Dorfes. Dieser Aufbruch in ein neues Kapitel ihres Lebens, hätte, wenn er normal verlaufen wäre, der jungen Chunin eigentlich schon genug neue Eindrücke bescheren sollen, um nachts aufgewühlt wach zu liegen. Doch als normal konnte man die Geschehnisse der vergangenen Wochen wirklich nicht bezeichnen – selbst für die Arbeit in einer geheimen Spezialeinheit nicht. Irgendetwas hatte von Anfang an nicht gestimmt. Makani war einigen Ungereimtheiten, die ihr begegnet waren, nachgegangen, zum Teil ohne es zu wollen. Am Ende hatte sie wohl mehr gesehen, als gut sein konnte. Auch wenn das meiste ihr weiterhin Rätsel aufgab. Das traurige Ergebnis dieser ersten Monate war nun, dass sie mit ihrem neuen Team zwar noch keine einzige wirkliche Mission bestritten hatte, einer ihrer Kameraden aber dennoch bereits tot war. Der Anführer des Teams hingegen wurde verdächtigt, ein Mörder zu sein, und über diese blutige Tragödie begann sich nun eben jene Familie zu zerfleischen, in der Makani seit knapp fünfzehn Jahren lebte. Obwohl sicher schon viel weniger dramatische Anlässe ausgereicht hätten, um die fragile Harmonie innerhalb dieser kampfwütigen, misstrauischen Sippschaft zu zerstören. Es war eher merkwürdig, wie vergleichsweise ruhig sich alle verhielten. Es musste an der Ungeheuerlichkeit der Geschehnisse liegen, die die gesamte Gemeinschaft im Kern erschüttert hatte. Und was war mit ihr? Sie war Beobachterin wie immer, oder? Dieses Dasein hatte sie zur Perfektion gebracht, sowohl beruflich als auch privat. Makani lächelte sarkastisch an die Zimmerdecke. Es hatte durchaus Vorteile, nicht wirklich dazuzugehören, keine wirkliche Uchiha zu sein. Sie wusste genau, wie schwer die Bürde des roten Fächers wiegen konnte. Gerade die vergangenen Wochen hatten ihr das mehr als deutlich vor Augen geführt. Und doch – dies war ihr Zuhause. Wenn der Schutz, den der Clan ihr gewährte, Risse bekam, betraf sie das natürlich. Besonders wenn die Bruchstelle ausgerechnet von jenen wenigen Mitgliedern ausging, die ihr etwas bedeuteten. War das tatsächlich so? Ja, lautete die schlichte Antwort. Ihre Teamkameraden waren wichtig für sie geworden. Sie hatten sie gesehen und auf gewisse Weise sogar anerkannt, mehr noch – Makani spürte wie jenes Gefühl nach ihr zu greifen drohte, dem sie sich seit einigen Tagen verzweifelt zu entziehen versuchte: Bedauern, Enttäuschung, Trauer. Es hätte gut werden können – hätte. Was war nur geschehen? Sie setzte sich ruckartig auf und schlug die Hände vor das Gesicht. Es hatte keinen Sinn, immer und immer wieder darüber nachzugrübeln. Entschieden warf sie die Decke zurück und schlüpfte lautlos aus ihrem Zimmer hinaus. Auf dem Flur hielt sie inne und lauschte für einen Moment dem Schnarchen Uchiha Tekkasund dem regelmäßigen Atmen seiner Frau Kyoko, dann lief sie weiter in die Küche. Sie griff sich einen der Pfirsiche, die in einem Korb bei der Tür standen, und setzte sich damit ans Fenster. Wenn sie etwas aß, würde sie besser schlafen könne, das war meistens so. Sie nahm einen Bissen und starrte hinaus in die Dunkelheit. Kein Licht war zu sehen. Ob sie die einzige im Clan war, die keinen Schlaf fand? Der Familienrat hatte bis spät in den Abend getagt, wie eigentlich jeden Abend in der letzten Zeit. Sie hatten sich trotzdem wieder nicht einigen können, das hatte sie Tekka sofort angesehen, als dieser nachhause gekommen war. Kein Wunder! Das Machtgefüge war nachhaltig aus der Balance geraten. Es würde wohl noch dauern, bis die internen Kämpfe soweit ausgefochten waren, dass entschieden würde, wie man weiter verfahren sollte – mit ihm. Makani wollte die Frucht gerade wieder zum Mund führen, als sie plötzlich mitten in der Bewegung erstarrte. Sie blickte angestrengt in den nur spärlich vom Mond beleuchteten Garten. Sie spürte mehr, als dass sie es sah: eine schnelle Bewegung an der Ecke des gegenüberliegendes Hauses, das Blitzen von Metall und – eine Maske? Jäh bestätigte ihr das kaum merkliche Aufflackern einer ihr wohl bekannten Präsenz ihren ersten Verdacht. Es war nicht gut, wenn er hier in der Nacht herumschlich. Sie misstrauten ihm doch ohnehin schon alle. Und was machte er überhaupt hier? Sein Haus stand doch  ganz am anderen Ende des Viertels. Vielleicht war er über einen Umweg aus dem Dorfzentrum oder der ANBU-Zentrale gekommen? Nun konnte Makani die dunkle Gestalt deutlich sehen. Sie stand etwa hundert Meter entfernt auf dem Weg, der zu ihrem Haus und dahinter zum Trainingsgelände führte, und zeichnete sich gegen das Mondlicht ab. Sie schien zum Haus hinüber zu sehen oder sah sie etwa Makani an? Das konnte nicht sein, es war absolut dunkel im Haus. Es sei denn – Der Kunoichi lief ein Schauer über den Rücken, denn sie meinte, die Augen der Gestalt kurz rot aufblitzen zu sehen, als sich diese plötzlich wieder in Bewegung setzte. In gemessenen Schritten kam sie näher, betrat den Garten und bewegte sich schließlich zielsicher auf die Eingangstür zu. Makani hielt den Atem an. Was hatte das zu bedeuten? Aus einem Reflex heraus synchronisierte sie ihr Chakra und alle anderen Körperfunktionen augenblicklich mit der Umgebung und verschmolz eben in jenem Augenblick nahtlos mit der Dunkelheit, als ihr Team-Leader Uchiha Itachi das Küchenfenster mit kaum drei Metern Abstand passierte. Er trug seine ANBU-Kleidung, aber die Maske hatte er heruntergezogen, sodass sie an der Seite seines Kopfes um seinen Hals hing. Er hatte das Katana gezogen und seine Augen leuchteten in tiefem Rot.   Eine unbestimmte Furcht ergriff Makani, doch ihr jahrelanges Training half ihr, Ruhe zu bewahren. Sie würde herausfinden, was hier vor sich ging. Lautlos und beinah unsichtbar durchquerte sie die Küche mit wenigen Schritten und betrat wieder den Flur, blieb dort aber in einer Ecke ganz nah an die Wand gepresst stehen. Sie versuchte sich zu konzentrieren, um ihren Herzschlag und ihren Atem zu beruhigen bis diese schließlich kaum mehr vorhanden, geschweige denn von anderen Personen wahrzunehmen waren. Es war schwieriger, in einem Haus unsichtbar zu werden als in der freien Natur. Die Energien der toten Materialen um sie herum waren träge und schwer zugänglich, doch sie durfte sich hier keine einzige Ungenauigkeit erlauben, nicht wenn sie von Itachi, einem Sharingan-Träger, unentdeckt bleiben wollte. Blitzschnell formte sie eine Abfolge Fingerzeichen, betete, dass ihr Chakra für die Illusion ausreichen würde, und beobachtete dann völlig unbewegt die Eingangstür am anderen Ende des Flures. Einige Sekunden verstrichen, die Makani wie eine Ewigkeit erschienen. Kurz überlegte sie, ob Itachi wieder fort gegangen war, doch ihre selbst für eine Kunoichi überdurchschnittlich ausgeprägten Sinne ließen sie erahnen, dass er direkt da draußen vor der Tür stand. Er mochte sein Chakra perfekt unterdrücken, aber es gab andere Zeichen, die auf die Anwesenheit einer Person schließen ließen. Das vergaßen viele Ninja nur, weil die meisten dafür ohnehin kein Gespür hatten. Was immer er vorhaben mochte, warum zögerte er? Das war nicht seine Art, oder? Dann sah Makani schließlich doch, wie sich die Tür langsam öffnete. Wenige Sekunden später stand Itachi mitten im Flur und starrte die Tür zum Schlafzimmer von Tekka und Kyoko an. Die feinen blassen Züge seines eher länglichen Gesichts waren völlig ausdruckslos, doch seine stechenden Augen schienen sich buchstäblich durch den Shōji vor ihm zu bohren. Die Kunoichi, die sich einige Meter entfernt in den Schatten verbarg, schien er nicht zu bemerken. Wollte er hier etwa spionieren oder Tekka zur Rede stellen? Dieser stand schließlich ganz offen dazu, dass er ihn für Uchiha Shisuis Tod verantwortlich machte und ihn am liebsten sofort aus dem Clan verbannen wollte. Doch ihr Gefühl sagte ihr, dass nichts davon zutraf. Unwillkürlich ertönte eine Stimme in ihren Gedanken und Makani riss voller Entsetzen die Augen auf. Es waren Worte, die sie vor wenigen Tagen vernommen hatte, obwohl sie ganz und gar nicht für ihre Ohren bestimmt gewesen waren. Sie hatte sie nicht wirklich verstanden, doch nun schienen sie sich in ein unfassbares, aber grauenvoll logisches Bild einzufügen: Itachi, wir haben entschieden. Es ist an der Zeit, dass du deinem Dorf den größten Dienst erweist, zu dem du je fähig sein wirst. Wir dürfen nicht zulassen, dass der Frieden erneut durch banale Machtkämpfe gefährdet, wenn nicht sogar diesmal ganz zerstört wird. Du wirst es endgültig zu Ende bringen. Oh Gott! Makani konnte das Zittern, das ihren Körper plötzlich schüttelte, nicht unterdrücken. Er musste es bemerken! Doch in diesem Moment öffnete Itachi die Tür und betrat das Schlafzimmer mit erhobenem Schwert. Sie musste etwas tun, schoss es ihr durch den Kopf. Aber sie wusste genau, dass sie nicht den Hauch einer Chance haben würde. Wie angewurzelt stand sie da. Merkwürdig bewusst fühlte sie die Bambusmatten unter ihren nackten Füßen, während sie das Surren der Klinge durch die Luft und das Schneiden durch Fleisch und Futon, das Spritzen von Blut hörte. Auf der papiernen Wand mit den feinen Zeichnungen darauf zeigten sich rote Sprenkel. Keine Schreie. Er musste sie gleichzeitig getötet haben. Einige Sekunden herrschte Stille, in denen Makani gegen ein jähes Schwindelgefühl ankämpfte und vergeblich zu begreifen versuchte, was gerade geschehen war. Doch einzig ihr Überlebensinstinkt schrie unablässig in ihrem Kopf: Halt deine Deckung aufrecht! Wie in Trance sammelte sie erneut Chakra, um ihre Genjutsu aufrechtzuerhalten. Dann erstarrte sie wieder zu völliger Bewegungslosigkeit. Itachi trat aus dem Schlafzimmer, Blutspritzer auf der Weste. Er ließ das Schwert sinken und blickte – in ihre Richtung! Makani sah in zwei karmesinrote Augen jedoch ohne die erwarteten drei schwarzen Punkte darin. Stattdessen umgaben seine Pupillen jeweils eine dreiarmige Spirale. Er beherrschte das Mangekyou Sharingan also wirklich! In diesem Moment war sie sich sicher, dass er sie sehen konnte. Sie wusste zwar nicht genau, wozu diese Form seiner Kekkei Genkai tatsächlich fähig war, aber dass sie sehr mächtig sein musste, stand außer Frage. Schon das Sharingan, das sie von ihm kannte, hatte es ihr schwer gemacht, sich vor ihm zu verbergen, denn es half ihm um ein Vielfaches schärfer zu sehen, als ein normales Auge es jemals könnte.Trotz ihrer Angst hielt sie seinem Blick stand. Wirst du mich auch töten, Itachi? Gehört das auch zu deinem Auftrag? Doch dann gelang ihr etwas, von dem sie zuvor nicht einmal geahnt hatte, dass es möglich war. Es war mehr als eine Synchronisation ihres Chakras. Es verschmolz tatsächlich mit dem ihrer Umgebung, auch wenn es sich lediglich um Holz, Papier, Luft und Schatten handelte. Es war nicht mehr ihr eigenes Chakra und sie selbst verhüllte sich nicht nur mit Hilfe der Dinge um sie herum, sondern sie wurde ein Teil von ihnen. Eigentlich war sie nicht mehr vorhanden. Sie verlor Itachis Blick aus den Augen, wusste für einige Augenblicke nicht, was er tat, denn die Sinne drohten ihr zu schwinden. Sie wurden weggeschwemmt mit dem unablässigen Energiestrom, der in allen Dingen fließt. Mit aller verbleibenden Kraft versuchte sie, ihre Gedanken wieder in eine Einheit zurückzuführen, bevor ihr Selbst gänzlich verloren ging. Gerade noch meinte sie zu sehen, wie Itachi das Haus wieder verließ, dann brach sie zusammen.   Es musste eine Weile vergangen sein, als Makani wieder zu sich kam, denn das erste, das sie wahrnahm, war graues Morgenlicht. Sie sah es durch die Haustür einfallen, die der nächtliche Eindringling anscheinend offen gelassen hatte. In ihrem Kopf drehte sich alles und ihr war übel. Sie konnte nicht genau sagen, ob ihr Körper aufgrund der soeben beobachteten Schreckenstat oder der starken Beanspruchung durch die eingesetzten Künste rebellierte. Nur mit großer Mühe schaffte sie es, aufzustehen. Schwankend hielt sie sich an der Wand fest, damit sie nicht wieder zu Boden ging. Ihre Gedanken wirbelten eigenartig ziellos umher und plötzlich wusste sie nicht mehr, warum sie überhaupt aufgestanden war. Liegen war doch viel besser! Doch dann schweifte ihr Blick zur Schlafzimmertür und erneut packten sie Grauen und Übelkeit. Sie wollte nicht sehen, was er da drinnen angerichtet hatte. Mit schnellen, aber unsicheren Schritten lief sie nach draußen, schaffte es aber nur bis auf die Veranda. Dort viel sie schmerzhaft auf die Knie und übergab sich unter Krämpfen in ein Blumenbeet. Einige Momente verharrte sie schwer atmend auf allen Vieren bis sie wieder genug Kraft gesammelt hatte, um aufzustehen. Es war ein nebliger Morgen und die feuchtkühle Luft auf Makanis erhitzter Haut tat ihr gut, klärte ihre Gedanken. Sie musste Hilfe holen! Sie mussten den Mörder verfolgen. Den Mörder? Das blasse, ernste Gesicht Itachis tauchte vor ihrem inneren Auge auf, sein seltenes trauriges Lächeln. Sie konnte nicht mehr atmen. Er hatte im Auftrag der ANBU gehandelt, im Auftrag des Dorfes. Die Ungeheuerlichkeit dieser Tatsache schien fast unerträglich. Er war eine Art Doppelagent gewesen, das hatte sie schon länger geahnt und auch dass der Uchiha-Clan aufgrund seiner Machtbestrebungen wohl nicht ganz zu unrecht misstrauisch beobachtet wurde. Aber dass er soweit gehen würde, dass er einen Mordauftrag gegen Mitglieder seiner eigenen Familie ausführen würde. Und warum gerade Tekka? Er hatte zwar definitiv zu jener Fraktion gehört, die die Uchihas lieber heute als morgen an der Macht gesehen hätte, aber sie hätte ihn in dieser Hinsicht längst nicht für das gefährlichste Familienmitglied gehalten. Eine dunkle Vorahnung überkam die Kunoichi und sie fröstelte. Die Feuchtigkeit legte sich auf ihre Haut und ließ ihr dünnes Hemd klamm werden. Ohne zu wissen, wohin sie gehen sollte, setzte sie sich in Bewegung. Sie folgte einfach dem Weg, der in Richtung Dorfzentrum und davor quer durch das von den Uchihas bewohnte Viertel führte. Dabei versuchte sie erst gar nicht, sich erneut zu verbergen. Ihre Kraft hätte ohnehin nicht ausgereicht. Außerdem spürte sie keinerlei menschliche Präsenz weit und breit. Makani stockte, als ihr mit einem Mal bewusst wurde, was das bedeutete. Sie hob den Blick. Die Tür des gegenüberliegenden Hauses stand offen. Kein Lebenszeichen. Langsam wurde aus der Ahnung eine Gewissheit, die sich ihr mit aller Brutalität aufdrängte: Dieser Anschlag hatte keineswegs nur Tekka und Kyoko gegolten. Sehr langsam und mit zitternden Knien ging sieweiter. Wo auch immer sie hinging, eigentlich wollte sie nie dort ankommen.   Etwas östlich der Mitte des Viertels lag ein teilweise von Mauern umgebener Platz. Hier stand auch der alte Familiendōjō, welcher aber hauptsächlich für Versammlungen genutzt wurde. Trainiert wurde in der Regel auf einem deutlich mehr platzbietenden und weniger altehrwürdigem Gelände am Waldrand. Als Makani beim Dojo eintraf, schlug ihr eine gespenstische Stille entgegen, die lauter war als jeder Kampfeslärm. Sie hatte den Blick stur auf ihre nackten Füße gerichtet, die von dem über Nacht feuchtgewordenen Staub auf dem Weg ganz schmutzig geworden waren. Sie blieb erst ruckartig stehen, als plötzlich blutgetränkte Erde in ihr Blickfeld trat und kurz darauf eine Hand. Im nächsten Moment realisierte sie, dass der Körper, zu dem die Hand gehört hatte, fehlte. Sie  lag abgetrennt und tot im Dreck. Die Kunoichi trat erschrocken einen Schritt zurück und riss den Kopf hoch – Es war, als würde etwas in ihr brechen und ihr wurde mit einmal bewusst, dass sie bis zu diesem Augenblick in ihrem Leben im Grunde unversehrt gewesen war. Zwar hatte sie schmerzhafte Verluste erlitten, war oft einsam gewesen, hatte Gewalt erlebt und sogar bereits getötet, aber nichts davon hatte ihre Seele so tief erschüttert wie dieser Anblick. Äußerlich ungerührt bahnte sich nun ein anderes Mädchen ihren Weg durch die sich vor ihr erstreckende Verwüstung. Elf Clan-Mitglieder zählte sie. Diese waren nicht im Schlaf sauber und schnell mit einem Schwerthieb getötet worden. Sie hatten gekämpft, so sehr, dass sich metertiefe Furchen in die Erde gegraben hatten. Darin und dazwischen lagen nun ihre Leichen und Makani hatte nicht geglaubt, dass man menschliche Körper derart zerstören konnte. An den scheinbar willkürlichsten Stellen waren sie aufgerissen und zerfetzt worden. Ihr Inneres tränkte ihren eigenen Grund und Boden und vermischte sich mit dem Schmutz an ihren Füßen. Alles war vorbei. Hier war niemand, der einen Mörder verfolgen oder der Hilfe leisten könnte, die ohnehin niemand mehr brauchte. Wieder tauchte jener Uchiha in ihren Gedanken auf, der vermutlich als einziger außer ihr noch am Leben war und den sie so schwer mit diesem Bild der Vernichtung in Zusammenhang bringen konnte, obwohl er offensichtlich der Versursacher war. Doch bevor es sie an den Rand des Erträglichen treiben konnte, begann die Erinnerung an sein Gesicht vor ihrem inneren Auge zu schwinden und versank in eine gnädige Tiefe, aus der sie nie wieder hervorgeholt werden durfte. Zurück blieb das Bild einer dunklen, bedrohlichen Gestalt in ANBU-Uniform, die mit stechendem roten Blick und erhobenem Schwert durch das Uchiha-Viertel schritt. Welch ungeheure Kräfte er hier entfesselt haben musste. Sie hatte immer gewusst, dass er unglaublich stark war, aber so etwas hatte sie sich nicht vorstellen können. Makani sah zu einem großen angrenzenden Wohnhaus hinüber. Dort hatte Itachi gelebt. Er, seine Eltern und – Plötzlich nahm sie eine Bewegung an der Tür des Hauses war und erstarrte augenblicklich. Eine kleine Gestalt wankte durch den verwüsteten Vorgarten und blieb zitternd am Rande des Platzes stehen. Es war Uchiha Sasuke, Itachis jüngerer Bruder, und er schien unverletzt zu sein. Er bemerkte sie nicht, doch Makani sah unaussprechlichen Schrecken in seinen Augen. Im nächsten Moment rannte er los in Richtung Dorfzentrum. Sie hätte ihm helfen sollen. Sie hätte ihm zeigen sollen, dass sie noch am Leben war. Doch in dieser ganzen blutigen, verhängnisvollen Nacht und diesem grauenvollen Morgen war sie zu keiner einzigen wirklichen Handlung imstande gewesen. Eigentlich kannte Sasuke sie kaum. Was konnte ihr Überleben ihm schon an Trost spenden angesichts seines soeben in wenigen Stunden unwiederbringlich zerstörten Lebens. Also folgte sie ihm lediglich lautlos, während er hysterisch irgendwelche zusammenhangslose Dinge schrie, rannte, hinfiel und weiterrannte. Schließlich sah sie Menschen aus dem Dorf, die wohl auf den Lärm aufmerksam geworden waren, auf sie zu laufen. Makani blieb stehen, als Sasuke schreiend zusammenbrach und die Leute sich um ihn scharrten. Sie hörte aufgeregte Rufe und spürte, wie jemand an ihr vorbei in jene Richtung lief, aus der sie gerade gekommen war. Weitere Personen folgten, doch die Kunoichi trat nicht aus den Schatten und warnte niemanden davor, was man im Uchiha-Viertel vorfinden würde. Stattdessen verschwand sie zwischen zwei Häusern auf einem Weg, der weder ins Dorf noch zurück ins Viertel führte.   Als sie den Wald betrat, der das Dorf auf der Südseite begrenzte, war die Sonne bereits aufgegangen, doch an diesem Frühherbstmorgen verbarg sie sich hinter einem Schleier aus Dunst und Wolken. Hier war der Wald jung, die Baumstämme waren schlank und das trübe Tageslicht fiel bis auf den grün bewachsenen Boden. Doch heute würde sie bis in seine finstersten Tiefen vordringen. Sie würde nicht umkehren, bis sie das Einflussgebiet dieses verfluchten Dorfes endgültig verlassen hatte. Das ohnehin dünne Band, welches sie damit verbunden hatte, war, so schien es ihr, für immer durchtrennt worden. Was für ein widerlicher Ort dies doch war. Sie wollte verschwinden! – im Wald oder dorthin, was immer dahinter kommen mochte. In diesem Moment vergaß Makani, dass sie Freunde hatte, dass es einen Lehrer gab, dem ihr Schicksal am Herzen lag. Alles schien besudelt, verraten und zerstört. Und letztendlich hatte dies alles doch ohnehin nicht einmal wirklich etwas mit ihr zu tun, außer dass ihr die Ehre zuteil geworden war, das ganze Ausmaß an Abartigkeit daran vorgeführt bekommen zu haben. Nicht einmal so viel Bedeutung war ihr beigemessen worden, um sie zusammen mit dem Clan in den Abgrund zu reißen. Bei diesen eiskalten Schlächtern hatte und hätte es niemals eine Heimat für sie gegeben. – Sei  versichert, tief in eurem Herzen seid ihr noch genau die gleichen blutrünstigen Kriegstreiber… Oh Gott, es war alles wahr! Makanis Gesicht verzerrte sich in einem stummen Schrei zu einer schmerzverzerrten Fratze. Mit aller Kraft, die sie aufbringen konnte, verbannte sie die peinigenden Gedanken aus ihrem Kopf und rannte los. Sie wusste nicht, dass sie nicht die einzige war, die das Dorf an diesem Morgen verließ, um niemals zurückzukehren.     *  *  * Kapitel 2: Uchiha Makani ------------------------   Vor rund fünfzehn Jahren im Frühjahr war Uchiha Akane von ihrer letzten Mission als praktizierende Jonin in ihr Heimatdorf Konohagakure zurückgekehrt. Sie hatte die sechzig bereits überschritten und keiner hätte von der deutlich in die Jahre gekommenen Frau verlangt, sich noch ein weiteres Mal auf eine dieser gefährlichen Reisen zu begeben. Auch wenn sie in der letzten Zeit eigentlich nur noch für repräsentative Aufträge eingesetzt worden war, hatte sie sich diesen Strapazen wohl nicht länger aussetzen wollen. Allerdings hatte es nun noch einen weiteren Grund für sie gegeben, ab diesem Zeitpunkt besser zuhause zu bleiben. Sie hatte etwas von ihrer letzten Reise mitgebracht, das in den nächsten Jahren viel Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen würde. Als die große grauhaarige Frau im Dorf eingetroffen war, hatte sie das seltsame lebendige Mitbringsel auf dem Rücken getragen und jeden, der seine Irritation nicht verbergen konnte und glotze, mit vernichtenden Blicken gestraft. Aber es war schon ein unbestreitbar absonderlicher Anblick gewesen, wie sie ihren ansonsten auffallend zackigen Gang umständlich versucht hatte abzufedern, vermutlich um das kleine Geschöpf nicht zu wecken. Doch das merkwürdig federnde Schwanken hatte eher gewirkt, als hätte sie nach einer längeren Seereise das erste Mal wieder festen Boden unter den Füßen. Das höchstens ein Jahr alte Mädchen auf ihrem Rücken schien davon jedoch unbeeindruckt geblieben zu sein, denn es hatte selig geschlafen. Akane hatte kaum etwas darüber preisgegeben, woher das Kind stammte, nicht einmal ob es seinen Namen von ihren richtigen Eltern oder von ihr selbst erhalten hatte. Das Mädchen hieß Makani und lebte von diesem Tag an bei der alten Kunoichi. Diese hatte selbst keine Kinder und lebte allein. Doch sie war in eine große Familie hineingeboren worden, die sehr stolz darauf war, einer jener beiden Clans zu sein, die das Shinobi-Dorf Konohagakure geründet hatten. Und seit damals hatte es der Uchiha-Clan trotz einiger Widerstände und innerer Konflikte immer geschafft, zu bestehen. Dies war durch einige bestimmte Eigenschaften und Praktiken erreicht worden, wie unter anderem ein manchmal fast überzeichnet wirkendes Traditionsbewusstsein, talentierte Kinder und nicht zuletzt ein überaus solides Machtkalkül. Der Zusammenhalt in der Familie war ausgeprägt und es gab im Allgemeinen die Neigung, eher unter sich zu bleiben. Als Akane mit dem fremden Baby aufgetaucht war und es ohne jede Erklärung als ihr eigenes angenommen hatte, war diesem denkbar unkonventionellen Verhalten daher auch mit großer Skepsis begegnet worden. Doch wahr war auch, dass die jüngste Generation der Uchihas besorgniserregend wenige Personen umfasste, und es stand nicht in Aussicht, dass sich dies in absehbarer Zeit ändern würde. Es gab lediglich zwei weitere Kinder im Clan. Daher und weil Akane trotz ihrer leichten Verschrobenheit einiges an Autorität genoss, akzeptierten die Uchihas das neue Clan-Mitglied mehr oder weniger.   Man konnte Makanis besondere Fähigkeiten bereits erahnen, als sie kaum drei Jahre alt war, auch wenn lange Zeit nicht so ganz deutlich wurde, worum es sich eigentlich handelte. Zunächst wies das Mädchen ein unglaubliches Talent dafür auf, sich zu verstecken, besonders draußen im Freien. Akane konnte stundenlang hinter jeden Strauch sehen, sie würde die Kleine nicht finden, obwohl sie ihr dabei mehrmals, ohne es zu bemerken, bis auf wenige Zentimeter nahekam. Später stellte sich heraus, dass sich Makanis Chakra hervorragend an die Schwingungen ihrer Umgebung anpassen konnte. Es war alles in allem nicht auffallend stark, aber unglaublich wandelbar. In Konoha schlug eigentlich jeder, der sich nicht als absolut ungeeignet erwies, die Laufbahn eines Ninja ein. Für die Mitglieder des Uchiha-Clans galt dies sowieso. Makani wurde von Beginn an auf eine Spezialisierung auf Spionagekünste hin trainiert, da ihre Talente diese Strategie mehr als nahe legten. Sie wurde durchaus sorgfältig trainiert, doch geschah dies hauptsächlich durch Akane und später durch den Ausbildungsbetrieb des Dorfes. Der Clan schenkte ihr die meiste Zeit wenig Aufmerksamkeit. Dies hatte wohl zum einen den Grund, dass Makani dazu neigte, Aufmerksam grundsätzlich eher zu vermeiden, und zum anderen schien der übrige Familiennachwuchs ihre zunächst eher unauffälligen Talente bei weitem in den Schatten zu stellen. Die beiden Jungen, Itachi und Shisui, waren ein und drei Jahre älter als sie und von klein auf einzigartige Ausnahmetalente. Als sie noch sehr klein waren, hatten sie gelegentlich miteinander gespielt, doch spätestens als die beiden jungen Shinobi auf die Akademie kamen, schienen sie das Interesse an dem jüngeren Mädchen zu verlieren. Bis Makani selbst ihren Ausbildungsweg antrat, war sie daher viel allein, denn mit Menschen außerhalb des Clans hatte sie damals keinen Kontakt. In dieser Zeit vertrieb sie sich vor allem die Zeit damit, das Leben im Clan-Viertel überwiegend unbemerkt zu beobachten.   Als Makani später selbst auf die Akademie kam, viel ihr zum ersten Mal auf, dass man die Uchihas im restlichen Dorf nicht sonderlich mochte. Sie merkte es vor allem daran, wie man Itachi in der Schule – er stand damals kurz vor seiner Abschlussprüfung, Shisui war bereits Genin –anschaute, mit einer Mischung aus Neid, Faszination und Abneigung. Die kurze Zeit, die sie ihn auf der Akademie erlebte, war er immer allein und sagte kaum ein Wort. Hätte der ernste, schweigsame Junge sie nicht mit wenigen Bewegungen außer Gefecht setzen können, hätten seine Mitschüler sicher versucht, ihn zu schikanieren. Die anderen Clan-Mitglieder wurden auf der Straße ähnlich abschätzig beäugt. Makani spürte diese unangenehmen Blicke mehr als deutlich und so begann sie, sich besonders unauffällig zu geben, wenn sie mit Familienmitgliedern unterwegs war, was ohnehin selten vorkam. In der Schule nahm man sie nicht wirklich als eine Uchiha war, was ihr, um ehrlich zu sein, auch ganz recht war. Mit ihren weißblonden Haaren und ihrem sehr ovalen Gesicht unterschied sie sich ohnehin stark von den allesamt dunkelhaarigen Clan-Mitgliedern. Doch auch bei den anderen Dorfkindern fühlte sie sich nicht wirklich zugehörig. Erst nachdem sie die Schule abgeschlossen hatte, gemeinsam mit zwei anderen Genin einem Lehrer zugeteilt wurde und in diesem Team begann, Missionen auszuführen, fand sie so etwas wie Freunde. In dieser neuen Konstellation ging es vor allem um sie, das Team und ihre Fähigkeiten, alles andere schien zweitranging. Auf einem dieser Missionen geschah es dann auch, dass sie ihre Fähigkeit entdeckte, sich das Natur-Chakra ihrer Umgebung zur Ausführung von Jutsus zunutze zu machen. Von diesem Zeitpunkt an war sie neben ihrer Spezialität, Aufklärung und Spionage, auch mehr und mehr in der Lage, starke Offensivtechniken einzusetzen. Dies steigerte ihre allgemeine Schlagkraft um ein Vielfaches und kaum ein Jahr später legte sie erfolgreich die Prüfung zur Chunin ab. Bald darauf starb Akane und Makani wurde von Uchiha Tekka, dem Neffen ihrer Ziehmutter, aufgenommen, zu dem sie aber nie eine wirklich enge Beziehung entwickelte. Ins Familien-Viertel kam sie von da an nur noch ab und zu zwischen zwei Missionen zum Schlafen oder um Sachen abzuholen.                                                                             Als Makani sechzehn Jahre alt war und mittlerweile einiges an Berufserfahrung als Ninja aufweisen konnte, ereignete sich unverhofft die bis dahin tiefgreifendste Veränderung in ihrem Leben. Und dieses Ereignis stellte nur den Anfang einer Reihe von Geschehnissen dar, die schließlich über das Schicksal des jungen Mädchens entscheiden sollten. Makani hatte gerade eine äußerst dramatisch verlaufende Mission hinter sich gebracht, deren Ereignisse sie auch jetzt nicht so recht loslassen wollten. Als sie zwei Tage nach ihrer Rückkehr gedankenverloren am Rande des Trainingsplatzes stand und zwei ihrer Kollegen beim Sparring zusah, suchte sie ein ihr unbekannter Shinobi auf. Über seiner schwarzen Kleidung trug er eine weiße Schutzweste und eine ebenso weiße Tiermaske verbarg sein Gesicht. Diese Erscheinung wies den Fremden als ANBU-Mitglied aus. Makani hatte noch nie etwas mit dieser Spezialeinheit zu tun gehabt, die hauptsächlich für heikle Geheimaufträge und Attentate eingesetzt wurde, wie es hieß. Man wusste eigentlich nicht so genau, was diese elitäre Organisation alles tat, wollte es vielleicht auch nicht so genau wissen. Bei ein paar Personen aus dem Dorf wusste sie, dass sie Mitglieder waren, doch die meisten hielten ihre Identität geheim. Der kräftig gebaute Ninja mit Dachsmaske, dessen Stimme ihr nicht bekannt vorkam, war äußerst kurz angebunden. Er ließ sie wissen, dass man sie auf Befehl des Hokage heute Abend in der „Zentrale“ erwartete. Im Weggehen nannte er ihr noch eine Uhrzeit sowie einen Ort und ließ Makani, die die neugierigen Blicke ihrer Kollegen im Nacken spürte, dann einfach stehen. Sie hatte keine Ahnung, was sie davon halten sollte. War mit der Zentrale etwa der geheime Stützpunkt der ANBU gemeint? Aber dorthin beorderte man doch nicht einfach irgendeine Chunin.   Die Zeit bis zum Sonnenuntergang verbrachte Makani allein in einer Teestube im Marktviertel von Konoha. Ihren Trainingspartnern hatte sie gesagt, dass es um Informationen über ihre letzte Mission ging. Dies war auch tatsächlich ihr erster Verdacht gewesen, auch wenn sie sich momentan nicht vorstellen konnte, warum ausgerechnet die ANBU daran Interesse haben sollte. Mit jeder verstreichenden Minute spürte sie, wie ihre Unruhe wuchs. Neugier war eine sehr stark ausgeprägte Eigenschaft von Makani. Es konnte sie regelrecht wahnsinnig machen, Dinge nicht zu wissen. Nach der zweiten hastig heruntergespülten Kanne Tee und ebenso vielen Toilettengängen hielt sie es schließlich nicht mehr aus und trat hinaus in die Abenddämmerung. Sie lief rund zwanzig Minuten durch die Straßen des Dorfes, bis sie endlich jene entlegene Gasse im nördlichen Zentrum erreichte, die ihr das ANBU-Mitglied genannt hatte. Mittlerweile war es beinah vollständig dunkel geworden. Ihre schwarze Kleidung, eine enge Hose, ein weites Shirt und Ninja-Stiefel, würden kaum zu sehen sein, doch sie hatte das Gefühl, dass ihre außergewöhnlich hellen Haare geradezu leuchteten und ihren Aufenthaltsort unüberhörbar in die Welt hinausschrien. Es war ihr überaus unangenehm, hier so schutzlos zu stehen und in die Dunkelheit zu starren, aus der heraus man sie vielleicht schon beobachtete, doch sie widerstand dem Impuls, eine ihrer zahlreichen dem Verstecken dienenden Techniken anzuwenden. Sie ahnte, dass dies von ihr erwartet wurde, vorranging aus Sicherheitsgründen, aber auch als eine Art Unterwerfung. Sie hatten das Sagen hier. Die Gasse war so schmal, dass Makani, wenn sie die Arme ausstreckte, beide angrenzenden fensterlosen Hauswände hätte berühren können. Das Ende der Straße lag in vollständiger Finsternis. So verharrte sie eine Weile und wartete darauf, dass etwas geschah. Schließlich hörte sie eine Stimme aus der Dunkelheit flüstern: „Name!“ Makani straffte die Schultern und antwortete gedämpft: „Uchiha Makani. Ich werde erwartet.“ Ein paar Augenblicke verstrichen, dann trat eine Gestalt aus der Finsternis, bedeutete ihr wortlos zu folgen und verschwand wieder aus der Sicht. Makani gehorchte und tauchte ebenfalls in die Schatten, welche sich als vollkommene Schwärze um sie schlossen. Sie war sich mittlerweile sicher, dass dies keine normale Dunkelheit war. Blind und mit leicht ausgestreckten Armen setzte sie einen Fuß vor den anderen und versuchte gerade weiterzulaufen. Es war schwer zu sagen, ob ihr das gelang. Dann hörte sie, wie sich das Echo ihrer Schritte veränderte und sich kurz darauf eine schwere Metalltür hinter ihr schloss. Sie befand sich nun anscheinend in einem Gebäude. Gedämpftes elektrisches Licht flackerte auf und Makani sah, dass sie in einem schmucklosen, an den Wänden und auf dem Boden weiß gefliesten Gang mit zahlreichen Türen links und rechts stand. Ein Ninja in ANBU-Kleidung schaute sie durch seine Maske hindurch an. Er sagte nichts, sondern drehte sich um und ging zügig den Gang entlang. Makani folgte ihm etwas zögerlich. Am Ende des Ganges befanden sich Treppen, die sowohl auf- als auch abwärtsführten. Der Ninja wählte jene Stufen, die offensichtlich in höhere Stockwerke führten. Auf der nächsten Etage befand sich kein weiterer Gang, sondern ein großer offener Raum mit ebenfalls großen Fenstern, durch die aber aufgrund der Dunkelheit nichts zu sehen war. Außerdem standen hier vereinzelte Tische und an den Wänden waren unzählige Monitore und andere Gerätschaften angebracht. Personen sah Makani hier auf den ersten Blick keine, doch ihr blieb keine Zeit, sich lange umzusehen, denn ihr Führer nahm eine weitere Treppe nach oben. Dort angekommen standen sie wieder in einem Gang, doch war dieser um einiges kürzer als der erste und lediglich drei Türen gingen von ihm ab. Das ANBU-Mitglied blieb stehen und deutete auf die mittlere von ihnen.   Makani betrat ein spärlich eingerichtetes Büro. Hinter einem großen Schreibtisch standen zwei Männer und musterten sie. Den größeren der beiden, ein Shinobi in mittlerem Alter mit braunen Haaren und kantigem Gesicht, meinte sie nur vage vom Sehen zu kennen. Die Erscheinung des Jüngeren hingegen war ihr sehr vertraut: mittlere Größe, schlanke Gestalt, lange schwarze Haare und ein ausgesprochen ernster, in diesem Moment fast grimmiger Gesichtsausdruck. Es war Itachi. Makani war mehr als überrascht, den ganzen Stolz der Uchihas hier anzutreffen. Der Clan war seit geraumer Zeit für die innere Sicherheit des Dorfes verantwortlich, eine Zuständigkeit, der mit größter Sorgfalt und meist auch unverhohlenem Geltungsanspruch nachgegangen wurde. Die Existenz einer Organisation wie die ANBU, die stets außerhalb ihres Radars agierte und lediglich dem Hokage Rechenschaft schuldig war, erregte da großes Missfallen. Und da sollte ausgerechnet Itachi hier Mitglied sein? „Schön, dass du gekommen bist, Makani. Setz dich doch“, begrüßte sie der Mann neben Itachi und wies auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch. Als Makani sich setzte, nahm auch er Platz, doch Itachi blieb stehen und blickte weiterhin stur auf die soeben Eingetretene, aber ohne ihr dabei in die Augen zu sehen. Der Andere fuhr zu sprechen fort: „Ich heiße Koguma. Ich bin leitendes Mietglied der Ansatsu-Senjutsu-Tokushu-Butai von Konohagakure. Uchiha Itachi kennst du ja.“ Der Schwarzhaarige nickte unmerklich und streifte für den Bruchteil einer Sekunde Makanis Blick. „Bevor ich dir den Grund deines Hierseins erkläre, hätte ich zunächst ein paar Fragen an dich. Bist du damit einverstanden?“, fragte Koguma und die Angesprochene nickte. Er warf einen Blick in einen Ordner vor sich auf dem Schreibtisch. „Du bist seit drei Jahren Chunin? In dieser Zeit hast du zwölf B-Missionen erfolgreich abgeschlossen, fünf davon in leitender Position? Du bist auf Aufklärungsmissionen spezialisiert und auf unterstützende Angriffs- sowie Verteidigungstechniken aus dem Hinterhalt?“ Makani nickte nach jeder Frage kurz. Bis jetzt hatte Koguma einfach nur die allgemeinen Kenndaten ihrer Akte vorgelesen. Über diese Informationen konnte im Prinzip das ganze Dorf verfügen. Doch was dann folgte, betraf in weit größerem Maße ihr Privatleben: „Du bist bei den Uchihas aufgewachsen? Du trägst den Namen des Clans, aber du bist nicht blutsverwandt?“ Als Makani darauf keine Reaktion zeigte, hielt Kogumainne und schaute sie prüfend an. „Äh… Nein“, erwiderte sieschließlich etwas verstimmt. Wieso war das wichtig? War es etwa nicht erlaubt, bei Menschen zu leben, mit denen man nicht direkt verwandt war. Koguma fuhr zu sprechen fort: „Ich frage das nur, weil dann bei dir nicht mit einer Aktivierung des Sharingans zu rechnen ist. In den offiziellen Angaben zu deiner Person steht nichts über deine Herkunft.“ Darum ging es also! „Nein. Über das Bluterbe der Uchihas verfüge ich aus offensichtlichen Gründen nicht“, präzisierte die Kunoichi nun deutlich reservierter. „Aber du hast andere Fähigkeiten oder?“, fragte das ANBU-Oberhaupt und sah sie noch eindringlicher an als zuvor. „Wie meinen Sie das?“, wollte Makani wissen, die zwar ahnte, worauf ihr Gegenüber hinauswollte, aber sie war immer weniger dazu bereit, Dinge über sich preiszugeben. Doch Itachi kam ihr zuvor. Bevor Koguma eine weitere Frage stellen konnte, hatte dieser zu sprechen angesetzt: „Makani kann Natur-Chakra kontrollieren, ohne es jemals erlernt zu haben. Außerdem kann sie von klein auf ihr eigenes Chakra an das ihrer Umgebung angleichen. Unter bestimmten Umständen ist sie so unaufspürbar. Es ist nicht bekannt, ob es sich dabei um eine Kekkei Genkai handelt, aber die Vermutung liegt nah. Makanis Ziehmutter konnte oder wollte keine detaillierten Angaben über ihre Herkunft machen. Vor zwei Jahren ist sie gestorben.“ Makani spürte, wie ihre Ohren heiß wurden. Dass Itachi einfach ohne sie zu fragen oder sie auch nur anzusehen, so viele wichtige Informationen über sie weitergab, fühlte sich etwas demütigend an. Andererseits hatte er das langsam unangenehm werdende Verhör dadurch wahrscheinlich deutlich verkürzt. „Ist das korrekt?“, fragte Koguma. „Ja“, räumte Makani ein, fügte dann jedoch hinzu: „Aber da Sie anscheinend ohnehin schon alles über mich wissen, können Sie mir jetzt vielleicht sagen, warum ich überhaupt hier bin.“ Koguma lächelte plötzlich zum ersten Mal, seitdem Makani den Raum betreten hatte. „Du hast Recht. Es ist nicht besonders nett, dich so lang im Unklaren zu lassen.“ Er lehnte sich etwas vor und schaute Makani direkt in die Augen. „Es ist so, dass wir deinen Werdegang schon eine Weile beobachten. Du kannst dir bestimmt vorstellen, dass deine Fähigkeiten sehr interessant sind für eine vorwiegend im Geheimen arbeitende Einheit wie die ANBU.“ Makani nickte verwirrt. Wurde sie hier etwa gerade angeworben? „Gestern durfte ich den Bericht über deine letzte Mission lesen. Deine erste A-Mission?“ „Äh…Ja“, antwortete Makani. „Ich wurde angefordert, einen Jonin zu begleiten, weil ich der einzig verfügbare Ninja mit geeigneten Spionagefähigkeiten war.“ Die Kunoichi spürte, wie sie ein leichtes Gefühl von Stolz überkam. Langsam fühlte sie sich etwas selbstsicherer, obwohl es ihr nicht lieb war, dass sich das Gespräch gerade diesem Thema zuwandte. „Du hast aber nicht nur spioniert auf dieser Mission, nicht wahr? Dein Begleiter berichtet, dass ihr ohne dein Zutun wahrscheinlich nicht mehr zurückgekommen wärt.“ Er machte eine kurze Pause und sein Blick intensivierte sich. „Du sollst fünf feindliche Ninja getötet haben – mit einem Angriff.“ Es war klar gewesen, dass er darauf hinausgewollt hatte, dachte Makani. Aber genau darüber wollte sie eigentlich nicht sprechen. Die Ereignisse hatten sie selbst so aufgewühlt, dass sie sich zum Teil selbst gar nichtmehr sicher war, was genau geschehen war, obwohl es erst wenige Tage her war. Es hatte furchtbar gewittert in der Nacht, als sie den Rückweg von ihrer Mission antreten wollten, und inmitten dieses Sturms war es nahe der Grenze des Einflussgebiets von Konoha zu einem unvorhergesehenen Kampf gekommen. Sie waren völlig unvorbereitet gewesen und hatten sieben oder acht sehr starke Gegner gegen sich gehabt. Ihr Partner hatte sie angewiesen, aus der Deckung heraus anzugreifen, während er selbst verzweifelt versucht hatte, die im Sekundentakt hereinbrechenden gegnerischen Angriffe abzuwehren. Eigentlich war es aussichtslos gewesen. Doch dann hatte es plötzlich irgendwo in der Nähe einen furchtbaren Knall gegeben und genau in diesem Augenblick hatte Makani, die die ganze Zeit damit beschäftig gewesen war, möglichst viel Chakra aus ihrer Umgebung in möglichst starke Angriffe zu kanalisieren, gespürt, wie eine Energiewelle sie durchzuckte, so unglaublich stark, dass sie meinte, ihr Herz müsste jeden Moment stehen bleiben. Und diese Energie musste irgendwie in ihre Attacke geflossen sein, denn im nächsten Moment hatten fünf leblose Körper auf dem Schlachtfeld gelegen. Danach war sie augenblicklich zusammengebrochen und hatte sich vor Schmerzen auf dem Boden gekrümmt. Noch jetzt spürte sie ein leichtes Stechen in der Brust, auch wenn es in den letzten drei Tagen deutlich abgeklungen war.   Die Kunoichi seufzte. Sie wusste nicht  wirklich, ob und wie sie dem ANBU-Oberhaupt die Ereignisse erklären sollte. Sie verstand sie ja selbst kaum. Sie entschied sich daher für eine sehr vage Schilderung: „Wie Itachi bereits erwähnt hat, kann ich Natur-Chakra benutzen. Allerdings… Naja, es fällt mir manchmal schwer, die Intensität der Energie einzuschätzen. Ich denke in dieser Notsituation ist es etwas außer Kontrolle geraten. Ich hätte mir damit beinah selbst ziemlich großen Schaden zugefügt.“ Ein kurzes Schweigen trat ein, indem Makani unschlüssig auf ihre Hände starrte. Mehr hatte sie über die Angelegenheit nicht zu berichten. Als Koguma schließlich erneut zu sprechen ansetze und sie den Kopf wieder hob, begegnete sie Itachis Blick. Er sah sie aufmerksam an, aber ansonsten verriet seine Miene nichts. „Makani, ich möchte es kurz machen“, sagte Koguma. „Der Hokage hat dich in die ANBU berufen. Wie gesagt, dein Fähigkeitsprofil erscheint uns sehr geeignet, auch wenn wir noch nicht viel über dein tatsächliches Potenzial wissen. Die Daten sind in dieser Hinsicht etwas…  indifferent. Dieser Vorfall auf deiner letzen Mission bildet da keine Ausnahme. Aber wir glauben, dass die ANBU der richtige Platz für deine weitere Ausbildung sein könnte.“ Der Kunoichi klappte der Mund auf. Was meinte er damit, sie wurde berufen? Hieß das, dass sie gar keine Wahl hatte? Eine Seite in ihr fühlte sich durchaus geschmeichelt, doch eine andere, misstrauischere mahnte sie zur Wachsamkeit. Während das ANBU-Oberhaupt gesprochen hatte, hatten sich Itachis Augenbrauen kaum merklich zusammengezogen und als danach erneut eine Pause eintrat, erhob er ein zweites Mal die Stimme. Dabei schaute er Makani auf einmal sehr eindringlich an, was sie noch mehr durcheinanderbrachte, als sie es ohnehin schon war. „Ich denke, Makani wird darüber – “ Doch weiter kam er nicht, denn Koguma fiel ihm ins Wort: „Du wirst morgen in Itachis Team anfangen. Hast du noch irgendwelche Fragen?“          *  *  * Kapitel 3: Unter die Haut ------------------------- Makani glitt lautlos ins Wasser. Sie ließ sich ein paar Meter mit der Strömung treiben bis sie die glattgewaschenen Steine des Flussbettes im Rücken spürte. An dieser flachen Stelle des Baches blieb sie einfach liegen und ließ das kalte Wasser ihren Körper umspülen, nur Mund und Nase hielt sie über der Oberfläche. Langsam synchronisierte sich ihr Chakra mit dem Strom und irgendwann spürte sie, wie auch ihre grüblerischen Gedanken nach und nach in ein unbeschwerteres Fließen übergingen und schließlich beinah vollends davonschwammen. Nicht selten verbrachte Makani Stunden so in dem Waldbach unweit der Dorfgrenze. Es trainierte die Wandlungsfähigkeit ihres Chakras und entspannte sie gleichzeitig. An diesem frühen Morgen am Tag nach ihrer Berufung zur ANBU war sie hergekommen, weil sie hoffte, hier etwas Energie sammeln zu können, denn sie hatte sich nach dem Aufstehen kraftlos und gleichzeitig merkwürdig überdreht gefühlt. Geschlafen hatte sie in der vergangenen Nacht kaum. Sofort nachdem Koguma ihr eröffnet hatte, dass sie gleich am nächsten Tag in der Spezialeinheit anfangen würde, hatte er sie auch schon ohne weitere Erklärungen entlassen. Itachi hatte sie zum Ausgang begleitet, dabei aber kein einziges Wort mit ihr gesprochen. Makani hatte sich nicht getraut, etwas zu sagen. Das Schweigen schien ihn wie eine abweisende Aura zu umgeben, sodass sie es nicht wagte, es mit einer der tausend Fragen, die ihr durch den Kopf schwirrten, zu durchbrechen. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie überhaupt das letzte Mal mit dem Uchiha-Sprössling gesprochen hatte. Es musste Jahre her sein. Eigentlich, so musste sie sich eingestehen, kannte sie diesen jungen Mann überhaupt nicht. Er hatte ihre Existenz wahrscheinlich schon längst vergessen gehabt. Und da sollten sie jetzt auf einmal miteinander arbeiten? Wer war bloß auf diese Idee gekommen? Itachi bestimmt nicht. Ganz im Gegenteil hatte Makani eher das sehr unangenehme Gefühl bekommen, dass er sie gar nicht in seinem Team haben wollte. Frustriert musste sie sich eingestehen, dass gerade dieser Gedanke an alten, eigentlich längstverheilt geglaubten Wunden rührte.   Plötzlich wurde sie äußerst unsanft aus ihren Gedanken gerissen, denn ein Gewicht traf sie hart auf der Brust und sie wurde unter die Wasseroberfläche gedrückt. Makani strampelte hecktisch, schluckte eine Menge Wasser und rappelte sich schließlich umständlich auf. Hustend stand sie mitten im Bach und schaute sich verwirrt um. Hinter ihr ertönte ein Lachen: „Oje, tut mir Leid. So heftig wollte ich das nicht.“ Sie fuhr herum und erblickte einen jungen Mann mitstrubbligen schwarzen Haaren, der am Ufer hockte und einen langen, dicken Ast in den Händen hielt. „Shisui? Was… machst du hier?“ Der Shinobi lächelte und bot Makani eine Hand an, um ihr aus dem Wasser zu helfen. Nicht dass das nötig gewesen wäre, aber es sollte wohl eine Art Entschuldigung sein. Auch mit diesem Nachkommen des Uchiha-Clans hatte sie in den letzten Jahren so gut wie nichts zu tun gehabt, doch wenigstens hatten sie sich manchmal gegrüßt, wenn sie sich begegnet waren, und in wenigen Fällen hatten sie sogar ein paar Worte über irgendwelche Belanglosigkeiten gewechselt. Dass er sie hier einfach so im Wald aufstöberte, war jedoch mehr als ungewöhnlich. Sie ergriff die ihr gebotene Hand und einen Augenblick später stand sie triefend und tropfend vor Shisui, der sie amüsiert musterte. Sie hätte die Kleidung vorher ausziehen sollen, dachte Makani leicht beschämt. Aber sie hatte sich darauf verlassen, dass alles in der warmen Julisonne schnell trocknen würde. Andererseits hätte sie dann in Unterwäsche oder noch besser völlig nackt vor ihm gestanden, was sicherlich auch keinen besonders würdevollen Anblick geboten hätte. „Ich wollte dich abholen“, beantwortete er schließlich ihre Frage. „Hä? Wofür denn abholen?“. „Naja, du bist ab heute in unserem Team oder? Itachi möchte etwas früher anfangen, damit wir nicht so viel Zeit mit deiner Einweisung verlieren.“ Makanis Gesichtsausdruck drückte unverhohlene Verwirrung aus. „Du bist auch bei der ANBU?“, brachte sie schließlich ungläubig hervor. „Ähm ja, seit gut einem Jahr. Itachi macht das schon etwas länger, aber wir haben es beide nicht öffentlich gemacht. Das würde ich dir übrigens auch empfehlen. Es macht vieles einfacher.“ Sie würde also zusammen mit Itachi und Shisui ein Team bilden, mit zwei der bekanntermaßen fähigsten Ninja Konohas. Was um alles in der Welt konnte ausgerechnet sie zu dieser Konstellation beisteuern? Oder hatte man einfach angenommen, dass Uchihas am besten mit Uchihas zusammenarbeiteten und sie deshalb so eingeteilt? Wer immer sich das ausgedacht haben mochte, Makani hatte immer weniger das Gefühl, dass derjenige wirklich wusste, was er tat.   „Kommst du?“, fragteShisui und setzte sich in Bewegung. Siesteuerten den Trainingsplatz an, der südwestlich des Uchiha-Viertels lag. Doch am Waldrand wurden sie bereits erwartet. Itachi stand mit verschränkten Armen gegen einen Baum gelehnt und sah ihnen entgegen. Seine Augen wanderten mit dem gleichen ernsten Ausdruck wie am vergangenen Abend über Makanis Gestalt. Als sie und ihr Begleiter näher kamen, stieß sich der Uchiha vom Stamm ab und trat ein paar Schritte auf sie zu. „Es wäre besser, wenn du in Zukunft unmittelbar vor deinen Diensten nicht einfach verschwinden würdest. Es kann immer vorkommen, dass wir dich schnell erreichen müssen.“, sagte er sehr ruhig und fuhr fort, die Kunoichi vor ihm zu mustern. Es hatte nicht direkt tadelnd geklungen. Trotzdem begann sich Makani, angesichts dieser ersten Worte von ihm als ihr Team-Leader etwas unwohl zu fühlen. Auch sein, wie ihr schien, abschätziger Blick wurde ihr zunehmend unangenehm. Versuchte er anhand ihres Auftretens auf ihre Fähigkeiten zu schließen oder gab es vielleicht irgendetwas Interessantes aus ihrer Mimik abzulesen? „Gibt es irgendeinen bestimmten Grund dafür, dass du so nass bist?“ Bei dieser unvermittelten Frage von Itachi hörte sie Shisui neben sich belustigt schnauben. „Sie war wieder am Bach, das heißt genauer gesagt war sie im Bach, wie man sieht.“, antwortete er für sie. Makani runzelte die Stirn, sagte aber nichts. Was meinte er mit wieder? Die beiden wussten anscheinend, dass sie diesen Platz häufiger aufsuchte. Ein auffallend neutral klingendes „Hm“ war alles, was Itachi daraufhin von sich gab. Als nichts weiter von dem jüngeren Shinobi kam, wandte sich Shisui ihr zu und fragte: „Möchtest du dich noch schnell zuhause umziehen? Allerdings bekommst du ohnehin gleich deine Uniform.“ Abwehrend hob Makani die Hände und erwiderte etwas hastig: „Nein, ist schon gut. Wir können gehen.“ Shisui nickte und, als ob das ein Startschuss gewesen wäre, begann Itachi daraufhin sehr schnell auf die Kunoichi einzureden: „Gut. Ich ziehe es unbedingt vor, dass mein Team seine Mitgliedschaft bei der ANBU geheim hält. Das heißt, es wäre prinzipiell besser, wenn man uns auch sonst nicht zusammen sieht. Also werden wir jetzt auf verschiedenen Wegen zur Zentrale gehen. Makani, du nimmst denselben Eingang wie gestern. Du kannst den Zugang allerdings nicht selbstständig öffnen, also warte ein paar Minuten hier, bevor du dich auf den Weg machst. Wenn wir vor dir ankommen, können wir dich reinlassen.“ Oha, dachte Makani. Die Zeit des Ninja-spielens war wohl vorbei. Offensichtlich wurde das mit der Geheim-organisation – zumindest von Itachi – sehr ernst genommen. Ihr kam es zwar etwas merkwürdig vor, sich im eigenen Heimatdorf so zu verhalten, als befände sie sich auf feindlichem Gebiet, dennoch nickte sie gehorsam. Ohne ein weiteres Wort drehten die beiden Shinobi ihr den Rücken zu und gingen davon. Makani sah ihnen nach und fragte sich zum wiederholten Male, worauf sie sich da eingelassen hatte.   Zwanzig Minuten später stand das neue ANBU-Mitglied wieder in derselben Gasse, in die man sie am vergangenen Abend bestellt hatte. Auch wenn es mittlerweile helllichter Tag war, wirkte der Ort dennoch düster, denn die dichtstehenden Gebäude hüllten alles in ihre Schatten. Trotzdem war es nicht mit der Finsternis zu vergleichen, die hier in der letzten Nacht geherrscht hatte. Neugierig suchte sie die Wand nach der Stelle ab, an der sich ihrer Meinung nach der Eingang befinden musste und tatsächlich: Dort war eine unscheinbare schmale Tür. Sie hatte weder Knauf noch Klinke und war vollkommen verrostet. Makani trat darauf zu und klopfte zaghaft, aber ihre Fingerknöchel erzeugten auf dem verwitterten Metall so gut wie kein Geräusch, die Tür musste ziemlich dick sein. Sie seufzte ratlos. Sollte sie einfach wieder warten, bis irgendetwas geschah? Doch plötzlich knackte und knarrte es und der Eingang wurde einen Spalt breit geöffnet. Makani zögerte einen Moment, als jedoch nichts geschah, schlüpfte sie ohne weiter zu überlegen durch die schmale Öffnung. Im spärlich beleuchteten Gang dahinter stand Itachi, der bereits Teile seiner Uniform trug, Weste und Maske fehlten allerdings. Er nickte Makani schweigend zu und führte sie abermals die Treppe hinauf in jenen Raum mit den vielen Monitoren. Diesmal strömte Tageslicht durch die großzügigen Fenster und sie gewährten einen guten Blick auf die felsige Erhebung am nördlichen Rand Konohas und die dort eingemeißelten Köpfe der Dorfoberhäupter. Außerdem war der Raum an diesem Morgen von rund einem Dutzend Männer in ANBU-Kleidung bevölkert. Ein paar starrten auf die Geräte an den Wänden und schrieben etwas auf Klemmbretter, der Rest saß an einem Tisch in der Mitte und war in eine angeregte Unterhaltung vertieft. Als Makanis Team-Captain Anstalten machte, ohne ein Wort an ihnen vorbei zu gehen, erhob sich ein großer Shinobi mit raspelkurzen dunkelblonden Haaren und stellte sich ihnen in den Weg. „Na, wen hast du denn da mitgebracht, Uchiha? Ist das eure neue Partnerin?“, warf er den beiden flapsig entgegen. Itachi lief weiter und antwortete lediglich mit einem tonlosen „Ja.“. Doch das unbekannte ANBU-Mitglied platzierte sich so, dass er Makani dazu nötigte, stehen zu bleiben. „Magst du uns nicht deinen Namen verraten?“ Die Angesprochene antwortete nach kurzem Zögern: „Uchiha Makani. Ich bin ab heute in Itachis Team.“ Bei ihren Worten schnellten die Augenbrauen des Ninja in die Höhe. Ungläubig blickte er auf sie herab, dann drehte er sich plötzlich zu Itachi und rief: „Was denn? Habt ihr die Albino bis jetzt im Wald versteckt oder hast du etwa geheiratet, ohne uns etwas zu sagen, Itachi?“ Okay, das war absolut nicht nett gewesen. Makani war sich zwar nicht sicher, ob dieser Kerl einfach nur geschmacklose Witze mochte oder ob er sie oder Itachi tatsächlich hatte beleidigen wollen, dennoch hatte ihr dieser Kommentar die Sprache verschlagen und sie spürte, wie Hitze in ihr aufstieg, ob aus Scham oder aus Wut war allerdings schwer zu sagen. Doch bevor sie sich zu einer passenden Erwiderung, die ihr wahrscheinlich ohnehin nie eingefallen wäre, durchringen konnte, meldete sich einer der am Tisch sitzenden Männer zu Wort: „Lass das Tora, wir haben keine Zeit. Wir müssen hier in zwei Stunden fertig sein.“ In diesem Moment spürte Makani eine hauchzarte Berührung an ihrer Schulter. Sie blickte zur Seite und sah, dass Itachi direkt neben ihr stand. Sie hatte nicht bemerkt, dass er sich bewegt hatte. „Komm.“, sagt er nur leise, aber mit fester Stimme und führte sie an Tora vorbei, welcher nur die Schultern zuckte und sich dann wieder zu seinen Kollegen setzte. Sie durchquerten mit schnellen Schritten den Raum und auf einmal entdeckte Makani eine Tür, die hinter einem großen Schrank mit Ordnen schlecht zu erkennen gewesen war.   Itachi öffnete sie und die beiden betraten eine Art Erste-Hilfe-Zimmer. In der Mitte standen zwei mit großen Papierunterlagen versehene Liegen. Auf einem Tisch am Fenster befanden sich einige braune Fläschchen und ein Kasten mit Verbandsmaterial. Es roch leicht nach Jod und Desinfektionsmittel und Makani wurde etwas flau im Magen. Sie reagierte empfindlich auf Gerüche, besonders wenn sie noch nichts gegessen hatte. Itachi deutete auf einen blassgrünen Wandschirm neben einer weiteren Tür und sagte: „Würdest du dich bitte umziehen. Ich hoffe, es passt einigermaßen. Deine Größe war nicht vorrätig. Es ist aber nur für den Übergang, bis wir dir etwas haben anfertigen lassen.“ Sie nickte und verschwand hinter der Stoffwand. Dort lag auf einem Hocker ein Stapel Kleidung für sie bereit. Rasch schälte sie sich aus ihren noch immer feuchten Sachen und tauschte sie gegen ihre neue ANBU-Uniform. Tatsächlich war alles ein bisschen zu weit, aber damit ließ sich eine Weile leben. Nur ihre eigenen Schuhe behielt sie an, denn die, welche für sie herausgesucht worden waren, waren mindestens drei Nummern zu groß. Damit hätte sie vermutlich kaum laufen, geschweige denn kämpfen können. Als letztes nahm sie die bereitgelegte weiße Maske in die Hand und betrachtete sie eingehend. Makani konnte nicht genau sagen, welches Tier diese darstellen sollte, aber anhand der Schnauzenform und der scharf geschnittenen Augenaussparungen hätte sie auf irgendeine Raubkatzenart getippt. Als sie wieder vor dem Wandschirm hervortrat, sah sie, dass Itachi am Tisch platzgenommen hatte. Vor sich hatte er einige Sachen ausgebreitet:  ein zusammengefaltetes weißes Handtuch, ein Behältnis mit einer tiefschwarzen Flüssigkeit und in einer Metallschale konnte Makani einige auffällig spitze Instrumente ausmachen. Die Kunoichi schluckte. Was hatte er denn jetzt vor? Ihr Team-Leader deutete auf den Stuhl ihm gegenüber und erklärte: „Alle Mitglieder bekommen das Zeichen der ANBU tätowiert. Setz dich. Es dauert nicht lange.“ Ein merkwürdiges Gefühl ergriff Makani. Als wäre nun ein Punkt erreicht, von dem aus es kein Zurück mehr für sie gab. Sie dachte an ihr altes Team, von denen niemand wusste, dass sie im Begriff war, einen, wie es aussah, völlig anderen Weg in ihrer Laufbahn einzuschlagen als sie. Vielleicht würde sie nie wieder die Gelegenheit bekommen, mit ihnen zu arbeiten. Sie wollte Itachi so vieles fragen. Warum sie überhaupt hier war. Was von ihr erwartet wurde und warum man ihr scheinbar überhaupt keine Wahl in dieser wichtigen Angelegenheit ließ. Und warum gerade jetzt? Sollte sie doch noch versuchen umzukehren? Doch ihr Körper wollte ihr nicht gehorchen. Ohne einen Ton von sich zu geben, setzte sie sich dem Uchiha gegenüber. Er bedeutete ihr, ihren Arm auf das Handtuch zu legen. Makani gehorchte und starrte dann mit einem tauben Gefühl im Kopf auf ihre andere Hand, welche schlaff in ihrem Schoß lag. Der scharfe Geruch von Desinfektionsmittel stieg ihr in die Nase und sie spürte, wie Itachi mit etwas Feuchtem über ihren Oberarm wischte. Sie versuchte die beunruhigenden Gedanken zu verdrängen und sich auf Itachis Finger auf ihrer Haut und die kurz darauf einsetzenden Stiche zu konzentrieren. Er ging auffallend behutsam dabei vor. Die Berührungen seiner kühlen Hände waren federleicht und er stach die Farbe sehr schnell und zielsicher unter ihre Haut. Ein paar Tropfen lösten sich auf dem Weg zu Makanis Arm von der Nadel und bildeten kleine schwarze Flecken auf dem ansonsten makellos weißen Handtuch.   Als sie nach einer Weile zur Seite schaute, waren die Umrisse des wellenartigen Symbols bereits auf ihrer nun deutlich geröteten Haut zu erkennen. Itachi hielt den Blick gesenkt und schien sehr konzentriert zu arbeiten. Unwillkürlich fiel ihr auf, dass er zierlicher gebaut war, als sie gedacht hatte. Er war definitiv schmaler als Shisui und auch ein paar Zentimeter kleiner. Und dennoch war er ihr Anführer und Gerüchten zufolge der talentierteste Ninja, den der Uchiha-Clan jemals hervorgebracht hatte – obwohl in dieser Hinsicht auch gerne mal übertrieben wurde. Dennoch, fand sie, könnte er als vorbildlicher Team-Leader ruhig etwas mehr mit ihr sprechen, selbst wenn er sie eigentlich nicht dabeihaben wollte. Sollte das so weitergehen, standen ihr sehr schweigsame Zeiten bevor. Makani gab sich schließlich einen Ruck und formulierte eine zaghafte Frage: „Ist dieser Tora immer so… taktvoll?“ Mit einem beinah überraschten Gesichtsausdruck sah er zu ihr auf. Rabenschwarze Augen. Er strich sich eine Strähne seines langen Haares zurück und antwortete dann: „Er macht nur seine Arbeit. Ich habe eine Fremde in die Zentrale gebracht, ohne alle über deine Identität zu informieren. Da sind Nachfragen angebracht.“ „Aha“, entgegnete Makani. Itachi schien zu merken, dass sie mit dieser Antwort nicht wirklich zufrieden war, denn er fügte hinzu: „Und nein, das mit dem Taktgefühl ist nicht seine Stärke.“ „Vielleicht sollte man so etwas auch mal in den Ninja-Kodex aufnehmen.“, murmelte die Kunoichi nach einer kleinen Pause. Der sehr vage Anflug eines Lächelns umspielte die Mundwinkel des Shinobis, doch Makani fand, dass er eher traurig dabei aussah. Dann verfielen sie wieder in Schweigen. Als erneut einige Zeit vergangen war und Makani immer mehr unbewusst die Kiefer aufeinanderpresste, um die Stiche auf ihrer zunehmend wunden Haut zu ertragen, klopfte es auf einmal. „Ich bin’s.“, kam Shisuis gedämpfte Stimme von der anderen Seite der Tür. „Komm‘ rein.“, antwortete Itachi halblaut. Der ältere Uchiha-Sprössling betrat den Raum und stellte sich hinter Itachi. „Das sieht doch ganz gut aus“, stellte er fest. „Meines kommt mir immer etwas schief vor.“ „An dir musste ich ja auch erstmal üben.“, gab der Andere trocken zurück. Makani warf einen verstohlenen Blick auf Shisuis Oberarm, fand jedoch nichts an der Tätowierung dort auszusetzen. Es war nicht leicht festzustellen, wann die beiden Uchihas scherzten, dachte Makani. „Bist du fertig hier? Koguma möchte dich noch sehen, bevor wir die Übung morgen besprechen.“, sagte Shisui. Itachi legte daraufhin die Nadel weg und wischte sich die Hände am Handtuch ab. „Ja, fast. Kannst du noch schnell die Restversorgung übernehmen?“ Shisui nickte und nahm Itachis Platz ein, nachdem dieser kurzerhand aufgestanden und den Raum verlassen hatte. Noch einmal wurde die Stelle desinfiziert und schließlich noch ein großes Pflaster darüber geklebt. „So, fertig“, sagte Shisui schließlich und lächelte Makani zu. „Danke“, erwiderte diese und nach einem kurzen Zögern fragte sie plötzlich: „Ist es nicht kontraproduktiv, dass alle ANBUs so ein eindeutiges Zeichen tragen, wenn sie ihre Identität unter Umständen geheim halten wollen?“ Shisui hob die Augenbrauen. „Hmm. Ja, da hast du nicht ganz Unrecht. Aber es ist eine Tradition und es gibt außerdem verschiedene Mittel, um die Tätowierung zu verbergen. Das sollten wir dir heute nach der Besprechung noch zeigen.“ „Was ist das für eine Besprechung?“ Aus irgendeinem Grund fiel es ihr viel leichter, Shisui Fragen zu stellen. Sie sollte allerdings aufpassen, sonst würde sie heute gar nicht mehr aufhören damit. „Wir versuchen alle paar Monate eine groß angelegte Übung durchzuführen, in der wir unser Vorgehen für den Ernstfall trainieren. Morgen soll wieder so etwas stattfinden.“ Überrascht blickte sie den ihr gegenübersitzenden Ninja an. „Machen wir da etwa auch mit?“  „Natürlich“, antwortete er knapp. Dann stand er auf. „Komm, die Versammlung beginnt gleich.“ Makani erhob sich ebenfalls und folgte Shisui aus dem Zimmer. Ob der Vorstellung, dass sie anscheinend gleich am nächsten Tag  derart auf die Probe gestellt werden sollte, wurde ihr erneut flau im Magen.   Im Raum mit den Monitoren hatten sich derweil noch weitere ANBU-Mitglieder versammelt. Sie scharrten sich um die wenigen Tische oder lehnten an der Wand. Als Makani mit ihrem Team-Kollegen eintrat und sich vor einem der großen Fenster postierte, meinte die Kunoichi, dass die murmelnden Gespräche kurz innehielten und die meisten Augenpaare im Raum nun auf sie gerichtet waren. Zunächst tat sie daraufhin so, als ob es nichts Interessanteres gäbe, als den weiß gefliesten Boden unter ihren Füßen sehr eingehend zu betrachten. Nach ein paar Minuten wanderte ihr Blick dann aber doch wieder nach oben und, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass sie nicht mehr weiter beachtet wurde, schweifte er eine Weile neugierig durch den Raum. Nun hatte sie auch das erste Mal die Gelegenheit, sich die Geräte und insbesondere die zahlreichen Bildschirme im Raum etwas genauer anzusehen. Die meisten von ihnen waren in Betrieb und schienen samt und sonders der Überwachung zu dienen. Einer zeigte eine Art Zelle, in deren Mitte eine nicht näher erkennbare Gestalt reglos auf einem Stuhl saß. Auf ein paar weiteren waren andere Räume und Korridore zu sehen, von denen Makani nicht sagen konnte, wo sich diese befanden, es mochten vielleicht sogar Bereiche der ANBU-Zentrale sein. Doch viele zeigten auch öffentliche Orte in Konoha, wie den Marktplatz oder das Krankenhaus. Und schließlich entdeckt sie einen, auf dem ein Teil eines Trainingsgeländes und ein Stück Waldweg zu erkennen war. Makani war sich sicher, wenn man diesen Weg nur etwa hundert Meter weiterging, würde man eben jenen Bach erreichen, aus dem man sie vor wenigen Stunden aufgescheucht hatte.   Plötzlich spürte sie, wie Shisui sie leicht an der Schulter berührte. Sie drehte den Kopf und sah, dass zwei weitere Personen den Raum betreten hatten und nun für alle gut sichtbar in der Mitte standen. Es waren Itachi und das ANBU-Oberhaupt Koguma. Der letztere von beiden setzte gerade zu sprechen an: „Hallo zusammen. Wie ihr alle wisst, ist für morgen eine große Feldübung geplant. Diesmal wird es länger dauern als üblich, voraussichtlich mehrere Tage. Wir wollen dadurch insbesondere euer Durchhaltevermögen testen, wenn ihr einer langandauernden Stresssituation ausgesetzt seid. Den genauen Ablauf bekommt ihr erst morgen mitgeteilt, damit sich keiner allzu sehr vorbereiten kann. Die Übungsleitung werde ich selbst übernehmen. Denjenigen, die hier in der Zentrale die Stellung halten werden, habe ich bereits Bescheid gegeben. Also kommt morgen um zehn Uhr zum Waldfriedhof und nehmt die übliche Ausrüstung für längere Missionen mit. Ach, und ich empfehle euch, heute ausreichend zu schlafen, das werden anstrengende Tage.“ Nach diesen Worten setzte angespanntes Raunen ein, doch Koguma hob die Hand, um sich erneut Gehör zu verschaffen. „Ich habe noch etwas anzukündigen. Wie euch vielleicht schon aufgefallen ist, haben wir ein neues Mitglied in der ANBU.“ Alle Köpfe drehten sich in Richtung Fenster, als Koguma fortfuhr: „Ich möchte die Gelegenheit nutzen, um Uchiha Makani herzlich willkommen zu heißen.“ Er lächelte der Kunoichi zu. „Auf dass wir gemeinsam den Frieden für Konoha erhalten mögen!“       *  *  * Kapitel 4: Einheit ------------------ Am nächsten Morgen wurde Makani von dem Geräusch heftig prasselnden Regens geweckt. Verschlafen trat sie ans Fenster, blinzelte in die trübe Nässe hinaus und fröstelte. Der Himmel war mit einer dicken, tief grau marmorierten Wolkendecke verhangen und die Bäume wiegten sich in scharfen Windböen. Ein noch dunkler gefärbter Horizont ließ befürchten, dass sich die schwüle Luft der letzten Tage heute noch zusätzlich in dem einen oder anderen Blitz zu entladen gedachte. Genau das richtige Wetter, um einen ausgedehnten Ausflug in die Natur zu unternehmen, dachte die Kunoichi unwillig. Nach einer schnellen Wäsche im Badezimmer – wozu sich großartig zurechtmachen, sie würde ohnehin spätestens nach zehn Minuten draußen völlig durchnässt sein – legte sie ihre neue, etwas zu großeUniform an und zog dann noch einen weiten Pullover und einen recht abgetragenen Umhang darüber, beides ebenfallsvorübergehende Leihgaben der ANBU. Fertig angezogen besah sie sich in einem Wandspiegel in einer Ecke des kleinen Zimmers. Die Augen ihres Spiegelbildes, die eine ähnliche Farbe und eine ähnlich unruhige Musterung aufwiesen wie der Himmel draußen, drückten Skepsis aus. Sie fand, dass sie einen ziemlich unförmigen und abgerissenen Eindruck machte, aber vielleicht war das für diese Inkognito-Aufmachung ja so beabsichtigt. Schließlich warf sie sich noch einen Rucksack, der neben der Tür gestanden hatte, über die Schulter und verließ das Zimmer.   „Guten Morgen, Makani!“, ertönte eine tiefe Stimme hinter ihr, als sie gerade im Begriff war, die Haustür zu öffnen. Die rechte Hand bereits am Türgriff hielt sie inne und drehte den Kopf. Im Flur vor der Küche stand ihr Adoptivcousin Tekka, ein großer untersetzter Mann Mitte vierzig mit breitem Kinn und schmalen Augen. „Guten Morgen“, erwiderte Makani schließlich nach kurzem Zögern und lächelte zurückhaltend. Daraufhin trat der Uchiha noch ein paar Schritte auf sie zu. „Na, wo willst du denn hin bei dem Wetter?“, fragte er in ungewohntem Plauderton. „Äh… auf Mission.“ Tekka hob die Augenbrauen. „Schon wieder? Du bist doch gerade erst zurückgekommen. Sollten sie dir nicht ein paar Tage Ruhe gönnen? Du warst die letzten Monate kaum zwei Wochen zuhause.“ Verwundet zuckte Makani mit den Schultern und fuhr fort, zu lächeln. Der erfahrene Shinobi war selbst dafür bekannt, überausarbeitswütig zu sein. Er war bei der vom Uchiha-Clan geleiteten Polizei von Konoha tätig und Makani konnte sich tatsächlich nicht erinnern, dass er sich,seitdem sie bei ihm und seiner Frau lebte,auch nur einen Tag Urlaub genommen hatte. Als sie nichts weiter antwortete, gab Tekka schließlich ein Brummen von sich und sagte dann: „Ja, ja, versteh‘ schon. Ihr Jungen wollt euch beweisen und Karriere machen. Aber mal was anderes…“ Er kratzte sich am Kopf und wirkte nun beinah etwas verlegen. „Ich nehme an, du weißt nicht genau, wann du zurückbist, aber… naja, ich dachte, es wäre an der Zeit, dass du mal bei einer Familienratssitzung dabei bist. Was meinst du? Nächste Woche ist eine.“ Perplex starrte Makani ihren Cousin an. Noch nie zuvor hatte man sie auf diese Art in die Angelegenheiten des Clans einbezogen. Nun gut, man hatte sie auch nicht aktiv ausgeschlossen, aber dass Tekka auf sie zukam und sie direkt fragte, ob sie sich einbringen wollte, war etwas absolut Neues. Ein merkwürdig warmes Gefühl breitete sich in Makanis Brust aus. Wenn man sie gefragt hätte, hätte sie es geleugnet, aber tief in ihrem Innern freute sie sich über diese Worte. „Äh… sicher“, brachte sie schließlich hervor und Tekkas Mundwinkel zuckten kurz. Er nickte Makani zu und sagte: „Gut. Die Anderen werden sich freuen, dich zu sehen. Du lässt dich ja so selten blicken. Tja, und…“. Wieder kratze er sich am Kopf. „Ach, nicht so wichtig. Pass auf dich auf, ja?“ Mit diesen Worten drehte er sich um, ging zurück in die Küche und ließ eine immer noch etwas verwirrt dreinblickende Makani im Flur zurück.   Für diese Jahreszeit war der Wind entsetzlich kalt. Die Regentropfen klatschten Makani ins Gesicht, während sie durch den Wald sprintete, über knöcheltiefe Pfützen und umgestürzte Bäume sprang und, obwohl sich nach nur wenigen Minuten eine Gänsehaut auf ihrer nassen Haut bildete, ließ sie ihren Umhang offen hinter sich her flattern. Das in ihren Adern aufsteigende Adrenalin wärmte sie. Während sie sich zügig dem vereinbarten Treffpunkt näherte, füllte sich ihr Bauch immer mehr mit beinahe freudiger Erwartung und sie fühlte sich so voller Energie wie schon lange nicht mehr.Auf einmal kam ihr der Weg, den man für sie vorgesehen hatte, nicht mehr so bedrohlich vor, wie noch am Tag zuvor, sondern vielmehrwie die Tür zu einer womöglich verheißungsvollen und aufregenden Zukunft, in der sie es mit ihren Fähigkeiten vielleicht zu mehr bringen konnte, als sie es je für möglich gehalten hätte. Man gab ihr eine Chance und sie wollte diese nutzen. Einen kurzen Moment fragte sich Makani, was ihre Ziehmutter zu alldem wohl sagen würde, wenn sie davon wüsste.Was ihre ANBU-Mitgliedschaft betraf, musste die Kunoichi feststellen, dass sie es schlicht nicht wusste, aber von den Organisationen innerhalb des Clans hatte Akane alles in allem nicht viel gehalten. Einiges davon hatte sie sogar wörtlich als bloße Wichtigtuerei abgetan. Doch Makani blieb keine Zeit, um sich weiter darüber Gedanken zu machen, denn auf einmal spürte sie, wie sich zwei menschliche Chakren sehr schnell von hinten auf sie zu bewegten. In jäher Alarmbereitschaftspannten sich alle ihre Muskeln an und sie blickte sich hektisch um. Gerade wollte sie stehen bleiben und sich im Unterholz verbergen, da erkannte sie plötzlich mit unwillkürlicher Erleichterung die beiden Präsenzen. Nur einen Augenblick später brachen zwei vertraute Gestalten durch das dichte Laub der Bäume, sie spurteten spritzend über das regengetränkte Moos des Waldbodens und warendann auch schon direkt neben ihr, eskortierten sie rechts und links in haargenau gleichem Abstand und passten ihre Bewegungen ihrer Geschwindigkeit an.Makani spürte, wie Itachi und Shisui ihr abwechselnd Blicke von der Seite zuwarfen, doch sie sah nur stur geradeaus und legte an Geschwindigkeit zu. Sie hatte auf einmal das unangenehme Gefühl, ein weiteres Mal ohne ihr Wissen beobachtet worden zu sein, und sie beschloss, sich ab sofort immer im Verborgenen zu bewegen, solange sie mit der ANBU zu tun hatte. Wenn das so weiterging, verhieß es nichts Gutes für ihre zukünftige Teamarbeit, war doch Vertrauen dabei eine unbedingt notwendige Voraussetzung. Oder hatte man sie etwa auf die Probe stellen wollen? Wenn dem so war, dann hatte sie eben keine sehr gute Leistung gezeigt. Die beiden hatten sie tatsächlichvollkommen kalt erwischt. Makani riskierte einen kurzen verstohlenen Blick auf ihre Begleiter. In den Gesichtern der beiden Shinobi war keine Regung auszumachen. Ihre beinah perfekt synchronen Bewegungen waren außergewöhnlich geschmeidig und leichtfüßig, obwohl das Tempo mittlerweile erheblich war.Es hatte immer zu Makanis Stärken gehört, in jeglicher Hinsicht ziemlich ausdauernd zu sein, aber sie ahnte, dass die beiden Uchiha-Sprösslinge sie darinsogar noch übertrafen – die Wahrheit lautete wahrscheinlich, dass ihre neuen Teamkollegen sie in allem um einiges übertrafen.   Nachdem sie auf diese Weise ein paar Minuten schweigend durch den Wald gejagt waren, begann sich der Abstand zwischen den Bäumen langsam zu vergrößern bis sie schließlich auf eine von einer niedrigen, alten Steinmauer umgebenen Lichtung gelangten, auf der vereinzelt verwitterte Grabmäler krumm und schief in den aufgewühltenHimmel ragten. Auf dem Waldfriedhof hatten sich bereits einige ANBU-Mitglieder eingefunden. Makani erkannte Tora unter ihnen und ebenso jenen Shinobi, der ihn am vergangenen Tag nach seiner gemeinen Begrüßung in der Überwachungszentrale zurückgepfiffen hatte.Zusammen mit einem dritten unbekannten Mann standen sie bei dem größten Grabstein in der Mitte der Lichtung und schienen damit beschäftigt zu sein, ihre Ausrüstung zu überprüfen. „Werden wir die ganze Übung in Dreierteams durchführen?“, fragte Makani leise. Ihre Stimme klang eingeschüchtert und das ärgerte sie ein wenig. Sie rechnete schon gar nicht mehr mit einer Antwort, da ertönte plötzlich Shisuis Stimme ganz dicht neben ihr: „Ja, wir schon. Wir arbeiten in unseren Stammteams. Es gibt aber auch einige Zweierteams in der ANBU und sogar ein paar Mitglieder, die bevorzugt allein auf Mission gehen. Es kommt ganz auf die Spezialisierung an. Im Grunde ist es nicht anders als in anderen Teams auch.“ Makani drehte sich um und sah, dass Shisui ihr milde zulächelte. Schüchtern erwiderte sie es. Dann stand auf einmal Itachi neben ihm, sein Gesichtsausdruck war ernst wie immer. „Hier. Steck dir das vorne in deine Schutzweste“, sagte ihr Anführer und hielt der Kunoichi einen merkwürdigen runden Gegenstand hin. Etwas irritiert griff Makani danach. Es war eine dünne, etwa handtellergroße Porzellanplatte mit dem ANBU-Zeichen und ihrem Namen darauf. „Äh… ok. Und was ist das?“. „Das ist dein Herz“, antwortete ihr Shisui und grinste nun breit angesichts Makanis verständnisloser Miene. „Das Ziel deiner Gegner ist es, diese Platte zu zerbrechen. Dann giltst du als tot und das bedeutet in der Regel, dass die Übung für dich zu Ende ist“, erklärte er. Die Kunoichi zog verwundert die Stirn kraus, nickte dann aber, um zu zeigen, dass sie verstanden hatte, und ließ die Platte in einen anscheinend genau für diesen Zweck vorgesehenen Spalt zwischen Panzerung und Innenfutter ihrer Weste gleiten. Als Makani wieder aufblickte, bemerkte sie, dass Itachi sie mit scharfen Blicken taxierte. „Weiß jemand zuhause, dass du weg bist?“, fragte er für Makanis Geschmack eine Nuance zu vorwurfsvoll. Entsprechend patzig antwortete sie: „Das war wohl kaum zu vermeiden. Ich wohne nicht allein. Nach zwei, drei Tagen würde es sogar denen auffallen, dass ich nicht da bin. Ich habe ihnen gesagt, dass ich auf Mission bin.“ Oje, das hatte wohl etwas verbitterter geklungen als beabsichtigt. Makani blickte verlegen zur Seite, doch Itachi schien, davon keine Notiz zu nehmen. Stattdessen fuhr er unbeirrt fort: „Du bist vorhin ohne jedwede Tarnung aus dem Dorf aufgebrochen und warst so unaufmerksam, dass du uns bis zum Schluss nicht bemerkt hast. Es ist heute zwar nur eine Übung, aber die Arbeit in der ANBU ist gefährlich. Unter anderen Umständen hätte das deinen oder unser aller Tod bedeuten können.“ Makani biss die Zähne zusammen und fixierte irgendeinen Punkt ein paar Zentimeter neben Itachis Gesicht. „Ich bitte um Verzeihung“, sagte sie schließlich tonlos. „Ich werde in Zukunft mehr achtgeben.“ Schließlich schielte sie nach ein paar Sekunden doch zu ihrem Anführer hinüber, als er nichts auf ihre Entschuldigung erwiderte, und erschrak ein wenig über dessen Gesichtsausdrück, weil dieser so gar nicht zu seinen strengen Worten eben zu passen schien. Der Blick seiner Augen war fast weich und er sah – irgendwie bekümmert aus, fand Makani. Doch der Eindruck währte nur einen Augenblick, denn schon im nächsten wurden sie von Shisui unterbrochen: „Hey, Koguma ist da. Es geht los.“.   Der ANBU-Anführer hatte sich in der Mitte des Friedhofs platziert und zum Zeichen, dass er etwas ankündigen wollte, eine Hand erhoben. Die anwesenden Ninja begannen, sich daraufhin um ihn zu scharen. Als das dabei entstandene Gemurmel langsam abebbte, begann Koguma zu sprechen: „Guten Morgen allerseits. Ich will euch nicht mit allzu viel Gerede aufhalten. Also hier nur das Wichtigste in Kürze: Ihr werdet in dieser Übung in zwei Mannschaften gegeneinander antreten. Die Teams der Mannschaft Shinpan werden einen Auftrag zu erfüllen haben, während die Teams der Mannschaft Bōshu versuchen, sie genau davon abzuhalten. Die Aufträge für die Mannschaft Shinpan stehen auf diesen Schriftrollen.“ Er deutete auf eine Kiste zu seinen Füßen. „Ich werde sie gleich an die Bōshu-Teams verteilen. Dann bekommen diese einen Vorsprung von einer halben Stunde, bevor die Shinpan-Teams sich aufmachen, die Schriftrollen an sich zu bringen. Dafür haben sie Zeit bis morgen Mittag. Auf den Schriftrollen stehen verschiedene Aufträge, die jeweils nur von einem Team vollständig ausgeführt werden können. Den Teams der Mannschaft Bōshu ist es nicht erlaubt, in dieser ersten Runde mit der Schriftrolle den Wald zu verlassen. Für ein Shinpan-Team ist die Übung erfolgreich abgeschlossen, wenn der Auftrag ausgeführt ist und sie wieder hierher zurückgekehrt sind. Für ein Bōshu-Team dagegen ist sie erst zu Ende, wenn es das Team, das versucht den zugehörigen Auftrag auszuführen, vollständig eliminiert hat oder es morgen nach Mittagmit der Schriftrolle hierher zurückkehrt. Die Dauer der gesamten Operation ist nicht begrenzt. So, ich glaube, das wär’s erstmal. Ich wünsche euch viel Erfolg!“ Während Kogumas Ansprache hatte sich Makani trotz ihrer steigenden Anspannung ein leichtes Grinsen nicht verkneifen können. Sie fühlte sich auf einmal lebhaft in die Zeit ihrer Chunin-Prüfung zurückversetzt, nur dass sie es diesmal wohl nicht mit einem Haufen halbwüchsiger Genin zu tun haben würde, sondern mit einigen der besten Ninja Konohagakures. Das ANBU-Oberhaupt war mittlerweile dazu übergegangen, die Anführer der Bōshu-Teams aufzurufen und ihnen jeweils eine Schriftrolle zu überreichen. Als die Kiste zu seinen Füßen schließlich leer war, hatte sich Itachi, der die ganze Zeit direkt neben Makani gestanden hatte, allerdings immer noch nicht bewegt. Das musste wohl bedeuten, dass sie zur Mannschaft Shinpan gehörten. Die nächste halbe Stunde ging ähnlich schweigsam vorüber wie ihr gemeinsamer Weg zum Waldfriedhof. Mittlerweile befanden sich außer ihnen nur noch die drei anderen Teams ihrer Mannschaft auf der Lichtung. Sie standen verstreut um die Grabmäler herum und warteten. Einige unterhielten sich gedämpft und schienen, bereits über ihr Vorgehen zu beraten. Itachi und Shisui jedoch sagten die ganze Zeit über kein Wort und bewegten sich auch kaum. Makani wollte keine Fragen mehr stellen, sie würde warten bis man ihr Anweisungen gab und bis dahin würde sie die beiden Shinobi ebenso gut es ging unterstützen – oder zumindest würde sie versuchen, ihnen nicht im Weg zu stehen. Schließlich hob Koguma seinen Arm, wie er es bereits zuvor für die Bōshu-Teams getan hatte, und kaum zehn Sekunden später war der alte Friedhof bis auf das ANBU-Oberhaupt menschenleer.   In rasendem Tempo preschten sie durch den Wald, Itachi und Shisui auf gleicher Höhe vorne weg und Makani mit ein paar Metern Abstand hinterher. Sie schlugen einige Haken und brachten schnell gut einen Kilometer zwischen sich und ihrem Startpunkt. Von nun an achtete Makani peinlichst darauf, ihr Chakra sorgfältig zu verbergen, und mit dezenter Befriedigung registrierte die Konichi, dass sie dies tatsächlich noch etwas besser zu beherrschen schien, als die beiden Uchihas vor ihr. Auf der anderen Seite befürchtete sie allerdings, dass sie diese Höchstgeschwindigkeit nicht all zu lange würde durchhalten können. War es klug, sich bereits zu Beginn dieser langwierigen Unternehmung derart zu verausgaben? Oder verfügten ihre beiden Kollegen etwa über unerschöpfliche Energiereserven? Doch schon wenige Momente darauf hielt Itachi derart abrupt auf dem dicken Ast einer alten Buche, dass Makani es erst ein paar Augenblicke später bemerkte und zunächst einfach einige Meter weiterrannte. Mit einer leichten Röte im Gesicht landete sie schließlich neben ihm und versuchte Shisuis erneutes Grinsen möglichst würdevoll zu ignorieren. „Was habt ihr beobachtet?“, fragte Itachi ohne Umschweife in die Runde und auf einmal wusste Makani, wieso ihre beiden Kollegen die ganze Wartezeit über nichts gesagt hatten. Sie hatten versucht, die Chakraspuren der gegnerischen Teams zu verfolgen, und abermals ärgerte sich die Kunoichi über sich selbst, denn sie hatte natürlich nichts Besseres zu tun gehabt, als lediglich die restlichen Shinpan-Teams und ihre eigenen Kollegen zu beobachten. Schließlich antwortete Shisui auf Itachis Frage: „Die Mannschaft hat sich nach wenigen Metern getrennt und ist in alle möglichen Richtungen verschwunden, danach verloren sich die meisten Spuren bald.“ Ihr Anführer nickte und suchte Makanis Blick. Diese beschloss, statt eine Antwort zu geben mit einer Gegenfrage zu kontern. Etwas war ihr nämlich, während sie auf das Startsignal gewartet hatten, merkwürdig erschienen: „Wieso haben wir uns nicht mit den anderen aus unserer Mannschaft abgesprochen? Ich weiß, es geht nur darum, mit dem eigenen Team zu gewinnen, aber wir haben nur bis morgenfrüh Zeit, ein paar Personen in einem riesigen Waldgebiet zu finden. Wäre es da nicht besser, systematisch mit einer größeren Gruppe zu suchen?“ Auf diese Worte hin hob Itachi die Augenbrauen und schien tatsächlich einen Moment darüber nachzudenken. „Der Gedanke ist gar nicht so schlecht“, bemerkte schließlich Shisui. „Allerdings ist die ANBU schon lange nicht mehr dafür bekannt, große kooperative Operationen durchzuführen. Wir sind eine Organisation voller Eigenbrötler“, fügte der kurzhaarige Uchiha hinzu und schmunzelte. „Außerdem suchen wir keine Personen“, warf Itachi plötzlich ein und sah Makani scharf an. „In diesem Dschungel eine Hand voll Ninja aufzuspüren, die ihr Chakra unterdrücken und wer weiß was noch für Verbergungskünste anwenden, grenzt an ein Ding der Unmöglichkeit. Wir haben nicht versucht, ihre Spuren zu verfolgen.“ Makanis Augen weiteten sich, denn sie verstand plötzlich. „Die Schriftrollen haben Chakrasignaturen“, murmelte sie und Itachi nickte. Er fuhr fort: „Die Signaturen können sie nicht verbergen. Sie waren noch lange, nachdem sie den Friedhof verlassen hatten, gut wahrnehmbar. Ich schätze etwa einen halben Kilometer.“ Daraufhin holte Itachi etwas aus seinem Rucksack und reichte es Makani. Es war ein kleines Funkgerät. „Wir werden nun in entsprechendem Abstand den Wald durchkämmen, bis wir eine von den Schriftrollen lokalisiert haben.“   Nachdem Itachi ein paar weitere kurze Anweisungen gegeben hatte, trennten sich die drei und begannen mit der Suche. Makani achtete darauf, immer etwa die gleiche Entfernung zu ihren Kameraden beizubehalten. Dies war nur mithilfe kleiner Peilsender in den Funkgeräten, die jedem von ihnen die aktuelle Position der anderen beiden anzeigte, möglich, denn sie unterdrückten alle weiterhin ihr verräterisches Chakra. Auf diese Weise bewegten sie sich mit konstant mittlerer Geschwindigkeit in die gleiche von Itachi vorgegeben Richtung durch den Wald und versuchten, die Spur der Schriftrollen aufzuspüren. So vergingen die Stunden. Es war eine anstrengende, zermürbende Tätigkeit, die Makani langsam, aber sicher an die Grenzen ihrer Kraft und Konzentrationsfähigkeit zu treiben drohte. Unablässig scannte sie ihre Umgebung, versuchte jede Anomalie im Chakrafluss des Waldes zu registrieren. Gleichzeitig musste sie permanent eine gewisse Energie aufwenden, um ihre eigene Präsenz verborgen zu halten. Währenddessen war der Regen, der im Laufe des Vormittags fast ganz aufgehört hatte, wieder stärker geworden und die Kunoichi war sich mittlerweile sicher, dass selbst ihre Unterhose vollkommen durchnässt war. Nach fünf Stunden begannen allmählich, die Farben vor ihren Augen zu verschwimmen und ihre Gedanken immer mehr abzuschweifen. Das beschwingte Gefühl, das sie noch am Morgen verspürt hatte, war Ernüchterung gewichen. Die Mitgliedschaft in der ANBU schien noch einmal deutlich höhere Maßstäbe zu setzen, als sie es gewohnt war. Es würde sehr viel harte Arbeit für sie bedeuten, wollte sie tatsächlich nützlich für die Einheit sein. Dennoch, dachte sie grimmig, würde diese kraftaufwändige Suchaktion in einer größeren Gruppe sicherlich schneller zum Erfolg führen. Zu dritt konnten sie immer nur ein verhältnismäßig kleines Gebiet überwachen und sie bewegten sich dabei recht langsam. Im Grunde war es reine Glücksache, ob sie fündig wurden oder nicht.   Plötzlich rutschte Makanis Fuß an einem vom Regen besonders glitschig gewordenen Ast ab. Zu überrascht, um sich noch irgendwie abzufangen, fiel sie etwa vier Meter in die Tiefe und landete in einem Busch, dessen stachelige Äste ihre Haut an zahlreichen Stellen aufrissen. Leise fluchend befreite sie sich aus der schmerzhaften Umarmung und begutachtete den Schaden. Da ertönte auf einmal Itachis Stimme aus dem Funkgerät um ihren Hals: „Was ist passiert, Makani? Warum hältst du an?“. Die Angesprochene seufzte und zog sich einen großen Splitter aus dem Oberschenkel. „Entschuldige, Itachi. Ich bin ausgerutscht.“, und nach kurzem Zögern fügte sie resigniert hinzu: „Ich fürchte, ich brauche eine kurze Pause.“. Daraufhin blieb es kurz still am anderen Ende der Leitung, dann kündigte schließlich ein Knacken im Lautsprecher die Antwort ihres Team-Leaders an: „Du hast Recht. Wir sollten uns etwas ausruhen.“ Doch bevor er weitere Anweisungen geben konnte, ertönte plötzlich Shisuis angespannt klingendes Flüstern aus dem Gerät: „Hey, hört ihr mich? Ich habe etwas geortet. Es bewegt sich nördlich von mir nach Nord-Osten. Die Spur ist ziemlich stark – ich glaube fast, es ist nicht nur eine Schriftrolle.“ Makani spürte jäh, wie erneut das Adrenalin in ihre Adern schoss und aus irgendwelchen vergessenen Winkeln ihres Körpers bisher verborgene Kraftreserven in ihre Gliedmaßen pumpte. „Gut, Shisui!“, sagte Itachi. „Nimm sofort die Verfolgung auf, aber halte Abstand und lass dich nicht entdecken. Wir schließen zu dir auf. Makani, bist du in der Lage, zu kämpfen?“. „Ja!“, antwortete die Kunoichi sofort, es klang beinah ungehalten, während sie bereits Shisuis Position überprüfte. Dieser hatte soeben, wie befohlen, seine Richtung geändert und entfernte sich nun in deutlich erhöhtem Tempo. Ohne eine weitere Sekunde zu verlieren, sprang Makani auf jenen Baum zurück, von dem sie gerade heruntergefallen war, und hastete weiter den kleinen leuchtenden Punkt auf ihrem Radar nicht aus den Augen lassend. Währenddessen gab Shisui mit gesenkter Stimme weitere Beobachtungen durch: „Es sind drei Personen. Ich kann noch nicht genau erkennen, wer es ist, der eine Große könnte Baku sein. Und - “, der Uchiha zögerte „ – wenn  ich mich nicht irre, haben sie drei Schriftrollen bei sich. Makani stutzte bei dieser Information. Was konnte das bedeuten? Doch auf einmal hörte sie ein Geräusch hinter sich und spürte ein schmerzhaftes ziehen im Nacken, als sie etwas zu ruckartig den Kopf danach drehte. Bei der ganzen plötzlichen Aufregung, hatte sie erneut weniger auf ihre Umgebung geachtet, als sie sollte. Doch glücklicherweise sah sie lediglich in das hochkonzentrierte Gesicht ihres Anführers, der in einer mörderischen Geschwindigkeit auf sie zu geschossen kam. Er nickte ihr kurz zu, flog ohne ein Wort an ihr vorbei und Makani hängte sich ebenso kommentarlos an seine Fersen. Dabei musste sie erneut feststellen, dass ihre eigentlich im Allgemeinen als gut eingeschätzte Ausdauer im Vergleich mit der Elite wohl höchstens als Mittelmaß gelten konnte. Als sie nur kurze Zeit später neben ihrem dritten Team-Mitglied in einer Baumkrone landeten, konnte die Kunoichi ihren schwer gehenden Atem nicht mehr länger verbergen. Dem leicht besorgten Blick, welchen Shisui ihr zuwarf, als sie sich haltsuchend in den dünnen Ästen festkrallte, wich sie aus und fragte stattdessen an Itachi gewendet: „Also, wie gehen wir vor?“ Sie folgte seinem Blick und entdeckte etwa hundert Meter entfernt drei Gestalten auf einer Lichtung. „Sie haben eben dort angehalten. Ich weiß nicht, warum“, berichtete Shisui und warf seinem jüngeren Cousin einen erwartungsvollen Blick zu, doch dieser wandte sich zunächst an Makani: „Wir umstellen sie in so geringem Abstand wie möglich, ohne dass sie uns entdecken. Dann werden Shisui und ich sie angreifen. Du achtest darauf, dass niemand entkommt und unterstützt uns aus der Deckung heraus. Wenn möglich, versuch‘ eine Schriftrolle an dich zu bringen. Wir konzentrieren uns darauf, die Gegner unschädlich zu machen, in Ordnung?“ Die Kunoichi nickte. Itachi schaute noch ein letztes Mal in die Runde und hielt dabei drei Finger in die Höhe, dann zwei, dann einen. Auf das Startsignal hin synchronisierte Makani ihr Chakra mit der Umgebung und verschmolz dann beinahe perfekt mit dem grünbraunen Tupfenmuster des Waldes. Die beiden Uchihas vor ihr formten ein Fingerzeichen und daraufhin schienen ihre Gestalten auf einmal durchscheinend und waren dadurch nur noch schwer erkennbar, doch im Gegensatz zu Makanis ganzheitlicheren Verbergungskunst handelte es sich bei dieser Technik, wie sie wusste, lediglich um eine Lichtillusion, die einen geübten Shinobi nur auf den ersten Blick täuschen konnte.   Wie abgesprochen, begab sich Makani auf Position und wartete darauf, dass ihre beiden Kameraden ihren Angriff starten würden. Die drei ahnungslos wirkenden Ninja schienen eine Rast eingelegt zu haben. Einer von ihnen trank gerade etwas aus einer Metallflasche, ein anderer kramte in seinem Rucksack. Der dritte stand neben einem kleinen mit modrigem, braunem Wasser gefüllten Tümpel am Rande der Lichtung und blickte sich wachsam um. Nun konnte auch Makani die Chakrasignaturen der Schriftrollen deutlich wahrnehmen und tatsächlich schien jeder von ihnen, eine bei sich zu tragen. Sollte dieses Team etwa zwei Kopien erstellt haben, um mögliche Angreifer zu verwirren? Wäre es so einfach möglich, die Signaturen zu fälschen? Doch dann sah sie sich die Männer etwas genauer an und stutzte. Makani erkannte den einen großen Shinobi aus der Überwachungszentrale, welcher vom Waldfriedhof aus mit Tora in einem Bōshu-Team gestartet war, doch Tora selbst konnte sie nirgendwo entdecken. Konnte es etwa sein, dass diese drei Ninja dort gar nicht zum selben Team gehörten? Die Kunoichi überlegte gerade, ob sie ihren Verdacht über das Funkgerät, das immer noch eingeschaltet um ihren Hals hing, weitergeben sollte, doch bevor sie sich dazu entschließen konnte, sah sie auch schon, wie Itachi und Shisui plötzlich blitzschnell aus entgegengesetzten Richtungen auf die Lichtung stürmten. Durch das Meisai Gakureno Jutsu waren sie selbst dabei immer noch kaum zu sehen, jedoch hielten beide dafür umso besser sichtbare brennende Shuriken in den Händen, die sie, als sie über die Lichtung hinwegflogen, in kurzen Abständen auf die drei ANBU-Mitglieder unter ihnen abfeuerten. Dabei legten sie immer wieder nach, so dass die drei völlig überrumpelt wirkenden Männer nichts weiter tun konnte, als sich vor dem nicht enden wollenden Wurfsternregen, dessen Quelle sie zunächst nicht ausmachen konnten, irgendwie in Sicherheit zu bringen. Doch als sie einigermaßen kopflos versuchten, in verschiedene Richtungen aus dem Schussfeld zu fliehen, sahen sie sich plötzlich von jeweils etwa zwanzig sich aufs Haar gleichenden Ausgaben der beiden Uchihas umkreist. Die Schattendoppelgänger ließen den Aufgescheuchten keine Sekunde Zeit, um sich von ihrem Schreck zu erholen, sondern griffen sofort mit einer schwindelerregend schnellen Abfolge von Taijutsus an. Makani konnte währenddessen nicht anders, als über diesen perfekt choreografierten Überraschungsangriff ihrer beiden Kollegen zu staunen. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals zwei Ninja so gut zusammenarbeiten gesehen zu haben. Sie schienen sich blind zu verstehen und so sehr die Kunoichi auch versuchte, eine Lücke in den Attacken der beiden auszumachen, in die sie aus ihrem Versteck heraus unterstützend eingreifen konnte, sie fand einfach keine – weil es keine gab: Itachi und Shisui bildeten im Kampf eine vollkommene Einheit. Makanis Hilfe schien dabei absolut überflüssig.   Doch immerhin handelte es sich auch bei den Angegriffenen um kampferprobte Elitekämpfer und außerdem konnten die Uchiha-Sprösslinge ihre effektivsten – und tödlichsten – Techniken aus offensichtlichen Gründen in diesem Gefecht gar nicht einsetzen. Wahrscheinlich war es sogar um einiges schwerer den Gegnern, ihre Schriftrollen abzujagen oder die Porzellanplatten in ihren Westen zu zerschlagen, ohne sie dabei ernsthaft zu verletzen, als sie einfach mit einem kurzen konzentrierten Angriff schnell und endgültig zu eliminieren. Nach und nach verpufften denn auch alle Doppelgänger, denn im Einzelkampf waren sie einem Original, dem seine gesamte Kraft in einem einzigen Körper zur Verfügung stand, nicht gewachsen. Makani witterte bereits ihre Chance, da gingen Itachi und Shisui jedoch schon dazu über, die drei gegnerischen ANBUs mit ihrer Goukakyuu no Jutsu zu traktieren. Große gelb-rote Feuerkugeln formten sich aus ihrem ausgestoßenen Atem und flogen im nächsten Moment mit einem bedrohlichen Brausen auf die anderen zu. Selbst in ihrem Versteck fühlte Makani die dadurch verursachten heißen Windstöße auf dem Gesicht. EinShinobi, der genau in der Schusslinie einer soeben von Itachi ausgespienen Flammenkugel stand, tauschte sich scheinbar gerade noch rechtzeitig aus der Situation und ließ stattdessen seinen Rucksack in dem Inferno zurück. Doch als er etwa zwanzig Meter daneben wieder auftauchte, musste er feststellen, dass sein Umhang Feuer gefangen hatte. Er klopfte darauf herum und im nächsten Moment war auch schon Shisui, der die kleine Unaufmerksamkeit direkt ausgenutzt hatte, direkt hinter ihm und setzte ihm ein Kunai an seine Brust. Der Überwältigte begriff offenbar sofort, dass er keine Chance mehr hatte, denn er langte in seine Beintasche, holte das Objekt der Begierde heraus und warf es kurzentschlossen in hohem Bogen einem seiner Kollegen zu, der allerdings einige Meter von ihm entfernt kämpfte. Und genau in dieser Sekunde setzten Makanis Instinkte ein und ihr Verstand aus. Sie hechtete aus den schützenden Sträuchern und rannte so schnell sie konnte auf die über die Lichtung fliegende Schriftrolle zu – und, ohne es zu merken, direkt in die Flugbahn von Itachis nächster Goukakyuu no Justu. Als Makani die Schriftrolle zu fassen bekam, fegte der sengend heiße Luftzug über sie hinweg, verkohlte die kleinen Härchen auf ihrer Haut und, ehe sie sich‘s versah, stand auch ihr Umhang lichterloh in Flammen. Kurz fragte sie sich noch, wie das möglich war, wo ihre Kleidung doch schon seit dem Morgen völlig durchnässt war, dann realisierte sie, dass sie schnellstens etwas gegen diesen Zustand unternehmen musste. Ohne lange zu überlegen, sprang die Kunoichi kopfüber in den schlammigen, mit Entengrütze überwucherten Tümpel.     *  *  *       Kapitel 5: Es tut mir Leid -------------------------- Für ein paar Momente verharrte Makani unter der Wasseroberfläche und schimpfte in Gedanken mit sich selbst. Es war dumm und gefährlich gewesen, sich einfach so ins Getümmel zu stürzen. Auch wenn sie ihr Ziel erreicht hatte – sie hielt den Griff fest um die Schriftrolle geschlossen –, war dies keine besonders professionelle Vorgehensweise gewesen. Und wahrscheinlich war die ganze Aktion noch dazu völlig unnötig gewesen. Itachi und Shisui hatten den Kampf die ganze Zeit über dominiert. Es hätte sicherlich nicht mehr lange gedauert und die beiden hätten die Schriftrolle selbst an sich gebracht. Schließlich tauchte die Kunoichi vorsichtig auf, um ja nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Mit einiger Überraschung musste sie jedoch feststellen, dass sich die Szenerie auf der Lichtung in der Zwischenzeit grundlegend gewandelt hatte: Von dem hier noch vor wenigen Sekunden tobenden Feuergefecht war nichts mehr zu spüren. Shisui stand zwar immer noch an derselben Stelle, aber er hatte das Kunai sinken lassen und den Griff um den anderen Shinobi gelöst, welcher nun einfach regungslos neben ihm stand. Von den anderen beiden Gegnern fehlte jede Spur. Dann realisierte Makani plötzlich, dass Itachi, welcher eben noch mit den mittlerweile Verschwundenen gekämpft hatte, keine drei Meter von ihr entfernt am Ufer des Tümpels stand und sie mit alarmiertem Gesichtsausdruck musterte. „Bist du verletzt?“, fragte er. Makani fühlte sich auf einmal hundeelend. Hatte Itachi etwa wegen ihr die beiden anderen ANBUs entkommen lassen? Sie schüttelte den Kopf und murmelte dann kaum vernehmbar: „Es tut mir Leid.“ Doch ihr Team-Leader hatte sich bereits umgedreht und ging zu Shisui hinüber. Makani war es ganz recht, musste sie doch gerade ein reichlich klägliches Bild abgeben. Sie stieg aus dem modrig riechenden Wasser und versuchte dann, so gut es ging, die Entengrütze von ihrer Kleidung zu entfernen. „Das war ein beeindruckender Sprung!“, rief das besiegte Bōshu-Team-Mietglied herüber und zwinkerte der Kunoichi zu. Es war jener großgewachsene Ninja aus Toras Team. „Schon gut, Baku“, sagte Shisui. „Du schuldest mir noch was, oder?“ Der Mann namens Baku gab darauf ein gekünstelt theatralisches Seufzten von sich und langte vorne in seine Weste. Er holte die Überreste der offensichtlich soeben von dem kurzhaarigen Uchiha zerbrochenen Porzellanscheibe hervor und händigte sie seinem Bezwinger aus, dann hob er grüßend die Hand und sagte: „Es war mir eine Ehre, gegen euch zu verlieren.“ Im nächsten Moment war auch er zwischen den umstehenden Bäumen verschwunden.   „Wir suchen uns einen Platz zum Rasten.“, verkündete Itachi und lief, ohne sich noch einmal umzudrehen, in gemäßigtem Laufschritt los. Kaum zehn Minuten später hielt er neben einem großen Felsen, dessen leicht überstehende obere Teil etwas Schutz vor dem immer noch anhaltenden Regen bot. Wortlos ließen sich die beiden Uchihas an der moosbewachsenen Felswand nieder. Erst da bemerkte Makani, dass ihre mittlerweile vor Kälte starren Hände noch immer die Schriftrolle umklammerten. „Äh… Itachi?“ Zaghaft tat sie einen Schritt auf den langhaarigen Uchiha zu und hielt  ihm die Rolle hin. Dieser nahm sie immer noch schweigend entgegen, sah die Kunoichi dabei noch nicht einmal an. Niedergeschlagen entfernte sie sich wieder ein paar Schritte und setzte ihren Rucksack ab, um darin nach trockener Kleidung zum Wechseln zu suchen, natürlich ohne Erfolg. Der ganze Inhalt ihrer Tasche triefte und roch nach abgestandenem Wasser. Unbeabsichtigt entfuhr ihr daraufhin ein resigniertes Seufzen. „Du kannst etwas von mir haben“, bot Shisui an, stand wieder auf und öffnete seinen eigenen Rucksack. „Es ist auch alles ein bisschen feucht, aber besser, als das, was du da anhast, ist es allemal.“ Er überreichte ihr ein zusammengefaltetes Bündel aus schwarzem Stoff. „Danke“, sagte Makani Shisuis Blick jedoch vermeidend und entfaltete ein relativ trockenes Hemd und eine Hose. „Ich… äh… ich geh mich kurz umziehen“, murmelte sie und, ohne eine Antwort abzuwarten, flüchtete sie einige Meter in den Wald.  Sie hatte auf einmal ein so furchtbar drängendes Bedürfnis verspürt, allein zu sein, dass sie glaubte, es keine weitere Minute mit diesen beiden wortkargen Professionalitätsinkarnationen aushalten zu können; als würden ihre von Stärke strotzenden und dennoch perfekt kontrollierten Präsenzen ihr keinen Platz zum existieren einräumen. Als endlich nichts mehr von den beiden Shinobis wahrzunehmen war, ließ sie sich ächzend gegen einen Baum sinken, rutschte langsam an seiner Rinde herunter und atmete tief durch. Es war mittlerweile später Nachmittag. Beinah unbewusst, so wie sie es häufig tat, wenn sie emotional aufgewühlt war, hüllte sie sich in die langen Schatten der Bäume und wurde schließlich unsichtbar. Sie schloss die Augen und versuchte die Anspannung in ihrem Innern etwas zu lösen.   Eigentlich, dachte Makani, entsprachen Itachi und Shisui genau dem, was man allen Ninja von Konoha stets als Ideal vor Augen hielt. In jeder Sekunde ihres Daseins schienen sie voll und ganz Shinobi zu sein und sonst nichts weiter. Itachi war ein hervorragender Anführer. Seine Anweisungen waren kurz und präzise, er handelte taktisch einwandfrei und weit vorausschauend und mit Shisui bildete er ein aufs kleinste Detail abgestimmtes Team, wie man es erst nach jahrerlanger Zusammenarbeit und nur mit entsprechend harmonierenden Fähigkeiten erreichen konnte – soweit die gängige Überzeugung. Aber die beiden Uchihas schienen der Theorie und ebenso den Gerüchten über sich tatsächlich voll und ganz gerecht zu werden. Eigentlich hatte Makani so etwas nicht für möglich gehalten, hatte stets einiges an Übertreibung in den zur Heroisierung neigenden Erzählungen vermutet. Doch waren Itachi und Shisui nicht immer schon in jeder Hinsicht idealtypische Ninja gewesen? Unwillkürlich tauchten die beiden schwarzhaarigen Jungen, die damals manchmal mit ihr gespielt hatten, vor Makanis innerem Auge auf. Die Erinnerungen waren dunkel, war sie doch kaum älter als fünf Jahre alt gewesen. Aber schon damals war es, obwohl es sich wohl noch um Spiele und Kinderträumereien gehandelt hatte, um nichts anderes als Ninja-Künste und den Clan gegangen. Daraus hatte das ganze Universum der Jungen bestanden. Makani war dies immer etwas seltsam erschienen. Dennoch hatte sie über ihre beeindruckenden Tricks gestaunt und war ihnen hinterhergelaufen. Ein- oder zweimal hatte Shisui sie auf dem Rücken getragen – oder war es Itachi gewesen? Wenn auch mit der Zeit etwas verblasst, gehörten diese Momente definitiv zu ihren glücklichsten Kindheitserinnerungen. Doch dann waren die beiden Spielkameraden eines Tages fort und Makani hatte sie von da an nur noch aus der Ferne zu Gesicht bekommen, hatte davon gehört, wie prächtig sie sich entwickelten und zum ganzen Stolz des Uchiha-Clans avancierten. Sie selbst hatte sich seit diesen Tagen dem Clan und seinen Ansprüchen, die, um ehrlich zu sein, eigentlich nie direkt an sie gestellt worden waren, immer mehr entzogen, natürlich ohne dass dies irgendjemandem großartig aufgefallen wäre. Aber jetzt war sie aus irgendeinem unerfindlichen Grund hier bei der ANBU, bei Itachi und Shisui, und fühlte sich so fehl am Platz wie noch nie in ihrem Leben. Es war nicht nur deshalb, weil sie fürchtete, den Erwartungen an sie nicht gerecht zu werden. Fast noch schlimmer war das Gefühl, ein im Grunde unwillkommener Fremdkörper in einer selbstverständlich von höchster Professionalität, aber gleichzeitig von einer eigentümlichen Intimität und Vertrautheit geprägten Beziehung zu sein, dessen Sprache sie nicht verstand und nie verstehen würde.   „Du solltest dich wirklich umziehen. Deine Zähne klappern.“ Makani schnellte vor Schreck in die Höhe und starrte im nächsten Moment in ein Paar rot schimmernde Augen. Itachi stand reglos keine zwei Meter von ihr entfernt und schaute sie direkt an. Obwohl sie aufgrund ihrer Clanzugehörigkeit einiges über dieses Erbe der Uchihas wusste, hatte sie es tatsächlich noch nie im Einsatz gesehen. Zurzeit gab es, soviel ihr bekannt war, ohnehin nur drei Menschen in Konohagakure, die das Sharingan beherrschten. Offensichtlich konnte Itachi sie Dank seiner Kekkei Genkai sehen. Es ist wirklich eine verflucht starke Waffe, dachte Makani und verlor sich für eine Sekunde in dem unnatürlich durchdringenden Blick, der sie scheinbar völlig problemlos in den sie so oft begleitenden Schatten entdeckt hatte. Doch viel länger hielt sie es nicht aus und auf einmal fühlte sie sich unangenehm nackt und ausgeliefert. Sie hatte einen Moment für sich sein wollen und nun stand sie hier von der Allmacht des Uchihas aus ihrem Versteck gezerrt. Als hätte Itachi ihr aufkeimendes Unbehagen gespürt, deaktivierte er gleich darauf sein Sharingan, sodass Makani wieder in das vertraute, deutlich distanzierter wirkende Schwarz blickte. „Entschuldige … Ich dachte, es sei besser, nach dir zu sehen. Du hast eben sehr erschöpft gewirkt.“ Von diesen Worten war Makani dann doch etwas überrascht. Eigentlich hatte sie mit erneuten Vorwürfen gerechnet. Oder war es vielleicht doch ein Ausdruck der Enttäuschung gewesen? Die Kunoichi seufzte resigniert angesichts dieser zermürbenden Gedankengänge, die sie schon den ganzen Tag unterschwellig verfolgt hatten, und ließ sich erneut mit dem Rücken gegen den Baumstamm gedrückt zu Boden sinken. „Ich bin sehr erschöpft!“, erwiderte sie mit geschlossenen Augen. Sie wollte schon sagen, dass Itachi ruhig zurück zum Lager gehen könne und dass sie sofort nachkommen würde, da hörte sie, wie der Uchiha ein paar Schritte auf sie zutrat und sich dann neben sie ins nasse Moos setzte. Und dort blieb er einfach und sagte nichts, während sein ernster Blick sich irgendwo zwischen den umstehenden Bäumen verlor. Makani betrachtete ihn stirnrunzelnd von der Seite und wartete darauf, dass ihr Anführer sein Verhalten erklären würde, doch vergeblich. Sollte dies etwa ein Versuch werden, sich ihr anzunähern, sie in die Team-Gemeinschaft zu integrieren? Wenn dem so war, hätte man die Situation fast schon als unfreiwillig komisch beschreiben können, denn noch niemals war ihr jemand, der direkt neben ihr saß, so weit entfernt erschienen. Dieses verfluchte Schweigen, dachte sie. Es machte sie langsam wahnsinnig. Es war ihr noch nie leicht gefallen, sich mitzuteilen. Aber in den guten Zeiten mit ihrem alten Team hatte sie eigentlich gelernt, dass man meistens nur auf diese Weise weiterkam. Und  außerdem hatte sie doch bereits einen Entschluss gefasst, oder? „Itachi, ich … Es tut mit Leid, aber ich glaube, dass es keine gute Idee war, mich in deinem Team aufzunehmen.“ Bei diesen Worten nickte der Shinobi neben ihr kaum merklich. Er nickte! „Ihr seid auf einer Stufe in eurer Zusammenarbeit angelangt, auf der ich als neues, mit der Arbeit in der ANBU völlig unerfahrenes Mitglied kaum etwas beitragen kann. Auf diese Weise werde ich vermutlich auch nicht viel lernen und, wenn ich Koguma richtig verstanden habe, sollte das doch der Sinn der Sache sein.“ Itachi fuhr fort, zu schweigen und vor sich hin zu starren. Nun gut, sie musste es wohl noch deutlicher machen. „Also, was ich sagen will, ist, ich möchte nicht in der ANBU bleiben. Ich glaube, in meinem alten Team würde ich ein besserer Ninja werden – für Konoha.“ Die letzten Worte fühlten sich ausgesprochen seltsam an in ihrem Mund. Es dauerte weitere zwanzig Sekunden, bis sich Itachi endlich erbarmte und zu einer Antwort ansetzte: „Der letzte große Krieg ist Jahre her, die Praktiken haben sich geändert. Die meisten haben vergessen, wie es eigentlich funktioniert.“ Zutiefst irritiert schaute die Kunoichi ihren Anführer an. Was in aller Götter Namen redete er da? Dann erwiderte er plötzlich ihren Blick. Sein Ausdruck wirkte streng, aber Makani meinte erneut einen Anflug von jenem Bedauern darin wahrzunehmen, welches sie schon ein paarmal an ihm gesehen zu haben glaubte.  Er fuhr fort: „Der Hokage ist gemeinsam mit den Goikenban über alle Posten im Dorf uneingeschränkt weisungsbefugt. Seit Frieden herrscht, wird davon aber kaum noch Gebrauch gemacht.“ Jetzt glaubte sie, zu verstehen, was er hatte sagen wollen. „Es ist ein … Befehl? Ich muss bleiben?“ Itachi nickte erneut. „Aber ich verstehe das nicht. Wieso ich? Wieso jetzt?“, platzte es aus der Kunoichi heraus. Er schien sich  daraufhin einen weiteren Moment, über seine nächste Antwort Gedanken zu machen, die Worte wirkten sehr genau bemessen: „Die Situation ist so angespannt wie seit langem nicht mehr. Die ANBU ist einmal als mit Abstand schlagkräftigste Kriegseinheit eingerichtet worden. Dass wir mittlerweile fast nur noch Spionage- und Entsorgungsaufträge ausführen, kam erst mit der Zeit. Die Einheit ist auch geschrumpft und schon lange nicht mehr so gut organisiert wie früher. Das muss sich ändern.“ Wieder sah Itachi Makani kurz in die Augen. „Was du auf deiner letzten Mission getan hast, könnte auf große verborgene Macht hindeuten. Vielleicht eine sehr gefährliche Macht, gerade weil du sie offensichtlich nicht kotrollieren kannst. Wir müssen –„ Er schien kurz, zu zögern. „ – Das Dorf muss seine Kräfte richtig einsetzen und kontrollieren.“ Makani versuchte, diese Informationen zu verarbeiten. Sie musste zugeben, dass sie nicht viel von Politik verstand. Sie hatte keine wirkliche Vorstellung davon, was genau Itachi mit ‚die Situation ist angespannt‘ meinen konnte und eigentlich interessierte sie sich dafür in diesem Moment auch eher weniger. Viel mehr drang von neuem in ihr Bewusstsein, dass sie aus ihrem kleinen, wenig beachteten Chunin-Alltag in etwas anderes, größeres und irgendwie beängstigenderes geraten war und vor allem dass dies alles andere als ihre eigene Entscheidung gewesen war. „Ich hätte viel dafür gegeben, um zu euch zu gehören – früher, aber jetzt …“ Die Worte waren über ihre Lippen geglitten, ohne dass Makani es verhindern konnte, und sie waren so leise gewesen, dass sie hoffte, Itachi hätte sie vielleicht nicht gehört. Doch nach einer kurzen Pause sagte er mit ebenso kaum vernehmbarer, aber unerwartet sanfter Stimme: „Es tut mir Leid.“ Auf einmal begannen Makanis Augen, zu brennen. Sie schluckte schwer und wusste nicht mehr, was sie sagen sollte.   Nach ein paar Minuten erhob sich die Kunoichi schließlich und sagte: „Wir sollten zurückgehen, oder?“ Als sie sich dem Lagerplatz näherten, sahen sie schon aus einiger Entfernung ein flackerndes Licht zwischen den dicken Baumstämmen hindurch scheinen. Am Felsen erwartete sie Shisui vor einem kleinen, fröhlich knisternden Feuer. Er grinste. Itachi dagegen beäugte mit für seine Verhältnisse ziemlich unverhohlenem Missfallen die glühenden Holzstücke zu seinen Füßen. Er wollte gerade etwas sagen, doch da quittierte Shisui den unausgesprochenen Tadel auch schon mit einer wegwerfenden Geste und sagte: „Ach, komm runter, Itachi! Ihr ist kalt. Es wird uns schon niemand entdecken und wenn doch, habe ich noch reichlich Platz in meiner Tasche für ein paar weitere Scherben.“ Der Langhaarige gab darauf ein Seufzen von sich und ließ sich tatsächlich ohne einen weiteren Kommentar neben dem Feuer nieder. Nachdem sich Makani endlich ihrer nassen Kleidung entledigt und sie gegen die trockeneren von Shisui eingetauscht hatte, nahm auch sie Platz. Insgeheim war sie dankbar dafür, dass Shisui anscheinend die Macht besaß, das strenge Gebaren seines Verwandten hin und wieder etwas aufzuweichen. Langsam kroch die Wärme in ihre Knochen und verscheuchte die Kälte. Sie merkte schon, wie ihre Augenlider begannen, schwer zu werden, da stellte Itachi unvermittelt fest: „Du hast Recht, Makani.“ Mit einem Mal war sie wieder wach. „Womit?“ „Wenn wir das Vorgehen im Team nicht anpassen, wirst du kaum etwas lernen und auch keinen wirklichen Beitrag leisten können.“ Daraufhin schaltete sich Shisui unerwartet ein: „Es ist das erste Team, das Itachi von Grund auf formen muss. Wir beide haben ja eigentlich schon immer zusammen trainiert. Da war es leicht.“ Die Erklärung klang beinah entschuldigend. „Das ist wahr“, stimmte Itachi ihm zu. „Ich weiß nur wenig über deine Arbeitsweise und wenn es nicht nötig ist, scheinst du auch kaum etwas davon zu zeigen. Du bleibst lieber im Hintergrund.“ Angesichts dieser nüchternen Analyse, wurde der Kunoichi etwas heiß. Sie war es als ausgebildeter Ninja zwar gewohnt, beurteilt zu werden, aber bei Itachi reagierte sie unangebracht empfindlich darauf. „Ja, so bin ich trainiert“, erwiderte sie schließlich, „aber das weißt du ja, oder?“ Er musste es wissen, er kannte ihr Profil. Ihr Team-Leader blickte mit düsterer Miene ins Feuer. Konnte es etwa sein, dass er mit seiner eigenen Leistung als Anführer unzufrieden war? „Es wird viel Zeit und Mühe kosten“, sagte er schließlich. „Wir müssen herausfinden, was deine Stärken sind. Wie du deine speziellen Fähigkeiten richtig einsetzen kannst. Aber wenn du dich dieser Aufgabe nicht voll und ganz widmest, wird es nicht gelingen. Dann wird es immer so sein wie heute. Und dass du eigentlich nicht bei der ANBU oder nicht in meinem Team sein willst, macht es nur umso schwerer.“ Obwohl seine Worte nicht wie ein Vorwurf geklungen hatten, sondern erneut wie eine sachliche Feststellung, stieg Ärger in Makani auf und ein Hauch von Trotz. Hatte er sich nicht eben noch bei ihr für die ganze Situation entschuldigt? „Wie wäre es denn, wenn du uns für den Rest der Mission anführen würdest?“, meldete sich Shisui wieder zu Wort, woraufhin ihn seine Team-Kollegen nur entgeistert anstarrten. „Naja, Makani könnte so ihre Fähigkeiten einsetzen, wie es ihr am sinnvollsten erscheint, und wir würden mehr darüber erfahren, wie man sie dabei unterstützen kann. Genau für solche Experimente eignet sich doch eine Übung wie diese gut, oder?“ „Äh…?“, war das einzige, das Makani sichtlich überrumpelt von diesem Vorschlag von sich geben konnte. Dies war definitiv eine sehr merkwürdige Idee und sie wusste nicht recht, was sie davon halten sollte. Itachi hatte die Stirn kraus gezogen und musterte seinen Freund. Die Kunoichi war sich ziemlich sicher, dass der jüngere Uchiha das Ganze als Scherz abtun würde. Umso mehr erschrak sie über seine Antwort: „Das könnte uns tatsächlich weiterbringen.“ Sein Blick suchte den Makanis und es lag fast so etwas wie eine Herausforderung darin. „Willst du es versuchen? Es liegt an dir, ob du ein Teil unseres Teams werden willst. Wir können es auch einfach so belassen, wie es ist, bis alle erkennen, dass es ein Fehler war, dich in die Einheit aufzunehmen und man dich wieder zu deinen alten Aufgaben zurückkehren lässt.“ Die Angesprochene schluckte erneut einen Anflug von Ärger hinunter, denn obwohl sie Itachi zutraute, dass er eine gewisse Verachtung dafür empfand, wenn man sich seiner Berufung – und das hieß seinen vom Dorf zugewiesenen Pflichten – verweigerte, musste sie zugeben, dass er ihr so immerhin eine Wahl ließ. „In Ordnung“, hörte sie sich sagen und ihre Stimme klang fester, als sie es sich zugetraut hätte. Daraufhin hielt Itachi ihr ohne einen weiteren Kommentar die immer noch ungeöffnete Schriftrolle hin. Also gut, was hatte sie schon zu verlieren? Die nassen Papierschichten ließen sich nur schwer aus der gerollten Form befreien. Als Makani es schließlich geschafft hatte, kamen eine Handvoll leicht verschmierte Schriftzeichen zum Vorschein. Sie überflog die wenigen kurzen Anweisungen und ihre Gesichtszüge entgleisten. Ungläubig starrte sie auf die Missionsbeschreibung und fragte sich ernsthaft, ob die Führung diese sogenannte ‚Eliteeinheit‘ noch alle Tassen im Schrank hatte. „Das ist doch wohl ein Scherz, oder?!“, entrüstete sich die Kunoichi und hielt ihren Kollegen das Schreiben vor die Nase. Shisui brach daraufhin in ein leidlich unterdrücktes Kichern aus, während Itachi kurz die Augen schloss und einmal tief durchatmete, als müsse er sich in diesem Moment besonders zusammenreißen, um den allgegenwärtigen Dilettantismus in seiner Umgebung zu ertragen. Makani drehte das Papier wieder um und überflog noch einmal die Zeilen: „Der Kommandant eurer Division ist ein begeisterter Leser der Icha Icha Flirtparadies-Reihe, dessen Autor unglücklicherweise dem feindlichen Dorf Konohagakure angehört.  Es ist ihm zu Ohren gekommen, dass in Kürze der nächste Band veröffentlicht werden soll, doch noch länger warten kommt für ihn nicht infrage. Bringt das Manuskript für das neue Flirtparadies in euren Besitz und überreicht es so schnell wie möglich eurem sehnsüchtig wartenden Kommandanten auf dem Waldfriedhof. Oh, Mann!“ Die Kunoichi schüttelte verständnislos den Kopf, doch dann konnte auch sie sich ein belustigtes Schnauben nicht verkneifen. „Zu Befehl! Ich werde mich nun also mit Leib und Seele der mir anvertrauten Aufgabe widmen und eine Runde Schundliteratur klauen gehen“, spottete sie und für einen kurzen Moment hätte sie schwören können, dass Itachis Mundwinkel bei ihrer Bemerkung gezuckt hatten. „Nun ja, Jiraiya dürfte ein mehr als würdiger Gegner sein. Ich vermute mal, dass er mit deinem Vorhaben nicht einverstanden sein wird“, merkte er trocken an und damit durfte er tatsächlich verdammt recht haben, dachte Makani. Da fragteShisui: „War er nicht mal dein Sensei?“ Und wieder einmal war sie überrascht darüber, wie viel die beiden Uchihas über sie wussten. „Ja, das stimmt“, antwortete sie, „aber nicht lange.“ Jiraiya, ein mittlerweile etwas in die Jahre gekommener, ziemlich exzentrischer Vertreter des Ninja-Berufstandes, war nicht nur ein begeisterter Hobbyschriftsteller mit einer Vorliebe für Schmuddelgeschichten, sondern erstaunlicherweise auch einer der erfahrensten und auf seinem Gebiet kunstfertigsten Shinobi Konohas. Zu seinen ausgemachten Spezialitäten gehörte beispielsweise auch der Einsatz von Natur-Chakra und, als  sich bei Makani vor ein paar Jahren ein ungewöhnliches Talent für genau diese Kampfform angedeutet hatte, wurde sie kurzerhand zu ihm geschickt. Allerdings musste der auf seine eigenwillige Art durchaus engagierte Lehrer bald feststellen, dass die neue Schülerin mit seinen Praktiken nur wenig anfangen konnte.  Sie hatte anscheinend eine ganz eigene Art entwickelt, sich Zugang zu äußeren Energieströmen zu verschaffen, auch wenn sie zu Beginn mit dieser Fähigkeit alles andere als gut umgehen konnte. Zunächst hatten ihre neu entdeckten Kräfte sie schlicht überfordert und geängstigt und das Beschwören von riesigen Kröten und das Herumhantieren mit stinkenden Ölen vermochten ihr dabei nicht wirklich zu helfen. „Er kämpft hartnäckig und ist immer für eine Überraschung gut – und seine Romane sind ihm heilig. Das wird nicht leicht“, sagte die Kunoichi und war in Gedanken schon dabei, sich einen Schlachtplan zu überlegen. Ihre Team-Kollegen nickten und sahen sie abwartend an. Doch es fiel ihr immer schwerer, sich zu konzentrieren. Zu viele verschiedene Gedanken und Eindrücke wirbelten durch ihren Kopf und die Müdigkeit legte sich immer schwerer auf Schultern und Augenlider. Sie bekam einfach keine Ordnung in das Chaos. Doch unwillkürlich  erinnerte sie sich an ein Detail, das seit dem Kampf auf der Lichtung irgendwie untergegangen war. „Wir haben die Schriftrolle von Baku, aber das war nur er vorhin, oder? Sein restliches Team fehlte.“ Sie sah, wie beide Uchihas nachdenklich nickten. „Jeder von den dreien hatte eine echte Schriftrolle bei sich und jeder gehörte zu einem anderen Team?“ Makani war sich mittlerweile ziemlich sicher, dass sie mit ihrer Vermutung richtig lag und tatsächlich nickten ihre beiden Kollegen erneut. Auf Shisuis Gesicht breitete sich das für ihn typische breite Lächeln aus und er sagte: „Es sieht so aus, als hätten sich die drei Teams zusammengetan. Jeweils einer von ihnen blieb mit der Schriftrolle im Wald. Damit die drei einzelnen Kämpfer besser geschützt sind, sind sie gemeinsam unterwegs gewesen. Tut mir Leid, da habe ich unsere Einheit wohl ziemlich falsch eingeschätzt.“ Der warme Blick des Shinobis mit den kurzen schwarzen Locken rührte Makani auf eigentümliche Weise, doch eine beunruhigende Ahnung verhinderte, dass sich ihre Laune hob. „Oh nein, das bedeutet, die Reste der Teams schützen bereits die Missionsziele!“, rief sie und wollte schon aufspringen, doch Itachi hielt sie am Arm fest. Die plötzliche Berührung ließ sie erstarren. Kleinlaut murmelte sie: „Sie können in der Zeit sonstwas für Maßnahmen vorbereiten, um uns von dem Manuskript fernzuhalten.“ „Dafür hatten sie bereits mehr als genug Zeit“, erwiderte er ruhig. Makani entzog sich seinem Griff, blieb aber sitzen. Itachi hatte Recht. Außerdem waren sie so müde, dass es schlicht fahrlässig gewesen wäre, ihr Team in einen Kampf zu führen, bei dem im Moment alle Vorteile beim Gegner lagen. „Gut“, sagte sie nach einem kurzen Schweigen langsam und blinzelte in die rote Abendsonne, „ich schlage vor, dass wir ein paar Stunden ruhen. Aber wir brechen noch vor Sonnenaufgang auf.“ Sie versuchte ihrer Stimme einen festen Klang zu verleihen. Sie hatte plötzlich das Bild eines Kindes vor Augen, das duldsamen Erwachsenen erklärte, wie man richtig Ninja spielt. „Wer möchte die erste Wache übernehmen?“ „Das mache ich“, sagte Shisui, stand kurzerhand auf und ging zu einem etwas weiter entfernt stehenden Baum hinüber, von dem aus man die kleine Lichtung besser einsehen konnte. Itachi ließ daraufhin wie auf Kommando den Kopf gegen die Felswand sinken, schloss die Augen und verfiel in völlige Bewegungslosigkeit. Makani betrachtete ihn etwas irritiert und versuchte die quälende Unruhe in ihrem Innern mit Gewalt niederzustrecken, was aber wie zu erwarten nur von wenig Erfolg gekrönt war. Sie hatte keine Ahnung, wie sie dieses Team morgen zum Erfolg führen sollte. Erst nach einer ganzen Weile, in der sie dem Rauschen der Bäume, dem Knistern des Feuers und den kaum wahrnehmbaren Atemzügen ihres Team-Leaders gelauscht hatte, siegte schließlich die Müdigkeit und sie fiel in einen unruhigen Schlaf.  Kapitel 6: Führen ----------------- Führen   Ein dezenter grauer Streifen am Horizont kündigte bereits den nahenden Tag an, doch die zum Teil gepflasterten oder nur mit plattgetrampelter Erde befestigten Straßen von Konohagakure schienen davon nichts zu ahnen. Sie würden ihren nächtlichen Frieden noch für einige Zeit bewahren, bis das übliche morgendliche Treiben begann. Auf den recht chaotisch durch das Dorf gespannten und nur hier und da von einem schiefen Mast gehaltenen Stromleitungen schliefen selbst die Vögel noch. Offiziell zählte die Ninja-Siedlung etwa zehntausend Einwohner und diese blieben in der Nacht für gewöhnlich in ihren Betten, vermutlich weil es um diese Zeit schlicht nichts Besseres zu tun gab. Die einzigen zwei Izakaya im Ort machten um ein Uhr nachts dicht, alle anderen gastronomischen Einrichtungen und Läden schon viel früher. Angeblich hatte es einmal im nördlichen Zentrum, ein vergleichsweise heruntergekommenes Viertel, ein Bordell gegeben. Doch es war schon lange kultureller und politischer Konsens, dass sich ein Dorf, welches sein ganzes Kapital aus der körperlichen und geistigen Fitness seiner sorgfältig zu erstklassigen Ninja ausgebildeten Bewohner schöpfte, kein allzu ausschweifendes Nachtleben erlauben durfte. Und so war das einzige Lebewesen, das den drei durch das Dorf streifenden Gestalten begegnete, lediglich eine pummlige Katze. Sie wurde von den unverhofft vorüberschleichenden Schritten aufgeschreckt, fuhr aus ihrem Versteck und sauste um die nächste Hausecke. Die kleinste Person der Gruppe, deren Gesicht wie das der anderen von einer weißen Tiermaske verborgen wurde, war ein Stück vorausgegangen und zuckte nun bei der plötzlichen Bewegung deutlich zusammen. Sie blieb auf der Stelle stehen und spähte wachsam die Straße hinunter. Doch nach ein paar Sekunden Stille schien sie überzeugt, dass keine Gefahr drohte, und sie setzte sich wieder in Bewegung. Ihre Begleiter folgten ihr. Sie liefen eine der wenigen breiteren Straßen entlang, welche strahlenförmig vom Hokageturm im Norden ausgehend die ganze kreisförmig angeordnete Siedlung durchzogen. Auf diesem Weg gelangten sie in einen hübschen Randbezirk mit penibel gepflegten Gärten, die jeweils um zwei- bis dreistöckige, pagodenartige Wohnhäuser angelegt waren. Auch hier verharrte fast alles in nächtlichem Schweigen – bis auf das Gebäude, vor dem die drei heimlichen Besucher schließlich anhielten. In einem Zimmer im Erdgeschoss brannte hier das einzige Licht weit und breit und gedämpftes Lachen drang durch das geschlossene Fenster auf die Straße.   Makani duckte sich hinter einen Busch und sah stirnrunzelnd zum Haus ihres alten Sensei hinüber. Sie spürte, wie Itachi und Shisui es ihr gleichtaten und ganz dicht hinter ihr in die Hocke gingen. „Verflucht!“, murmelte sie mehr zu sich selbst. „Er ist wach und irgendjemand scheint bei ihm zu sein. Ob er etwas weiß?“ „Es wäre riskant, ihn zu warnen. Man kann nicht wissen, wie er reagiert“, flüsterte Itachi. „Ich würde erwarten, dass ihn das gegnerische Team heimlich überwacht.“ Am liebsten hätte die Kunoichi ihn daran erinnert, dass ihre Kontrahenten schon einmal bewiesen hatten, dass sie nicht immer unbedingt so handelten, wie Itachi es erwartete, doch sie verkniff sich sie Spitze. Stattdessen erwiderte sie: „Na, er scheint jedenfalls nicht allein zu sein, aber das Licht brennt im Wohnzimmer. Ich vermute, das Manuskript liegt irgendwo im Arbeitszimmer im ersten Stock.“ Shisui, der in der Zwischenzeit versucht hatte, aus ihrem Versteck heraus jeden Winkel des Grundstücks auszuspähen, sagte: „Ich kann nichts Verdächtiges im Garten erkennen. Also, was ist? Gehen wir rein?“ Makani zögerte und maß die Entfernung vom Zaun bis zum Wohnhaus. Sie mussten etwa dreißig Meter überwinden und auf dieser Seite gab es so gut wie keine Deckung. Sie versuchte sich den Grundriss des Hauses in Erinnerung zu rufen und ging in Gedanken fieberhaft die zwei bis drei Gelegenheiten durch, bei denen sie Jiraiyas Wohnung von innen gesehen hatte. Schließlich fasste sie einen Entschluss und formulierte ihre Instruktionen: „Ich werde erst versuchen, durch das Fenster zu erkennen, wer da drinnen ist. Ihr wartet so lange hier und behaltet die Lage im Auge. Wenn es Schwierigkeiten gibt, warnt ihr mich oder kommt mir zu Hilfe.“ Itachi und Shisui schienen einen Moment über diesen Plan nachzudenken, dann nickten beide knapp. Die Kunoichi hielt noch einen Augenblick inne, holte tief Luft und synchronisierte ihr Chakra mit der Umgebung. Danach trat sie hinter dem Busch hervor und schwang sich mit einer geschmeidigen Bewegung über den Zaun. In gebückter Haltung eilte sie über den Rasen sorgsam darauf achtend, nicht auf die ordentlich gehakten Kieswege zu treten. Dabei war von ihr kaum mehr als ein diffuser Schatten wahrzunehmen, der flink durch den Garten huschte. Am Haus angelangt, presste sie sich dicht neben dem erleuchteten Fenster an die Wand und versuchte, sich auf die aus dem Inneren dringenden Stimmen zu konzentrieren, doch sie meinte lediglich das dröhnende Gelächter Jiraiyas zu erkennen, was gesprochen wurde oder wer sonst noch dabei war, konnte sie nicht ausmachen. Na, immerhin war es der Hobbyschriftsteller selbst und er schien ziemlich entspannt zu sein. Vorsichtig hob Makani ihren Kopf soweit über das Fensterbrett, dass sie geradeso in das Wohnzimmer dahinter lugen konnte. Sie unterdrückte ein Fluchen. Die Personen, wie viele es auch sein mochten, hielten sich anscheinend in einer Ecke des Zimmers auf, die vom Fenster aus nicht einsehbar war, nur die sich an der gegenüberliegenden Wand bewegenden Schatten deuteten auf ihre Anwesenheit hin. Die Kunoichi testete noch einmal, ob sie in einer anderen Positionen nicht vielleicht doch etwas mehr erkennen konnte, musste dann aber einsehen, dass sie auf diese Weise nicht weiterkommen würde. Also schob sie sich ein Stück weiter an der Wand entlang weg von dem verräterischen Lichtschein, der durch das Fenster fiel, hin zu einem mehr Deckung bietenden Winkel.  Von dort aus suchte sie den Blickkontakt mit ihren Kameraden und versuchte, ihnen durch Gesten zu verstehen zu geben, dass sie zu ihr kommen sollten, ohne zu wissen, ob ihre Zeichen ankamen, denn in der Dunkelheit war kaum etwas zu erkennen. Doch schon im nächsten Moment sausten zwei Gestalten derartig schnell durch den Garten auf sie zu, dass sie den unwillkürlichen Reflex unterdrücken musste, einfach die Flucht zu ergreifen. Dann jedoch knieten die Gestalten nun eindeutig als Itachi und Shisui erkennbar vor ihr und blickten sie nur schweigend durch ihre Masken hindurch an – mit erwartungsvollen Mienen, wie Makani vermutete. „Es ist nichts durch das Fenster zu erkennen“, berichtete sie. „Als nächsten Schritt schlage ich trotzdem vor, dass wir uns einen Zugang verschaffen. Die Haustür würde ich allerdings lieber vermeiden.“ Sie sah es zwar nicht, aber sie meinte zu spüren, dass Shisui angesichts ihrer gestelzten Ausdrucksweise schmunzelte. „Ich weiß nicht, ob es so etwas wie einen Hintereingang gibt“, fuhr Makani relativ unbeirrt fort und wies ihre Kollegen an, mit ihr gemeinsam das Haus zu umrunden, um nachzusehen. Es gab keinen. Ratlos ließ sie die Augen über die Fassade der Gebäuderückseite wandern. Alle Fenster waren fest verschlossen. Sie war schon dabei, eines von ihnen auszuwählen, um daran das Glasschneidewerkzeug, welches in ihrer Gürteltasche steckte, zur Anwendung zu bringen. Diese Lösung war zwar riskant, weil sie zeitaufwändig war und schnell auffliegen konnte, aber die Kunoichi sah momentan keine andere. Da spürte sie, wie jemand an ihrer Weste zupfte. Shisui machte sich am Sockel des Hauses zu schaffen und schob eine Holzlatte der Verkleidung beiseite. Dahinter kam ein knapp meterhoher Hohlraum zum Vorschein. Aufgeregt späte Makani in die Dunkelheit. Sie konnte ein paar massive, senkrecht in die Erde eingelassene Balken erkennen, die den Fußboden trugen, aber nicht wie weit der Raum reichte, ob er sich gar unter der gesamten Grundfläche des Hauses erstreckte. Nichtsdestotrotz erschien ihr dies momentan als die vielversprechendste Möglichkeit, unbemerkt ins Innere des Hauses zu gelangen. Sie nickte ihren Kollegen zu und zwängte sich kurzentschlossen durch die Öffnung. Auf Händen und Knien krochen sie durch Jahre alten Dreck und Vorhänge aus Spinnweben, während Makani mit einer kleinen Taschenlampe leuchtete. Verflucht! Wo war bloß die Treppe in den ersten Stock gewesen? Warum konnte sie sich ausgerechnet daran nicht mehr erinnern? Sie registrierte einige wunderbar locker sitzende Dielen über ihrem Kopf, aber was nützte das, wenn sie nicht sicher war, wo sie herauskommen würden. Irgendwo unterhalb des Eingangsbereichs, wie sie vermutete, hielt sie schließlich an, drehte sich ungelenk zu Itachi und Shisui um und flüsterte: „Ich weiß nicht, wo es nach oben geht. Aber… aber ich glaube, es ist nicht gut, wenn wir alle an der gleichen Stelle durch den Fußboden brechen. Sollen wir uns trennen?“ Die Unsicherheit schwang deutlich in ihrer Stimme mit. Doch keiner der beiden Uchihas schien ihr in diesem Moment die Entscheidung abnehmen oder auch nur zu etwas raten zu wollen, obwohl sie sich insgeheim genau das wünschte. Makani schluckte. Verdammt noch mal! Es war doch nur eine Übung! „Shisui, du platzierst dich unter dem Wohnzimmer und behältst die Lage da oben im Auge. Notfalls greifst du ein. Du, Itachi, steigst hier durch.“ Die Kunoichi deutete auf eine nur von einer einzigen rostigen Schraube gehaltene Diele direkt über ihnen. Du müsstest irgendwo hinter der Garderobe rauskommen, da sollte es genug Deckung geben. Ich werde es im Flur, der vom Wohnzimmer abgeht, versuchen.“ Ohne einen Einwand zu äußern, machten sich ihre beiden Kameraden auf, die Anweisungen zu befolgen, und auch sie selbst befand sich nur wenige Momente später an jener Stelle, über der sie den besagten Flur vermutete. Sie tastete die Decke ab und fand schließlich direkt neben der Hauswand ein Brett, das sich bewegen ließ. Mit leicht zitternden Fingern schob sie es beiseite. Dahinter war es beinah ebenso finster wie in der Nische darunter. Vorsichtig kletterte sie durch den Spalt. Sie fand sich in einem engen Wandschrank wieder, vollgestopft mit Besen, Lappen und anderen Haushaltsgegenständen. Die Tür bestand aus dünnen Holzlamellen und durch die Zwischenräume fiel ein Hauch von Licht. „Hahaha, was du nicht sagst! Das erzähle ich ihr seit Jahren! Komm mein Freund, einen genehmigen wir uns noch.“ Jiraiyas Stimme drang deutlich vernehmbar durch die Schranktür. Eine ebenfalls männliche, aber weniger tiefe und leisere Stimme, die Makani sehr vage bekannt vorkam, antwortete: „Für mich nichts mehr, danke! Das Bankett bei Hiruzen letztes Wochenende war feuchtfröhlich genug.“ Ein gedämpftes Klirren war zu vernehmen. Verbrachte der alte Sannin vielleicht einfach nur einen langen geselligen Abend bei ein paar Gläsern Sake? Die Kunoichi im Schrank presste ihr Gesicht gegen die Lamellen und versuchte, zu erkennen, was dahinter lag. Sie befand sich, wie es schien, tatsächlich in dem Flur, der auch ihr Ziel gewesen war. Die Stimmen drangen durch eine geöffnete Tür an einem Ende, durch die ein Lichtschein den ansonsten dunklen Raum erhellte. Sie konnte einen kleinen Teil des Wohnzimmers sehen, ein massiver Hausaltar aus reich verziertem Holz stand dort an der Wand. Die Personen, die sich drinnen unterhielten, blieben aber weiterhin verborgen. Doch, was Makani in diesem Augenblick viel mehr interessierte, befand sich am anderen Ende des Flures: die Treppe in den ersten Stock. Sofort fing ihr Herz an, noch heftiger zu schlagen als zuvor. Das Ziel schien in greifbarer Nähe! „Du warst doch höchstens die letzten zwei Stunden anwesend“, sagte Jiraiya gespielt beleidigt, „irgendwann musst du mir dein Geheimnis verraten, wie du dich immer vor diesem offiziellen Chichi drücken kannst, ohne dass dir das hinterher jemand übelnimmt.“ „Dahinter steckt jahrelanges Training“, erwiderte sein Gesprächspartner, woraufhin der Sannin in schallendes Gelächter ausbrach. Makani fasste sich ein Herz und begann sehr vorsichtig damit, die Schranktür zu öffnen, quälend langsam, Millimeter für Millimeter. Sie wollte auf keinen Fall riskieren, dass ein plötzliches Quietschen oder Knarren, die gelöste Atmosphäre nebenan störte. Es war wunderbar, dass die Trinkgesellschaft dort so sorglos und beschäftigt schien. Endlich war es soweit geschafft, dass sie hinausschlüpfen konnte. Es waren nur wenige Meter, die sie von der Treppe trennten, und es bestand momentan überhaupt keine Gefahr, dass man sie auf dem Weg dorthin entdecken würde. Mit ein paar schnellen, lautlosen Schritten würde sie oben sein und, wenn sie gefunden hatte, was sie suchte, konnte sie mühelos durch eines der Fenster im ersten Stock entkommen. Sie schob ihren Oberkörper durch den Spalt, setze einen Fuß hinaus auf den Flur und warf noch einen letzen, kurzen Blick zurück zur Wohnzimmertür – Und genau in diesem Moment zuckte sie so heftig zusammen, dass sie all ihre Selbstbeherrschung aufbringen musste, um nicht ausversehen irgendein verräterisches Geräusch zu erzeugen. In der Nische zwischen Hausaltar und Wand kauerte jemand und starrte Makani direkt an. Nach dem ersten Schrecken erkannte sie das lange schwarze Haar und die Maske. Es war Itachi. „Oh hoho, du verpasst etwas. Der Sake aus Konoha ist drittklassiger Fusel gegen den hier aus dem Norden.“ Jiraiya schlürfte laut und genüsslich. Die Kunoichi war in ihrer Bewegung erstarrt, sie schaute perplex und zugleich beindruckt zu ihrem Team-Leader hinüber. Er musste irgendwie an dem Sannin und seinem Gast vorbeigekommen sein, ohne dass die beiden auch nur das Geringste bemerkt hatten. Itachi nahm die Maske ab und Makani blickte zum zweiten Mal in das leuchtende Rot des Sharingans. Jenseits der stets ehrfurchtgebietenden Wirkung seiner Kekkei Genkai gab der Uchiha sonst jedoch einen ungewohnt würdelosen Anblick ab. Sein Haar war arg zerzaust und mit Staubfäden und Spinnenweben durchzogen, das Gesicht war schmutzverschmiert. Makani fragte sich kurz, ob sie wohl ebenso mitgenommen aussah, da fing er unvermittelt an, ziemlich eindringlich zu gestikulieren: Zuerst deutete er in das Wohnzimmer, dann hielt er sich beide Hände vor Mund und Nase. Die Kunoichi starrte ihn nur ratlos an. Was zur Hölle machte er da? Itachi wiederholte die Gesten und fügte eine weitere hinzu, indem er beide Hände mit gekrümmten Fingern mehrmals hintereinander zuschnappen ließ. Dazu schien er, mit dem Mund irgendwelche Worte zu formen. Fasziniert und etwas selbstvergessen verfolgte Makani das Schauspiel. Dies war mit Abstand die lebhafteste Mimik, die sie je bei Itachi beobachtet hatte – auch wenn sie tatsächlich nicht die geringste Ahnung hatte, was er ihr damit sagen wollte. Doch plötzlich geschah etwas, das sie völlig abrupt aus ihren Betrachtungen riss und ihr einen noch viel größeren Schrecken einjagte, als es Itachis unerwartetes Auftauchen soeben getan hatte. Als eine Hand aus den finsteren Tiefen des Wandschrankes hervorschnellte und sich um ihren Knöchel krallte, konnte sie einen entsetzten Aufschrei gerade noch soweit unterdrücken, dass er sich in ein gequetschtes Quieken verwandelte. Und bevor sie begriffen hatte, was geschah, packte sie jemand von hinten und zerrte sie zurück in den Schrank. Eine Hand hielt ihr den Mund zu, ein kräftiger Arm schlang sich schmerzhaft um ihren Oberkörper und die Tür wurde vor ihren Augen wieder zugezogen. Makanis Herz raste und schlug panisch gegen den Druck der brutalen Umarmung an. Die Kraft des Angreifers war überwältigend, sie konnte sich nicht mehr rühren. „Zu welchem Bōshu-Team gehörst du? Hast du mir aufgelauert?“, zischte es direkt neben ihrem Ohr, sie konnte den Atem auf der Haut spüren. Sie schüttelte verwirrt den Kopf. Die Hand, die sich gegen ihren Mund gepresst hatte, gab gerade so viel nach, dass sie eine Antwort nuscheln konnte: „Ich gehöre zur Shinpan-Mannschaft! Ich bin in Itachis Team!“ Die Person hinter ihr stutzte und schien, kurz zu überlegen. „Du bist das neue ANBU-Mitglied?“, fragte der Unbekannte skeptisch. Makani nickte daraufhin so heftig, wie sie konnte, und schließlich lockerte sich der eiserne Griff, sodass sie wieder freier atmen konnte. Sie keuchte, drehte sich um und blickte in die grinsende Fratze einer ANBU-Maske. Verzweifelt versuchte sie, ihre Gedanken zu ordnen. Was ging hier vor? „Du gehörst auch zu einem Shinpan-Team?“, stieß sie immer noch atemlos hervor. „…Ja“, gab ihr Gegenüber zögerlich zu. Er schien tatsächlich, nicht minder verwirrt zu sein als sie. „Mein Team und ich sind dabei, den Auftrag auf unserer Schriftrolle auszuführen.“ „Wie lautet der?“, verlangte sie sofort zu wissen. Das ANBU-Mitglied zögerte. Ob er sich unsicher war, in wie weit er ihr vertrauen konnte oder ob er sich einfach über ihren Befehlston ärgerte, konnte sie nicht genau sagen. Plötzlich schien er sich außerdem der Kuriosität der Situation bewusst zu werden, dass er hier in einem Schrank kauerte mit einer Fremden auf dem Schoß, um die er weiterhin einen Arm geschlungen hielt, während die zahlreichen Besen und Schrubber, die hier gelagert wurden, als Folge ihrer Rangelei nun kreuz und quer über ihnen verteilt lagen. Er stieß die Kunoichi hastig von sich und rückte ein Stück weg. Dann beantwortete er aber doch ihre Frage: „Wir sollen ein Manuskript stehlen.“ Kaum eine Antwort hätte Makani mehr irritieren können als diese. Sie hatten den gleichen Auftrag erhalten?! Sollten etwa auch die Teams innerhalb einer Mannschaft gegeneinander arbeiten? Doch ganz plötzlich hatte sie eine der Gesten Itachis von eben wieder vor Augen. Seine Hände, die ruckartig zuschnappten wie eine – wie eine Falle Einer Eingebung folgend zog sie die Schriftrolle aus ihrer Tasche, entrollte sie hastig und versuchte in dem mehr als spärlichen Licht nochmals den Text darauf zu lesen. Und – Makani traute ihren Augen kaum. Dort stand auf einmal etwas ganz anderes! Dies war ein völlig anderer Auftrag! Und in diesem Moment durchfuhr sie die Erkenntnis: Nicht die Schriftrollen waren gefälscht worden, sondern die Aufträge darauf. Sie und anscheinend noch weitere Shinpan-Teams waren einer Illusion aufgesessen! Die Tür wurde mit einem Ruck aufgerissen, der den gesamten Inhalt des Schrankes erzittern ließ. Und nun war es um jede Selbstbeherrschung geschehen; Makani entfuhr ein lauter, schriller Schrei. Reflexartig riss sie ein Kunai aus der dafür vorgesehenen Halterung an ihrem Oberschenkel, wirbelte herum und sah sich einem großen Mann in ANBU-Uniform gegenüber, der sich verstörend lässig mit einer Hand am Türrahmen abstützte und auf sie hinuntersah. „Nana, wer wird denn gleich aus der Haut fahren?“, gluckste er. Um Fassung ringend erkannte sie die Stimme von Jiraiyas bisher verborgen gebliebenen Gesprächspartner. Und noch mehr erkannte sie. Der Shinobi war hochgewachsen und sehr athletisch gebaut, seine Augen blitzten voller Schalk, doch der Rest seines Gesichts wurde von einer schwarzen, enganliegenden Stoffmaske verdeckt. Makani kannte Hatake Kakashi nicht persönlich, aber sie hatte viel von ihm gehört. In jedem Fall war er unbestritten ein weiterer großer Ninja Konohas. Nun meinte sie, sich auch daran zu erinnern, schon einmal davon gehört zu haben, dass er Mitglied in der ANBU war, obwohl sie ihn selbst noch nicht bei der Spezialeinheit gesehen hatte. Aber in diesem Moment sagte ihr Gefühl ihr, dass er bei dieser Übung zu einem Bōshu-Team gehörte und dass vieles an der verwirrenden Situation, in der sie sich gerade befand, auf sein Wirken zurückzuführen war. „Nun, ich würde sagen, das mit dem Einbrechen muss dringend nochmal zurück auf den Trainingsplan.“ Die Kunoichi konnte es zwar nicht direkt sehen, aber sie war sich sicher, dass er unter seiner Maske provozierend freundlich grinste. Doch er hatte wohl Recht; sie und der Shinobi hinter ihr, der vor Schreck nicht minder erstarrt zu sein schien, saßen in der Falle. Am Rand ihres Sichtfeldes nahm sie eine Bewegung wahr. Sie blickte hinüber und sah Jiraiya schwerfällig aus dem Wohnzimmer stapfen. Irritiert und mit leicht verschleiertem Blick schaute er zu dem Kopier-Ninja hinüber und kam langsam näher. „Mensch, Kakashi, was suchst du denn in meinem – Makani? Was zum…was machst du in meinem Schrank?!“, sagte er mit vom Alkohol träger Zunge und offenkundig völlig verwirrt. War ja klar, dass diese Masken absolut sinnlos waren, dachte Makani. Solange sie ihr Haar nicht ebenfalls versteckte, würde man sie immer erkennen. „Tja… äh.“ Langsam erholte sich ihr Gehirn von dem Schock und begann, fast sofort wieder auf Hochtouren zu arbeiten. Was für Möglichkeiten blieben ihr noch? Was hatte Kakashi vor? Sie ausschalten mit Sicherheit! Das gehörte schließlich zu seinem Auftrag. Die Chancen, zu entkommen, standen denkbar schlecht. Doch plötzlich versteifte sich Kakashi, das Lächeln verschwand augenblicklich aus seinem Gesicht und die Kunoichi zu seinen Füßen riss im gleichen Moment voller Überraschung die Augen auf. Eine Hand war hinter dem Shinobi hervorgeschnellt und hielt ihm ein blitzendes Kunai an die Kehle. „Nicht bewegen, Kakashi. Lass sie laufen“, ertönte die Stimme von Makanis Team-Leader, leise, aber bestimmt. Der Schwarzmaskierte lächelte erneut. „Oh, Itachi, ich konnte es kaum erwarten, dich heute Nacht zu sehen.“ Makani schielte den Flur hinunter, vorbei an einem Jiraiya, dem es anscheinend die Sprache verschlagen hatte, zu einem Fenster schräg gegenüber der Wohnzimmertür. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie gegen Kakashi keine Chance hatte, aber Itachi konnte ihn vielleicht lang genug aufhalten. Sie hingegen kannte als einzige ihren richtigen Auftrag. Entscheidungen! – Führen hieß Entscheidungen treffen, oder? Und dann brach die Hölle los: Aus dem Wohnzimmer war ein fürchterliches Krachen zu hören, das verdächtig danach klang, als wäre jemand geradewegs durch den Fußboden gebrochen, und zwar ohne darauf zu achten, ob Dielen locker saßen oder nicht. Im nächsten Moment stürmte Shisui in den Flur gefolgt von Tora und noch einem weiteren ANBU, die den Uchiha offensichtlich davon abhalten wollten, Itachi und ihr zu Hilfe zu kommen. Als die Gruppe an Jiraiya vorbeistürmte, klappte diesem der Mund auf und er rief entgeistert: „Was zur Hölle soll das hier werden?!“ Während das geschah, war Makani aufgesprungen. An ihren Team-Leader gerichtet schrie sie: „Itachi! Wasserfall!“ Sie ließ sich nicht die Zeit, um sich zu vergewissern, ob er es gehört oder gar verstanden hatte, was sie ihm sagen wollte. Stattdessen spurtete sie alles, was sie an Energie übrighatte, in ihre Beine pumpend den Flur entlang und schaffte es irgendwie, sich trotz der Geschwindigkeit an den ihr entgegen stürmenden Shinobi vorbeizuwinden. Am Rande hörte Makani noch wie jemand etwas schrie und für den Bruchteil einer Sekunde war sie erschrocken über das Ausmaß an Wut in den Worten: „Nein! Wir dürfen keine Uchiha entkommen lassen!“ Dann hielt sie sich schützend die Arme vor das Gesicht und sprang. Das Fensterglas zerbarst in unzählige Stücke und diese sprengten zusammen mit der Kunoichi in den morgendämmrigen Garten hinaus. Sie konnte nicht sagen, ob ihr jemand folgte. Viel zu laut dröhnte der eigne Herzschlag in ihren Ohren. So schnell war sie noch nicht einmal gerannt, als sie am vergangenen Tag verzweifelt versucht hatte, mit ihren Team-Kollegen mitzuhalten. Keine zehn Minuten später fand sie sich im Wald wieder, schlug Haken und versuchte, so viel Abstand zwischen sich und ihre mutmaßlichen Verfolger zu bringen wie nur irgendwie möglich. Doch insgesamt bewegte sie sich in eine ganz bestimmte Richtung. Ihr Ziel war eine Felswand nordöstlich des Dorfes, an der ein kleiner Fluss an die zwanzig Meter in die Tiefe stürzte. Hinter dem Wasserfall befand sich eine schmale Nische, in der manchmal Opfergaben für eine Waldgottheit abgelegt wurden. Genau dort sollte eine alte ANBU-Maske – die erste, die angeblich je hergestellt worden war – versteckt sein. Der richtige Auftrag für ihr Team lautete, diese Maske zum Waldfriedhof zu bringen. Tatsächlich erschien diese Aufgabe um einiges angemessener als der unwahrscheinliche Blödsinn mit dem Flirtparadis-Manuskript. Trotzdem waren sie in diese bescheuerte Falle getappt – nicht nur sie, sondern auch Itachi und Shisui. Obwohl Makani mittlerweile vor Anstrengung keuchte, umspielte der Anflug eines Lächelns ihre Lippen. Doch es erstarb, als ihr plötzlich der unbehagliche Gedanke kam, dass genau genommen niemand anderes als sie die Verantwortung dafür trug, denn sie hatte das Team angeführt. Und auch der darauffolgende Gedanke war nicht angenehmer, nämlich dass sie durch ihre Entscheidung ihre beiden Kameraden mehr oder weniger geopfert hatte. Es war ihr in diesem Moment einfach als die vielversprechendste Chance erschienen, das vorgegebene Ziel zu erreichen. Über die implizierten Konsequenzen hatte sie während des Geschehens keine Sekunde nachgedacht, sie hatte es einfach getan, weil sie erfolgreich aus dieser Übung hervorgehen wollte und vermutlich auch weil sie meinte, dass beinah jeder Ninja Konohas, aber besonders Itachi und Shisui, ein solches Handeln als notwendig und richtig erachten würde. Trotzdem hatte sie keine Ahnung, ob es wirklich eine gute Entscheidung gewesen war und auch nicht ob sie auf einer realen Mission ebenso handeln könnte. Doch dann würgte Makani jeden weiteren Gedanken in diese Richtung entschieden ab. Egal was zu der momentanen Situation geführt hatte, jetzt musste sie, so gut sie konnte, weitermachen. Sicher hatten ihre Gegner die Maske nicht einfach ungeschützt gelassen, sie würden sie ihr nicht einfach so überlassen. Und dann war sie da. Das schon eine Weile vernehmbare Rauschen schwoll immer weiter an und schließlich sah sie Wasser durch die Bäume hindurch glitzern. Die Kunoichi hielt an und musste sich im nächsten Moment an einem Stamm festhalten, denn ihre Beine zitterten so stark, dass sie drohten, einfach unter ihr wegzubrechen. Ein paar Sekunden erlaubte sie sich, wieder zu Atem zu kommen, dann schlich sie weiter auf das Brausen zu. Sie stockte und runzelte die Stirn, als sie die Szene am Wasser zu erfassen versuchte. Drei ANBU-Mitglieder waren dort zu erkennen. Zwei von ihnen lagen auf dem Boden, der dritte war über einen der Liegenden gebeugt und hantierte hektisch an ihm herum. Ein ungutes Gefühl zog Makanis Magen zusammen. Die weiße Schutzweste des einen reglos daliegenden Shinobis war nur noch an einzelnen Stellen weiß. Der Rest schimmerte in dunklem, feuchtem Rot. Oh, Nein! Hier stimmte etwas ganz und gar nicht!       *  *  * Kapitel 7: Kampf und Frieden ---------------------------- Das Gesicht des Ninja zeigte keine Spur von Schmerzen, es war ausdruckslos und aschfahl. Das einzige Anzeichen dafür, dass er noch lebte, waren die krampfartigen Zuckungen, die seinen Körper schüttelten. In seinem Oberköper steckten zwei schwarzglänzende Shuriken exakt in einer horizontalen Linie angeordnet. Sie schnitten tief genug, um die Rippen durchtrennt und die Organe darunter perforiert zu haben, auch wenn sie von der Position her zu urteilen, das Herz sowie die Hauptschlagadern knapp verfehlthatten.Es sah beinah wie beabsichtigt aus, ging es Makani durch den Kopf. Die Wurfsterne wiesen beide genau den gleichen gefährlich kleinen Abstand zum tödlichen Punkt in der Brustmitte auf. Die Kunoichi war, ohne weiter zu überlegen, aus ihrer Deckung getreten und blickte nun mit starrer Miene auf den stark blutenden Shinobi herab. Sein Kamerad kniete zu ihren Füßen und presste unbeholfen eine große MengeMull auf die Wunden. Als er merkte, dass jemand hinter ihm stand, wirbelte er herum und sah sie für ein paar Augenblicke nur alarmiert an. Dann schrie er: „Worauf wartest du?! Fang an, ihn zu heilen!“ Diese unwirschen Worte lösten Makanis Schock. „Nur weil ich eine Frau bin, muss ich noch lange keine Iryōnin sein!“, erwiderte sie bissig und bereute es, noch bevor sie ausgesprochen hatte. Das war absolut unangebracht und kontraproduktiv. Sie hatte einfach aus Reflex zurückgeschossen. „Entschuldige!“, setzte sie sofort nach, „ich…was kann ich tun?“ Sie brachte alle Mühe auf, sich zusammenzureißen und in ihrem furchtbar trägen Hirn die für solche Notfälle eintrainierten Skripte zu aktivieren. Sie ging zwar schon seit einigen Jahren auf Missionen, aber wirklich kritische Fälle hatte sie bis zu ihrem letzten Auftrag eigentlich noch nicht erlebt. Und hier hätte sie am allerwenigsten damit gerechnet. Makani sah zu dem anderen Bewusstlosen hinüber. Auch er war von einem Shuriken getroffen worden, allerdings nur am rechten Oberschenkel. Die Waffe schien, nicht so tief eingedrungen zu sein, und die Wunde blutete nur mäßig. Sie eilte zu ihm und brachte ihn mit wenigen schnellen Handgriffen in eine Position, in der er weder an seiner Zunge, noch an seinem Erbrochenen ersticken konnte. „Was ist passiert?“, fragte sie dann und häufte ihr eigenes Verbandsmaterial neben dem ANBU-Mitglied mit der Brustverletzung auf. „Weiß nicht, hab‘ sie so gefunden“, presste der Andere zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Makani spürte, wie leichte Panik in ihr aufstieg. Sie blickte sich hektisch um. Was, wenn die Gefahr noch nicht vorüber war? Sie brauchten Hilfe! Aber zurück ins Dorf zu laufen, würde empfindlich lange dauern. Und einer von ihnen müsste mit den Verwundeten so gut wie schutzlos zurückbleiben. Obwohl sie eigentlich nicht daran glaubte, holte sie einer sehr vagen Hoffnung folgend ihr Funkgerät hervor und schaltete es ein. „Itachi! Shisui! Hört ihr mich? Es ist ein Notfall!“ Stille. Jetzt schrie sie und ihre Stimme klang schrill: „Bitte, antwortet! Wir brauchen eure Hilfe!“ „Makani? Wir hören dich. Was ist passiert?“ Das Signal war sehr schlecht und sie hätte Itachis leise Stimme zwischen dem ganzen Rauschen und Knacken fast nicht herausgehört. Sie sandte ein Stoßgebet an alle Götter, die ihr einfielen, und dankte ihnen für die Intelligenz ihres Anführers, der offensichtlich klug genug gewesen war, das Funkgerät einzuschalten, nachdem sie getrennt worden waren. Und soweit konnte er nicht mehr entfernt sein, die Reichweite des Senders war nicht sehr groß. Sie brüllte in den Lautsprecher: „Wir sind am Wasserfall. Zwei ANBUs sind verletzt. Der Zustand von einem ist sehr kritisch. Wir wissen nicht, wer die Angreifer waren.“ „Verstanden“, antwortete Itachi sofort, „bleibt, wo ihr seid. Wir kommen so schnell wie möglich mit Verstärkung und medizinischer Hilfe.“ Dann war es wieder still. Makani atmete leicht zitternd aus. Sie würden kommen! Sekunden verstrichen, in denen die Kunoichi wachsam ihren Blick zwischen den Bäumen umherschweifen ließ, doch nichts rührte sich. Dann wurde die Stille von dem Erste-Hilfe-leistenden ANBU unterbrochen: „Verdammte Scheiße! Er verblutet!“ Die Panik war deutlich in seiner Stimme zu hören, obwohl er sich offensichtlich Mühe gab, ruhig zu bleiben.Er konnte nichts weiter tun, als den mittlerweile vollständig rotdurchtränkten Stoff auf die Brust des Verletzten zu pressen. Makani schluckte. Der Shinobi am Boden war nicht mehr einfach nur blass. Die Haut in seinem Gesicht hatte einen furchtbaren Blauschimmer angenommen, besonders auf den Lippen und im Bereich der Augen.Makani fiel neben ihm auf die Knie und versuchte, seinen Puls zu finden. Tatsächlich meinte sie, ihn sehr schwach und unregelmäßig unter ihren Fingern zu spüren, aber sicher war sie sich nicht. „Hol Koguma, bitte!“, flüsterte der Ninja neben ihr heiser. „Er müsste auf dem Waldfriedhof sein, das ist kaum mehr als zwei Kilometer von hier entfernt. Er kann mit Heilchakra umgehen.“ „Aber dann bist du hier ohne jede Verteidigung“, erwiderte sie zögerlich.  Darauf schaute er Makani mit einem erschreckend verzweifelten Ausdruck in den Augen an. „Ich kann ihn nicht sterben lassen!“ Makani überlegte und überschlug in Gedanken die Zeit, die sie zum Waldfriedhof hin und wieder zurück brauchen würde. Egal wie überirdisch schnell Itachi und die anderen auch sein mochten, sie würde signifikant schneller sein. „In Ordnung“,sagte sie fest und erhob sich. „Danke!“   Und wieder rannte sie. Während sie sich in Bewegung setzte und die Lichtung in südlicher Richtung verließ, hob sie erneut das Funkgerät an ihre Lippen. Ihr Team sollte wissen, was sie vorhatte. Doch diesmal antwortete ihr nichts als das ewige Rauschen im Äther. Verdammt! Aber es hatte keinen Sinn, zu viele Gedanken daran zu verschwenden. Zeit war das einzige, das jetzt wirklich zählte. Trotzdem rief sie weiter, sooft es ihr schwerer Atem zuließ,den Namen ihres Captains in den Lautsprecher. Langsam wuchs ein Gefühl der Erleichterung in ihrer Brust, sie kam dem Waldfriedhof schnell näher. Es konnte nicht mehr viel länger als eine Minute dauern. Doch urplötzlich ließ sie sich scheinbar völlig unvermittelt mitten in einem Sprung zu Seite fallen. Sie landete schmerzhaft auf ihrer Seite und rollte sich auf dem steinigen Waldboden ab. Just in dem Moment, als sie aus der Rolle heraus in einer hockenden Position wieder zum Stillstand kam, schlugen mehrere Shuriken mit tödlicher Wucht nur knapp einen Meter über ihrem Kopf im nächsten Baum ein. Bewusst hatte sie das feine anschwellende Surren kaum wahrgenommen, aber ihre über Jahre trainierten Reflexe hatten Makani das Leben gerettet, jedenfalls für den Moment. Jeder einzelne Muskel in ihrem Körper spannte sich in jäher Alarmbereitschaft. Zuerst war nichts zu erkennen, doch dann setzten sich allmählich drei dunkle Schatten von dem grünen Hintergrund ab. Und in dem Moment, als Makani sie ausmachte, war sie sich sicher, dass sie verloren war. Die Feinde, wer immer sie auch sein mochten, hatten sie gefunden und umzingelt. Um zu wissen, dass sie stark waren, musste sie sich nicht erst die übel zugerichteten Shinobi am Wasserfall in Erinnerung rufen, denn allein die Macht ihrer finsteren Auren raubte ihr schier den Atem. In eine merkwürdig überraschte Starre verfallend versuchte sie zu begreifen, wie das alles hatte passieren können. Ihr dritter Tag bei der ANBU war nur wenige Stunden alt – und hier war das Ende? Makani erhob sich in quälender Zeitlupe und konnte ein leichtes Zittern nicht unterdrücken. Eine ihrer Verbergungskünste anzuwenden, hatte keinen Sinn, nicht wenn die Blicke von drei Personen mit solch unbarmherziger Aufmerksamkeit auf sie gerichtet waren. Einer stand ihr direkt gegenüber und starrte sie mit völlig ausdrucksloser Miene an. Die Kunoichi erschauerte bei seinem Anblick: Seine stacheligen Haare leuchteten in einem grellen Orangerot und bildeten einen unangenehmen Kontrast zu seinem extrem bleichen und ausgehärmten Gesicht, in dem er sich so etwas wie Metallstifte durch die Lippen und den Nasenrücken gerammt hatte. In seinen Augen fehlten das Weiße und die Iris, stattdessen wanden sich violett schimmernde Spiralen um die winzigen Pupillen. Makani hatte nicht das Gefühl, einen Menschen vor sich zu haben. Rechts neben ihr stand eine im Gegensatz dazu einigermaßen menschlich wirkende Frau. Sie hatte blasse feine Züge und violettes Haar. Von der Gestalt zu ihrer Linken war überhaupt nicht zu sagen, um wen oder was es sich handelte. Sie trug eine spiralförmige Maske, die nur ein einzelnes Auge unverdeckt ließ. Alle drei waren in die gleichen nachtblauen Mäntel gehüllt mit einzelnen stilisierten roten Wolken darauf. Es sah Makani verdächtig nach einem Symbol aus, Ninja liebten Symbole und es gab hunderte davon für alle möglichen Zwecke, aber dieses hatte sie noch nie zuvor gesehen. „Uhuhuuuu, guckt mal Leute, eine kleine Konohanin!“ Makani zuckte bei dem Klang der schrillen Stimme heftig zusammen. Es schien die Gestalt mit der Maske gewesen zu sein, die gesprochen hatte. „Oje, jetzt hat sich das Kunoichilein erschreckt“, quiekte sie. „Wow! Sie hat ja ganz weiße Haare. Ob sie alt ist?“ Nach der Stimme zu urteilen, handelte es sich um einen Mann, aber die Worte verhießen nichts Gutes über seinen Geisteszustand. Wahnsinnige Ninja waren definitiv etwas äußerst Gefährliches. Doch völlig unverhofft vernahm sie eine andere Stimme, die ihr für einen wundervollen Moment vor Erleichterung die Tränen in die Augen trieb: „Makani! Wie ist die Lage? Wir sind gleich bei euch!“ Itachi! Aber im nächsten Moment realisierte sie, dass es nicht ihr Anführer selbst gewesen war, der die Geräusche erzeugt hatte, sondern nur ihr Funkgerät. Da bewegte sich der Mann mit den orangeroten Haaren zum ersten Mal. Er legte einen Finger an die Lippen. Die Kunoichi biss in wachsender Verzweiflung die Zähne zusammen. „Makani! Hörst du mich? Was ist los bei euch?“ Nun streckte er eine geöffnete Hand aus und in der Umzingelten schwand die letzte Hoffnung. Wie ferngesteuert zog sie das Funkgerät aus ihrer Tasche und warf es der monströsen Gestalt vor die Füße. „Antworte bitte, wenn – „ Itachis letzte Worte gingen in einem lauten Knirschen unter, als der Orangehaarige den kleinen Apparat unter seinem Schuh zermalmte. Der Maskierte feixte: „Hahaha, nun ist er stumm! Zerbrochen wie deine kleinen Ninja-Freunde. Sind sie schon tot oder müssen wir nochmal nachhelfen?“ „Sei still! Darum kümmern wir uns später. Wie heißt du, Mädchen?“ Die Stimme des furchteinflößenden Shinobi in der Mitte unterschied sich um Welten von dem unangenehmen Quieken des Linken. Sie glich einemtiefen sonoren Brummen, nicht laut, aber so durchdringend, dass Makani sich sicher war, sie hätte ihn auch über den gut einen Hektar großen Trainingsplatz der Uchihas verstanden. Seine Worte gingen ihr durch Mark und Bein. Alles in ihr schrie danach, die Flucht zu ergreifen, es wenigstens zu versuchen, auch wenn es vermutlich aussichtslos war. Aber was, wenn die drei den Wasserfall erreichten, bevor die Verstärkung eintraf? Wenn man es realistisch betrachtete, war Makanis Leben ohnehin verloren, doch vielleicht konnte sie für die anderen etwas Zeit gewinnen. Nichts Geringeres war es doch, was einen Ninja im Rang eines ANBU ausmachte, oder? Er tat, was der Kampf erforderte, egal was es ihn selbst kosten mochte… Mit einem gewissen Erstaunen über sich selbst gelang es ihr, den Fluchtreflex zu unterdrücken. Sie wusste nicht, woher es kam, aber eine Art verzweifelte Entschlossenheit hatte sie erfasst. „Ich bin Kunoichi im Einsatz der Ansatsu-Senjutsu-Tokushu-Butai von Konohagakure. Ihr befindet euch unautorisiert im Hoheitsgebiet des Dorfes. Ihr seid hiermit aufgefordert, dieses umgehend zu verlassen, ansonsten werdet ihr zur Eliminierung freigegeben.“ Der Orangehaarige gab einen kehligen Laut von sich, der wohl ein Lachen darstellen sollte. Seine Miene blieb jedoch völlig ungerührt. „Das hast du schön aufgesagt. Wir haben schon bemerkt, dass der ganze Wald vor ANBUs wimmelt. Viel zu bieten hatte bisher aber keiner. Soll das wirklich die ganze Verteidigung des Dorfes aller Dörfer sein? Das ist enttäuschend.“ „Wer seid ihr und was wollt ihr?“, fragte Makani den abschätzigen Kommentar ignorierend. Der mutmaßliche Anführer der Eindringlinge antwortete nach einer kurzen Pause: „Man nennt mich Pain, aber das ist nicht mehr von Bedeutung für dich. Was ich will? Nun - “ Er tat ein paar Schritte auf Makani zu, diese wich automatisch zurück und stieß mit dem Rücken gegen einen Baumstamm. „Hast du Angst, Konohanin?“ Die Stimme des Mannes, der sich Pain nannte, klang nun beinah sanft und er fuhr fort, in dieser verstörenden Tonlage zu sprechen, die Makani schwindeln ließ: „Es ist nicht fair, dass es so endet, nicht wahr? Aber das Ende ist niemals fair. Besonders das Ende eines Kriegers nicht. Sag, bist du eine gute Kunoichi gewesen?“ Er kam näher, nur noch etwa ein halber Meter bewahrte sie vor dem Kontakt mit dieser widerlich bleichen Haut. Sie war runzelig, ohne direkt alt zu wirken, und so durchscheinend, dass das Geäst von dunklen Adern darunter deutlich zu erkennen war. „Du hast gefragt, was ich will“, raunte er „Ich will wissen, wofür du kämpfst?“ Makanis Hirn war wie leergefegt. Die Antwort kam automatisch aus ihrem Mund: „Für den Frieden Konohas…“ Pain lächelte, aber es sah absolut nicht aus wie ein Lächeln. Es war, als würden seine Mundwinkel an Fäden in die Höhe gezogen. „Jaaa“, hauchte er gedehnt, „es ist nicht zu übersehen, dass du diesem Dorf blind ergeben bist wie all die anderen hochherzigen Schafe. Schon allein, dass du hier vor mir stehst und nicht um dein Leben kämpfst, wie es jedes halbwegs gesunde Tier täte, beweist das nur allzu deutlich. Kleine dumme Kampfvirtuosen wie du sind das Blut in den Adern dieses Systems. Schon so viel davon musste für seinen Machterhalt fließen, dass sich niemand mehr erinnern mag. Dein Verlust ist nicht schmerzhafter als ein winziger Papierschnitt im Finger und du wirst lange nicht das letzte Opfer sein. Und was den Frieden betrifft - “ Pain war Makani nun so nah gekommen, dass sie seinen Atem auf ihrer Haut spüren konnte. Er roch leicht süßlich und irgendwie abgestanden. Ihr Magen begann, zu rebellieren. „Der Frieden ist die ewige schöne Erzählung des Dorfes aller Dörfer und die Menschen möchten ihm das nur zu gerne glauben. Ja, es stimmt. Bevor es die großen Shinobidörfer gab, war die Welt ein noch viel finsterer Ort als heute. Keine Regeln, nur das Recht des Stärkeren und eine Hand voll überlegener Clans, die sich unaufhörlich bekämpften. Auswiderwilligen Allianzen und fragilen Abkommen entstanden solch prächtige Dörfer wie deines, doch sei versichert, tief in eurem Herzen seid ihr noch genau die gleichen blutrünstigen Kriegstreiber wie damals.“ Der Orangehaarige überragte Makani um gut einen Kopf. Er sah auf sie herab und hob langsam die Hände. Sie zitterte nun ungehemmt und drückte sich verängstigt gegen die Baumrinde. Pain berührte ihre Wangen und presste im nächsten Moment seinen ganzen Körper gegen sie. Ihre Beine drohten wegzusacken. Verzweifelt riss sie den Kopf hoch und blickte beinah flehend in die sich leicht wiegende Krone des Baumes empor. Sie hörte sein Flüstern direkt neben ihrem Ohr und spürte die Berührung seiner eiskalten Lippen: „Ich sage dir, wofür du kämpfst, kleine Konohanin. Frieden bedeutet nichts anderes als eure kompromisslose Vormachtstellung. Aus diesem Grund bist du Kriegerin, aus diesem Grund hast du getötet und aus diesem Grund wirst du heute sterben. Denn ich fordere euren Frieden heraus. Doch sei nicht traurig. Ich kann dir sagen, dass du auf der Sonnenseite gelebt hast. Du hast nicht gelitten, deshalb kannst du es nicht besser wissen.“ In Makanis Inneren brachen alle Dämme und die pure Panik schwemmte jeden klaren Gedanken davon. Sie registrierte kaum, wie sich ihre Knie beugten und Chakra aus ihrem ganzen Körper in die dort bis zum Zerreißen gespannten Muskeln strömte. Dann schnellte sie wie ein abgeschossener Pfeil in die Höhe. Pains Griff begann, sich um sie zu schließen, doch er war nicht schnell genug. Sie glitt ihm durch die Finger und entwischte in die einzige Richtung, die zur Flucht noch offen blieb: nach oben. Sechs, sieben Meter flog sie, dann stieß sie sich kraftvoll von einem Ast ab, um noch weiter an Höhe zu gewinnen, fort von den entsetzlichen Gestalten unter ihr. Sie hatte sich in eine Tanne von bemerkenswerter Höhe geflüchtet. In ihrem nun von Instinkten beherrschten Denken manifestierte sich das vage Ziel, so schnell wie möglich aus dem Blickfeld der Feinde zu verschwinden und dann im Verborgenen zu entkommen. Sich zu verstecken, gehörte zu Makanis lebenswichtigsten Reflexen. Auf dieser Basis fußten ihre wertvollen Vorteile in Gefechten und demnach auch die meisten ihrer Kampfstrategien. Während sie dicht am Stamm nach oben stieg, glitten ihre Fingerspitzen über die zerfurchte Oberfläche seiner Rinde. Ohne dass sie großartig darüber nachdenken musste, verschafften sich kleine gezielte Stöße ihres Chakras einen Zugang zu den alten und mächtigen Energieflüssen, die den Baum von der Krone bis zu den Wurzeln durchströmten. Ihre eigene Kraft würde sehr bald zur Neige gehen. Sie riskierte einen Blick nach unten. Mit Erleichterung stellte sie fest, dass dort nichts mehr zu sehen war außer dicht benadeltes Geäst. Doch als sie den Kopf wieder hob, war ihr die Sicht auf das satte Grün plötzlich versperrt. Stattdessen schaute sie in ein schönes Augenpaar mit einem intensiven Goldton. Es war die Frau mit den violetten Haaren. Makani ließ augenblicklich alle Behutsamkeit fahren, ihr Chakra drang gewaltsam in den Baum und riss brutal einen beträchtlichen Teil seiner Energie an sich. Diese Vorbereitung kostete jedoch einen Wimpernschlag zu viel Zeit. Die feindliche Kunoichi riss die Arme nach oben und im nächsten Moment wirbelte ein Sturm kleiner weißer Fetzen auf Makani zu. Sie registrierte am Rande, dass es sich um so etwas wie Papierblättchen handelte, dann setze der Schmerz ein. An unzähligen Stellen ihres Körpers schnitten scharfe Kanten durch ihr Fleisch. Ein ersticktes Stöhnen entglitt ihr, doch sie unterdrückte den Impuls, ihr Gesicht mit den Armen zu schützen, damit sie ihrer Gegnerin stattdessen das zuvor gesammelte Chakra entgegen schleudern konnte. Ein vertrautes Stechen durchzuckte ihre Brust, als sie zu viel Energie zu schnell durch ihren Körper leitete, aber es führte zum gewünschten Ergebnis: Die Druckwelle war so gewaltig, dass es aussah, als sei die Violetthaarige nun selbst nicht viel mehr als ein Papierpüppchen, das von einer Windböe erfasst wird. Sie wurde weggeschleudert und verschwand im nächsten Moment aus Makanis Blickfeld. Doch leider hielt das darauffolgende Gefühl des Triumphes nicht lang, denn gleich darauf rächte sich das rabiate Vorgehen bei der Energiebeschaffung. Die Tanne gab ein markerschütterndes Ächzen von sich und bevor sie auf einem der Äste halt finden oder sich mit einem kräftigen Sprung aus dem Gefahrenbereich befördern konnte, begann der Baum auch schon zu kippen. Ein dicker Ast traf Makani hart in den Rücken und riss sie mit in die Tiefe. Sie schaffte es zwar, indem sie die restliche Energie dem auf sie zurasenden Boden entgegen feuerte, den Sturz ein wenig abzubremsen, dennoch landete sie mit solcher Wucht auf ihrer Schulter, dass ein ekelerregendes Knacken zu hören war. Doch sie beachtete es kaum und auch nicht, dass sie, wäre sie nur einen Meter weiter links gelandet, von dem tonnenschweren Baumstamm zerquetscht worden wäre. Ohne sich umzusehen, sprang sie auf und rannte um ihr Leben. Aber sie kam keine zwanzig Meter weit. Ihr entfuhr ein verzweifelter Schrei, als körperlose Klauen nach ihr griffen und sie durch die Luft rissen, ohne dass sie das Geringste dagegen unternehmen konnte. Mit hilflos umher pendelnden Gliedmaßen wurde sie rücklings gegen einen Baum geschlagen und dort blieb sie einige Zentimeter über dem Boden hängen. Ihre Augen weiteten sich in reiner Todesangst, als sie sah, wie Pain mit einem Kunai in der Hand aufreizend langsam auf sie zu schritt – um sie zu exekutieren. Schließlich baute er sich vor ihr auf und setzte das Messer an ihre Brust. „Du hast Konan überwältigt, kleine Knohanin. Ich bin beeindruckt.“ Der Druck des Kunais verstärkte sich und plötzlich spürte Makani, wie die längst vergessene Porzellanplatte in ihrer Weste mit einem leisen Knacken zerbrach. Ohne es verhindern zu können, rannen ihr mit einem Mal die Tränen über die Wangen und vermischten sich mit dem Blut aus den zahlreichen Schnitten auf ihrer Haut. „Ja! Weine, Mädchen“, sagte Pain mit ausdrucksloser Stimme „Der Tod ist da. Aber du hast wunderbar um dein Leben gekämpft. Unter anderen Umständen hätte ich dich vielleicht sogar mitgenommen. Da ist ein Funke in dir, weißt du… doch er ist leider noch viel zu schwach.“ Er löste das Kunai wieder von Makanis Brust und holte damit aus. Er senkte seine Stimme und flüsterte: „Keine Sorge. Ich tue es schnell.“ Dann wurde sie getroffen, allerdings nicht dort, wo sie es erwartet hatte. Der stumpfe Schmerz explodierte in ihrem Kopf und alle Lichter gingen aus.   Es drehte sich. Aufgeregte Rufe aus der Ferne drangen störend in den trägen Wirbel aus Nichts und lösten ihn schließlich auf. An seine Stelle traten dröhnende, pulsierende und brennende Schmerzen. Dies half, um aus den gedankenlosen Tiefen der Bewusstlosigkeit wieder in ihren Geist zurückzufinden. Als nächstes nahm sie die gewaltigen Energiewellen wahr, die in kurzen, unregelmäßigen Abständen über sie hinweg brandeten – heiß, kalt, prickelnd und wieder heiß. Woher kamen sie? Nur mit großer Mühe gelang es ihr, die Augen einen Spalt breit zu öffnen. Alles war verschwommen, zunächst sah sie nichts als verlaufende Farbflecke hinter einem Nebelschleier. Dann stellte sich allmählich ein kleiner Bereich in der Mitter ihres Sichtfeldes scharf. Sie konnte einige sich schnell bewegende Gestalten ausmachen, von denen die heftigen Chakrastöße auszugehen schienen. Ein Kampf? Ohne dass sie wirklich begriff, wieso, fegte plötzlich Todesangst jedes andere Gefühl und jeden anderen Gedanken fort. Sie musste hier weg, sonst war sie verloren! Doch so verzweifelt sie es auch versuchte, ihr Körper wollte ihr nicht gehorchen und allein das Fokussieren auf die Bewegungen verstärkte die rasenden Kopfschmerzen enorm. Der Schwindel begann, sie zu überwältigen. Sie wusste nicht mehr, wo oben und unten war, ob sie lag, saß oder gar stand. Raum und Zeit drohten ihr erneut zu entgleiten – bis eine Stimme sie endgültig in die Realität zurückholte. Makani! Das schreckliche Drehen hatte sich etwas gelegt. Und plötzlich nahm sie eine feuchtkühle Hand an ihrer Wange wahr. Wirre Bilder von orange lodernden Haaren und totenbleicher Haut flackerten in ihrem Kopf auf. Panisch riss sie die Augen auf – und blickte in ein vertrautes Gesicht: Die schwarzen Strähnen waren zerzaust und klebten an der schweißnassen Haut, auf der sich vor Anstrengung rote Flecken gebildet hatten. Der Ausdruck war eine verzerrte Maske aus Anspannung und Sorge – es war so schön, dass sie am liebsten geweint hätte. „Makani, hörst du mich?“, fragte Itachi eindringlich. Die Angesprochene nickte schwach. „Glück gehabt, sie lebt! Hab‘ das Schlimmste befürchtet, wie sie da lag“, war eine andere Stimme von etwas weiter entfernt zu vernehmen. Makani folgte ihr mit den Augen und erkannte die grauweiße Strubelfrisur von Hatake Kakashi. Orangene oder violette Haare konnte sie nirgends ausmachen. Endlich entspannten sich ihre verkrampften Muskeln etwas und sofortüberkam sie grenzenlose Erschöpfung. „Hey, lass sie nicht wieder wegknicken, Itachi!“, sagte Kakashi. „Makani“, die Berührung auf ihrer Wange intensivierte sich, „schau mich an, okay? Weißt du, wer ich bin?“ „…tachi…“, nuschelte Makani. „Gut! Und wo sind wir?“ „Nähe Waldfriedhof… bin angegriffen worden… weiß nicht, wer… tut mir Leid.“ „Alles ist gut, Makani. Versuch, wach zu bleiben, ja?“, erwiderte Itachi mit einem Anflug von seinem typisch sachlichen Tonfall. Dann fügte er an Kakashi gewandt hinzu: „Sie scheint relativ klar zu sein. Ihre Pupillen reagieren auch normal. Ich denke, sie ist transportfähig.“ „Die Medic-Einheit wird noch eine Weile brauchen, die haben am Wasserfall alle Hände voll zu tun,“ wandte Kakashi ein. „Ich werde sie ins Dorf bringen.“ „Gut, aber melde dich danach bei Koguma.“ „Ja.“ Der Kopierninja entfernte sich. Sehr vorsichtig band Itachi Makani mithilfe eines Tuches auf seinem Rücken fest, trotzdem stöhnte sie vor Schmerzen dabei. Ihr Anführer sprach leise auf sie ein, doch die Kunoichi hörte seine Worte kaum. Als sich ihre Lage so relativ abrupt veränderte, wurde ihr mit einem Mal furchtbar übel und sie war zunächst vor allem mit dem verzweifelten Versuch beschäftigt, ihren Mageninhalt bei sich zu behalten. Es wurde jedoch besser, als sich Itachi in Bewegung setzte und ein angenehm kühler Wind über ihr Gesicht strich. Ihr schmerzender Kopf wurde immer schwerer und schließlich sackte er auf Itachis Schulter, ihre Wange ruhte an seinem Hals. Sie spürte, wie sich die Muskeln unter seiner erhitzten Haut im Takt der geschmeidigen Schritte bewegten. Die eigentümlich besonnene Vitalität und kotrollierte Kraft seiner Bewegungen war Makani zwar vertraut, doch sie so unmittelbar zu spüren, war eine eigenartig intime Erfahrung. Auch seinen Geruch hatte sie noch nie zuvor so bewusst wahrgenommen und doch fühlte es sich so an, als würde sie ihn schon eine Ewigkeit kennen, und in diesem Moment löste er in der halbbewusstlosen Kunoichi unverhofft ein wohliges Gefühl der Geborgenheit aus. Genau hier, auf dem Rücken von Uchiha Itachi war der sicherste Platz auf Erden. Hier herrschte Frieden. Sie war nicht tot, obwohl sie sich so sicher gewesen war, dass sie sterben würde. Man hatte sie nicht sterben lassen, man hatte sie gerettet. Itachi hatte sie gerettet, obwohl sie weder eine richtige Uchiha war, noch die Erwartungen, die an eine Elitekriegerin der ANBU gestellt wurden, erfüllen konnte. Kapitel 8: Feinde ----------------- Apathisch starrte Makani aus dem Fenster und in die ernsten, in Stein gehauenen Gesichter der früheren und des amtierenden Hokage. Hunderte Male war sie den huldvoll über das Dorf wachenden Blicken in ihrem Leben bereits begegnet und doch erschienen sie ihr in diesem Moment seltsam fremd und abweisend. Es war ein sehr warmer Nachmittag, kein Wölkchen war am Himmel zu sehen und das gleißende Sonnenlicht ließ die vielfarbigen Dächer von Konoha regelrecht leuchten. An solchen Tagen konnte das von einem Felsplateau und etlichen Hektar Wald umrahmte Dorf mit seiner chaotischen, aber liebevollen Architektur und dem geschäftigen Treiben der Bewohner geradezu idyllisch wirken, doch der Gemütszustand der Kunoichi blieb von dieser freundlichen Atmosphäre ungerührt. Sie lag in einem kleinen, karg eingerichteten Zimmer mit blassgrün gestrichenen Wänden. Die Möblierung bestand aus dem schmalen Bett mit Metallgestell, in dem sie lag, einem Nachtisch, einem Stuhl und einer Art Kommode neben der Tür mit ein paar medizinischen Utensilien darauf. Vor weniger als zwei Stunden war sie hier allein und völlig verwirrt aufgewacht, ohne zu wissen, wo sie sich befand oder wie sie hierhergekommen war. Eine ältere Iryōnin war schließlich eingetreten, hatte Makani sorgfältig untersucht und währenddessen in knappen, aber freundlichen Worten erklärt, dass sie auf der medizinischen Station der ANBU-Zentrale läge, dass sie volle drei Tage ohne Bewusstsein gewesen wäre, in denen man sich um ihre Wunden, Knochenbrüche und das gefährlich niedrige Chakralevel gekümmert hätte. Noch nicht klar genug, um eine sinnvolle Frage formulieren zu können, hatte Makani nur stumm dabei zugesehen, wie die Ärztin mit routinierten, unpersönlichen Bewegungen jeden Zentimeter ihres Körpers abgetastet hatte. Bis auf eine Anzahl haarfeiner, rot und weiß schimmernder Narben an den Armen waren jedoch keine Anzeichen von Verletzungen zu erkennen gewesen. Schmerzen hatte sie auch nicht, sie fühlte sich lediglich unsagbar erschöpft und furchtbar aufgewühlt zugleich. Kaum fünfzehn Minuten später hatte sie die alte Kunoichi auch schon wieder allein gelassen und seitdem bemühte sich Makani vergeblich, die quälende Unruhe in ihrem Innern zu besänftigen. Zunächst konnte sie die Ursache für die verwirrenden Empfindungen, die in ihr tobten und ihre sich gerade erst wieder erholenden Kraftreserven aufzehrten, nicht recht ausmachen, doch dann kehrten bruchstückweise und noch ziemlich wirr die Erinnerungen an die vergangenen Ereignisse zurück:  die Übung mit ihrem Team, die verletzten ANBUs am Wasserfall, der furchtbare Kampf im Wald – Es dauerte eine ganze Weile, bis Makani eine relativ logische Chronologie aus dem von Gefühlen wie Angst, Panik und Schmerz verzerrten Erinnerungswirrwarr rekonstruiert hatte. Doch selbst als sie es geschafft zu haben glaubte, musste sie feststellen, dass sie nicht wirklich begriff, was geschehen war oder was das Ganze zu bedeuten hatte. Zunächst war ihr Team in Jiraiyas Haus von Hatake Kakashi in eine Falle gelockt worden. Das war zugegebenermaßen ziemlich verwirrend gewesen, aber im Grunde genommen nicht ungewöhnlich; raffinierte Tricks und Finten galten als besonders virtuoser Bestandteil der Ninja-Kunst und der Hatake war bekannt für seine eigenwilligen Späße. Doch dann war die eigentlich rund laufende Übung scheinbar aus dem Nichts heraus in ein toternstes Horrorszenario abgedriftet, das mit kaum etwas, das Makani bis dahin in ihrer Karriere erlebt hatte, zu vergleichen war, oder? Sie ließ die Aufträge revuepassieren, die sie bis heute in ihrer Chuninzeit ausgeführt hatte. Die meisten davon waren eher unspektakuläre Kundschafter- oder Botenmissionen im Hi no Kuni oder in eines der Nachbarreiche gewesen. Seltener, aber in letzter Zeit zunehmend war sie auch für anspruchsvollere Spionageaufgaben eingesetzt worden. Solcher Art war auch jener Auftrag gewesen, bei dem die von Makani gezeigte Leistung angeblich ausschlaggebend für ihre Berufung zur ANBU gewesen war: Sie hatten eine Gruppe abtrünniger Ninja, die sich laut Informationen eines verbündeten Shinobidorfes im Hi no Kuni aufhielten, ausfindig machen sollen. Makani und ihr Partner waren den Nukenin schnell auf die Spur gekommen; sie hatten sich leichtsinnigerweise sehr nah des gut überwachten Umlandes von Konohagakure aufgehalten. Doch durch einen unglücklichen Zufall war ihre Deckung aufgeflogen und es war zu jener folgenschweren Konfrontation gekommen, bei der Makani zum ersten Mal in ihrem Leben und eigentlich ohne es in diesem Moment wirklich realisiert oder geplant zu haben, im Kampf getötet hatte. Im Grunde war es auch das erste Mal gewesen, dass sie das Gefühl gehabt hatte, wirklich feindlich gesinnten Kriegern gegenüberzustehen, und dass sie ernsthaft Angst um ihr Leben haben musste. Doch selbst dieses einschneidende Erlebnis schien angesichts der jüngsten Ereignisse zu verblassen. Dort im Wald hatte Makani nicht nur Angst um ihr Leben gehabt. Nein, sie war sich absolut sicher gewesen, dass sie sterben würde. Und ‚feindliche Gesinnung‘ konnte nicht einmal ansatzweise das beschreiben, was dieser schreckliche Shinobi namens Pain mit solch hasserfüllter Leidenschaft zum Ausdruck gebracht hatte. Das war kein einfacher Unruhestifter gewesen, der sich nicht an die Regeln halten wollte. Er schien wild entschlossen gewesen zu sein, Konoha zu schaden, und er und seine Begleiter waren dem Dorf scheinbar mühelos erschreckend nah gekommen. Makani hatte keine Ahnung gehabt, dass ihre Heimat solche Feinde hatte. Was wollten sie? Die schaurigen Worte des Orangehaarigen geisterten in Makanis Kopf herum. Sie konnte ihren Sinn nicht wirklich erfassen – wenn sie denn überhaupt einen solchen gehabt hatten – aber dennoch schien jedes einzelne ihr Innerstes getroffen und brutal aufgewühlt zu haben. Als die Erinnerungen immer heftiger und klarer auf sie eindrangen, begann Makani, zu zittern, und sie hatte das Gefühl, kaum noch Luft zu bekommen. Sie krallte die Finger so fest in die dünne Bettdecke, dass die Knöchel weiß hervortraten, und sie kniff die Augen zusammen, um die peinigenden Bilder aus ihrem Geist zu verbannen. Und tatsächlich, sie schienen sich, etwas zu verflüchtigen. Zurück blieb Unglaube. Wie war es nur möglich, dass sie überlebt hatte? Es war kaum zu glauben, dass Itachi sie aus dieser aussichtslosen Lage hatte befreien können. Doch das hatte er! Makani erinnerte sich überraschend deutlich daran, wie er sie getragen hatte, nicht wie lang es gedauert hatte oder welchen Weg er mit ihr gelaufen war, aber dafür umso besser an das überwältigende Gefühl, nichts mehr befürchten zu müssen, nicht im Stich gelassen und beschützt worden zu sein. Doch auf einmal erinnerte sie sich an noch mehr; als würde ein zuvor angehaltener Film plötzlich weiterlaufen: Ganz unvermittelt war es vorbei gewesen mit der Ruhe, der sich Makani auf Itachis Rücken so vollkommen hingegeben hatte. Fremde Hände hatten sie hochgehoben und auf eine ungemütlich harte Oberfläche gelegt. Sie hatte die Augen geöffnet und in das grelle Licht einer Lampe geblinzelt, die an einer weiß gefliesten Decke hing. Sie hatte den Kopf gedreht und gesehen, wie Itachi sich abwandte, im Begriff zu gehen. Sie hatte seine Hand zu fassen bekommen und gewimmert. Sie hatte furchtbar geweint, ohne zu wissen, wieso. Itachis Blick war fahrig zu ihr gehuscht. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte er ihre Hand gedrückt, sich dann ihrem Griff entwunden und war fort gewesen. Makani spürte, wie ihr Gesicht anfing, zu glühen, und sich ihr Magen unangenehm zusammenkrampfte. Sie schämte sich auf einmal ganz schrecklich für – einfach alles: für sich, ihre erbärmliche Schwäche, ihre kolossale Unfähigkeit! Und als nur wenige Minuten später eine sehr bekannte Stimme gedämpft durch die angelehnte Tür ins Zimmer drang, wünschte sie sich verzweifelt, zu verschwinden und nie wieder aufzutauchen. „Ist sie wach?“ Makani konnte Antwort der Iryōnin nicht verstehen; sie ging im Rascheln der Decke unter, in der sie sich so tief verkroch wie nur irgendwie möglich. Sie drehte sich zur Wand und stellte sich vor, nicht da zu sein. Itachi betrat beinah geräuschlos das Zimmer, einen Moment blieb er in der geöffneten Tür stehen, dann schloss er sie leise hinter sich. Makani wusste, es war absolut albern, sich schlafend zu stellen, aber sie wollte ihren Team-Leader gerade einfach nicht sehen, konnte es nicht. Spürte er das nicht?  Der Uchiha setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett und verfiel in sein charakteristisches Schweigen. Er wusste, dass sie wach war; das fühlte Makani. Wahrscheinlich war ihm sogar klar, dass sie nicht mit ihm sprechen wollte, wie sonst wäre ihr Verhalten zu deuten gewesen. Trotzdem ging er nicht. Für eine so ausgeprägt diskrete und distanzierte Person wie Itachi war das abermals beinah empörend aufdringlich, fand Makani. Es verging eine Weile, in der lediglich das leise Rascheln der Vorhänge zu hören war, die von einer durch das geöffnete Fenster wehenden Briese in Bewegung versetzt wurden. Als der Uchiha das Schweigen schließlich brach, war Makani beinah dankbar dafür: „Wir haben großes Glück gehabt, deine Verletzungen sind nicht sehr schwer. Das gefährlichste ist wohl der Energieverlust. Das wird dir noch ein paar Tage zu schaffen machen.“ Makani seufzte kaum vernehmbar und löste ihre Verkrampfung ein wenig. Itachis Worte klangen so nüchtern und sachlich wie eh und je, als wäre nichts Außergewöhnliches vorgefallen. Die Kunoichi war erleichtert, obwohl sie sich nicht sicher war, ob er es auch wirklich so empfand oder ob es reines Taktgefühl war – oder die wahrscheinlichste Erklärung: Er war einfach grundsätzlich zu keinem anderen Tonfall fähig. Ganz langsam tauchte Makani aus ihrem Deckenkokon auf und setzte sich etwas auf. Den Blick hielt sie jedoch starr an die Zimmerdecke gerichtet. Itachi beobachtete sie geduldig dabei, dann begann er ohne Umschweife zu berichten: „Dieser Zwischenfall war fatal und hätte so nie passieren dürfen! Einige unglückliche Umstände haben dazu geführt, dass die Situation zeitweise völlig außer Kontrolle geraten ist. Dass so etwas während deines ersten Einsatz bei der ANBU passieren musste, macht es besonders bedauerlich. Die Wachposten an der westlichen Grenze waren unterbesetzt, dort sind die Angreifer wahrscheinlich eingedrungen. Sie haben einige ANBU-Mitglieder im Wald überrascht, aber die meisten kamen mit leichten Verletzungen davon – nur für Jiro kam bedauerlicherweise jede Hilfe zu spät…“ Jiro! Der schwer verletzte Shinobi am Wasserfall, dachte Makani und sah das bleiche Gesicht deutlich vor sich. Wegen ihm hatte Makani versucht, den Waldfriedhof zu erreichen. Aber er war tot.  Es war umsonst gewesen… natürlich war es das! Obwohl die Kunoichi bereits lag, schien sie noch weiter in sich zusammenzusacken. Itachi fuhr unbeirrt fort: „Nachdem du mich kontaktiert hattest, sind wir sofort mit so vielen Kampf- und Rettungskräften wie möglich aufgebrochen. Dein Funkgerät wurde zwar zerstört, aber der Sender war noch halbwegs intakt… Das hat dich gerettet. Die Angreifer flüchteten nach kurzem Schlagabtausch. Sie wollten sich auf keinen ernsthaften Kampf einlassen.“ „Wer sind denn sie?“, entfuhr es Makani plötzlich. „Nukenin“, antwortete Itachi schlicht, was ihre Frage kaum befriedigend beantwortete. „Nukenin?“, wiederholte sie ungläubig und verlor schließlich die Fassung. „Ich dachte immer Nukenin seien Ninja, denen es zu anstrengend ist in einem Shinobidorf zu leben und die unerlaubt trotzdem Jutsus einsetzen und sich vielleicht sogar für die ein oder andere unlautere Sache anheuern lassen. Die letzten Nukenin, die ich getroffen habe, konnte ich mit einer einzigen saftigen Attacke ausschalten, obwohl sie deutlich in der Überzahl waren. Die haben nicht mit mir gespielt wie mit einer Puppe und mir irgendeinen wirren Schwachsinn erzählt. Das waren keine einfachen Nukenin da im Wald, das waren Irre – verflucht starke Irre!“ „Die Bezeichnung ‚Nukenin‘ sagt nichts darüber aus, wie stark der betreffende Ninja ist, oder wie es um seinen Geisteszustand bestellt ist“, erwiderte Itachi und schien tatsächlich eine Spur irritiert darüber zu sein, dass sich Makani plötzlich so echofierte. Diese wiederum schnaubte entrüstet angesichts der völlig überflüssigen Belehrung. Sie vergaß, an die Decke zu starren, und traf Itachis Blick. „Sie waren organisiert“, stellte sie mit Nachdruck fest. „sie hatten alle die gleiche Kleidung an mit dem gleichen Symbol darauf. Sowas habe ich noch nie gesehen. Ihr Anführer, er… er schien Konoha so unglaublich zu hassen!“ Kurz überlegte Makani, ob sie das, was Pain zu ihr gesagt hatte, wiederholen sollte, doch sie überkam mit einem Mal eine bedrückende Frucht bei dem Gedanken. Außerdem bezweifelte sie, dass sie es überhaupt vollständig und in der richtigen Reihenfolge hätte wiedergeben können. Vermutlich würde es nur klingen, wie das wirre Gefasel eines Verrückten, was es ja vermutlich auch war.  Also verstummte sie und blickte voller Unbehagen auf ihre Hände hinunter. Itachi zögerte einen Moment. „Ja, man kann es wohl als eine Art Organisation bezeichnen“, sagte er dann beinah nachdenklich. „Wir haben auch erst vor Kurzem von ihrer Existenz erfahren; sie nennen sich ‚Akatsuki‘. Eine Gruppe Nukenin, die in der jüngeren Vergangenheit vor allem im Norden für Unruhe gesorgt hat.“ „Und was wollen sie?“ „Macht, nehme ich an. Es ist immer mal wieder vorgekommen, dass sich ein paar Ninja zusammengetan und gegen bestehende Gesetze rebelliert haben, aus den verschiedensten Gründen.“ Makanis krausgezogene Stirn drückte Skepsis aus. Nervös auf ihrer Unterlippe kauend rang sie um Worte für das, was sie so beunruhigte: „Aber sie schienen es konkret auf Konoha abgesehen zu haben… als wollten sie uns direkt herausfordern.“ „Wenn man ernsthaft an den Machtverhältnissen rütteln will, ist das wohl auch der direkteste Weg. Wir sind mit Abstand das größte Shinobidorf und haben den meisten Einfluss“, antwortete Itachi sehr ruhig und nickte. „Ich gebe zu, es ist ambitioniert oder wohl eher größenwahnsinnig. Aber ich glaube nicht, dass sie an diesem Tag einen ernsthaften Angriff durchführen wollten.“ „Nein?“, fragte die Kunoichi verwundert. Aufmerksam betrachtete sie ihren Team-Leader, der scheinbar gedankenverloren aus dem Fenster in den Sonnenschein blinzelte. Schließlich antwortete er: „Nein, dafür waren es zu wenige… Ich denke, es hat einen Grund, warum die meisten ANBUs nur leicht verletzt waren, obwohl sie völlig unvorbereitet getroffen wurden.“ Plötzlich stutzte Maknai. „Ja…“, murmelte sie mehr zu sich selbst. „Der Anführer sagte, er würde mich töten, und er hätte es gekonnt ohne Probleme… aber dann hat er mich nur bewusstlos geschlagen.“ Itachi sah Makani nun seinerseits aufmerksam an und antwortete: „Sie wollten dir Angst machen, sie wollten uns Angst machen. Sie wollten uns zeigen, dass es sie gibt und dass sie gefährlich sind. Es tut mir Leid, dass es dich so hart getroffen hat." Es klang tatsächlich beinah so, als würde er es auch so meinen, als wäre es keine bloße Förmlichkeit. Und noch mehr freute es Makani, dass Itachi tatsächlich Teile seiner Überlegungen zu den Ereignissen mit ihr zu teilen schien. „Aber wenn sie uns ihre Stärke demonstrieren wollten, dann scheinen sie zu glauben, dass sie uns wirklich gefährlich werden könnten. Glaubst du, dass sie tatsächlich nur größenwahnsinnig sind?“ Itachi schüttelte kaum merklich den Kopf. „Größenwahnsinnig vielleicht, aber längst nicht nur. Was sie auch immer wollten, ihre Stärke demonstrieren oder unsere testen – in jedem Fall wussten sie, was sie taten. Sie haben es zu dritt geschafft, einem ganzen Wald voller ANBUs die Stirn zu bieten. Mit derartig gefährlichen Nukenin hat es Konoha schon sehr lange nicht mehr aufnehmen müssen.“ „Hast du das damit gemeint, als du sagtest, die Zeiten wären angespannt?“ Als Makani diesen Gedanken ohne groß zu überlegen, aussprach, sah sie ihren Team-Captain gerade direkt an, und erschrak unwillkürlich. Eben noch hatte Itachi ihren Blick relativ offen erwidert, doch von einer auf die andere Sekunde verwandelte sich sein Ausdruck komplett. Es war, als würden hinter dem ohnehin schwer durchdringbaren Schwarz seiner Augen meterdicke Eisentore ins Schloss fallen. „Wenn du etwas aufmerksamer zugehört und sorgfältiger nachgedacht hättest, könntest du dir diese Frage selbst beantworten“, versetzte er mit eisiger Stimme. „Wegen eines Haufen Abtrünniger, von dessen Existenz wir bisher kaum etwas mitbekommen haben, hätte ich wohl kaum von einer allgemein schwierigen Situation gesprochen, oder? Sie mögen ein Symptom sein, vielleicht, und genau deshalb muss die ANBU sich rüsten. Wir müssen besser werden, viel besser. Auch ohne den Angriff von außen war diese Übung eine Katastrophe. Selbstmörderisch kopflose Alleingänge sind dabei nur die Krönung gewesen.“ „Was meinst du damit?“, fragte Makani scharf, innerlich erstarrt angesichts des Tonfalls ihres Anführers. Was war auf einmal los? Itachi setzte nach: „Es war beeindruckend dumm, allein aufzubrechen. Du wusstest nicht, von wem oder was die Gefahr ausging.“ „Wir brauchten sofort Hilfe. Jiro war am Verbluten.“ Und er ist verblutet, ergänzte eine leise grausame Stimme in Makanis Gedanken. Der Uchiha musterte sie mit kaltem Blick. „Und du hast nicht nur ihn schutzlos zurückgelassen, sondern dazu noch zwei weitere Kameraden. Man trennt sich in einer solchen Situation unter keinen Umständen, ist das klar?“ „Ja, Itachi. Es tut mir Leid, dass ich nach drei Tagen in deiner Einheit immer noch nicht alle Vorschriften für Ernstfälle verinnerlicht habe. Es war eine unvorhersehbare Situation und ich musste mich entscheiden“, erklärte Makani so gefasst, wie nur möglich, dennoch zitterte ihre Stimme leicht. „Und solange das Verinnerlichen nicht abgeschlossen ist, möchte ich dich bitten, zumindest meinen direkten Anweisungen zu folgen. Ich meine mich zu erinnern, ich hätte klar und deutlich gesagt, dass ihr bleiben sollt, wo ihr seid.“ „Das reicht, Itachi.“ Zwei Köpfe fuhren herum. In der Zimmertür stand Koguma und lächelte milde amüsiert. Itachi sah aus, als wollte er noch etwas sagen, doch als das ANBU-Oberhaupt hinter ihn trat und ihm in vertrauter Geste die Hände auf die Schultern legte, schien er sich zu besinnen. Koguma nickte Makani freundlich zu und sagte: „Auf den Ablauf der jüngsten Ereignisse kann wirklich niemand in der Einheit stolz sein, aber sich gegenseitig mit Vorhaltungen zu quälen, ist sicherlich nicht die beste Strategie das Ganze aufzuarbeiten. Mit Schuldgefühlen muss sich jeder gute Ninja immer wieder auseinandersetzen, sie sind ein unvermeidlicher Teil unseres Weges, aber man sollte sie nicht noch unnötig schüren. Meinst du nicht auch, Itachi?“ Der Uchiha nickte und Makani bildete sich ein, dass er tatsächlich ein wenig zerknirscht dabei aussah. Koguma fuhr fort: „Ich erwarte von dir, dass du dein neues Team-Mitglied in der nächsten Zeit intensiv unterweist, damit sie so bald wie möglich ihren Beitrag ihrem Potential entsprechend leisten kann.“ „Jawohl.“ „Sehr gut. Dann kannst du jetzt gehen. Ich glaube, das war erstmal genug Aufregung für Makani.“ Als Antwort auf diese letzte Anweisung erhob sich Itachi und deutete jeweils eine förmliche Verbeugung in Richtung Koguma und Makani an, dann verließ er ohne ein weiteres Wort das Zimmer. Zu Makanis Überraschung folgte ihm der Ältere jedoch nicht, sondern setzte sich stattdessen auf den soeben freigewordenen Stuhl und fuhr fort, sie freundlich anzusehen. Die Kunoichi wich seinem Blick aus. Obwohl ihr der Shinobi eigentlich nicht unsympathisch war, war ihr die Situation dennoch sehr unangenehm. Sie lag hier mit nichts als einem leicht angegrauten Nachthemd bekleidet und man konnte auch nicht behaupten, dass ihr allgemeiner Zustand besonders vorzeigbar gewesen wäre. Sie ahnte, wie verletzlich und mitgenommen sie aussah. Schon allein während Itachis Anwesenheit hatte sie sich alles andere als wohl gefühlt und Koguma war eigentlich ein völlig Fremder für sie. „Itachi ist verdammt jung, um Team-Leader bei der ANBU zu sein“, begann er schließlich unvermittelt. „Seine technischen Fähigkeiten übersteigen seine menschliche Reife in manchen Punkten bei weitem.“ „Äh… ah ja?“ Warum sagte er ihr das? Sollte sie sich jetzt besser fühlen? „Ihr müsst euch Zeit geben. Er wird sich weiterentwickeln und du dich auch.“ Woher wollte er das wissen, dachte Makani. Er mochte Itachi vielleicht gut einschätzen können, aber sie kannte er doch überhaupt nicht, oder? Wir beobachten deinen Werdegang schon eine ganze Weile. Richtig, das hatte er bei ihrer ersten Begegnung gesagt. Ihr Unbehagen wuchs. Und ebenso ihr Ärger. Sie hatte genug davon, von allen Seiten nur hier und da kleine kryptische Informationsbrocken zugeworfen zu bekommen. Unvermittelt brach sich ihr Frust Bahn: „Um ehrlich zu sein, verstehe ich nicht, was ich in diesem Team zu suchen habe. Itachi und Shisui spielen offensichtlich in einer anderen Liga als ich. Es ist auch nicht so, dass ich mich bei ihnen besonders heimisch fühlen würde oder so. Auch wenn wir dem gleichen Clan angehören, stehen wir uns nicht besonders nah. Aber das wissen sie wahrscheinlich selbst. Was tue ich also hier? Bin ich nur dazu da, um Itachis Führungsqualitäten herauszufordern? Auf diese Rolle würde ich wirklich gerne verzichten.“ Koguma reagierte auf ihre Beschwerde lediglich mit einem leisen Lachen, dann antwortete er: „Nicht schlecht kombiniert, Makani. Aber das ist nur die Hälfte der Wahrheit. Ihr seid in einem Team, um euch gegenseitig herauszufordern. Ich bin davon überzeugt, dass ihr viel voneinander lernen könnt. Ich glaube im Übrigen auch nicht, dass du auf ewig in einer anderen Liga spielen musst, sonst hätten wir dich nicht in die ANBU geholt. Das, was ich bisher von deinem Können sehen durfte, ist durchaus vielversprechend, glaub mir. Du hattest bisher in deinem Leben vielleicht lediglich weniger Möglichkeiten und Anreize, dein Potential zu entfalten. Weißt du, Itachi und Shusui sind durchaus überdurchschnittlich talentierte Ninja, aber sie sind zusätzlich ihr ganzes Leben lang durch die Unterstützung und Anforderungen ihrer Familie vorangetrieben worden.“ Na, das war nun alles andere als eine neue Erkenntnis für Makani, auch wenn sie bezweifelte, dass wirklich nur die Erziehung die alleinige Ursache für die Leistungsunterschiede zwischen ihr und ihren Team-Kollegen war. Mit deutlich wahrnehmbaren Trotz in der Stimme erwiderte sie: „Ich weiß wirklich nicht, ob ich so ein Leben führen wollen würde wie die beiden. Der Drill hat sie unbestritten zu brillanten Shinobi gemacht, aber ich hatte den Eindruck, als Menschen haben sie sonst nicht viel mehr zu bieten. Wenn das der Preis ist, um mit ihnen mithalten zu können, möchte ich ihn eigentlich nicht zahlen.“ Makani erschrak über ihre eigenen Worte. Sie waren nicht nur ihren Team-Kollegen gegenüber unverschämt abfällig gewesen, sie hatte noch dazu vor dem Oberhaupt der ANBU, eine der traditionsreichsten Institutionen des Dorfes, zugegeben, dass sie nicht unter allen Umständen, den Pflichten, die man ihr auferlegt hatte, nachkommen wollte, dass es für sie nicht das Wichtigste auf dieser Welt sein könnte, als Kriegerin immer besser und besser zu werden. Koguma sah die Kunoichi für ein paar Sekunden nur schweigend an, dann sagte er sehr ernst: „Es ist sehr bedauerlich, dass du so denkst.“ „Ich bitte um Entschuldigung! Solches Gerede ist der ANBU nicht würdig“, murmelte sie mechanisch und senkte den Blick. „Nein, das meine ich nicht, Makani. Es ist vor allem bedauerlich für dich – und für mich, das heißt, für Nenashi wie uns.“ Sie hob den Kopf wieder und sah ihren Vorgesetzten verwirrt an. ‚Nenashi‘ wurden Ninja genannt, die keinem Clan angehörten. „Ich verstehe nicht.“ Das freundliche Lächeln kehrte auf Kogumas Gesicht zurück. „Nun ja, es kommt sicher nicht von ungefähr, dass die Shinobi-Dörfer und dadurch defacto auch die Länder, in denen sie liegen, von verhältnismäßig wenigen alten Clans regiert werden. Zunächst einmal sind sie natürlich in der Regel mit mächtigen Kekkei Genkai gesegnet – vermutlich ist das in vielen Fällen der Grund dafür, dass sie überhaupt zu Macht gekommen sind – und zum anderen –„ das ANBU-Oberhaupt gluckste verhalten „ – sind die meisten von ihnen wirklich gut darin, ihre Kinder zu ‚drillen‘ und ihr Wissen nur sehr selektiv dem Vorteil des Clans entsprechend weiterzugeben. Außerdem neigt Macht und Einfluss generell dazu, sich zu vererben.“ Makani war immer noch nicht so richtig klar, worauf ihr Gegenüber hinauswollte. Es stimmte und war durchaus kein Geheimnis, dass alle gesellschaftlich höher angesehenen Positionen im Dorf fast ausschließlich von Clanmitgliedern bekleidet wurden: die Hokage natürlich, die Gaikoban und sogar unter den Jonin waren Nenashi eher die Ausnahme. Aber was hatte das bitte mit ihrer Karriere bei der ANBU zu tun? Unbestritten erstaunlich war in diesem Zusammenhang jedoch, dass Koguma behauptet hatte, selbst ein Nenashi zu sein. Für den Anführer der ANBU schien ein solcher Status beinah unerhört. „Sie gehören wirklich keinem Clan an?“, fragte sie schüchtern, aber unverhohlen neugierig. „Nein, meine Familie hat zwar durchaus ein paar fähige Shinobi hervorgebracht, aber auf irgendwelche angeborenen Fähigkeiten oder bis in die Gründerzeit zurückreichende Traditionen können wir uns nicht berufen. Bei dir ist der Fall ja noch einmal anders gelagert. Du kennst deine eigene Herkunft gar nicht, richtig? Für einen Ninja ist das bei der bestehenden Ordnung ein wirklich hartes Schicksal. Ohne unsere Familien sind wir eigentlich nichts.  Du lebst zwar bei einem der größten und einflussreichsten Clans Konohas, aber als wirklich vollwertiges Mitglied haben sie dich nie gesehen – und du dich selbst offensichtlich auch nicht, nicht wahr?“ Makani biss sich auf die Unterlippe, als ihr diese ausgesprochene Wahrheit einen schmerzhaften Stich versetzte. Koguma fuhr fort: „Für Ninja wie uns ist der Weg sehr steinig und wir können mit kaum Unterstützung rechnen. Wir müssen uns vielleicht auch häufiger mit der Frage auseinandersetzen, wofür wir diese Strapazen eigentlich auf uns nehmen, denn das Kriegertum ist uns nicht allein durch unsere Herkunft vorbestimmt. Aber wenn jeder von uns, der so weit gekommen ist wie du oder ich, diesen Weg nicht weitergeht, wird sich im Allgemeinen nie etwas für uns ändern, meinst du nicht auch?“ Die Konuichi wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Auf diese Weise hatte sie noch niemanden zuvor reden hören. Eigentlich hatte sie sich selbst auch nie als eine Nenashi gesehen. Wenn sie sich mit dem Namen ‚Uchiha‘ vorstellte, löste das zwar in der Regel Irritation aus - zunächst  aufgrund ihres Aussehens, aber auch weil die meisten  Clanmitglieder im Gegensatz zu ihr im Dorf eine gewisse Prominenz genossen – doch sie hatte ihr ganzes Leben mit dem Clan gelebt und war objektiv betrachtet in vielerlei Hinsicht durchaus als ein vollwertiges Mitglied behandelt worden: Sie hatte den beachtlichen familiären Wohlstand genossen, sie hatte ohne Auswahlverfahren Zugang zur Akademie erhalten, sie hatte eine exklusive Ausbildung bei Koryphäen wie Jiraiya erfahren. Nein, sie hatte gewiss keinen leichten Stand in ihrer Familie, besonders nicht seitdem Akane nicht mehr da war, aber clanlos war sie nicht. „Die Uchihas sind meine Familie“, sagte sie schließlich mit Nachdruck. „Uchiha Akane war meine Mutter, auch wenn sie mich nicht selbst geboren hat. Sie und der Clan haben mir viel ermöglicht und beigebracht.“ „Habe ich dich beleidigt, als ich dich als Nenashi bezeichnet habe?“ „Was? …Nein!“ Wieso klang sie so verärgert? „Naja, es ist kein Titel, mit dem man unbedingt prahlen würde, oder?“, erwiderte Koguma und zwinkerte Makani zu, dann wurde sein Blick wieder vollkommen ernst. „Aber du hast natürlich Recht; die Uchihas sind deine Familie und du bist keine Nenashi im herkömmlichen Sinne. Aber du hast trotzdem eine Vorstellung davon, was es heißt, ohne Clan zu sein oder von ihnen nicht vollkommen akzeptiert zu werden, das weiß ich. Und du bist diesen schwierigen Weg bisher beeindruckend erfolgreich gegangen. Es tut mir Leid, wenn ich dir mit dem, was ich sage, zu nah trete, doch ich glaube, dass genau das dir sehr viel Potential verleiht. Du siehst und verstehst Dinge, die Itachi und Shisui fremd sind. Ich persönlich halte es für sehr wichtig, dass meine stärksten Teams ihren Horizont erweitern. Wenn wir uns immer nur auf die Fähigkeiten der Clans verlassen, werden wir uns nicht weiterentwickeln. Und irgendwann werden unsere Feinde uns überholen.“ Makanis Ärger war, während Koguma gesprochen hatte, zunächst erneuter Verwirrung und dann Staunen gewichen. Nach einigen Momenten Schweigen fragte sie leise: „Und darum haben Sie mich in die Einheit geholt?“ Das ANBU-Oberhaupt nickte. „Was ist mit dem Vorfall auf meiner letzten Mission? Haben Sie nicht auf verborgene Fähigkeiten bei mir spekuliert?“, fragte Makani, woraufhin ihr Gegenüber auflachte. „Natürlich habe ich das und ich tue ich noch immer, aber deswegen ist das, was ich dir eben gesagt habe, nicht weniger zutreffend. Die ANBU braucht selbstverständlich äußerst fähige Krieger. Wir sind die einzige fest etablierte militärische Organisation im Dorf, eine letzte Geheimwaffe, wenn du so willst. Wir sind kein Haufen lose zusammengewürfelter Teams, die mal hier und mal da einen x-beliebigen Auftrag ausführen. Wir kümmern uns ausschließlich um Belange, die die Sicherheit des Dorfes betreffen. Und wenn es zum Äußersten kommen sollte, sind wir diejenigen, die die Dinge in die Hand nehmen müssen. Aber ich bin davon überzeugt, dass man für diese große Verantwortung geeignete Ninja nicht ausschließlich unter den Mitgliedern der Clans suchen darf - “ Auf einmal stutzte Koguma in seiner Rede. „Was ist los? Wieso guckst du schon wieder so fürchterlich bedrückt?“, fragte er dann.  „Ich weiß nicht…“, setzte Makani an, entschied sich dann aber dagegen, erneut die diffusen Zweifel an sich und der ganzen Angelegenheit bezüglich ihrer Berufung zur ANBU und Einteilung in Itachis Team zur Sprache zu bringen. Offensichtlich würde man sie nicht einfach so wieder entlassen. Es war sinnlos, weiter damit zu hadern. „Ist Konaha wirklich in Gefahr?“, fragte sie schließlich und versuchte dabei nicht allzu ängstlich zu klingen. Sie dachte an die drei Nukenin im Wald und sie dachte an Itachi, der mehrmals angedeutet hatte, dass die ganze ANBU heute in keinem guten Zustand war. „Ich kann mich eigentlich an keine Zeit erinnern, in der Konoha nicht in Gefahr war“, antwortete Koguma und erhob sich. „Aber dieser Pain, wie gefährlich ist er? Haben wir noch mehr solche Feinde?“ Der Ältere lächelte erneut freundlich, die rechte Hand bereits am Türgriff. „Manchmal muss man seine inneren Feinde mehr fürchten als die äußeren“, antwortete er nachdenklich und öffnete die Tür. „Ich kann dir heute nicht alle Angelegenheiten und Gefahren, um die wir uns kümmern müssen, erklären, aber mit der Zeit wirst du vieles besser verstehen. Du stehst ja noch ganz am Anfang. Es wird alles werden, Makani. Mach dir nicht zu viele Sorgen. Konzentrier dich auf dich und gib dein Bestes.“ Dann war er fort und Makani wieder allein ihren nun kaum weniger aufgewühlten Gedanken überlassen. Erst nach einigen Minuten wurde ihr bewusst, dass sie immer noch völlig angespannt und kerzengerade im Bett saß. Mit einem vernehmlichen Seufzer ließ sie sich in die Kissen zurücksinken und den Blick wieder aus dem Fenster zu den verschlossenen Mienen der Hokage schweifen. Sie hatte den Eindruck, nun beinah noch verwirrter zu sein als vor den unverhofften Besuchen. Das, was Koguma ihr über Nenashi und ihrer Aufnahme bei der ANBU erzählt hatte, kam ihr irgendwie ziemlich weithergeholt und aus dem Zusammenhang gerissen vor, obwohl sie zugeben musste, dass er durchaus aufrichtig gewirkt hatte. Makani entfuhr unwillkürlich ein leises Lachen. Ihre Vorzüge sollten gerade darin bestehen, keine Uchiha zu sein – das klang absurd! Darüber hinaus war Kogumas Offenheit nicht von langer Dauer gewesen genauso wie die Itachis. Koguma hatte ihre Frage nach Pain nicht beantwortet. Die abgedroschene Weisheit über innere Feinde hätte er sich an dieser Stelle auch sparen können. Itachi dagegen hatte alles irgendwie merkwürdig verharmlost. Und warum hatte sich ihr Team-Leader auf einmal so aggressiv verhalten, das passte überhaupt nicht zu ihm. Da musste doch noch mehr dahinterstecken. Doch Itachi würde ihr nie anvertrauen, um was er sich wirklich sorgte, da war Makani sich sicher. Wie sollte sie ihr Bestes für eine Einheit geben, in der man sie so im Dunkeln tappen ließ? Doch schon bald darauf gingen Makani die Kräfte zum Nachdenken aus. Die Regeneration war noch lange nicht abgeschlossen und das alles hatte sie furchtbar ausgelaugt. Ihr fielen die Augen zu und die grübelnden Gedanken ebbten nach und nach ab. Kurz bevor sie einschlief, erschien ein bleiches, von orangenen Haaren umrahmtes Gericht vor ihrem inneren Auge. Für was kämpfst du? In ihrem Traum fügte Makani Pains Frage eine weitere hinzu:  - und gegen wen? Sie wusste auf keine der beiden eine Antwort.   *  *  * Kapitel 9: Training ------------------- Training   An Makanis sechsten und letzten Tag auf der Krankenstation fällte sie einen Entschluss: Ja, sie würde ihr Bestes geben. Sie würde aufhören, sich in ihr altes Leben zurückzuwünschen, und sie würde alles dafür tun, um ein würdiges Mitglied der ANBU und von Itachis Team zu werden. Wobei „würdig“ in diesem Zusammenhang in erster Linie bedeutete „überlebensfähig“.  Am Ende ihres ersten Einsatzes in der Einheit hatte sie sich so hilflos und dem Tode nahe gefühlt wie nie zuvor. Wenn sie nicht so schnell wie möglich etwas änderte, würde sie das nächste Mal wahrscheinlich nicht mehr zurückkehren. Was blieb ihr also anderes übrig? Aber sie würde auch herausfinden, für was sie hier ihr Leben riskieren sollte, denn sie wusste, auf die Dauer würde sie das Gefühl nicht aushalten, dass man nur einen Bruchteil an Informationen darüber, was die Einheit tat und was für Gefahren drohten, mit ihr teilte. Also würde sie die Sache selbst in die Hand nehmen und Nachforschungen anstellen. Weder Itachi noch Koguma mussten das unbedingt mitbekommen. Am späten Nachmittag teilte ihr die alte Iryōnin mit, dass sie die Station verlassen könnte. Da Makani vor ein paar Tagen ohne Bewusstsein hergebracht worden war, erkannte sie erst jetzt, dass sich ihres und zwei weitere Krankenzimmer direkt hinter jenem Raum befanden, in dem Itachi sie vor wenigen Tagen tätowiert hatte. Dieses Hauptquartier schien noch um einiges größer zu sein, als Makani bisher angenommen hatte. Was es hier wohl noch alles zu entdecken gab? Sie dachte an die zahlreichen Türen in dem Flur, durch den sie das Gebäude das erste und das zweite Mal betreten hatte. Die Überwachungszentrale war bis auf einen einzelnen ANBU, der sich träge Notizen auf einem Klemmbrett machte, leer. Makani fragte den zutiefst gelangweilt wirkenden Shinobi nach ihren Team-Kollegen, doch er zuckte bloß die Achseln. Unschlüssig überlegte sie, ob sie Koguma in seinem Büro aufsuchen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Stattdessen nahm sie die Treppe nach unten. In jenem Flur angekommen, probierte sie nun jede einzelne der Türen aus, doch alle bis auf zwei waren verschlossen. Hinter der ersten, die Makani öffnete, befand sich ein großes kahles Zimmer, in dem einige Schlafpritschen in zwei Reihen an den Wänden standen. Es kam anscheinend vor, dass ANBUs hier im Hauptquartier übernachteten. Die zweite unverschlossene Tür führte in eine Art Umkleideraum; hier reihten sich mit Namensschildern versehene Metallspinte an den Wänden. Die Kunoichi schritt sie ab, bis sie die Schränke von Itachi und Shisui gefunden hatte. Und direkt auf dem nächsten entdeckte sie schließlich ihren eigenen Namen. Die Tür protestierte mit einem lauten Quietschen, als Makani sie öffnete, und im nächsten Moment zuckte sie vor Schreck zusammen, denn aus dem dunklen Inneren des Schrankes schien ihr ein Gesicht entgegen zu starren. Doch gleich darauf stellte es sich bloß als ihre eigene Katzenmaske heraus. Als krönender Abschluss war sie auf einem Sortiment funkelnagelneuer Ausrüstungsgegenstände drapiert worden, die Makani nun staunend in Augenschein nahm: Da gab es eine Hüft- und Beintasche sowie Waffenhalterungen aus glänzendem schwarzen Leder. An der hinteren Schrankwand und an der Innenseite der Tür hingen eine beachtliche Anzahl blankpolierter Kunai und Shuriken. Unter der Maske befand sich ein Stoß feinsäuberlich zusammengefalteter, ebenfalls schwarzer Hosen und Oberteile, auf dem Boden standen Stiefel in passender Größe und ein offenbar für längere Missionen gedachter Rucksack. Schließlich hingen an zwei Haken ein dunkelgrauer Umhang und eine blütenweiße Schutzweste. Makani stutzte, als sie an der Weste ein dicht beschriebenes Blatt Papier entdeckte:   Liebe Makani,   ich hoffe, dir gefällt deine neue Unform und die Ausrüstung. Sollte etwas wider Erwarten nicht passen, können wir es natürlich ändern lassen. Da wir keine Zeit verlieren sollten, wirst du gleich morgen mit zunächst moderatem Training beginnen. Einen genauen Ablauf habe ich dir auf der Rückseite zusammengestellt. Ich möchte, dass du spätestens um 6 Uhr morgens beginnst und mindestens vier Stunden trainierst. Um 11:30 Uhr wird man dich für weitere vier Stunden in Routinearbeiten der ANBU einweisen. Sei dafür bitte pünktlich am gewohnten Eingang der Zentrale, es wird dich jemand hereinlassen. Anschließend setzt du dein Training spätestens um 17 Uhr für weitere drei Stunden fort. Falls du dich morgen noch nicht kräftig genug fühlst, kannst du diese zweite Einheit auslassen. Trage in der Zentrale immer deine Uniform, denn hier erledigst du Arbeiten in direktem Auftrag der ANBU, lege sie aber unbedingt ab, wenn du das Hauptquartier verlässt, selbst wenn du trainierst. Ich wünsche dir viel Erfolg!      Itachi       Die folgenden Wochen erschienen Makani als die anstrengendsten und zugleich einsamsten ihres ganzen Lebens. Die Kunoichi hielt sich penibel an Itachis Anweisungen und trainierte stundenlang allein. Dabei umrundete sie das Dorf mehrmals täglich sprintend und springend auf den unwegsamsten Pfaden. Auf dem Uchiha-Trainingsgelände wiederholte sie schier endlos die immer gleichen Kraft- und Chakraübungen. Sie attackierte die umstehenden Bäume solange, bis kaum noch ein Fitzel Rinde an ihren Stämmen übrig war. Die junge Chunin fühlte sich lebhaft in ihre Anfangszeit als Genin zurückversetzt; damals hatte das Training zeitweise ganz ähnlich ausgesehen. Es war mörderisch anstrengend und eintönig gewesen, aber zumindest hatte sie ihre Team-Kameraden als Gesellschaft gehabt, denen es ebenso ergangen war wie ihr. Außerdem war damals noch alles sehr neu und aufregend und ihr Team war von den schnellen Fortschritten am Anfang regelrecht berauscht gewesen. Jetzt fühlte sich diese Art von Training dagegen zunehmend wie ein frustrierender Rückschritt an. Nach ihrer allerersten Trainingseinheit war Makani zwar erschöpft, aber noch voller neugieriger Erwartungen um Punkt halb zwölf zum Hauptquartier gekommen und hatte darauf gewartet, dass man ihr Einlass gewährte und sie endlich in die geheime Arbeit der ANBU einführen würde, doch auch hier ließ die Ernüchterung nicht lange auf sich warten. Itachis Brief hatte schon angedeutet, dass er sie dabei ebenso wenig persönlich anleiten würde wie beim Training. Tatsächlich dauerte die Einweisung kaum zwanzig Minuten und wurde von dem einzigen weiteren weiblichen ANBU-Mitglied durchgeführt, dem Makani bisher begegnet war. Die große schlaksige Frau mit hüftlangen Haaren stellte sich als „Observationskoodinatorin“ vor. Ihr Name lautete Yūgao und sie schien zwar freundlich, aber auch nicht sehr gesprächig zu sein. Sie drückte Makani ein Klemmbrett mit ein paar Blatt Papier in die Hand und setzte sie vor einen der Monitore. Dieser zeigte ein kleines, mit allerhand Nippes vollgestopftes Wohnzimmer. An einem niedrigen Tisch in der Mitte saß ein alter Mann und schien in irgendeine Handarbeit vertieft zu sein. Dies sei Herr Nakamura, erklärte Yūgao, und Makanis Aufgabe sei es, ihn zu beobachten und über seine Tätigkeiten Protokoll zu führen. Anschließend solle sie das Protokoll von ihr gegenzeichnen lassen und sie würde es dann in der entsprechenden Akte abheften. Dabei deutete sie auf eine Tür mit der Aufschrift „Archiv“ am anderen Ende der Überwachungszentrale. Sie zeige Makani noch, wie man zwischen weiteren in Herrn Nakamuras Haus angebrachten Kameras umschalten konnte, dann war sie auch schon fertig und ließ das neue ANBU-Mitglied allein und voller Skepsis zurück. In den nächsten drei Stunden brachte Makani folgende Sätze zu Papier:   12:52 Uhr – Herr N. vollendet die Bemalung einer Miniaturfigur, vermutlich aus Porzellan oder einem ähnlichen Material. Sie stellt einen Shuriken werfenden Ninja dar. 13:03 Uhr – Herr N. gießt seine Blumen. Herr N. redet ca. 15 Minuten mit seinem Ahornbonsai über das Wetter. 13:45 Uhr – Herr N. bereitet sich in der Küche eine Schüssel Reis mit Nattō zu und verzehrt diese im Wohnzimmer. 14:30 Uhr – Herr N. beginnt mit der Bemalung einer weiteren Miniaturfigur. Sie stellt einen Kunai werfenden Ninja dar.   Am nächsten Tag tat Herr Nakamura exakt das gleiche ebenso wie am übernächsten und mit jeder neuen Figur, die der alte Mann in sein Regal stellte, sank Makanis Laune ein weiteres Stückchen tiefer und proportional dazu stieg die Wut auf ihren sogenannten Team-Captain. Sie wurde hier definitiv komplett zum Narren gehalten, anders konnte sie sich diese Farce nicht erklären. Der besagte Uchiha ließ sich übrigens kein einziges Mal im Hauptquartier blicken, wenn Makani ihren Überwachungsdienst ableistete. Obwohl, ganz sicher konnte sie sich da auch nicht sein, denn es kam immer häufiger vor, dass sie vor Langeweile und Erschöpfung über ihrem Klemmbrett einnickte. Das einsame Training hielt sie nämlich mit einer beinah selbstzerstörerischen Entschlossenheit durch, obgleich sie eigentlich wusste, dass es kaum noch etwas brachte. Ihre Kraft und Ausdauer ließen sich nicht mehr wirklich steigern. Was sie brauchte, waren technische und vor allem taktische Übungen mit ihrem Team. Um wenigstens ihrem anderen beschlossenen Ziel etwas näher zu kommen – und auch um nicht an Langeweile zu sterben –, verschob Makani ihren Beobachtungsfokus sehr schnell weg von Herrn Nakamura und hin zu allem, was es sonst noch in der Überwachungszentrale zu entdecken gab. Die Bilanz fiel dabei aber ebenfalls eher mager aus: Insgesamt gab es außer ihr noch zwei weitere Shinobis, die hier regelmäßig Protokoll führten. Gelegentlich sah sie die alte Ärztin durch den Raum wuseln und hinter der Tür zur Krankenstation verschwinden. Vor allem am frühen Nachmittag kamen ab und zu weitere ANBU-Mitglieder die Treppen hinauf und hinunter oder hielten ein kurzes Pläuschchen am Gruppentischen in der Mitte der Überwachungszentrale. Meistens aber waren nur Makani und Yūgao anwesend und bis auf ein kaum wahrnehmbares Fiepen, das von Monitoren erzeugt wurde, war es vollkommen still. Die Observationskoodinatorin hatte einen eigenen Schreibtisch mit ein paar separaten Bildschirmen neben dem Archiv. Wenn Makanis Dienst vorüber war, brachte sie Yūgao das Protokoll, diese unterschrieb es – ohne es sich anzusehen – und verschwand damit dort drin. Manchmal saß Makani aber auch völlig allein in der Überwachungszentrale und diese Zeit nutzte sie so gut wie möglich, um sich noch genauer umzusehen. Die zahlreichen Kameras, die ihre Bilder hierher in die Zentrale sendeten, schienen recht gleichmäßig in und um das Dorf verteilt zu sein. Sie waren vor allem auf öffentliche oder offensichtlich schutzbedürftige Orte gerichtet, wie der Hokageturm oder die Wohnsitze von Menschen, die wichtige Ämter im Dorf bekleideten. Das umfassende Überwachen von Privaträumen wie bei Herrn Nakamura war anscheinend eher unüblich – bis auf eine große Ausnahme: Man konnte von hier aus praktisch das gesamte Uchiha-Viertel lückenlos einsehen. Makani bezweifelte stark, dass es hierbei um den Schutz der Clanmitglieder ging, vielmehr schien das traditionelle Misstrauen der Uchihas gegenüber der ANBU offenbar durchaus auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Als Makani einigermaßen willkürlich bei einem Monitor, auf dem ursprünglich der Trainingsplatz des Clans zu sehen gewesen war, zwischen den Kanälen umschaltete, erschien als nächstes das Innere des Familiendōjōs und schließlich das Wohnzimmer von Tekka und Kyoko. Der Kunoichi wurde ein wenig schlecht. Als Yūgao später an diesem Nachmittag Makanis mittlerweile völlig frei erfundenes Protokoll gerade abgeheftet hatte, wurde ihr mitgeteilt, dass sie sehr dringend in Kogumas Büro erwartet würde. Daraufhin ließ Yūgao sofort alles stehen und liegen und eilte davon. Die Tür zum Archiv, die normalerweise stets abgeschlossen war, hatte sie offengelassen. Makani war nun wieder allein in der Überwachungszentrale und nutzte diese Gelegenheit sofort. Sie betrat einen großen spärlich beleuchteten Raum ohne Fenster. Es roch muffig und auf den Regalbrettern mit den unzähligen Aktenordnern lag der Staub millimeterdick. Erleichtert stellte Makani fest, dass die Ordner hier anscheinend einfach alphabetisch sortiert wurden. Zielstrebig ging sie die Regale entlang bis sie beim Buchstaben U angelangt war. Nun wollte sie genau wissen, was die ANBU alles für Beobachtungen über sie und ihren Clan angestellt hatte. Sie überflog die Beschriftungen der Ordner und stutze: Tsuchigumo, Ubagai, …, Uchimura, Umeno, Utsugi, Uzumaki, … Hier gab es keinen einzigen Ordner für den Uchiha-Clan. Das jedoch war äußerst merkwürdig, wenn man bedachte, auf welche Orte die meisten Überwachungskameras der ANBU gerichtet waren – das maßlos faszinierende Leben des Herrn Nakamura dagegen füllte ein ganzes Regalbrett – Vielleicht, dachte Makani, wurden die Aufzeichnungen über ihre Familie ja woanders aufbewahrt, vielleicht waren sie zu wichtig, um hier im Archiv zu verstauben? Plötzlich schreckte die Konuichi aus ihren Gedanken. Sie hielt sich schon ziemlich lange hier drinnen auf und Yūgao konnte jeden Moment zurück sein. Hastig verließ sie das Archiv und schloss die Tür hinter sich. In ihrer Eile stieß sie im Fortgehen versehentlich gegen den Schreibtisch der Observationskoodinatorin. Daraufhin segelte ein loser Zettel von der ansonsten penibel aufgeräumten Arbeitsfläche zu Boden. Makani hielt inne und bückte sich danach. Es standen ein paar einzelne fahrig hingekritzelte Buchstaben und Zahlen darauf: M16 K3 NE-KOBU. Sie wusste absolut nichts damit anzufangen. „Na, was machst du denn da?“ Makani zuckte heftig zusammen und stopfte das Papier hastig in eine Tasche ihrer Schutzweste. Erst im nächsten Moment erkannte sie, dass es gar nicht Yūgao selbst gewesen war, die sie hinter ihrem Schreibtisch ertappt hatte, sondern ein großer Shinobi mit grauen Haaren, dessen breites Grinsen trotz der schwarzen Maske nur allzu deutlich zu erkennen war. „Oh… Äh, hallo. Ich… ich arbeite.“ Dieser Kerl hatte anscheinend ein Talent dafür, sie unangenehm zu überraschen. Obwohl sie ihn seit der Übung tatsächlich nicht mehr wiedergesehen hatte. Sie griff nach ihrem Klemmbrett, welches sie, bevor sie das Archiv betreten hatte, auf dem Schreibtisch abgelegt hatte, und hielt es wie eine Art Schutzschild zwischen sich und den Kopierninja. „Es scheint dir wieder recht gut zu gehen. Das ist schön! Ich heiße Kakashi. Itachi und ich haben dich nach dem Angriff letzten Monat gefunden. Da hast du ziemlich mitgenommen ausgesehen“, sagte er und lehnte sich lässig gegen den Schreibtisch. Zu Makanis Erleichterung schien er nicht weiter nachhaken zu wollen, was sie denn hier nun genau „gearbeitet“ hatte. „Ich weiß. Äh… ich meine, ich weiß, dass du Hatake Kakashi bist und dass ihr mich gerettet habt. Danke!“ Richtig. Ohne diesen maskierten Schelm und vor allem ohne ihren Team-Leader wäre sie wohl nicht mehr am Leben. Nach Itachis unangenehmen Gebaren bei ihrer letzten Begegnung und den eintönigen und einsamen letzten Wochen hatte sie diese Tatsache irgendwie verdrängt. Kakashi machte eine wegwerfende Geste mit der Hand. „Ach, so viel Widerstand haben diese merkwürdigen Gestalten nicht geleistet. Sie sind fast augenblicklich geflohen, als wir ankamen.  Aber es stimmt schon – „ Auf einmal wurde Kakashi ernst und das Lächeln unter dem schwarzen Stoff verschwand. „ – wenn Itachi nicht so schnell reagiert und Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hätte, wäre das Ganze wahrscheinlich noch schlimmer ausgegangen. Leider hatten diesmal nicht alle in der Einheit so viel Glück.“ Makani schluckte und fragte dann: „War Jiro schon tot, als die Hilfe eintraf?“ Aber, dachte sie gleich darauf, eigentlich war das auch nicht mehr wichtig. Kakashi zögerte einen Moment und runzelte leicht die Stirn, dann antwortete er: „Das weiß ich nicht. Kurz bevor wir am Wasserfall ankamen, haben Itachi und ich uns abgesetzt, um nach dir zu suchen, als er merkte, dass du nicht mehr dort warst und der Funkkontakt abbrach.“ „Was?! Ihr seid ganz alleine los?“, fragte Makani ungläubig. Kakashi grinste wieder. „Ja, das könnte man durchaus als ein wenig leichtsinnig bezeichnen.“ „Ich, naja … Danke“, murmelte die Kunoichi und biss nachdenklich auf ihrer Unterlippe herum. „Überrascht dich das etwa? Naja, ich gebe zu, Itachi ist schon irgendwie schräg drauf, aber als Partner kann man sich bedingungslos auf ihn verlassen. Ich weiß, wovon ich spreche; ich hatte auch schon die Gelegenheit, mit ihm zu arbeiten.“ „Was meinst du mit ‚schräg drauf‘?“, fragte Makani. Sie fand diese Formulierung zwar selbst recht treffend zur Beschreibung von Itachis Verhalten, aber sie war neugierig, wie andere Menschen darüber dachten. Und Kakashi schien sich tatsächlich ernsthaft über die Frage Gedanken zu machen. „Hmm…, gute Frage! Ich glaube, ich habe noch nie jemanden getroffen, der seine Arbeit als Shinobi dermaßen ernstgenommen hat. Und er ist… ich weiß nicht… verflucht konsequent?“ Kakashi schien für einen kurzen Moment etwas abwesend, dann schien er sich wieder zu entsinnen, dass er gerade eine Unterhaltung führte und wandte er sich erneut mit einem Lachen der Kunoichi zu: „Aber was quatsche ich da? Du kennst ihn doch sicher viel besser als ich. Was ist er? Dein Cousin?“ „Nicht ganz“, Makani musste schmunzeln. „Meine Mutter ist die Tante von Itachis Vater. Also bin ich genaugenommen seine Tante zweiten Grades.“ Doch die Belustigung hielt nicht lange an. Makani gab etwas von sich, das wie die Mischung zwischen einem Schnauben und einem Seufzer klang: „Ich bezweifle allerdings, dass ich meinen ‚Neffen‘ besser kenne als du. Bevor ich in sein Team eingeteilt wurde, hatten wir kaum etwas miteinander zu tun. Und selbst jetzt… Naja, ich denke, er ist eben sehr beschäftigt.“ Sie spürte, wie sich ihre Miene gegen ihren Willen verfinsterte. „Ja, das kann man wohl sagen,“ erwiderte Kakashi und sah die Konuichi verständnisvoll an. „Es ist nicht zu leugnen, dass Itachi auf eine Weise schräg drauf ist, die ihn die rasanteste Karriere hinlegen lässt, von der ich je gehört habe. Wie alt ist er jetzt, 17? Wenn das so weitergeht, ist er mit 19 Hokage.“ „Fängst du jetzt auch noch an, so’n Scheiß zu erzählen, Kakashi?!“  Makani blickte über Kakashis Schulter hinweg zum Eingang der Überwachungszentrale und verkrampfte sich unwillkürlich. Dort stand Tora, breitbeinig, mit geballten Fäusten und funkelte den Kopierninja quer durch den Raum an. Erst auf den zweiten Blick fiel ihr auf, dass er in Begleitung eines weiteren Shinobis war, der neben Toras imposanter Gestalt eher unscheinbar wirkte. Seine Haltung, hängende Schultern und gesenkter Blick, verstärkte den Eindruck noch. Makani erkannte ihn dennoch sofort. Kakashi breitete über das ganze Gesicht strahlend seine Arme aus. „Tora, Saburo, Was für ein außerordentlich wunderbarer Zufall!  Hier ist jemand, den ihr unbedingt kennenlernen müsst“, flötete er und, ehe Makani reagieren konnte, hatte er einen Arm um sie gelegt und führte sie mit sanfter Gewalt auf die beiden zu. Daraufhin hob Saburo den Blick und seine Augen weiteten sich leicht. „Das ist unsere neue Kameradin Uchiha Makani“, verkündete Kakashi mit weit ausladender Geste. „Makani, das ist mein Teamkollege Ishi Tora und sein Bruder Ishi Saburo.“ Tora schien dieses überschwängliche Gebaren nur noch wütender zu machen. „Jaja, sehr interessant“, zischte er. „Und weil du bei einer Uchiha-Braut landen willst, stimmst du jetzt auch in dieses lächerliche Loblied über den Schleimbonzen ein, oder wie?!“ „Verdammt, halt die Luft an, Tora!“ mischte sich schließlich der Shinobi namens Saburo ein. Er packte Tora am Arm, welcher gerade einen bedrohlichen Schritt auf Makani zu gemacht hatte, und hielt ihn zurück. Dann wandte er sich an Makani. Er war offensichtlich kein großer Redner, aber er gab sich sichtlich Mühe: „Ähm… ich bitte vielmals um Verzeihung! Wir haben dir nicht dafür gedankt, was du für unseren jüngeren Bruder Jiro getan hast. Also… äh, ich hätte dich niemals darum bitten dürfen, allein Hilfe zu holen… Aber ich… ich danke dir trotzdem von Herzen, dass du es versucht hast!“ Saburo verbeugte sich tief und Tora sah ihm etwas dümmlich überrascht dabei zu. „Sie..?!“, brachte er schließlich nach einer ziemlich peinlichen Pause hervor. Kakashi sah sehr zufrieden mit sich aus. Makani dagegen fühlte sich ausgesprochen unwohl. Ebenso steif wie Saburo erwiderte sie die Verbeugung und antwortete förmlich: „Ich versichere euch mein tief empfundenes Beileid. Es tut mir unsagbar Leid, dass ich nicht schneller war an jenem Tag.“ „Pfff, also sie sieht zwar nicht aus wie eine Uchiha, aber sie redet auf jeden Fall so geschwollen wie eine“, kommentierte Tora, aber es klang sehr viel kleinlauter als zuvor und kaum mehr aggressiv. Saburo boxte ihn in die Seite. Kakashi drückte Makani noch enger an sich und sagte: „Tja, wie auch immer sie aussieht oder redet, gehandelt hat sie jedenfalls wie ein wahrer Freund!“ „Aber nicht wie ein ANBU“, murmelte die Konuichi bitter. Die Wut kehrte augenblicklich auf Toras Gesicht zurück und er stampfte mit dem Fuß auf: „Hat dir das dieser langhaarige Bastard eingeredet?!“ Er packte Makani grob an der Schulter. „Jetzt hör mal zu“, polterte er. „Dieser Kerl (und seine ganze gottverdammte Sippschaft) ist in etwa zu so viel Mitgefühl fähig wie mein kaputter Reiskocher! Du magst vielleicht ein vermeidbares Risiko eingegangen sein, aber so konnten wir unserem Vater zumindest versichern, dass alles Menschenmögliche versucht wurde, um seinen Lieblingssohn zu retten. Weißt du, wie viel ihm das bedeutet hat? Dein feiner Herr Anführer dagegen hätte unseren Bruder ganz vorschriftsmäßig und ohne mit der Wimper zu zucken verrecken lassen! Lass dir von so jemanden niemals erzählen, wie ein ANBU zu handeln hat!“ „Tora!“, sagte Kakashi nun mit deutlich mahnender Stimme. Er hielt seinen anderen Arm schützend zischen ihn und Makani, doch diese befreite sich aus seiner Umarmung, schob ihn weg und machte nun ihrerseits einen Schritt auf Tora zu. Sie wollte es endlich verstehen. „Tora, warum hasst du meine Familie und Itachi so sehr?“ Diese direkte Frage schien den großen Shinobi ziemlich aus dem Konzept zu bringen. Die wütende Anspannung wich aus seiner Haltung und er sah plötzlich einfach nur verwirrt aus. Er brauchte einen Moment, bis er antwortete: „Tja, ähm, nix für ungut… sind sicher nicht alles Idioten. Ich mein‘ du bist keiner, glaub‘ ich… Äh“ „Du musst verstehen, es ist nicht ganz einfach, die Uchihas zu mögen, wenn man einem anderen Clan angehört – besonders einem, der für sie zur dritten Klasse gehört“, unterbrach Saburo schließlich das Gestammel seines Bruders. Er sprach zwar ruhig, aber es klang zutiefst verbittert. „Nicht ganz einfach?!“, brauste Tora erneut auf. Nun war Makani verwirrt: „Entschuldige…, von einem Ishi-Clan habe ich noch gar nichts gehört. Und wieso dritte Klasse?“ Aus den Blicken, die ihr Tora und Saburo darauf zuwarfen, konnte die Kunoichi klar erkennen, dass sie soeben etwas gesagt hatte, das sie in ihren Augen als kolossal Unwissende entlarvte. „Ich fasse es nicht!“ Tora rang die Hände. Makani spürte, wie sie rot anlief. Doch Saburo schaffte es, sich zu beherrschen und ruhig und sachlich weiterzusprechen: „Hmm, wie erkläre ich es am besten? Also, du weißt doch aber bestimmt, dass Familien in Konoha erst als vollwertiger Clan gelten, wenn sie Clan-Rechte besitzen?“ Makani nickte. „Und du weißt auch, dass es einige zum Teil ziemlich große Familien gibt, die keine Clan-Rechte besitzen und diese nur bekommen können, wenn sie von den etablierten Clans offiziell anerkannt werden?“, fuhr Saburo fort. Makani nickte erneut. „Ha! Und kannst du dich daran erinnern, wann das das letzte Mal vorgekommen ist?“, fragte Tora mit grimmigem Triumph in der Stimme. Makani schüttelte den Kopf. „Ganz genau! Das kannst du nämlich auch nicht. Denn die Uchihas blockieren seit Jahrzehnten alle Anträge von Familien, Clan-Rechte zu erhalten. Insbesondere natürlich unsere Anträge; wir reichen seit Ewigkeiten jedes Jahr einen ein.“ Makani konnte sich nicht im Detail daran erinnern, was diese Clan-Rechte alles umfassten. Auf der Akademie war dies zwar gelehrt worden, aber das hatte sie damals nicht interessiert. Es hatte vor allem etwas mit Stimmrechten und Machtkompetenzen in Konoha zu tun. Eines war jedoch gewiss: Die Familien, die im Dorf wirklich etwas zu sagen hatten, waren alle im Besitz des Clan-Rechtes. „Es ist lächerlich“, fuhr Tora fort sich zu entrüsten. „Wir haben eben so viele Mitglieder wie die Uchihas. Wir bringen seit vielen Generationen glänzende Shinobi hervor, die ein ganze Latte an hochwirksamen Jutsus entwickelt haben, und wohlhabend sind wir auch. Bei allen anderen Familien konnten sich diese Hunde immer mit irgendwas rausreden, aber uns werden sie nicht mehr lange abweisen können.“ Er redete sich richtig in Rage und schien nun wieder mehr mit seinem Bruder zu reden als mit Makani. „Ich sag‘ dir was! Die ham‘ ne Scheißangst vor uns, weil wir die einzigen sind, die ihren Anspruch auf die gesamte Polizeigewalt in Konoha infrage stellen. Ha! Soll’n die sich doch in die Hosen pinkeln. Diese schleimigen Bonzen!“ Doch dann stockte er in seiner Rede. Ihm schien auf einmal wieder bewusst zu werden, dass ihm eine dieser ‚schleimigen Bozen‘ gerade direkt gegenüberstand. Er hustete, räusperte sich ausgiebig und verstummte schließlich. Nach einer weiteren peinlichen Pause verbeugte sich Makani erneut: „Es tut mir Leid, sollte meine Familie tatsächlich solche Unannehmlichkeiten bereiten und ich entschuldige mich vor allem für meine Unwissenheit! Ich bin mir jedoch sicher, dass ihr zumindest itachi eure Beschwerde vortragen könnt, und er versuchen wird, euch zu helfen. Denn er ist noch vor seinem Clan dem Dorf, der Gerechtigkeit und dem Ninjatum verpflichtet.“ Sie konnte sich tatsächlich nur schwer vorstellen, dass Itachi bei so etwas banal Weltlichem wie Machtspielchen seine Prinzipien übergehen würde, selbst wenn es sich um Angelegenheiten der Uchihas handelte.  „Hörst du, Tora? Das habe ich dir doch auch immer gesagt, oder nicht?“, strahlte Kakashi und schlug seinem Kameraden auf die Schulter. Dieser sah allerdings alles andere als überzeugt aus. „Der Gerechtigkeit verpflichtet? Dass ich nicht lache! Weißt du, Süße, wie lange ich schon für die ANBU arbeite? Sieben verfluchte Jahre! Ich habe immer gedacht, dieser Laden hier schert sich nicht um die Herkunft seiner Mitglieder. Ich dachte, es geht hier einzig und allein um unsere Leistungen als Ninja. Denn wir wollen das ganze Dorf schützen und nicht einzelnen Familien Macht verschaffen. Deswegen konnten wir Ishis hier Karriere machen, weil wir verdammt gute Ninja sind, und weil die, die Angst haben, dass wir ihnen ihre Macht streitig machen, hier nichts zu sagen hatten. Die ANBU muss unabhängig bleiben, sonst können wir einpacken! Ich dachte, gerade Koguma hätte begriffen, wie wichtig das ist, als er hier anfing. Aber jetzt… jetzt lässt er sich genauso infiltrieren und korrumpieren, wie alle anderen. Und zwar von niemand anderem als deinem mädchengesichtigen Ritter ohne Fehl und Tadel.“   „Shhh, Tora“, versuchte ihn sein Bruder zu besänftigen. „Meinst du, es ist schlau, hier so rumzubrüllen?“ „Allerdings! Und ich bin noch nicht fertig. Dieses Mädel muss wissen, woran sie ist!“ „Was meinst du mit ‚korrumpieren‘?“, fragte Makani, als sie sich so weit wie möglich aus ihrer Starre gelöst hatte. „Hmm, mal überlegen…“ Tora tat so, als würde er angestrengt nachdenken. „Da kommt eines schönen Tages ein Grünschnabel zur ANBU, kaum sechzehn Jahre alt, kaum Erfahrung. Er hat also nüchtern betrachtet nicht im Ansatz die nötigen Qualifikationen zur Aufnahme bei uns, auch wenn er zugegebenermaßen recht talentiert ist. Aber beinah vom ersten Tag an ist er best buddy mit dem ANBU-Chef. Nach zwei Monaten wird er zum Team-Captain befördert, einfach so. Mittlerweile trifft er sich mindestens einmal am Tag mit Koguma zur Beratung unter vier Augen. Heute ist er unangefochten sein nächster Vertrauter hier und meint nebenbei die Befugnisse zu besitzen, uns Disziplinarmaßnahmen aufbrummen zu können, weil seine Team-Kameraden versucht hat, unseren Bruder zu retten.“ „Hat er..?“, fragte Makani entgeistert. „Und ob!“, entgegnete Tora und fuhr fort: „Seit er da ist, scheint außerdem jedes halbe Jahr ein weiterer Uchiha der Einheit beizutreten. Ist das Zufall? Denk doch mal nach. Warum sollte der Uchiha-Clan auf einmal seinen vielversprechendsten Nachwuchs zur ANBU schicken?“ „Jetzt reicht es aber Tora! Du klingst wie ein irrer Verschwörungstheoretiker“, fuhr Saburo nun entschlossen dazwischen, doch Tora schüttelte ihn erneut ab. „Und du bist hoffnungslos naiv!“, fauchte er. „Das ist die erste nicht komplett machtgeile und durchtriebene Uchiha, die wir treffen. Man muss sie schützen! Hör zu, Kleine –„ Er beugte sich über Makani „- du glaubst mit diesem Itachi könnte man reden. Bullshit! Wenn dieser Clan überhaupt eine Chance hat, dann sind es Mitglieder wie du!“ Makani hatte es wieder einmal die Sprache verschlagen. „Ähm… danke“, erwiderte sie schließlich lahm. „Also, ich weiß nicht wie es euch geht, aber ich habe einen Riesenhunger!“, rief schließlich Kakashi in die erneut aufkeimende Stille hinein. Saburos Miene hellte sich unwillkürlich auf und er griff dankbar nach dem Strohhalm, um diese furchtbar entgleiste Unterhaltung endlich zu beenden. „Oh ja, und wie! Was haltet ihr von Ramen bei Itsuki’s?“, fragte er etwas übertrieben fröhlich. „Hmpf, von mir aus“, brummte Tora. Daraufhin sahen die drei Shinobis Makani erwartungsvoll an. Sie räusperte sich verlegen, deutete auf ihr Klemmbrett und sagte: „Äh… ich muss arbeiten.“ Tora war viel schneller, als es seine massige Statur vermuten ließ. Er schnappte Makani das Brett so flink aus den Händen, dass sie es erst bemerkte, als er begann, die letzte von ihr gemachte Notiz laut vorzulesen: „15:17 Uhr – Herr N. erwacht aus seinem Nachmittagsschläfchen.“ Makani spürte, wie sie knallrot anlief. Sie wusste, dass die Uhr über Yūgaos Schreibtisch hinter hier, zu der die Blicke der drei ANBUs in diesem Moment wanderten, ziemlich genau 13:00 Uhr anzeigte. Daraufhin folgte sie ihnen ohne weiteren Protest aus dem Hauptquartier und zu „Itsuki’s Nudelbar“. Vielleicht war es Toras Art, sich für seine Ruppigkeit zu entschuldigen, jedenfalls spendierte er Makani das größte und teuerste Gericht auf der Karte. Er, sein Bruder und Kakashi redeten viel und laut nun eher über belanglose Sachen und es war tatsächlich erstaunlich leicht sich in die Gruppe integriert zu fühlen. Tatsächlich begann sie bald die solange entbehrte Gesellschaft zu genießen. Doch auf der anderen Seite schwirrte ihr von neuem der Kopf von dem zuvor Gehörten. Tora hatte wirklich ziemlich schräges Zeug erzählt. Und es hatte irgendwie so gar nicht mit dem zusammengepasst, was Koguma gesagt hatte. Wirklich nicht? Erneut regte sich dieses vage, aber dafür umso beunruhigendere Gefühl in ihr, das sie noch immer nicht so recht deuten konnte …eine Hand voll überlegener Clans, die sich unaufhörlich bekämpften. Aus widerwilligen Allianzen und fragilen Abkommen entstanden solch prächtige Dörfer wie deines… „Na, worüber grübelst du?“ Kakashi, der neben Makani an der Bar saß, sprach leise, so dass es die Ishi-Brüder, die sich geräuschvoll schlürfend über ihre Suppen hermachten, nicht mitbekamen. „Nichts“, erwiderte sie rasch und griff zu ihren Stäbchen. „Ach ja, bevor ich’s vergesse: Ich soll dir ja noch was von deinem Sensei ausrichten…“ Makani ließ die Stäbchen wieder sinken. „Von wem?“ „Na, von Jiraiyer natürlich. Er sagt, er würde sich sehr freuen, wenn du mal wieder bei ihm vorbeischaust.“ Makani sah Kakashi verdutzt an, doch dieser schien sich schon wieder voll und ganz auf seine Nudeln zu konzentrieren.   Knapp zwei Wochen später stand Makani wie jeden Tag um halb zwölf vor dem Eingang des ANBU-Hauptquartiers und wartete darauf, dass man ihr Einlass gewährte. Es war ein schrecklich heißer Tag Ende August und die sengende Mittagssonne hatte die schmale Gasse in einen glühenden Ofen verwandelt, in dem die Luft stand und kaum zum Atmen reichte. Die Kunoichi schwitzte am ganzen Körper, sie japste und ihr war leicht schummrig. Bei so einem Wetter sollte man nicht trainieren, dachte sie düster. Trotzdem hatte sie sich wieder über den Trainingsplatz gehetzt, bis ihr überhitzter Kreislauf sie dazu gezwungen hatte, sich keuchend in den Schatten zu flüchten. Dort hatte sie auf dem Rücken liegend ausgeharrt, bis es Zeit für ihren Dienst in der Zentrale gewesen war, und dabei hatten sie Gedanken geplagt wie: Jeden Tag der gleiche Mist. Das bringt doch absolut nichts. Ich werde hier doch komplett verarscht. Warum lasse ich das mit mir machen? Leider hatte sich ihre Laune seit Beendigung der Trainingseinheit um keinen Deut gebessert, obwohl der einzige potenzielle Lichtblick des Tages damit deutlich näher gerückt war. In einer Stunde war sie mit Kakashi, Tora und Saburo zum Ramenessen verabredet. Seit ihrem ersten Zusammentreffen in der Zentrale hatten sie das ab da an fast jeden zweiten Tag getan und Makani war unglaublich dankbar über diese kleine Abwechslung. Yūgao schien diesbezüglich ein Auge zuzudrücken, was Makani der schweigsamen Kunoichi sehr hoch anrechnete. Schließlich öffnete sich die Tür zur ANBU-Zentrale und Makani flüchtete in die relative Kühle im Inneren. Missmutig trottete sie in den Umkleideraum und öffnete ihren Schrank. Automatisch streckte sie ihre Hand aus, um ihre Hose herauszunehmen, doch dann stutzte sie, hielt mitten in der Bewegung inne und griff schließlich stattdessen nach einem Zettel, der an ihrer Schutzweste befestigt war:   Liebe Makani, da du deinem Trainingsplan nun schon gute sechs Wochen nachgehst, ist es Zeit, ein paar Änderungen vorzunehmen, um die Intensität zu steigern. Genaue Instruktionen findest du abermals auf der Rückseite. Die Trainingszeit verlängert sich außerdem sowohl vor- als auch nachmittags um eine Stunde. Dein Dienst in der Zentrale wird daher ab morgen immer um 12:30 Uhr beginnen. Damit du die Zentrale während des Dienstes nicht mehr verlassen musst, wird dort für dich täglich eine Mahlzeit bereitstehen. Itachi   Makani ballte die Faust mit dem Brief darin zusammen und rammte sie mit solcher Wucht gegen die Schranktür, dass sie aus den Scharnieren sprang und scheppernd und polternd zu Boden fiel. Sie war so wütend, dass sie kaum Luft bekam. Dass er sie nicht ernst nahm und mit belanglosen Blödsinn beschäftigt wissen wollte, war eine Sache, aber das hier war reine Schikane! Tora hatte Recht. Was bildete dieser Kerl sich ein?! Koguma, das ANBU-Oberhaupt, sein direkter Vorgesetzter, hatte klare Anweisungen gegeben. Itachi sollte sie trainieren, er sollte ihr helfen, schnell besser zu werden, damit sie ihren Beitrag leisten konnte. Er sollte sie zu einem Teil seines Teams machen. Sie sollten gegenseitig voneinander lernen. Sie hätte schon vor Wochen zu Koguma gehen und ihm erzählen sollen, was sein vermeintlicher Liebling hier veranstaltete. Es war beschämend, dass sie dieses Spiel so lange klaglos mitgespielt hatte. Sie stürmte auf den Flur hinaus, wild entschlossen ihrem Frust in Kogumas Büro Luft zu machen, doch am Fuß der Treppe rannte sie in jemanden hinein. „Oh Makani, sehr gut! Dich habe ich gesucht“, sagte Shisui und stütze sie am Arm, damit sie nicht hinfiel. „Hä, mich? Wieso?“ Makani wollte sich nicht aufhalten lassen. Sie wollte zur Tat schreiten, bevor ihr eventuelle Zweifel kamen. Sie machte Anstalten sich um den Uchiha herumzuwinden, um zur Treppe zu gelangen. „Ich wollte dich fragen, ob du mit mir trainieren willst?“ Die Kunoichi erstarrte. „Was?!“ Sie drehte sich langsam um und sah Shisui verständnislos an. „Aber Itachi hat –„ Sie verstummte. Der Shinobi mit den kurzen dunklen Haaren erwiderte ihren Blick sehr entschlossen.   *  *  *   ----------------------- Und schon wieder ein ziemlich langes Kapitel, in dem die Geduld von Makani ganz schön auf die Probe gestellt wird. Im nächsten wird sich der Konflikt weiter zuspitzen und unsere Heldin wird damit beginnen, die Abgründe ihrer eigenen Familie zu ergründen… Ich freue mich natürlich wie immer über Kommentare! Es würde wirklich helfen, wenn ihr mir mitteilt, was ihr über die Handlung usw. denkt… Weil ich habe mir das natürlich alles mit viel Mühe ausgedacht, aber um zu wissen, ob ich es auch für andere gut rüberbringe, dafür braucht es Feedback :-*   Anmerkung: Ich weiß, dass eine alphabetische Sortierung (von Akten) in einem japanisch geprägten Universum eher wenig Sinn macht… Bitte verbucht das unter „künstlerischer Freiheit“ :-b             Kapitel 10: Uchiha Itachi I ---------------------------   Mit einer schnellen, fließenden Bewegung lehnte sich Makani nach hinten und bog ihren Rücken so weit durch, dass die Spitzen ihrer schulterlangen Haare über den Boden streiften. Gleichzeitig schnellte Shisuis linke Hand nur wenige Millimeter über ihren nun dem Himmel zugewandten Bauch hinweg. Beides geschah so synchron, dass man meinen könnte, die Bewegungen würden von einem einzigen Körper ausgeführt. Keine Zehntelsekunde später ging ihr Partner zum nächsten Element über und holte mit dem nun ausgestreckten linken Arm den nötigen Schwung, um anschließend einen noch kraftvolleren Schlag mit dem rechten ausführen zu können. Als nächstes musste Makani ihre Hände auf den Boden setzen und die Beine genau dann in die Höhe schwingen, wenn sich Shisuis Arme nah genug an seinem Körper befanden, dass sie nicht mit ihnen zusammenstieß: Das war Buyō no jutsu. Es bestand im Wesentlichen aus einer Auswahl Bewegungsabläufen mit bis ins kleinste Detail gehenden Vorgaben zu Ausführung und Reihenfolge. Dabei handelte es sich um keine Kampftechnik im eigentlichen Sinne, sondern um eine Art ausgeklügelte Übungschoreographie mit eng ineinander verzahnten Figuren und Übergängen. Es ging nicht darum, seinen Partner zu besiegen oder in irgendetwas zu übertreffen, ja die allermeiste Zeit sollte man sich nicht einmal berühren. Vielmehr versuchte man, die zahlreichen Figurenfolgen möglichst präzise, flüssig und im richtigen Takt miteinander durchzuführen. Dabei musste man nicht nur auf sich selbst sondern auch ganz genau auf seinen Partner achten, seine Bewegungen vorausahnen, sich ihnen anpassen und einen gemeinsamen Rhythmus finden. Buyō no jutsu wurde hauptsächlich im Training eingesetzt, etwa um das Zusammenspiel zwischen im Team arbeitenden Ninja zu fördern. Früher hatte man damit auch gern aufwändige Demonstrationen inszeniert, denn es konnte, wenn man es richtig machte, ausgesprochen beeindruckend aussehen. Mittlerweile war so etwas aber eher aus der Mode gekommen. Makani jedoch hatte seit ihrer Joninzeit eine Vorliebe für Buyō no jutsu entwickelt und sie war mit der Zeit auch recht gut darin geworden. Sie fand, dass es große Ähnlichkeit mit ihren meditativen Chakraübungen im Waldbach hatte: Irgendwann begannen die Bewegungen der Tanzpartner zu fließen, wurden zu einem Strom, mit dem schließlich alles verschmolz… Ja, es war wirklich eine ausgesprochen gute Idee von ihr gewesen, diese Form des Trainings vorzuschlagen! Als Shisui mit Makani am Übungsgelände angekommen war, war die Entschlossenheit, mit der er sie zum gemeinsamen Training aufgefordert hatte, genauso schnell wie unvermittelt abgeebbt und er schien auf einmal nicht mehr zu wissen, was er hier mit ihr anstellen sollte. Ihre Skepsis und Verwirrung hatten sich dadurch nur noch gesteigert, aber auch ihre Neugier: Irgendetwas stimmte hier nicht! Schließlich hatte Shisui halbherzig eine Reihe ganz ähnlicher Übungen vorgeschlagen, wie Itachi sie auf Makanis Trainingsplan zusammenstellt hatte. Um aller Götter Willen, alles bloß das nicht! hatte sie nur gedacht und hastig aus einem Impuls heraus Buyō no jutsu vorgeschlagen. Shisui hatte gelacht und behauptet, das hätte er seit seiner Joninzeit nicht mehr getan und er wüsste überhaupt nicht mehr, wie das ginge. Doch dann hatten sie einfach mit den einfachsten Figuren angefangen ganz genau wie damals in der Grundausbildung. Bald darauf lief es tatsächlich recht gut und jetzt nach einer guten Stunde schienen sie einen richtigen Lauf zu haben. Als Makani nun aber die Füße von der Erde löste, um aus der Brücke in einen Handstand überzugehen, streifte sie mit dem Schienbein kaum merklich Shisuis Arm. Es war der erste Ausrutscher in einer sonst komplett fehlerfreien Runde und die Kunoichi ärgerte sich daher im ersten Moment nicht übermäßig darüber. Doch was sie zunächst für eine kleine zu vernachlässigende Ungenauigkeit gehalten hatte, stellte sich gleich darauf als erste Folge eines ziemlich fatalen Taktfehlers heraus: Entweder war Malani viel zu langsam zur nächsten Figur übergegangen oder Shisui viel zu schnell; jedenfalls rauschte die Faust ihres Trainingspartners nicht wie erwartet an ihr vorbei, sondern traf sie ohne Vorbereitung mit voller Wucht in den Rücken. Ihre Hände verloren den Kontakt mit dem Boden und sie wurde in hohem Bogen durch die Luft geschleudert. Im Flug versuchte sie sich zu drehen, sodass sie auf den Füßen landen konnte, doch sie schätze ihre Höhe zu gering ein; also drehte sie sich zu weit und landete am Rand des Trainingsgeländes schmerzhaft auf ihrem ohnehin schon lädierten Rücken. Sie stöhnte und brauchte eine Weile bis sie wieder Luft bekam und die vor Schmerz zugekniffenen Augen öffnen konnte. Erst da bemerkte sie, dass jemand auf sie herabsah. Trotz des weiter anhaltenden Schmerzes rappelte sie sich hastig auf, versuchte den Dreck von ihren schweißnassen Kleidern zu klopfen und schaute dabei betreten auf die Erde. Aber warum eigentlich, schalt sie sich gleich darauf in Gedanken. Makani, reiß dich zusammen! Doch Itachi sah sie so furchtbar streng und durchdringend an, dass es sie die allergrößte Mühe kostete, standzuhalten. Allerdings bestätigte dieser Blick ihren von Anfang an gehegten Verdacht vollkommen: Ihrem Team-Captain gefiel ganz und gar nicht, was er hier sah! Währenddessen machte Shisui nicht die geringsten Anstalten, auf Itachi zuzugehen. Er hatte die Arme vor der Brust verschränkt und blickte auf Makani, als würde er nur darauf warten, dass sie zurückkehrte und das Training mit ihm fortsetzte; sein Ausdruck wirkte jedoch etwas verbissen dabei. So vergingen einige Sekunden in Schweigen, in denen die Kunoichi nervös von einem ihrer Kollegen zum anderen sah. „Ähm, wir haben ein bisschen Buyō no jutsu trainiert“, brach Makani schließlich zaghaft die Stille. Warum klang sie schon wieder so furchtbar kleinlaut? Was war mit ihrer Wut geschehen, die sie noch keine zwei Stunden zuvor die Tür ihres Spindes hatte zertrümmern lassen. Genau jetzt war der Moment, Itachi ihre Beschwerden persönlich vorzutragen, anstatt ihn feige bei Koguma zu verpetzen! „Es lief ziemlich gut“, fuhr sie fort. „Außer das eben natürlich; das war ein blöder Fehler, aber ich finde… Also, ich würde mir wirklich wünschen, wir könnten ein bisschen mehr –„ „Makani!“ Mit einer brüsken Geste verlieh Itachi seiner Anweisung, sie solle schweigen, Nachdruck. Makani klappte augenblicklich der Mund zu und wusste, ihre Chance war vertan. „Ich befürchte, dir ist die ganze Tragweite deiner neuen Stellung bei der ANBU immer noch nicht im Mindesten bewusst. Sollte ich es nicht deutlich genug gemacht haben, muss ich dieses Versäumnis entschuldigen!“ Seine Stimme klang so eiskalt, dass Makani fröstelte und sich augenblicklich wie die Angeklagte eines sehr schwerwiegenden Verbrechens fühlte. Er nagelte die Kunoichi buchstäblich fest mit seinem Blick. „Also noch einmal: Du bist jetzt kein einfacher frei arbeitender Ninja und auch keine Schülerin mehr. Es ist unbedingt nötig, dass du dir das klar machst. Wenn ich dir etwas auftrage, dann sind das keine lästigen Hausaufgaben, um die man sich drücken kann. Es sind Befehle! Verstehst du? Du stehst im Dienste deines Heimatdorfes. Von diesem Dienst entfernt man sich nicht einfach, wenn einem danach ist. Weißt du, welche Strafen in der ANBU auf Befehlsverweigerung stehen?“ „Itachi!“ Man konnte nun deutlich sehen, dass Shisui darum rang, nicht die Beherrschung zu verlieren. Doch ehe er noch etwas Weiteres gegen Itachis drastische Rede vorbringen konnte, hatte dieser ihn mit einer abermals ziemlich gebieterischen Handbewegung zum Schweigen gebracht. Shisui ballte die Fäuste und sah seinen Cousin entgeistert an. Makani dämmerte unwillkürlich, dass sie gerade Zeuge von einem sehr heiklen Moment in der Beziehung der beiden Uchihas wurde: Shisui war der ältere, engvertraute Freund. Die beiden waren zusammen aufgewachsen, doch in der ANBU war Itachi der Anführer. Es geschah offenbar nicht oft und war für Shisui nicht leicht zu ertragen, wenn der Jüngere von dieser Autorität so schonungslos Gebrauch machte. Doch Itachi schien sich davon in keinster Weise beirren zu lassen und fuhr fort: „Ich will die Strafen hier nicht im Einzelnen aufzählen. Dazu kannst und solltest du dich bei nächster Gelegenheit selbst informieren. Wichtig ist, dass du dir bewusst machst, dass man solche Verfehlungen nicht grundlos so hart bestrafen kann. Konoha verlässt sich darauf, dass du deine Pflicht tust und deine eigenen Bedürfnisse unterordnest. Erst wenn du das begriffen hast, wirst du dazu in der Lage sein, einen Beitrag zu leisten. Und wie ich bereits gesagt habe, es geht nur, wenn du dich dieser Mission voll und ganz widmest.“ Jedes einzelne Wort traf die Kunoichi wie ein glühender Nadelstich und schnürte ihr mehr und mehr die Luft ab. Für einen Moment erlag sie beinah der Versuchung, sich Itachis Anklage zu entziehen, indem sie die Schuld auf Shisui schob. Er hatte sie schließlich um das Training gebeten. Woher hätte sie wissen sollen, dass dies nicht im Sinne ihres Team-Captains gewesen war? Doch natürlich lautete die Wahrheit, dass sie es vom ersten Augenblick an geahnt hatte… Nein, sie war aus Neugier mitgegangen, aus dem dringenden Wunsch heraus, Fortschritte zu machen und weil sie es ganz einfach nicht länger hinnehmen wollte, so behandelt zu werden! Makani spürte, wie die brennende Wut erneut in ihr aufstieg, als ihr plötzlich ein weiterer Gedanke kam: War dieses ganze Theater in den vergangenen Wochen etwa nur ein Test gewesen, ob sie sich der „Mission voll und ganz widmen“ und Befehle, egal wie unsinnig sie auch erscheinen mochten, bedingungslos befolgen konnte? Das Wort „widmen“ erschien ihr in diesem Fall kaum auszureichen; sollte sie sich nicht vielmehr unterwerfen? Hatte sie zeigen sollen, dass sie dem Dorf, der ANBU – oder vielleicht besser gesagt Itachi – ohne Einschränkung ergeben war? Hatten sich Shisui oder er selbst ebenfalls auf diese erniedrigende Weise beweisen müssen? Wohl kaum! Anscheinend hielt Itachi sie nicht für würdig, am Ende vielleicht sogar tatsächlich weil sie keine richtige Uchiha, sondern eine Nenashi, also ein Niemand war? „Kehre jetzt zu deinem Dienst zurück“, wies der Uchiha Makani schließlich knapp an und in einem Ton, der unmissverständlich zu verstehen gab, dass die Unterhaltung, die eigentlich gar keine gewesen war, für ihn beendet war. Makani spürte, wie sich ihr Oberkörper in einer steifen Verbeugung krümmte. Gleich darauf setzen sich auch ihre Beine wie von selbst in Bewegung. Sie rannte in den Wald, der an das Trainingsgelände angrenzte, aber nur bis sie weit genug entfernt war, um vor den Blicken ihrer Team-Kollegen geschützt zu sein. Dann blieb sie abrupt stehen und kämpfte für ein paar Minuten verbissen mit den Tränen. Am liebsten hätte sie ihren Gefühlen einfach freien Lauf gelassen, aber dann würde sie sich nur noch schwächer vorkommen als ohnehin schon. Nein, dies war nicht der richtige Augenblick dafür! Denn über die demütigende Standpauke Itachis hinaus was das Verhalten der beiden Uchihas und die ganze Situation einfach zu merkwürdig gewesen, als dass sie das Ganze jetzt einfach auf sich beruhen und in Ruhe schmollen konnte. Als sich Makanis Atmung schließlich beruhigt hatte, verharrte sie für einige Sekunden und lauschte. Und tatsächlich hörte sie bald Shisuis Stimme zu sich durchdringen. Sie verstand seine Worte nicht, aber er klang ziemlich aufgebracht. Sie nahm einen letzten tiefen Atemzug, drehte sich entschlossen um und schlich lautlos zurück auf das Trainingsgelände zu. Die beiden Uchihas hatten inzwischen den Abstand zwischen sich verringert, doch die Spannung, die geherrscht hatte, seit der Jüngere den Platz betreten hatte, war weiterhin mit Händen greifbar. Itachi hatte sich umgedreht und schien zu der Stelle zu blicken, an der Makani zwischen den Bäumen verschwunden war. Shisui war ein paar Schritte auf seinen Cousin, der ihm nun den Rücken zuwandte, zugegangen und blickte ihn mit unverhohlenem Ärger an. „Ich versteh dich einfach nicht! Mal abgesehen davon, dass ich sowieso nicht kapiere, warum du es mit ihr so übertreibst… Das eben war wirklich mehr als unnötig. Willst du sie wieder vergraulen, oder was? Mann, sie kann doch nichts dafür!“ In Shisuis eindringlichen Worten schwang deutliche Frustration mit, aber Itachi drehte sich nicht einmal um; mit unbewegter Miene starrte er wieder einmal ganz weit weg. „Oder soll das so eine Art Tarnung sein?“, fragte Shisui und gab ein freudloses Lachen von sich. „Dann entschuldige bitte meine Kritik, aber die Mühe ist definitiv an der falschen Stelle investiert...“ Dann antwortete Itachi schließlich doch. Er sprach leise, sodass sich Makani sehr anstrengen musste, seine Worte zu verstehen: „Sie hat nichts damit zu tun und es erhöht das Risiko enorm. Wir können damit nicht kalkulieren.“ „Ach, sprichst du jetzt doch wieder mit mir? Schön, dass du dich dazu herablässt. Und wessen Aufgabe wäre es gewesen, Koguma von seiner großartigen Idee abzubringen und diese Situation zu verhindern?“ Shisui ging noch ein paar Schritte auf Itachi zu, stellte sich dicht neben ihn und sagte mit gesengter Stimmer, doch in nicht weniger eindringlichem Ton: „Aber jetzt ist sie nun einmal da und wir müssen ihr helfen… Ich sage dir, wir sollten das Beste daraus machen. Es wäre sonst eine reine Verschwendung und vermutlich sogar noch schwerer zu kalkulieren. Sie muss verstehen! … und das wird sie nicht, wenn du sie einfach sich selbst oder noch schlimmer ihnen überlässt!“ „Das habe ich nicht vor.“ „Was zum Teufel hast du dann vor?! Manchmal glaube ich fast, du hast vergessen, warum wir eigentlich hier sind. Und ich fürchte, ich bin langsam nicht mehr der einzige, dem es so geht… Du kannst nicht einfach immer dein Ding machen, ohne jemanden… ohne mich miteinzubeziehen. Verdammt, wir sind ein Team!“ Shisui hielt einen Moment inne, stöhnte gequält und fuhr dann etwas ruhiger fort: „Itachi, ich weiß, dass die Bürde, die du trägst verflucht schwer ist. Aber wir verlassen uns alle auf dich.“ Nun drehte Itachi den Kopf und warf seinem Cousin einen merkwürdigen Blick von der Seite zu. „Du solltest am besten wissen, dass das schon lange nicht mehr stimmt, Shisui“, sagte er. Diese Worte schienen den kurzhaarigen Uchiha hart zu treffen. Er sah Itachi erschrocken an und flehte beinah: „Nein… bitte, denk das nicht! Ich bin hier um dich zu unterstützen, das war ich immer! Für einen allein ist das alles einfach viel zu schwer, selbst für dich. Alle wissen das und du solltest es dir auch langsam eingestehen. Mensch, du weißt ja wie sie sind… es war reine Vorsicht. Ich… wir wollen dir helfen! Aber du machst es uns gerade alles andere als leicht. Verdammt, merkst du nicht, dass du alles nur noch schlimmer machst?“  Itachi wandte scheinbar ungerührt das Gesicht wieder ab. Shisui fuhr fort, auf ihn einzureden: „Es ist lebenswichtig, dass wir zusammenhalten, gerade jetzt. Und Makani gehört zu uns! Sie hat vielleicht merkwürdige Haare und ihre Mutter mag einiges bei ihr versäumt haben, aber sie ist eine Uchiha… Wir dürfen sie nicht ausschließen!“ „Sie mag ihre Haare nicht.“ „Was?“ Nur wenige Meter entfernt von Büschen verborgen zuckte Makani zusammen. Es war, als hätte Itachi diesen letzten Satz direkt an sie gerichtet. Sie fühlte sich plötzlich eigenartig ertappt, obwohl sie absolut sicher war, dass ihre Anwesenheit nicht bemerkt worden war. Es wäre ihr bisher vollkommen abwegig erschienen, dass er so ein scheinbar unbedeutendes Detail an ihr beobachtet hatte und für erinnerungswürdig hielt. Es war eine – wenn auch vielleicht eingebildete – Ahnung von Vertrautheit, die Makani ebenso unvorbereitet wie heftig traf, und sie verspürte mit einem Mal das irrationale und schmerzhafte Bedürfnis, sich daran festzuklammern – um nicht unterzugehen in diesem Geflecht aus Undurchsichtigkeiten und Misstrauen, in dem sich ein Wir gegen ein Sie verschwor, in dem Nenashi, Clans, Möchtegernclans und geheime Spezialeinheiten gegeneinander agierten und irgendwelche Loyalitäten einforderten, in dem nicht einmal diese beiden von Kindheit an vertrauten Partner dagegen gefeit zu sein schienen, sich schließlich auch gegenseitig zu misstrauen… Je weiter Makani vordrang, je mehr sie an Informationen sammelte und Beobachtungen anstellte, umso verwirrender, undurchsichtiger und bedrohlicher wurde alles. Und nun hatte sie sogar begonnen, sich selbst davon beeinflussen zu lassen, misstraute selbst immer mehr und ließ sich gegen ihre eigenen Team-Kollegen aufbringen…  Nein, so konnte es nicht weitergehen! Ihr war plötzlich, als hörte sie Akanes Stimme: Makani, aufmerksames Beobachten und im Verborgenen abwarten ist wichtig, aber ein guter Spion muss auch im richtigen Moment handeln können. Also, Flucht nach vorn! Sie musste mit Itachi reden, er schien ihr der Schlüssel zu all dem zu sein, was sie nicht verstand. Und sie musste verstehen, eine andere Möglichkeit gab es nicht. Sie habe damit nichts zu tun, hatte er gesagt. Er mochte das so sehen, aber sie wusste, es stimmte nicht - nicht mehr.       Kapitel 11: Uchiha Itachi II ---------------------------- Makani brauchte dennoch bis zum Abend des folgenden Tages, um ihren Entschluss in die Tat umzusetzen. Um halb acht stand sie vor dem Haus von Fugaku Uchiha und seiner Familie. Abgesehen vom Dōjō war es das größte und schönste Gebäude im ganzen Viertel. Es bestand aus einem imposanten zweistöckigen Mittelbau und zwei einstöckige Seitenflügeln, in denen jeweils schon eine dreiköpfige Familie genug Platz zum Leben gefunden hätte. Rund um das Anwesen verlief eine breite Engawa, welche von einem mit aufwändigen Schnitzereien verzierten Dach geschützt wurde. Alle zwei Meter wehte eine daran befestigte Fahne im lauen Abendwind: ein rot-weißer Fächer auf schwarzem Grund. Makani war einfach nichts Besseres eingefallen, als zu Itachi nach Hause zu gehen; sie wusste ja nicht, wo sie ihn sonst aufsuchen könnte. Da sie sich aber unter keinen Umständen noch einmal vorwerfen lassen wollte, sie würde ihre Pflichten vernachlässigen, hatte sie von Anfang an vorgehabt, erst nach ihrer alltäglichen zweiten Trainingseinheit herzukommen. Als es aber endlich soweit gewesen war, hatte sie eine weitere Stunde damit zugebracht, einen inneren Kampf mit sich auszufechten, ob sie nun wirklich gehen sollte oder lieber doch nicht. Und jetzt, da sie endlich vor der Pforte zum beeindruckend schön angelegten und gepflegten Garten von Itachis Familie stand, kamen ihr erneut Zweifel: Es würde ihrem Team-Captain definitiv nicht gefallen, dass sie hier aufschlug, aber die Alternative, ihm ebenfalls eine Mitteilung in seinen Spind zu legen, war ihr wenig vielversprechend erschienen… Außerdem besaß sie für seinen Schrank natürlich keinen Schlüssel, wie er offenbar für ihren. Aber ihn stattdessen gleich in seinem Wohnzimmer überfallen…? Vielleicht wäre Makani ihren Bedenken in dieser zweiten Runde doch noch erlegen, wenn sie in diesem Moment nicht von einer Bewegung neben der Eingangstür abgelenkt worden wäre... Ein vertrautes surrendes Geräusch versetzte die Kunoichi instinktiv in Alarmbereitschaft und ließ sie sich bereit machen, in Deckung zu gehen. Im nächsten Moment schlug ein Shuriken kaum zehn Meter entfernt in den Stamm eines Kirschbaumes auf der anderen Seite des Zauns ein. Die Waffe war jedoch nicht kraftvoll genug geworfen worden, um in der Rinde stecken zu bleiben. Sie fiel hinunter und landete mit einem leisen Rascheln im Gras. Daraufhin erhob sich ein etwa zehnjähriger Junge mit widerspenstigen schwarzen Haaren von der Engawa, schlurfte auf den Kirschbaum zu, wobei er Makani einen gleichgültigen Blick zuwarf, und bückte sich dann nach seinem Wurfstern. Sie gab sich einen Ruck und trat durch das Gartentor. „Hallo Sasuke“, rief sie und ging freundlich lächelnd auf den Jungen zu. „Ich bin auf der Suche nach deinem Bruder. Ist er zu Hause?“ Uchiha Sasuke sah Makani für ein paar Momente abschätzend an. „Ist nicht da“, antwortete er dann kurz angebunden, drehte sich um und trottete zum Haus zurück. Makani folgte ihm. „Weißt du vielleicht, wann er wiederkommt? Es ist dringend…“ „Nein“, brummte Sasuke, offensichtlich nicht bei bester Laune. Er setze sich wieder auf die Veranda und ließ den Shuriken gelangweilt um seinen Zeigefinger rotieren. Als Makani jedoch nach über einer Minuten immer noch keine Anstalten machte zu gehen, fügte er schließlich widerwillig hinzu: „Er sollte schon längst da sein, ich hab‘ keine Ahnung, wo er bleibt…“ Ob das der Grund für die schlechte Stimmung des Jungen war? Kurz entschlossen setzte sie sich neben ihn und verkündete: „Dann wird er sicher gleich kommen; ich werde warten.“ Daraufhin richtete er sich empört auf: „Er hat keine Zeit für dich! Er trainiert mit mir!“ Aha, daher wehte also der Wind, dachte die Kunoichi. Sie hob beschwichtigend die Hände. „Oh, ich denke nicht, dass es lange dauern wird – „ Nein, das war gelogen… Zumindest erhoffte sie sich etwas anderes. „ – oder ich warte eben, bis ihr fertig seid.“ Sasuke brummte etwas Unverständliches und wandte seine Aufmerksamkeit wieder seinem Wurfstern zu. Nach einer Weile fragte er: „Was willst du denn von Itachi?“ „Äh…“ Makani schalt sich in Gedanken, dass sie so unvorbereitet hergekommen war und sich noch nicht einmal eine Ausrede zurechtgelegt hatte. Dabei war es ja alles andere als unwahrscheinlich gewesen, dass sie anderen Mitgliedern seiner Familie begegnen würde – wie unprofessionell! Mal abgesehen davon, dass sie nach wie vor lediglich eine vage Vorstellung davon hatte, was denn nun tatsächlich von ihm wollte. „Tja, äh… ich komme einfach nicht weiter mit meiner Shurikentechnik… Mir wurde dringend empfohlen, mich an deinen Bruder zu wenden; er soll ja wirklich gut darin sein.“ Wirklich ausgesprochen einfallsreich, dachte Makani resigniert und fuhr fort in ihrem Hirn nach Ideen zu kramen, um ihrer Geschichte wenigstens etwas mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen, doch ehe sie noch etwas hinzufügen konnte, sprang Sasuke plötzlich auf. „Ja, Er ist der beste!“, rief er aufgeregt und seine Augen begannen zu funkeln. „Oni-san schafft zwei Shuriken pro Sekunde bei einer Trefferquote von zweiundzwanzig zu eins bei bewegten Zielen, bei fixen fünfzig zu eins! Er ist der erste, der mit fünfzehn als A-Rang-Ninja klassifiziert wurde. Im Register erreichen seine Fähigkeiten-Parameter über achtzig Prozent des Maximalwerts“, ratterte Itachis kleiner Bruder herunter ohne einmal Luft zu holen. „So so, das ist ja der Wahnsinn“, sagte Makani, als er schließlich doch innehalten musste, und konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Es mochte ja viele Leute geben, die ihren Team-Captain nicht sonderlich leiden konnten oder ihn immerhin für eine schwierige Persönlichkeit hielten, doch er hatte offensichtlich nach wie vor auch Bewunderer und der leidenschaftlichste von ihnen lebte anscheinend mit ihm unter einem Dach. „Da hast du aber Glück, dass du mit so einem außergewöhnlichen Ninja trainieren kannst.“ Die Miene des Jungen verfinsterte sich erneut und er sank wieder auf die Engawa zurück. „Ja…“, murmelte er. Makani sah ihn eine Weile nachdenklich von der Seite an. Schließlich fragte sie vorsichtig: „Er hat nicht so viel Zeit dafür, nicht wahr?“ Sasuke seufzte kaum vernehmlich und ließ die Schultern hängen. „Er hat immer sehr wichtige Dinge zu tun…“ Ja, das stimmte wohl, dachte Makani grimmig. Diese ‚Dinge‘ waren ja anscheinend sogar so unglaublich wichtig, dass Itachi nicht einmal genug Zeit zum Arbeiten mit seinen eigenen Arbeitskollegen aufbringen konnte. „Früher hat er viel mehr Zeit gehabt; wir haben fast jeden Tag zusammen trainiert.“ „Das hat bestimmt Spaß gemacht. Wann war das denn?“, fragte sie in beiläufigem Ton. Sasuke scharrte unruhig mit den Füßen im Gras und schien zu überlegen. „Im Frühling letztes Jahr, glaube ich. Da durfte ich zum ersten Mal mit richtigen Shuriken üben, nicht mit diesen stumpfen Babydingern. Danach hatte er dann immer weniger Zeit.“ - seit er in er ANBU ist vermutlich, ergänzte Makani in Gedanken. „Ja, ich kann mir gut vorstellen, dass er sehr viel zu tun hat. Aber er hätte bestimmt gerne mehr Zeit, um mit dir zu trainieren.“ „Hmm, weiß nicht… glaub‘ nicht“, murmelte der Junge daraufhin finster und die Kunoichi horchte verwundert auf. „Was meinst du? Wie kommst du darauf?“ Sasuke zuckte die Achseln, fuhr fort mit den Füßen zu scharren und schien nicht weiter darauf eingehen zu wollen. Aber als Makani ein paar weitere Minuten schweigend abgewartet hatte, murmelte er schließlich mit gesenktem Blick: „Selbst wenn er zu Hause ist und nichts zu tun hat, redet er kaum noch mit mir. Er fragt nicht mehr, ob ich Fortschritte mache. Er… er ist komisch in letzter Zeit, als wäre gar nicht richtig da und… und er streitet mit Vater.“ Bei diesem letzten Satz weiteten sich Sasukes Augen leicht und sein Tonfall brachte deutlich zum Ausdruck, wie ungeheuerlich er dieses Verhalten seines Bruders fand. Dann sagte er nichts mehr und blickte grüblerisch auf die kleine seichte Mulde herab, die er mit seinen Füßen gegraben hatte. Makani sah ihm eine Weile dabei zu und versuchte ihre eigenen Gedanken zu ordnen. Sasuke tat ihr leid. „Willst du vielleicht ein bisschen mit mir trainieren, bis Itachi nach Hause kommt?“, fragte sie schließlich. Sasuke schreckte hoch und sah sie irritiert an. „Nein“, entgegnete er fast empört und fuhr fort finster vor sich hin zu starren. Doch nach ein paar weiteren Minuten fragte er etwas kleinlauter: „Kannst du Goukakyuu no Jutsu?“ Makani lächelte. „Sicher. Möchtest du das üben?“ Sasuke nickte. Er führte sie einige Meter weg vom Haus zu einem großen Gartenteich und dort fingen sie an zu üben: Makani brachte organgengroße Feuerbälle hervor, die über der Wasseroberfläche schwebten und sich für ein paar Sekunden schimmernd darin spiegelten, bis sie wieder erloschen. Dabei gab sie sich Mühe, ganz genau zu erklären, was sie tat, wie sie das Chakra in ihrem Brustkorb konzentrierte, Druck aufbaute und dadurch Hitze erzeugte. Sasuke hörte ihr hochkonzentriert mit großen Augen zu. Als er es schließlich selbst versuchte, stellte er sich auch gar nicht schlecht an. Vielleicht war er ein bisschen zu verbissen und übertrieb es mit der eingesetzten Kraft. Er wollte diese Technik offenbar unbedingt beherrschen. Aber das würde er auch bald, da war sich Makani sicher, wenn er noch ein bisschen mehr Geduld aufbrachte. Als es langsam zu dunkel im Garten zum Trainieren wurde, war der Atem, den der Junge ausstieß, bereits so heiß, dass Makani ein Büschel vertrocknetes Gras daran entzünden konnte. Sasuke strahlte. Und nur wenige Momente später sah sie endlich Itachi durch das Tor das Grundstück betreten. Sie spürte, wie sich ihr Puls beschleunigte, aber ihr Team-Captain schien sie und seinen kleinen Bruder nicht zu bemerken; mit gesenktem Blick ging er geradewegs auf die Eingangstür des Hauses zu. Doch nun hatte auch Sasuke ihn gesehen und rannte los. Als er Itachi kurz vor der Engawa erreicht hatte, begann er sofort aufgeregt auf ihn einzureden, was Makani Zeit verschaffte, ein letztes Mal Luft zu holen. Dann ging sie mit ruhigen Schritten auf die Brüder zu, bis sie die Schatten der Bäume verlassen hatte und Itachi schließlich auf sie aufmerksam wurde. Er zuckte kaum merklich zurück und sah sie mit einem seltsamen Ausdruck an. War er tatsächlich so erschrocken sie zu sehen? Doch auch Makani erschrak unwillkürlich beim Anblick ihres Anführers. Er sah… erschöpft aus? Traurig? Verletzlich? Makani konnte es nicht genau benennen, doch sie hätte sich keinen größeren Kontrast zu der steinernen Maske bei ihrer letzten Begegnung vorstellen können. Aber nach nur wenigen Augenblicken schien er zumindest Ansätze seiner gewohnten Beherrschung wiedergefunden zu haben. „…und dann hat es einfach Feuer gefangen, bis es völlig verkohlt war!“, sagte Sasuke gerade, doch Itachi achtete gar nicht auf ihn. Makani hielt seinem Blick stand und sagte mit leiser, aber fester Stimme: „Ich muss mit dir reden.“ Er schien ein paar Augenblicke zu zögern, dann schloss er für den Bruchteil einer Sekunde die Augen und atmete aus, als würde er irgendeinen enorm kräftezehrenden Widerstand aufgeben. Er ließ den immer noch brabbelnden Sasuke einfach stehen, ging zum Eingang und öffnete die Tür. Dann hielt er inne und drehte sich wieder zu Makani um. Sie sollte ihm folgen. „Oni-san! Was ist mit unserem Training?“ So stolz Sasuke noch kurz zuvor gewirkt hatte, als er von seinen Erfolgen berichtet hatte, so stand ihm jetzt tiefe Enttäuschung ins Gesicht geschrieben. „Es ist spät. Geh ins Bett, Sasuke.“ „Aber du hast gesagt… Es war so lange abgemacht!“ „Ein anderes Mal.“   Makani betrat einen großzügigen Eingangsbereich. Der Raum wurde beherrscht von einer riesigen traditionellen Malerei, die vom Fußboden bis zur Decke reichte und irgendwie einschüchternd wirkte. Darauf war ein großer Mann mit langen voluminösen schwarzen Haaren und grimmigem Gesichtsausdruck abgebildet; im Hintergrund konnte man Blätter, Wald und eine Häuseransammlung erkennen. Der Mann hielt einen Fächer in Händen und schien gerade damit auszuholen. Über seinem Kopf türmten sich gewaltige Gewitterwolken auf. Itachi streifte sich seine Sandalen ab und stellte sie fast schon übertrieben ordentlich neben die Eingangstür. Makani riss sich von der Betrachtung des Bildes los und tat es ihrem Team-Captain gleich. Sie gingen einen langen, kahlen Flur entlang, bis sie in einem der Seitenflügel gelangten, und weiter durch eine Tür betraten sie schließlich Itachis Zimmer. Jedenfalls ging sie davon aus, dass es sein Zimmer war, wenngleich die ausgesprochen spärliche Einrichtung allein kaum drauf schließen ließ: zwei Regale mit Büchern und Schriftrollen, ein in die Wand eingelassener Schrank, ein niedriger Tisch in der Mitte und eine Tokonoma mit einer blassen Landschaftsmalerei und einem schlichten Blumenarrangement darin. Makani ging ein paar unsichere Schritte in das Zimmer hinein. Auf der gegenüberliegenden Seite stand ein Durchgang in den Garten einen Spalt breit offen und gab den Blick auf opulente Hortensienbüsche frei. Itachi wies auf den Tisch und Makani setzte sich. Bevor er ebenfalls Platz nahm, schloss er leise die Tür zum Garten. Irgendwie wäre es Makani lieber gewesen, er hätte es nicht getan, denn nun fühlte sich auf einmal seltsam beengt in diesem großen, leeren Zimmer. Sie starrte ihr Spiegelbild in der blank polierten Tischplatte an, während sie versuchte, den ernsten aufmerksamen Blick Itachis auf sich zu ignorieren und sich stattdessen auf die Worte zu konzentrieren, die ihr nicht einfielen, um dieses Gespräch zu beginnen. Kapitel 12: Uchiha Itachi III ----------------------------- Doch nach einer Weile sprach schließlich der Uchiha als erstes: „Ich möchte mich entschuldigen, Makani. Ich habe dir gestern vorgeworfen, du würdest deine Pflichten nicht ernst genug nehmen. Aber ich werde meinen eigenen ebenso wenig gerecht… Ich war dir bisher kein guter Anführer.“ Der Kunoichi, die sich gerade für eine verbale Gegenoffensive bereit gemacht hatte, blieben auf einen Schlag alle im Laufe des Tages zurechtgelegten Rechtfertigungsvarianten für ihr Hiersein im Hals stecken. Sie starrte ihren Team-Captain mit leicht geöffnetem Mund an. Was in aller Welt sollte das denn jetzt? Hatte er sich Shisuis Worte etwa doch noch zu Herzen genommen? Sie hatte wirklich mit allem Möglichen gerechnet, aber nicht damit. Skeptisch musterte sie ihr Gegenüber: So seltsam mitgenommen wie zuvor im Garten sah er nicht mehr aus, aber auch von jener distanzierten Härte, die er sonst meistens ausstrahlte und die wieder aufgeflackert war, als er seinen kleinen Bruder abgekanzelt hatte, war nichts zu sehen. Nach einigen weiteren Momenten verlegenem Schweigen räusperte sie sich schließlich und schlug insgeheim erleichtert ebenfalls versöhnliche Töne an: „Ich muss mich auch entschuldigen. Ich habe mich tatsächlich wiederholt nicht an deine Anweisungen gehalten… schon allein wieder, indem ich heute hierhergekommen bin. Ich erinnere mich sehr wohl daran, dass du an meinem ersten Tag in deinem Team gesagt hast, es wäre besser, wenn man uns nicht zusammen sieht...“ „… Du hattest ja kaum eine andere Wahl. Ich habe dir keine Möglichkeit gegeben, mich zu kontaktieren, wenn es nötig ist oder du Hilfe brauchst.“ Makanis Verwirrung wuchs. Shisuis Rede, die sie am vergangenen Tag belauscht hatte, hatte die Vermutung zwar mehr als nahegelegt, doch nun gab Itachi es praktisch offen zu, dass er sie mit Absicht auf Distanz und ausgeschlossen hatte?! Aber warum? lautete die simple Frage, die sie ihm am dringendsten stellen wollte und dennoch nicht über die Lippen brachte. Sie wusste auf einmal überhaupt nicht mehr, was sie sagen oder wie sie reagieren sollte – Itachis unverhoffte Freundlichkeit hatte sie hoffnungslos aus dem Konzept gebracht... „Äm… werde ich denn in Zukunft wissen, wie ich Kontakt mit dir aufnehmen kann?“, wollte sie schließlich wissen. Itachi Antwort kam sofort ohne jegliches Zögern: „Ja, dafür werde ich sorgen. Und ich habe außerdem vor, dir in den nächsten Wochen verschiedene geeignete Trainingspartner zur Seite zu stellen, die dich in deiner Entwicklung unterstützen können. Du hast das lange Einzeltraining bisher wirklich beeindruckend gut durchgehalten. Ich muss zugeben, das hätte ich nicht unbedingt erwartet. Aber das reicht jetzt für‘s Erste.“ „Und was ist mit den Observationsdiensten?“ „… werden sich in Zukunft abwechslungsreicher gestalten, versprochen! Würde die ANBU nichts weiter tun, als Protokoll über die Freizeitbeschäftigungen der Dorfbewohner zu führen, hätte der Hokage diese kostspielige Einheit mit Sicherheit schon längst wegrationalisiert.“ Er lächelte und Makani erwiderte es automatisch, aber ihr Magen verkrampfte sich unangenehm dabei. Die heimliche Erleichterung hatte sich jäh in Luft aufgelöst. Itachi sagte nichts weiter. Er sah sie nur freundlich und mit milder Erwartung an, als wollte er fragen: Sonst noch etwas oder können wir dieses nette Gespräch jetzt beenden? Tatsächlich hätte Makani nichts lieber getan als genau das, doch je mehr Entgegenkommendes der Uchiha gesagt hatte, umso unüberhörbarer hatten in ihrem Kopf die Alarmglocken geläutet. Nur zu gern hätte sie geglaubt, dass sein Verhalten auf einen tatsächlichen Sinneswandel zurückzuführen war, aber sein Gesichtsausdruck in diesem Moment zerschlug diese Illusion: Die Strenge mochte ihr Team-Captain für diesen Moment abgelegt haben, doch die Distanz war während seiner Worte in seinen Blick zurückgekehrt und entlarvte sein Lächeln als eine weitere Maske. In Makanis Inneren breitete sich ernüchterte Kälte aus und ließ das Lächeln in ihrem eigenen Gesicht gefrieren. Itachi nahm sie offensichtlich nach wie vor nicht ernst. Lediglich die Taktik, die er einsetzte, um sie von sich, von seinem Team und von was auch immer er und Shisui im Geheimen taten, fernzuhalten, schien er geändert zu haben. Doch der eiskalte Zorn, den diese Erkenntnis in ihr auslöste, half der Kunoichi jetzt den nächsten entscheidenden Schritt zu tun und schließlich über sich hinaus zu wachsen… „Es freut mich sehr, Itachi, dass du bei meiner Ausbildung nachjustieren willst und, versteh mich bitte nicht falsch, ich kann die neuen Herausforderungen im Dienst für mein Heimatdorf kaum erwarten, aber…“ „Aber?“ Augenblicklich war Itachi höchst aufmerksam. Der Sarkasmus in Makanis Stimme war nicht zu überhören gewesen. Sie gab sich Mühe, in neutralerem Ton weiter zu sprechen: „Aber ich mache mir nach wie vor Sorgen, dass ich dich und Shisui bei eurer Arbeit stören könnte.“ „Es gehört zu unseren obersten Pflichten bei der ANBU die Arbeit im Team der Mitglieder entsprechend anzupassen.“ Makani wäre dem Uchiha bei dieser Phrase am liebsten über den Mund gefahren. Wollte er sie allen Ernstes für dumm verkaufen? Es gab verflucht nochmal keine Arbeit im Team, die man hätte anpassen können. Stattdessen wollte er ihr offenbar in Zukunft Mitglieder aus anderen Teams zum Training vorsetzen. Das war doch alles langsam mehr als lächerlich! „Oh nein, diese Art von Arbeit meine ich nicht“, erwiderte sie äußerlich völlig ruhig. „Was das betrifft, habe ich bereits festgestellt, dass meine Sorgen unbegründet waren. Ihr habt – bis auf diesen fürchterlich bedauernswerten Vorfall bei der letzten Übung – wirklich beeindruckend gut dafür gesorgt, dass ich eure hervorragende Teamarbeit gar nicht stören kann. Nein, ich meine eher eure … anderen Tätigkeiten.“    „Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir folgen kann…“ Itachis Ton hatte sich nicht verändert; er war nach wie vor ruhig und freundlich, doch Makani registrierte minimale Anzeichen dafür, dass er nervös geworden war: Angespannte Muskeln an Händen und Armen, sein Blick fixierte sie, huschte aber ein paar Mal blitzschnell durch den Raum, zur Tür, zum Fenster. Die Kunoichi spürte ein Gefühl von Triumph in sich aufkeimen. „Nun es ist komisch, dass gerade du das sagst, Itachi. Hier bin doch eigentlich ich diejenige, die nichts weiß und nichts kapiert, aber egal … Sagen wir es mal so, ich kapiere vielleicht nicht viel, aber selbst mir fällt es irgendwann auf, wenn meine Kollegen dauerhaft Wichtigeres zu tun haben, als das alltägliche Einerlei, das bei der Arbeit in einem Team so anfällt. Und wenn dieses ‚Wichtigere‘ noch dazu gefährlich und geheim ist und sich vielleicht sogar generell schlecht mit den offiziellen Pflichten gegenüber der Einheit und dem Dorf vereinbaren lässt, wird es natürlich besonders knifflig. Es ist klar, dass ein weiteres unwissendes Team-Mitglied, das trotz aller Vorsicht doch hin und wieder über das ein oder andere Puzzleteilchen stolpert, ein kaum zu kalkulierendes Risiko darstellt … Naja, und da ich ja wie gesagt keine Ahnung habe … wäre es ja gut möglich, dass ich versehentlich irgendetwas, von dem ich nicht weiß, dass es besser geheim bliebe, vor der falschen Person erwähne…“ Makani war sich absolut bewusst darüber, dass das nichts anderes war als reine Erpressung und ebenso dass sie bluffte und zwar so kühn, dass sie sich vor sich selbst erschreckte, aber irgendwie lief es beinah wie von selbst. Sie hatte am Anfang gar nicht so genau gewusst, was sie eigentlich sagen wollte, doch je länger sie gesprochen hatte, desto besser schien plötzlich alles zusammenzupassen: Itachi hatte sie von Anfang an nicht in der ANBU und in seinem Team haben wollen – möglicherweise auch, weil er sie nicht für geeignet hielt, aber vor allem weil sie nicht merken sollte, dass er und Shisui etwas verbargen, etwas, das „Sie“ nicht wissen durften, etwas, das vermutlich mit ihrem Clan zu tun hatte. Im Gegensatz zu ihrem Anführer hatte Shisui sie einweihen wollen: … sie ist eine Uchiha… Wir dürfen sie nicht ausschließen. Sie spürte eine jähe Welle der Zuneigung für ihren abwesenden Team-Kameraden.  Aber wen hatte er mit „Sie“ gemeint? Die ANBU? Oder, dachte sie bekommen, war am Ende doch alles ganz harmlos und sie fing an Gespenster zu sehen? Aber nun verriet ihr auch Itachis Gesichtsausdruck, dass sie nicht zu hoch gepokert hatte: Noch während sie gesprochen hatte, war er immer blasser geworden und jetzt starrte er sie mit deutlich geweiteten Augen an, beinah als sähe er sie in diesem Moment zum ersten Mal. „Was weißt du?“, fragte er sehr leise. Ganz offensichtlich hatte er seine Maskerade endlich aufgegeben oder schaffte es einfach nicht mehr, sie länger aufrecht zu halten. Er sah tatsächlich schockiert aus, beinah ängstlich… Makani zögerte. Sollte sie jetzt ihre Karten auf den Tisch legen? Ihm offenbaren, was sie wusste und vor allem was sie alles nicht wusste? Nein, das wäre unklug. Er würde sie wahrscheinlich mit irgendeiner schlau verdrehten Halbwahrheit abspeisen. „Ich fürchte, ich bin in diesem Punkt ähnlich mitteilungsfreudig wie du. Eigentlich würde ich mir wünschen, dass du mir heute ein bisschen von dir und deiner Arbeit erzählen könntest. Vielleicht finden wir dann einen Kompromiss, dass ich dir einerseits nicht länger im Weg stehe und mir andererseits nicht vorkomme wie - “ Plötzlich langte Itachi blitzschnell über den Tisch und packte ihren Arm. Er drückte so fest zu, dass es weh tat, beugte sich nah zu ihr hinüber und sprach leise, aber mit unmissverständlicher Drohung in der Stimme: „Makani, du hast keine Ahnung, auf was für ein Terrain du dich da gerade begibst. Es ist verdammt gefährlich, viel gefährlicher, als du dir vorstellen kannst! Und diese Gefahr geht diesmal nicht von irgendwelchen Nukenin aus, die wir bloß vom Dorf fernhalten müssen, indem wir einfach unseren Job richtig machen… Nein, diesmal ist unser Heimatdorf selbst das verminte Feld…“      Der Kunoichi lief es eiskalt den Rücken herunter und das unspezifische Unbehagen, das sie seit ihrem ersten Tag bei der ANBU verfolgte, verwandelte sich jäh in echte Furcht. Unwillkürlich fragte sie sich, inwieweit sie Itachi selbst fürchten musste. Sein Griff schmerzte fast unerträglich und sie hätte sich nur unter Zuhilfenahme von erheblicher Gewalt daraus befreien können, worauf ihr Team-Captain wiederum mit Sicherheit eine entsprechende Antwort gewusst hätte. Doch abermals sagte ihr ein irrationales Bauchgefühl, dass er ihr nicht ernsthaft schaden würde; auf irgendeine verdrehte, widersinnige Weise vertraute sie ihm.  Aus einem Impuls heraus ergriff Makani nun ihrerseits das Gelenk von Itachis Hand, mit der er das ihre festhielt, und drückte ebenfalls zu. „Dann lass mich nicht länger wie ein blindes Huhn über dieses Minenfeld torkeln!“, zischte sie. Für ein paar Momente starrten sie sich an, dann spürte Makani, wie Itachi den Griff um ihren Unterarm endlich lockerte. Sie tat es ihm sofort nach. Sowohl auf ihrer als auch auf seiner Haut bildeten sich bereits Blutergüsse. Sehr langsam zog er die Hand zurück, senkte den Blick und starrte eine ganze Weile schweigend und mit merkwürdig glasigen Augen auf seine geöffnete Handfläche hinunter. Doch Makani ließ nicht zu, dass sich ihre innere Anspannung löste; sie war fest entschlossen, nicht locker zu lassen. Mit höchster Aufmerksamkeit beobachtete sie den Uchiha und wartete geduldig ab. Endlich nach einer gefühlten Ewigkeit sagte er, ohne aufzusehen: „Es tut mir leid… Ich hätte wissen müssen, dass es so weit kommen würde. Ich habe viele Fehler gemacht.“ Makani hielt den Atem an. „Warum bist du bei der ANBU, Uchiha Itachi?“, fragte sie beinah flüsternd. Daraufhin hob er schließlich doch den Blick und plötzlich war ihr, als sähe sie zum ersten Mal Itachi an, nicht das ANBU-Mitglied, der Anführer oder der Clanerbe, sondern der siebzehnjährige Junge, dessen recht schmale Schultern sich unter irgendeiner viel zu schweren Last beugten. Ihr Herz begann laut zu pochen. „Vor etwas mehr als einem Jahr“, begann er, „beschlossen die Clanältesten, mich aus der Ausbildung für die Polizeiführung herauszunehmen und stattdessen eine Laufbahn bei der ANBU beginnen zu lassen.“ „Um dem Wohl Konohas zur Abwechslung mal in einer anderen Uniform zu dienen?“ Makani biss sich auf die Lippe und wünschte, sie hätte sich diese ironische Bemerkung verkniffen. Doch Itachi schnaubte nur kaum vernehmlich. „So würden es die meisten von uns wohl ausdrücken und wahrscheinlich letztendlich auch so meinen, aber ich glaube, wenn vom ‚Wohl Konohas‘ die Rede ist, ist meistens doch eher das Wohl des Clans gemeint. Dass das unter Umständen nicht immer das gleiche sein könnte, ist … keine verbreitete Ansicht.“    Makani versuchte, sich ihre Verwunderung über diese Worte nicht anmerken zu lassen. Hatte da wirklich gerade Uchiha Itachi Kritik an seinem eigenen Clan geübt? Sie suchte in seinem Blick erneut nach jener undurchdringlichen schwarzen Mauer oder nach irgendeinem anderen Anzeichen von Unaufrichtigkeit, doch sie fand nichts. Zwar erzählte er nicht von sich aus, was sie wissen wollte, aber er schien sich zumindest dazu entschlossen zu haben, ihre Fragen zu beantworten. Nun gut, sie würde sich nicht lange bitten lassen, dann musste sie eben die richtigen Fragen stellen. „Du sollst dem Clan also als ANBU-Mitglied dienen? Wie genau sollst du das anstellen?“ Itachi zögerte, schien sich nicht sicher zu sein, ob er tatsächlich weitersprechen sollte, doch schließlich erklärte er: „In den letzten Jahren wurde die Entwicklung der Einheit zunehmend als Bedrohung wahrgenommen, insbesondere seitdem Koguma die Führung übernommen hat. Er … vertritt recht offen Ansichten, die gegen unsere Interessen stehen…“ Makani sah ihren Anführer verständnislos an. Dass die Uchihas der ANBU misstrauten war ja nichts Neues, aber warum sollte ausgerechnet Koguma dieses Misstrauen noch verstärkt haben? Von was für ‚Ansichten‘ sprach Itachi da? Doch dann stutzte sie, als sie sich plötzlich an etwas erinnerte. Konnte es am Ende etwas mit diesen furchtbar verwirrenden Dingen zu tun haben, die das ANBU-Oberhaupt auf der Krankenstation zu ihr gesagt hatte? Zögernd erwiderte sie: „Ich weiß, dass er die Position clanloser Ninja im Dorf stärken möchte, um deren Potential besser nutzen zu können.“ … oder zumindest hatte er ihr das erzählt. Itachi nickte und entgegnete: „Das auch, aber vor allem möchte er ganz allgemein eine Machtstruktur etablieren, die nicht auf der Vorherrschaft von Clans beruht.“ Nach dieser Behauptung sah die Kunoichi ihren Anführer zunächst für ein paar Momente nur schockiert an, dann fragte sie mit deutlich vernehmbarer Skepsis in der Stimme: „Das kommt mir ganz schön, ich weiß nicht, meinungsstark vor für ein ANBU-Oberhaupt…“ „Ja, es ist sogar überaus unerhört, dass er diese heikle Meinung so verhältnismäßig offen vertritt und in seiner Führungsrolle sogar, soweit ihm das möglich ist, dementsprechend handelt.“ „Und du sollst ihn davon abhalten, oder wie?“, entfuhr es ihr erschrocken. „Ich soll die Entwicklung im Auge behalten“, stellte Itachi klar, fügte dann aber etwas leiser hinzu: „ … vorerst.“ Makanis Kopf begann zu schwirren und sie versuchte mit großer Mühe das soeben Gesagte zu verdauen. Also hatte Tora vollkommen Recht gehabt, dachte sie nicht ohne Verblüffung. Doch tatsächlich war ihr selbst sein Verdacht, dass mehr hinter Itachis Mitgliedschaft bei der ABNU steckte, so furchtbar abwegig nicht erschienen – aber genau das kam ihr nun an der ganzen Sache merkwürdig vor.     „Ist es nicht irgendwie ziemlich offensichtlich, dass solche versteckten Absichten existieren, wenn ausgerechnet die Uchihas auf einmal ihren wichtigsten Erben zur ANBU schicken?“, fragte sie. Ihr fiel auf, dass Itachi die schmeichelhafte Bezeichnung für seine eigene Person wie selbstverständlich hinnahm, ja diese nicht einmal bewusst zu registrieren schien. „Absolut!“, antwortete er geradeheraus. „Es ist mehr als offensichtlich. Zumal es eigentlich die stillschweigende Übereinkunft gibt, dass wir uns als polizeiverantwortlicher Clan aus den Angelegenheiten der ANBU heraushalten.“ „Aber warum hat es Koguma denn dann überhaupt zugelassen, dass du in die ANBU aufgenommen wurdest?“ Auf diese Frage hin sah Itachi die Kunoichi etwas verwundert an, doch nach kurzem Überlegen erklärte er geduldig: „Unsere Macht im Dorf ist groß, Makani. Wenn der Uchiha-Clan beschließt, einen der Ihren auf eine bestimmte Position zu setzen, dann haben wir nach wie vor die Mittel, das auch durchzusetzen… Auch wenn es diesmal unbestritten ein erheblicher Eingriff war, der von nicht wenigen als offene Provokation aufgefasst wurde.“ Und da war es schon wieder passiert. Wieder einmal hatte Makani bewiesen, wie wenig sie tatsächlich über Konoha, seine politischen Strukturen und vor allem über jenen Clans wusste, den sie gegenüber Koguma noch so vehement als ihre Familie bezeichnet hatte. Doch die Scham darüber hielt sich dieses Mal in Grenzen, denn in ihr wuchs endlich das zaghafte Gefühl, wenigstens in Ansätzen zu ahnen, worum es hier eigentlich ging. Gebannt von Itachis Worten und den Gedanken, die diese in ihr auslösten, betrachtete sie das Gesicht des Uchihas, um dessen Mundwinkel die Anflüge eines traurigen Lächelns spielten. Er steckte wirklich in einer ziemlich schwierigen Situation, ging es ihr auf einmal durch den Kopf. Zur Kontrolle und Machtdemonstration war er in eine Einheit versetzt worden, in der er offenkundig unerwünscht war. Wem würde so etwas nicht zusetzen? Was sie dabei aber besonders erstaunt hatte, war der Umstand, dass Itachi dieses Vorgehen des Clans anscheinend selbst durchaus kritisch sah. Aber selbstverständlich erfüllte Uchiha Itachi die Pflichten gegenüber seinem Clan bedingungslos … oder? Makani stockte, als ihr plötzlich von neuem das Gespräch, das sie zwischen ihm und Shisui belauscht hatte, in den Sinn kam… Shisui hatte ihm Vorwürfe gemacht und zwar nicht nur bezüglich seines Verhaltens ihr gegenüber… Manchmal glaube ich fast, du hast vergessen, warum wir eigentlich hier sind. Und ich fürchte, ich bin langsam nicht mehr der einzige, dem es so geht… Die Kunoichi erschrak und abermals stieg ihre Herzfrequenz dramatisch. Konnte es etwa sein, dass… „Warum ist Shisui auch bei der ANBU?“, fragte sie und sah Itachi scharf an. Dieser zuckte leicht, aber deutlich wahrnehmbar zusammen. Er erwiderte ihren Blick sehr intensiv, doch gleichzeitig flackerte etwas zutiefst Unsicheres, beinah Ängstliches darin und Makani erkannte unwillkürlich, dass sie dem Kern des Rätsels so nahe war wie nie zuvor. Nach einigen Sekunden unerträglicher Stille öffnete er leicht die Lippen, doch er sprach nicht. Wagte er es nicht? Dann musste sie es eben tun: „Ist der Clan nicht mehr zufrieden mit deiner Arbeit?“ Itachi nickte kaum wahrnehmbar. „Zweifeln sie an deiner Loyalität?“ Das Nicken auf diese Frage war nicht viel mehr als ein flüchtiges Augenniederschlagen. Makani schluckte; ihr Mund fühlte sich seltsam trocken an. Dann hörte sie sich schließlich fragen: „Sind diese Zweifel begründet?“ Itachi nickte nicht, sondern sah sie nur völlig regungslos an. Doch die Antwort hallte unmissverständlich in der sich daraufhin wieder ausbreitenden Stille wider. Makani wurde abwechselnd heiß und kalt. Ihre Gedanken begannen zu rasen und von neuem scheinbar chaotisch Erinnerungsfetzen aus den vergangenen Wochen durcheinander zu wirbeln. Das Bild von Koguma auf der Krankenstation trat ihr vor Augen, wie er Itachi väterlich die Hand auf die Schulter legte. Im Gespräch mit ihr im Anschluss hatte er sich ebenso fürsorglich Itachi gegenüber gezeigt, oder? Er hatte gesagt, er wolle, dass Itachi sich weiterentwickelte und seinen Horizont erweiterte oder so ähnlich. Sie erinnerte sich, dass Tora berichtet hatte, ihr Team-Captain sei in kürzester Zeit zum nächsten Vertrauten des ANBU-Oberhauptes aufgestiegen. Tora hatte Koguma unterstellt, er würde sich von dem Uchiha kurrumpieren lassen, aber, dachte Makani mit einem Schauder, was, wenn es sich genau umgekehrt verhielt? Shisui war Itachi offensichtlich hinterhergeschickt worden, um ihm „zu helfen“, wie der ältere Uchiha es selbst ausgedrückt hatte, doch die ganze Wahrheit lautete offenbar, dass der Clan diese Hilfe nur deshalb für notwendig hielt, weil sie an Itachis Ergebenheit zweifelten… Zurecht? Konnte es sein, war er tatsächlich ein Verräter? Allein der Gedanke an das Wort rief heftige Emotionen in der Kunoichi hervor. Was gab es für ein schlimmeres Vergehen für einen Ninja als Verrat? Verrat an seinem Clan, an seinem Dorf, an seinem Team… Hatte sich Itachi wirklich gegen die Uchihas gewandt? Auf Geheiß irgendeines manipulativen Aufrührers, der die Ordnung Konohas auf den Kopf stellen wollte? Und auch auf Makani hatte Koguma versucht, Einfluss zu nehmen, oder? Er hatte ihr eingeredet, sie sei eine Nenashi, die Uchihas würden sie nicht akzeptieren und sie müsse etwas dagegen unternehmen.  Wollte er sie etwa ebenfalls für diese Intrige instrumentalisieren? Es schien auf einmal alles einen Sinn zu ergeben... Makani spürte, wie Panik in ihr aufstieg. Plötzlich wurde sie sich bewusst, dass sie Itachi nun schon eine ganze Weile mit weit aufgerissenen Augen und zitternden Händen anstarrte. Was würde er jetzt tun, da sie hinter sein Geheimnis gekommen war? Sie musste hier weg! „Ich möchte gehen“, murmelte sie atemlos und machte Anstalten, sich zu erheben. Doch in diesem Moment schnellte die Hand des Uchihas zum zweiten Mal seit dem Beginn ihrer Unterhaltung über die Tischplatte hinweg und ergriff die Hand der Kunoichi. Sie erstarrte und die in ihr zunächst nur dumpf anschwellende Panik drohte sie jeden Moment zu überwältigen. Doch zu ihrer größten Verwirrung drückte Itachi nicht zu, sondern zog sie stattdessen beinah sanft ein Stück zur Seite neben den Tisch und näher an sich heran, sodass sich keine Barriere mehr zwischen ihnen befand bis auf ihre sich nun berührenden Knie. Makani völlig starr vor Schreck und Verwirrung ließ alles geschehen. „Makani, bitte, hör mir zu!“, sagte Itachi mit einer Stimme, die sie von ihm noch nie zuvor gehört hatte. „Ich weiß, was du denkst. Du bist sehr klug, ich hätte niemals so dumm sein dürfen, dich zu unterschätzen! Aber bitte mach jetzt keinen schrecklichen Fehler. Es ist nicht so, wie es aussieht – jedenfalls nicht alles!“ „Wie ist es dann?“, erwiderte sie tonlos, doch sie entzog ihm ihre Hand nicht. „Glaub mir“, fuhr er fort, „das Wichtigste für mich ist und war es immer, den Frieden in Konoha zu bewahren! Aber die Situation zwischen den Parteien spitzt sich seit vielen Monaten immer weiter zu. Immer mehr Dorfbewohner kritisieren mittlerweile die Übermacht der Clans. Die meisten anderen Familien und sogar der Hokage haben begriffen, dass sich etwas ändern muss. Doch bei uns im Clan kommt diese Erkenntnis leider nach wie vor überhaupt nicht gut an. Die Uchihas fühlen sich zunehmend bedroht und ich fürchte, sie könnten sehr bald noch viel dümmere und gefährlichere Maßnahmen ergreifen, als Shisui und mich eigenmächtig in die ANBU zu versetzen. Als ich in der Einheit ankam, haben Koguma und ich uns darauf geeinigt, dass wir alles dafür tun werden, die Situation nicht eskalieren zu lassen. Ja, es stimmt, er möchte die Machtverhältnisse im Dorf ändern, er möchte aber ebenso wie ich den Frieden bewahren! Ich bin davon überzeugt, hätten wir uns beide nicht verständigt, hätte das Ganze sehr schnell ein sehr übles Ende genommen… vielleicht wird es das auch noch… Ich weiß nicht, was passieren wird, aber ich flehe dich an, was immer du jetzt mit diesem Wissen vorhast, bitte bedenke die möglichen Konsequenzen!“ Makani war, als hätte sie Itachi noch nie so viel auf einmal und vor allem so leidenschaftlich sprechen gehört. Seine Worte hatten beinah verzweifelt geklungen und sich teilweise überschlagen. Etwas überwältigt von diesem Ausbruch saß sie eine Weile einfach nur regungslos da. Dann fragte sie leise: „Glaubst du denn auch, dass sich die Machtverhältnisse im Dorf ändern sollten?“ Itachi seufzte und schüttelte den Kopf: „Ich weiß es nicht, Makani. Einige der Argumente derjenigen, die das fordern, erscheinen mir berechtigt. Andererseits sind die Ninja-Siedlungen seit jeher die Heimat der großen Clans. Sie haben Frieden geschlossen, sich zusammengetan und die Dörfer aufgebaut. Das war ein bedeutender Fortschritt und eine große Leistung. Erst viel später kamen Menschen dazu, die keinem der alten Clans angehörten. Aber mittlerweile sind es viele geworden und auch wegen Shinobi wie Koguma nimmt ihr Selbstbewusstsein stetig zu. Ich liebe meine Familie, aber ich fürchte, sie begreifen nicht, dass sie sich mit dieser Tatsache auseinandersetzen müssen, sonst könnte alles in sehr viel Gewalt enden. Und sollte es tatsächlich zum Krieg kommen, würde wieder so vieles von dem zerstört werden, was auch unser Clan über all die Jahre aufgebaut hat, was Konoha zu so einem schönen Ort und zu unserem Zuhause macht. Ganz gleichgültig, wer im Recht ist, Krieg vernichtet alles – auch jede Form von Gerechtigkeit!“ Bei diesen letzten Worten wurde Itachis Miene so finster, dass Makani von neuem erschrak. „Krieg?“, wiederholte sie ängstlich. „Glaubst du wirklich, dass es so weit kommen könnte?“ Itachi nickte und in seinen Augen schien sich echte Furcht zu spiegeln. Makani war sehr klein gewesen, als der letzte große Krieg zu Ende gegangen war, und daher hatte sie kaum bewusste Erinnerungen an die Zeit, aber ein Bild von damals hatte sich so tief in ihr Gedächtnis gebrannt, dass es seitdem immer in ihren Gedanken aufflackerte, wenn ihr das Wort begegnete: Der Platz vor dem kleinen Dorfhospital von Konoha. Überall auf dem Boden blutende, erbärmlich schreiende oder regungslose – vielleicht bereits tote Menschen. Sie wusste nicht mehr, was sie damals dort gemacht hatte oder was dann geschehen war, nur das Bild erschien ihr manchmal immer noch in ihren Träumen. Konoha litt bis heute an den Folgen dieser Zeit und auch die Uchihas hatten damals rund ein Dutzend zum Teil erschreckend junge Mitglieder verloren. Und jetzt keine dreizehn Jahre später sollte wieder so etwas drohen? Und darüber hinaus sollte ihr Clan diesmal mit schuld daran sein? „Warum sollte ich dir glauben?“, fragte sie. Itachi schwieg einige Sekunden, dann fiel sein Blick plötzlich auf seine Hand, als würde er sich eben erst wieder darüber bewusst werden, dass er immer noch ihre darin festhielt. Dennoch ließ er nicht los. „Ich weiß es nicht“, gab er schließlich zu. „Ich habe dir nicht viele Gründe gegeben, mir zu vertrauen. Es tut mir leid, aber ich kann dir auch jetzt keine besseren geben, als die, die ich eben genannt habe. Ich fürchte, du musst es ganz allein entscheiden.“ Perplex starrte sie ihren Anführer an. Dieser hielt den Blick weiter gesengt und schien unter größter Anspannung eine Antwort von ihr zu erwarten. Legte er es tatsächlich in ihre Hände? Sie sollte entscheiden, wie es jetzt weitergehen und was mit ihm geschehen sollte? Dass er ihr objektiv betrachtet nicht viele Anlässe gegeben hatte, ihm zu vertrauen, war wohl nicht zu leugnen. Er hatte seine Macht über sie missbraucht und versucht sie systematisch von allem, was ihn und das Team betraf, fernzuhalten, ganz offenbar damit sie nicht bemerkte, was damit alles nicht stimmte. Und schließlich hatte er nun selbst zugegeben, dass er sich – aus welchen Gründen auch immer – gegen den Willen ihres Clans stellte, dass er mit jemanden paktierte, der die Uchihas entmachten wollte, dass er ein Verräter war. Ein furchtbar mulmiges Gefühl breitete sich in Makanis Magen aus. Auf den Verrat eines Ninja stand seit jeher keine geringere Strafe als der Tod… So eine Bestrafung war in Konoha zwar seit Ewigkeiten nicht mehr durchgeführt worden, aber die Uchihas waren dermaßen traditionsversessen, dass sie sich alles andere als sicher war, dass das auch so bleiben würde… Aber was war mit ihr? Hielt sie selbst Itachi für einen Verräter? Fühlte sie sich wirklich von ihm verraten? Sie sah auf ihre und seine Hand herab, auf die blassen, schlanken Finger. Sie spürte die seltsam vertraute kühle glatte Haut seines Handrückens und die rauen Schwielen, die der tägliche Gebrauch von Waffen auf der Handfläche hinterlassen hatte. Und sie erinnerte sich plötzlich überwältigend deutlich daran, wie sie damals nach dem Kampf mit Pain, in dem, wie ihr schien, schwächsten Moment ihres Lebens, eben diese Hand nicht mehr hatte loslassen wollen. Auf einmal hatte sie einen furchtbar schmerzenden Kloß im Hals und es fiel ihr schwer zu atmen. Nein, er hat mich nicht verraten... Vielmehr hatte er sich im entscheidenden Augenblick sogar über Befehle hinweggesetzt, hatte sich selbst und den Hatake völlig unverantwortlichen Risiken ausgesetzt – um sie zu retten! Sie schluckte schwer und wusste plötzlich, dass sie ihre Entscheidung schon längst getroffen hatte, und auch, dass es eine erschreckend egoistische Entscheidung war – zumindest für eine Kunoichi, denn sie dachte dabei weder an ihren Clan noch an ihr Dorf. Ja, sie glaubte ihm, dass er die Dinge, die er zu ihr gesagt hatte, diesmal tatsächlich ernst meinte. Ob allerdings die Einschätzung der Situation, mit der er sein Handeln begründete, stimmte, wusste sie nicht – woher auch? Aber in diesem Moment war weder das eine noch das andere ausschlaggebend. „Ich werde nichts sagen.“ Itachi schloss kurz die Augen und atmete hörbar aus. „Danke!“, sagte er mit heiserer Stimme und drückte für einen Moment Makanis Hand, dann ließ er sie nach einem letzten Zögern schließlich los. Sie spürte, wie sich ihre innere Verkrampfung ein Stück weit löste, doch gleichzeitig fühlte sich ihre Hand sofort seltsam kalt an. Sie erwiderte: „Du musst dich nicht bedanken. Aber ich würde gern noch mehr wissen. Vieles von dem, was du gesagt hast, ist völlig neu für mich.“ Der Uchiha nickte. „Was möchtest du wissen?“ Makani überlegte, dann fragte sie: „Was ist mit Shisui? Kannst du ihm nicht auch erklären, warum du tust… was immer du tust? So wie du es mir eben erklärt hast? Würde es für euch nicht leichter sein?“ Itachi zog die Brauen hoch und sah Makani ziemlich erstaunt an. Also echt, dachte Makani mit einem neuen Anflug von Ärger, hatte er sie denn für blind und taub gehalten, oder was? „Mensch Itachi, es war gestern wirklich nicht zu übersehen, dass in unserem Team noch weit mehr im Argen liegt, als bloß die durch meine unerwünschte Anwesenheit verursachten Schwierigkeiten...“ „Du bist nicht...“, setzte der Uchiha an, doch er brach mitten im Satz ab und verzichtete darauf, sie zu verbessern. Er musste selbst gemerkt haben, wie unglaubwürdig es geklungen hätte. Schließlich lächelte er matt und erwiderte stattdessen: „Ja, das war wohl wirklich keine gute Vorstellung gestern.“ Dann wurde seine Miene wieder sehr ernst. „Shisui würde es nicht verstehen...“, sagte er und es klang erschreckend traurig. „Er ist der loyalste Mensch, den ich kenne. Er würde es nicht ertragen, wenn er vor derselben Wahl stünde wie du heute.“ Nachdem Itachi das gesagt hatte, sah er plötzlich erschrocken auf. „Damit meine ich nicht, dass du unloyal wärst!“, versicherte er beinah hastig und Makani musste unwillkürlich schmunzeln. Itachis Worte hatten sie nicht beleidigt. „Schon gut. Ich weiß, dass ich mit unserem Clan nicht ebenso tief verbunden bin wie ihr. Nun ja, ihr habt zwar auch nie um mein Engagement gebettelt, aber spätestens nach Akanes Tod war es meine eigene Entscheidung, mich vom Leben im Clan abzuwenden.“ Itachi sah sie sehr aufmerksam an. „Ich habe dich manchmal für diese Freiheit beneidet“, sagte er nachdenklich. Für einen kurzen Moment glaubte Makani, sich verhört zu haben. „Dein Ernst?“, fragte sie ungläubig. Ihr Team-Leader nickte. Dann verfielen beide in verlegenes Schweigen. Schließlich lachte die Kunoichi unsicher: „Tja nun, so lange hat es ja nicht gehalten mit der süßen Freiheit, oder? Ein einziger Glückstreffer auf einer Mission hat ausgereicht und ich finde mich in einer Einheit wieder, in die ich nicht wollte, und mit so vielen Uchiha-Angelegenheiten konfrontiert, wie noch nie in meinem Leben...“ Dann seufzte sie schwer. Eigentlich wusste sie nicht so genau, ob sie das Ganze nun zum Lachen oder nicht doch viel mehr zum Heulen fand. „Darf ich dich etwas fragen, Makani?“ Verwundert horchte die Kunoichi auf. „Äh… ja.“ „Weißt du wirklich nicht, wie du es damals auf der Mission geschafft hast, diese Nukenin zu besiegen?“ Irritiert erwiderte Makani für einen kurzen Moment den Blick ihres Anführers, dann wich sie ihm aus und schaute stattdessen auf ihre Hände hinunter. Zögernd antwortete sie: „Wie ich zu Koguma gesagt habe, es war eine gewaltige Menge konzentriertes Natur-Chakra…“ Aber sie hatte nicht alles gesagt damals… „Also“, fuhr sie fort, „es hat … ein Gewitter gegeben während des Kampfes. Ein Blitz ist in der Nähe eingeschlagen, eine gewaltige Energieentlagung! Ich vermute, dass ich diese Energie für meinen Angriff nutzen konnte…“ Sie schaute wieder auf. Itachis Blick wirkte konzentriert, sonst verriet sein Geschichtsausdruck jedoch nichts. „Tja, tut mit leid, dass ich dich enttäuschen muss. Ich bin wohl doch nicht so nützlich für die ANBU, wie erhofft“, sagte sie mit einem müden Grinsen. „Was meinst du damit?“ „Naja, solange wir in Zukunft nicht ausschließlich während Gewittern kämpfen, kann ich meinen Beitrag im Team wohl nur mithilfe solider Durchschnittsfähigkeiten leisten…“ Makani stockte in ihrer halb ernst gemeinten Rede. Ihren Beitrag im Team leisten? War ein Leben und Arbeiten im Team nach all dem, was sie heute erfahren hatte, denn noch denkbar? War so etwas überhaupt je möglich gewesen? Wie sollte es jetzt weitergehen?   „ITACHI!“   Makani fuhr erschrocken zusammen. Die tiefe dröhnende Stimme war durch die geschlossene Tür zum Flur gedrungen und hatte die beiden jäh in ihrer Unterhaltung erstarren lassen. Sie sah zu Itachi: Dieser hatte die Hände zu Fäusten geballt und seine Miene drückte höchste Anspannung aus.                *  *  * Kapitel 13: Familienbande I --------------------------- Die Tür wurde mit einem Ruck aufgerissen und ein Mann betrat das Zimmer mit wenigen gemessenen, aber zugleich forschen Schritten. Er war eigentlich nicht besonders groß, trotzdem ließ ihn seine Ausstrahlung riesig erscheinen. Der Eindruck wurde noch dadurch verstärkt, dass Makani immer noch auf dem Boden saß und etwa einen Meter zu dem strengen Gesicht des Eingetretenen hochschauen musste. Uchiha Fugaku, das Oberhaupt des Uchiha-Clans und Leiter der Polizei von Konohagakure, hatte die Fähigkeit, einen Raum, ohne etwas sagen oder tun zu müssen, mit seiner Autorität vollkommen zu beherrschen. Plötzlich nahm Makani eine Bewegung am Rand ihres Blickfeldes wahr. Sie wandte den Blick von Fugakus Gesicht ab und sah, dass hinter ihm halb vom Türrahmen verborgen jemand ins Zimmer lugte: Sasukes Gesichtsausdruck wirkte trotzig, aber gleichzeitig auch einen Hauch schuldbewusst, doch als der Junge merkte, dass Makani auf ihn aufmerksam geworden war, verschwand er sofort wieder. „Itachi, wenn du Besuch empfängst, verlangt es die Höflichkeit, dass du deinen Eltern deinen Gast vorstellst“, sagte Fugaku mit kalter Stimme, jedoch ohne seinen Sohn dabei anzusehen. Sein Blick war auf Makani gerichtet, welche unbewusst den Kopf zwischen die Schultern einzog und Itachis Vater eingeschüchtert musterte. Bis auf die schwarzen Haare und Augen sowie die mittlere Körpergröße sah er ihrem Team-Captain nicht sonderlich ähnlich. Er hatte harte Gesichtszüge, einen breiten Kiefer und schmale, entschlossene Augen. Makani wusste, dass Itachi, was das Äußere betraf, eher nach seiner Mutter schlug: eine ernste, schweigsame Frau mit feinen klaren Zügen. Dann schielte sie wieder zu ihrem Team-Captain. Er saß ihr immer noch wie versteinert gegenüber, den Blick auf seinen Vater gerichtet. Was machte ihm solche Angst? Befürchtete er, Makani könnte ihn doch noch verraten? Oder hatte er etwa Angst um sie beide? Musste sie sich selbst auch vor dem Oberhaupt des Uchiha-Clans fürchten? Es stimmte, es konnte kaum gut sein, dass Fugake von ihrer Anwesenheit erfahren hatte, zumal sie doch in den letzten Jahren so gut wie nichts mit dem Clan-Erben zu schaffen gehabt hatte. Das musste ja verdächtig erscheinen. Genau aus diesem Grund war es Itachi wahrscheinlich auch so wichtig gewesen, dass man ihn, Shisui und Makani nicht zusammen sah. Der Clan sollte nicht wissen, dass sie bei der ANBU war. Oder wussten sie es längst? Verdächtigte der Clan auch sie eine Verräterin zu sein? Makani schaute ihren Team-Captain hilfesuchend an. Es gab noch so vieles, was sie nicht wusste. Doch natürlich konnte sie nichts aus seiner Miene lesen, was ihr in dieser Situation geholfen hätte, sich richtig zu verhalten. Doch je länger die beiden Fugaku wie zwei ertappte Diebe anstarrten, umso verdächtiger würden sie sich machen. Sie musste sich ganz dringend eine Ausrede für ihr Hiersein überlegen und es musste eine gute sein! Die Kunoichi erhob sich, verbeugte sich tief und wollte gerade zum Sprechen ansetzen, doch genau in diesem Moment sprang Itachi plötzlich auf und baute sich zwischen ihr und seinem Vater auf. „Entschuldige Tousan!“, sagte er steif. „Es war schon so spät, da wollte ich nicht stören. Wir wollten aber gerade –„ Fugake brachte seinen Sohn mit einer gebieterischen Handbewegung zum Schweigen, bei deren Anblick Makani scharf die Luft einsog, denn die Geste war absolut identisch gewesen mit jener, mit der ihr Team-Leader Shisuis Widerworte am vergangenen Tag Einhalt geboten hatte. „Wenn es zu spät ist, um deinen Besuch vorzustellen, dann ist es wohl auch zu spät, um Besuch zu empfangen. Aber sei’s drum… Ich werde Makani jetzt nach Hause bringen.“ Itachi versteckte seine Emotionen zwar wie gewohnt gut, aber Makani sah ihm seine Irritation deutlich an – und sie konnte es ihm nur allzu gut nachempfinden. Schon allein, dass das Clan-Oberhaupt auf Anhieb ihren Namen wusste, hätte sie kaum erwartet. Eigentlich war sie immer davon ausgegangen, dass Fugaku von ihrer Existenz nie wirklich Notiz genommen hatte. Und jetzt schien er noch nicht einmal wissen zu wollen, warum sie hier war, sondern wollte sie stattdessen mitten in der Nacht selbst nach Hause bringen… Was um alles in der Welt konnte er damit bezwecken? Sie musste unbedingt auf der Hut sein! Der ältere Uchiha trat einen Schritt auf Makani zu. Gleichzeitig wich Itachi einen Schritt zurück und streckte leicht einen Arm nach hinten aus; ganz als wolle er sichergehen, dass Makani ja hinter seinem Rücken in Sicherheit blieb. Es sah tatsächlich so aus, als würde er jeden Moment einen Angriff vonseiten Fugakus erwarten. Plötzlich kam der Kunoichi das Ganze irgendwie übertrieben und sogar ein wenig lächerlich vor. Als ob Fugaku sie plötzlich hier in seinem eigenen Haus anfallen würde, ausgerechnet er, der Oberbefehlshaber der Polizei. Ja, er war durchaus eine furchteinflößende Persönlichkeit, aber er war doch wohl nicht komplett irre. Und überhaupt, was hatte sie sich denn bitte zu Schulden kommen lassen? Sie hatte lediglich dem Befehl des Hokage folgegeleistet und war in die ANBU, die angesehenste Kampfeinheit ihres Dorfes, eingetreten. Nein, sie hatte keine Lust mehr, sich von allem und jedem einschüchtern zu lassen und mal hier und mal dort hin schubsen zu lassen! Entschlossen machte sie einen Schritt zur Seite und dann noch einen weiteren auf das Clan-Oberhaupt zu. „Entschuldige, Fugaku-sama, dass ich so spät noch gestört habe! Vielen Dank für dein Angebot, aber ich finde auch allein nach Hause.“ Was für ein lächerlicher Gedanke war das denn auch? Traditionelle Höflichkeit hin oder her sie war eine kampferprobte Kunoichi! Doch kaum hatte sie ausgesprochen, da traf sie der eiskalte Blick Fugakus unerwartet heftig und Makani erstarrte, denn ganz genau auf diese furchtbar unangenehme Weise hatte Itachi sie bereits einige Male zuvor angesehen… Offenbar war sie zu voreilig gewesen anzunehmen, ihr Team-Captain sei seinem Vater überhaupt nicht ähnlich. „Ich werde dich jetzt nach Hause bringen“, sagte er und Makani sah buchstäblich, wie ihr mühsam zusammengerafftes Selbstbewusstsein abermals in sich zusammenfiel. Itachi schien es jedoch ähnlich zu gehen, wie die Kunoichi nicht ohne Erstaunen feststellte. Er stand einfach mit starrer Miene da, als sie mit gesenktem Blick auf Fugaku zulief, der ihr gebieterisch den Weg zur Tür wies. Halb erwartete sie, dass er noch irgendetwas tun, dass er noch irgendwie eingreifen würde. Doch dann war sie auch schon im Flur und nichts war geschehen. Sie blickte stur vor sich auf den Boden und spürte die Präsenz des Uchiha-Oberhauptes unangenehm hinter sich. Nun war sie auf sich allein gestellt; sie musste ohne Itachis Hilfe mit dieser Situation zurechtkommen. Für den Moment fiel ihr nichts Besseres ein, als zügig den Weg zurückzulaufen, den ihr Team-Captain zuvor mit ihr gegangen war: durch den Flur des Seitenflügels bis zum Eingangsbereich. Dort schlüpfte sie flink in ihre Schuhe und eilte dann, ohne sich umzusehen, in den Garten hinaus. Und auch hier hielt die Kunoichi nicht an, sondern steuerte schnurstracks die Gartenpforte an. Dabei hielt sie ein Tempo, das noch gerade so als gehen durchgehen und nicht schon als rennen bezeichnet werden musste. Trotzdem hörte sie bald Fugakus forsche Schritte auf dem Kiesweg dicht hinter sich. Wahrscheinlich hätte man von ihr erwartet, dass sie warten und sich von ihm führen lassen würde – Makani biss sich auf die Unterlippe und legte noch einen Hauch an Geschwindigkeit zu. Sie verließ das Grundstück und überquerte den völlig verlassen daliegenden Uchi-niwa, den zentralen Platz des Uchiha-Viertels. In die Mauer, die den runden Platz etwa zur Hälfte umgab, war in der Mitte ein Fächer aus farbigem Glas eingelassen. Durch diesen schien gerade der Mond und tauchte den Platz in ein gespenstisches rotes Licht. Obwohl die Nacht ausgesprochen mild war, fröstelte Makani. Sie fragte sich, wie spät es wohl war; während des Gesprächs mit Itachi schien sie vollkommen das Zeitgefühl verloren zu haben. Es kam ihr wie eine Ewigkeit her vor, dass sie auf dem gleichen Weg hergekommen war, um ihren Team-Captain aufzusuchen. Als sie auf die schmale Straße einbog, die in westliche Richtung vom Uchi-niwa weg und schließlich nach etwas mehr als einem halben Kilometer zu Tekkas Haus führte, schloss Fugaku zu ihr auf. Makani warf ihm einen verstohlenen Blick von der Seite zu. Der Ältere schwieg ebenso beharrlich wie sie selbst und hatte den Blick fest nach vorne gerichtet. Die Kunoichi machte sich in Gedanken einen weiteren Haken auf ihrer Vater-Sohn-Vergleichsliste. Je länger sie so nebeneinander herliefen, desto größer wurde Makanis Verwunderung. Sie war fest davon ausgegangen, dass Fugake mit seiner Order, sie zu begleiten, irgendetwas bezweckt hatte, aber auch als das Haus ihres Adoptivcousins schließlich in Sicht kam, hatte das Clan-Oberhaupt immer noch keinen Ton von sich gegeben. Hatte er sie etwa tatsächlich einfach nur nach Hause bringen wollen? – um seinem Sohn irgendeine Lektion zu erteilen und eine hoffnungslos überholte Tradition zu wahren? Doch dann waren sie auch schon da und Makanis Grübeleien kamen vorerst zum Erliegen. Unschlüssig blieb sie vor dem Eingang zum Garten stehen. „Tja, ähm… danke, ich werde dann jetzt - “, setzte sie an, doch brach dann ab. Fugaku hielt nämlich nicht an, sondern ging zielstrebig auf die Haustür zu. Makani verdrehte die Augen und trottete widerwillig die letzten Meter hinter ihm her. Aber auch hier verabschiedete er sich nicht von ihr, sondern hämmerte dermaßen laut an die Tür, dass der Schall von der Wand des gegenüberliegenden Hauses zurückgeworfen wurde und Makani erschrocken einen Schritt zurückwich. Als daraufhin nichts geschah, wiederholte er den Vorgang und steigerte die Kraft, mit der er auf die Tür eindrosch, sogar noch. Da endlich regte sich etwas im Haus: Es rumpelte, ein Shōji wurde unwirsch aufgestoßen und Tekkas Stimme drang aus dem Inneren: „Verdammt noch mal! Wer ist da? Was soll das um diese Zeit?“ Das gedämpfte Fluchen näherte sich und schließlich erschien Tekkas ebenso verschlafenes wie verärgertes Gesicht im Türrahmen. Er brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, wer da vor ihm stand, doch dann wich mit einem Mal die Schläfrigkeit aus seinem Ausdruck und ihm klappte vor Verwunderung leicht der Mund auf. „Fu- Fugaku-san… Was? Ist etwas passiert?“ Er sah Makani scharf an. Offenbar schien er davon auszugehen, dass sie irgendetwas angestellt haben musste. Fugaku legte eine Hand auf die Schulter der Kunoichi. „Dein Schützling hat meinem Sohn einen nächtlichen Besuch abgestattet“, sagte er kühl. Tekka klappte die Kinnlade komplett herunter und Makani schoss augenblicklich die Schamesröte ins Gesicht… So wie er es ausgedrückt hatte, musste es ja falsche Assoziationen wecken, völlig falsche Assoziationen! Ihr Cousin wirkte nun vollends überfordert mit der Situation. Er stammelte: „Äh, was?! Wieso? Ich meine… das ist ja –„ „ – unangebracht, sehr richtig. Und ich finde angesichts der späten Stunde sollte sie auch nicht noch länger hier draußen herumstehen.“ „Sicher!“, rief Tekka hastig. „Los, ab ins Haus mit dir Makani und dann sofort ins Bett!“ Die Kunoichi spürte angesichts des kommandierenden Tons Ärger in sich aufsteigen. Der Neffe ihrer Ziehmutter hatte seit Wochen so gut wie kein Wort mit ihr gewechselt. Sie war in letzter Zeit immer ziemlich spät von ihren Trainingseinheiten nach Hause gekommen; er hatte dann meistens bereits geschlafen oder war selbst im Dienst und nicht zu Hause gewesen. Doch so weit sie das beurteilen konnte, hatte es ihn nicht allzu sehr gestört, dass er sie noch seltener als sonst zu Gesicht bekommen hatte… Und jetzt tat er auf einmal besorgt und verantwortungsvoll?! Sie warf ihm einen giftigen Blick zu und machte Anstalten, an ihm vorbei ins Haus zu gehen, doch Fugaku verstärkte den Druck seiner Hand auf ihre Schulte und hielt sie so zurück. „Einen Moment noch. Es stimmt, es ist sehr spät, aber ich würde trotzdem gerne noch etwas mit dir und Makani besprechen. Ist das möglich?“ „Ah, sicher, sicher! Natürlich!“, erwiderte Tekka und sah Fugaku zerstreut an, doch dieser hob bloß die Augenbrauen und wartete schweigend ab, bis bei dem anderen Uchiha endlich der Groschen fiel. „Oh ja, verzeih… komm doch rein!“ Er führte sie in die Küche. Dort setzte sich Fugaku an den kleinen Tisch am Fenster und beobachtete Tekka bei seinem kläglichen Versuch, Tee zuzubereiten. Unter anderen Umständen hätte der in Haushaltsdingen völlig unfähige Shinobi seine Frau das übernehmen lassen, doch Kyoko war zu Besuch bei ihrer Familie. Makani, die bei der Tür stehen geblieben war, verfolgte Tekkas Bemühungen ebenfalls mit vor der Brust verschränkten Armen und zusammengezogenen Brauen. Sie verspürte keine besonders große Lust, ihm zu helfen. Als er dann endlich drei dampfende Becher auf den Tisch stellte, breitete sich im ganzen Raum ein penetranter Geruch nach Suppe aus. Sie vermutete, dass es sich bei dem, was Tekka als Tee identifiziert hatte, um getrocknete Zwiebeln und Pilze handelte, eine Mischung, die Kyoko als Zutat für ihre Eintöpfe verwendete. „Nun“, begann Fugaku den ihm zugeschobenen Becher ignorierend, „setz dich doch, Makani.“ Er wies auf einen dritten Stuhl. Die Kunoichi zögerte, doch dann trat sie widerwillig aus den Schatten und setzte sich dem Uchiha gegenüber. Dieser nickte mit einem Ausdruck im Gesicht, den man beinah schon als wohlwollend bezeichnen konnte, und betrachtete Makani eine Weile schweigend. Sie wich seinem Blick aus uns sah stattdessen Tekka an, dem die Situation sogar noch unangenehmer zu sein schien als ihr. Um irgendetwas zu tun zu haben, nahm er einen Schluck von seinem Gebräu und erschauerte. „Ich freue mich zu sehen, zu was für einer prächtigen Kunoichi du dich in den letzten zwei Jahren entwickelt hast“, sagte Fugaku schließlich und die Angesprochene sah irritiert auf. „Ich weiß, es war sicherlich nicht leicht für dich nach Akanes Tod… umso beeindruckender ist, was du trotz dieser widrigen Umstände erreicht hast.“ Als Makani den Anführer des Uchiha-Clans daraufhin nur schweigend anstarrte, versetzte Tekka ihr unter dem Tisch einen Stoß mit seinem Knie. „Danke…“, sagte sie tonlos. „Ich fürchte, der Clan hat dir bei dieser Entwicklung nicht immer die Aufmerksamkeit und Unterstützung zukommen lassen, die dir zugestanden hätte… Ich hoffe, dass zumindest Tekka dir in der Zeit ein angemessenes Zuhause bieten konnte.“ Makani schielte zu ihrem Cousin rüber. Dieser stierte grimmig in seinen Teebecher und schien am liebsten darin versinken zu wollen. Fugaku jedoch sah sie mit hochgezogenen Augen an und schien tatsächlich eine Antwort von ihr zu erwarten. Was wollte er denn von ihr hören? Dass sie sich im Grunde nie ganz im Clan zuhause gefühlt hatte, vor Akanes Tod ebenso wenig wie danach? Dass es eine denkbar schlechte Idee gewesen war, sie bei Tekka unterzubringen, denn das stellvertretende Oberhaupt der Polizei von Konaha war mit Sicherheit ein begnadeter Gesetzeshüter, aber mit trauernden Teenagern hatte er absolut nichts anfangen können? War sie dem Clan wirklich so gleichgültig, dass das alles niemandem aufgefallen war? „Wir sind ganz gut zurechtgekommen“, murmelte Makani und wich dem Blick Fugakus erneut aus. „Das freut mich“, erwiderte er. „Dann wundert es mich aber umso mehr, dass du bisher noch zu keiner Ratssitzung erschienen bist… Du bist alt genug und die nötigen Qualifikationen als Ninja erfüllst zu schon eine ganze Weile.“ Da hatte er nicht ganz Unrecht; sie war nun schon seit über zwei Jahren Chunin. Normalerweise wurde ein junges Mitglied des Uchiha-Clans bald nach der Prüfung von seinen engsten Angehörigen in den Familienrat eingeführt. Aber Akane hatte es damit nicht eilig gehabt und schließlich war es gar nicht mehr dazu gekommen. „Naja, ich habe nie eine Einladung erhalten – „ Doch dann stockte die Kunoichi und sah Tekka scharf an. Nein, das stimmte nicht ganz. Er hatte es versucht, damals als sie zur Feldübung mit der ANBU aufgebrochen war. „Das ist ein äußerst bedauerliches Versäumnis“, sagte Fugaku und sah sie durchdringend an. „Dann, Uchiha Makani, spreche ich hiermit eine offizielle Einladung an dich zu unserer nächsten Ratssitzung aus. Nimmst du sie an?“ Er stand auf und streckte ihr seine Hand entgegen. Makani sah skeptisch und etwas überrumpelt zu ihm hoch. Sie war sich nicht sicher, was sie von all dem halten sollte. Noch vor wenigen Wochen hätte sie sich aufrichtig über diese Einladung gefreut, hätte vielleicht sogar endlich die alte Bitterkeit wegen des Verhältnisses zu ihrer Familie hinter sich lassen könne – aber jetzt? Sie hielt es für äußerst unwahrscheinlich, dass Fugaku ausgerechnet jetzt ganz von selbst darauf gekommen war, das arme halbherzig aufgenommene Findelkind stärker in die Clan-Gemeinschaft zu integrieren… Itachi hatte versucht, sie vor seinem Vater zu schützen, vielleicht hatte er genau diese Situation verhindern wollen? Andererseits, es war nur eine Ratssitzung. Was sollte schon passieren? Und mit etwas anderem hatte ihr Team-Captain definitiv Recht gehabt: Sie musste selbst entscheiden, was sie für richtig hielt. Und momentan wusste sie immer noch viel zu wenig über ihre eigene Familie, um sich ein Urteil bilden zu können… Nein, sie mochte Fugaku nicht, aber er allein war nicht der Clan – auch wenn sein Führungsstil gelegentlich einen solchen Anspruch zu erheben schien. Aber es gab andere Clanmitglieder, die Makani sehr wohl mochte… Es half nichts; sie musste selbst sehen, was dran war an den Dingen, die Itachi ihr anvertraut hatte! Makani straffte die Schultern und stand ebenfalls auf. Sie ergriff die Hand des Clan-Oberhauptes und versuchte ihm dabei möglichst fest in die Augen zu schauen. „Ich werde kommen.“ Nachdem Tekka Fugaku zur Tür gebracht hatte, kam er zurück in die Küche, setzte sich wieder an den Tisch und blieb dort einfach schweigend und mit hängenden Schultern sitzen. Makani war gerade damit beschäftig, den ‚Tee‘ zu entsorgen und die Becher abzuspülen, doch währenddessen schielte sie immer wieder zu ihrem Cousin hinüber, der so bedröppelt aussah, wie sie ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Schließlich war sie fertig mit dem Geschirr. Sie trocknete sich die Hände ab und wandte sich dann zögerlich zum Gehen. „Äh, gute Nacht“, sagte sie, aber es klang eher wie eine Frage. Tekka sah eindeutig so aus, als wolle er noch etwas sagen, aber hätte plötzlich vergessen, wie reden funktionierte. Er tat Makani fast ein wenig leid. „Es ist… schön, dass du endlich mal zu einer Sitzung kommst“, brachte er schließlich mühsam hervor. Makani verschränkte die Arme vor der Brust und sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Tekka räusperte sich. „Ja, ja, ich weiß, ich hätte dich schon viel früher einladen sollen… ach was, ich hätte…“ Der breitschultrige Uchiha sackte noch weiter in sich zusammen. „Ich hätte sehr vieles tun sollen. Dir ein schöneres Zuhause bieten zum Beispiel! Aber Fugaku hat Recht; du hast dich wirklich prächtig entwickelt!“ Plötzlich verzog sich sein Mund zu einem etwas schiefen Lächeln. „Wenn ich an das Häuflein Elend denke, das hier vor zwei Jahren ankam… Ich meine, es war ja verständlich, du hattest gerade deine Ziehmutter verloren. Aber du hast über Wochen kein einziges Wort gesprochen. Ich dachte schon, mit dir stimmt ernsthaft etwas nicht. Man hat gar nicht gemerkt, ob du da warst oder nicht. Nur manchmal bist du plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht, wie ein kleiner Hausgeist oder sowas…“ Dann sah er wieder betreten auf seine Hände hinunter. „Also, ich fürchte, ich war dir damals keine große Hilfe. Aber sieh dich jetzt an! Du bist eine gestandene Kunoichi! Der Clan kann wirklich stolz auf dich sein. Und… und das wird er auch, da bin ich sicher.“ Tekka schien auf einmal selbst erschrocken über seine ungewohnt emotionale Rede zu sein. Er kratzte sich verlegen am Kopf. Dann stand er langsam auf und ging ein paar zögerliche Schritte auf Makani zu; seinen Blick hatte er dabei auf den Boden gerichtet. „Wie auch immer“, murmelte er. „Ich kann meine früheren Versäumnisse wohl kaum wieder rückgängig machen und du bist mittlerweile fast erwachsen, aber vielleicht… vielleicht können wir ja trotzdem…“ Er verstummte. Seine rhetorischen Fähigkeiten schienen offenbar nicht auszureichen, um in Worte zu fassen, was er denn nun gern versuchen wollte. Aber Makani glaubte, ihn dennoch ganz gut verstanden zu haben. „Okay“, sagte sie schlicht. Tekka sah auf und brachte ein weiteres schiefes Halblächeln zustande, dann schien er abermals nicht weiterzuwissen. Nach einer keinen Weile verlegenen Schweigens breitete er die Arme etwas aus, bewegte sich ein paar weitere Zentimeter auf Makani zu, hielt dann aber mit einem ziemlich verkrampften Gesichtsausdruck inne. Als könne er sich einfach nicht überwinden, die angedeutete Handlung in die Tat umzusetzen. Schließlich erlöste ihn Makani, indem sie ihm ihre Hand entgegenstreckte und sagte: „Einverstanden, ich freue mich auf die Ratssitzung.“ Der Ältere atmete hörbar aus und ergriff die Hand der Kunoichi. „Gute Nacht, Tekka“, murmelte sie mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen und wandte sich der Tür zu. „Ah, Makani, noch etwas…“ Sie drehte sich wieder um und sah, dass Tekka plötzlich besorgniserregend rot im Gesicht geworden war. „Äh, ich wollte nur sagen… also, lass besser die Finger von Fugakus Sohn.“ Die Kunoichi spürte, wie ihr Gesicht sofort eine ganz ähnliche Farbe annahm wie das ihres Cousins. „Nein, wirklich, so ist das nicht! Ihr habt da was missverstanden!“, versicherte sie hastig und hob abwehrend die Hände. Tekka schaute verlegen und grimmig zugleich drein. „Wie es auch immer ist“, brummte er, „es wäre mir lieber, wenn du nicht so viel Umgang mit ihm hättest.“ Makani stutzte und plötzlich war die Neugier größer als die Verlegenheit. „Wieso nicht?“ Tekkas Gesichtsausdruck wurde daraufhin noch grimmiger. Er zögerte einen Moment, dann antwortete: „Ach, dem ist sein Talent zu Kopf gestiegen und fängt dort an, ihm das Hirn zu vernebeln. Kein guter Charakter. Geh auch bald ins Bett, ja?“ Er klopfte ihr auf die Schulter und verließ die Küche. Kapitel 14: Familienbande II ---------------------------- In dieser Nacht lag Makani noch lange wach, während die Erlebnisse der vergangenen Tage unablässig durch ihre Gedanken geisterten. Doch trotz der inneren Unruhe fühlte sie sich allemal besser als noch am Abend zuvor. Sie hatte das Gefühl, dass sich der Nebel, in dem sie herum irrte seit dem Tag, an dem Koguma sie in sein Büro bestellt und in die ANBU aufgenommen hatte, etwas gelichtet hatte, dass sie endlich festeren Boden unter ihren Füßen spürte und nicht mehr nur blind von einem Ereignis ins nächste stolperte. Vielleicht würde sie ja doch noch in ihrem neuen Team ankommen und irgendwann richtig mit Itachi und Shisui zusammenarbeiten können – vielleicht sogar schon bald. Bei diesem Gedanken stahl sich ein kleines Lächeln in das Gesicht der Kunoichi. Aber dann dachte sie an ihren Anführer und wie furchtbar bedrückt er bei ihrem Gespräch gewirkt hatte… Er hatte offenbar ganz andere Sorgen, als sich um den Aufbau eines guten Teams zu kümmern. Er schien tatsächlich überzeugt, dass ernsthafte Gefahr drohte. Doch war die Lage tatsächlich so dramatisch? Oder hatte sich Itachi vielleicht einfach nur etwas zu sehr in einen Konflikt mit seinem Vater hineingesteigert? Und selbst wenn es tatsächlich Spannungen zwischen den Clans, der ANBU und wer wusste noch für Parteien gab, warum sollte sich dafür keine Lösung finden lassen? Solche Konflikte hatte es ja mit Sicherheit immer wieder gegeben. Mehr noch: Konoha war selbst das Ergebnis des Friedensschlusses zwischen den Clans im Hi no Kuni und gleichzeitig die Garantie für dessen Fortbestand – es gehörte zu den wichtigsten Aufgaben all seiner Würdenträger genau solche Querelen zu befrieden! Und nicht zuletzt war es schließlich der Uchiha-Clan höchstpersönlich gewesen, der das Dorf mitbegründet, der diese Institution des Friedens mitgeschaffen hatte. Es gehörte zum Selbstverständnis all seiner Mitglieder für die Bewahrung dieses Friedens in ganz besonderem Maße verantwortlich zu sein… Über solchen und ähnlichen zuversichtlichen Überlegungen schlief sie schließlich irgendwann ein. Am nächsten Morgen fühlte es sich irgendwie nicht richtig an für Makani, ihren gewohnten einsamen Trainingsalltag einfach wieder aufzunehmen. Von ihrer sonstigen Routine abweichend machte sie daher nach dem Aufstehen zunächst einen Abstecher zum ANBU-Hauptquartier in der vagen Hoffnung, ihre Kollegen persönlich dort anzutreffen oder wenigstens einen weiteren Brief von Itachi mit neuen Instruktionen in ihrem Schrank vorzufinden, doch ihre Erwartungen wurden enttäuscht. Daraufhin trödelte sie noch eine Weile unentschlossen in der Zentrale herum, bis es ihr irgendwann zu unangenehm wurde, untätig zwischen den einigermaßen geschäftig wirkenden ANBUs herumzulungern. Wenig motiviert machte sie sich schließlich doch auf den Weg zum Übungsgelände am Rande des Uchiha-Viertels, der wie immer um diese Tageszeit völlig verlassen da lag. Nachdem sie sich halbherzig aufgewärmt hatte, beschloss sie mit einem Anflug des über die letzten Wochen angestauten Trotzes Trainingsplan Trainingsplan sein zu lassen und sich stattdessen mit der Boju no Jutsu-Choreographie, die sie mit Shisui ausprobiert hatte, zu beschäftigen. Vielleicht würden sie ja doch bald die Gelegenheit bekommen, daran weiterzuarbeiten. Und tatsächlich: nach drei Durchläufen, in denen die Kunoichi hochkonzentriert versucht hatte ein bestimmtes Tempo ganz exakt beizubehalten, trafen endlich zwei weitere Personen auf dem Platz ein, bei deren Anblick sich Makanis Herzschlag sofort in freudiger Erregung beschleunigte. Als die beiden auf sie zu liefen, hob Shisui grüßend die Hand und grinste breit. Itachi grinste natürlich nicht, aber Makani bildete sich ein, dass seine Miene irgendwie weniger düster wirkte als sonst. Er musterte sie sehr aufmerksam, beinah erwartungsvoll. „Vorbildlich wie immer, Makani. Konoha ist kaum mit dem Frühstück fertig, und du hast schon wieder das halbe Trainingsfeld umgegraben“, spöttelte Shisui und zwinkerte der Kunoichi zu. Zerstreut blickte sie sich um. Tatsächlich hatte sie beim Ausführen der Übungen eine beachtliche Anzahl Furchen und Häufchen aufgewühlter Erde um sich herum hinterlassen. Sie stemmte die Hände in die Hüften und antwortete betont ernst: „Na, dann sind meine Bemühungen wenigstens zu irgendetwas nütze. Tekka regt sich immer furchtbar auf, wenn hier mal wieder alles zugewuchert ist…“ Shisui lachte laut, während Itachi zunächst so aussah, als wüsste er nicht genau, wie er Makanis Bemerkung einordnen sollte. Ein paar Sekunden erlaubte sie sich, seine leichte Verunsicherung zu genießen, dann antwortete sie seinem fragenden Blick mit einem versöhnlichen Lächeln. Sie freute sich einfach viel zu sehr, dass die beiden gekommen waren. „Nun, um vorbildlich zu sein, hast du allerdings in einem viel zu kleinen Radius gearbeitet“, bemerkte Itachi streng und ließ seinen Blick über das großzügige Gelände schweifen. Dann sah er wieder zu seinen Kollegen und für den Bruchteil einer Sekunde erschien ein spöttisches Funkeln in seinen Augen. „Mal sehen, was wir zu dritt ausrichten können…“ Was nun folgte, war allerdings alles andere als eine meditative Boju no Jutsu-Übung, sondern viel mehr knallhartes Gefächtstraining: Um endlich an ihren Fähigkeiten im Team-Kampf  zu arbeiten oder überhaupt erst einmal ein Gefühl für das gemeinsame Agieren mit ihren Kameraden zu bekommen, bildete Makani mit einem der beiden Uchihas ein Zweierteam, gegen das dann der jeweils Übriggebliebene allein antreten musste. Nach einer Weile wechselte dann ihr Partner und so ging es weiter – und wie es weiter ging! Die Kunoichi meinte bald, sich kaum jemals einem härteren Kampf gestellt zu haben – objektiv betrachtet stimmte das vermutlich nicht, aber für den Moment fühlte es sich jedenfalls genauso an, denn Makani bekam zwischen den unzähligen durchzuführenden und abzuwehrenden Angriffen kaum eine Sekunde Zeit zum Durchatmen, geschweige denn um sich ihre letzten richtigen Kämpfe auf Leben und Tod zu in Erinnerung zu rufen. In der ersten Runde griff sie gemeinsam mit ihrem Team-Captain Shisui an, wobei sie eine ähnliche Strategie verfolgten, wie die beiden Uchihas sie damals während der Übung gegen die anderen ANBUs eingesetzt hatten und bei der es vor allem darum ging, einen direkten Nahkampf so lang wie möglich zu vermeiden: Zunächst sollte eine Tirade ermüdender Shuriken-Attacken erfolgen, so schnell und verwirrend, dass der Angegriffene alle Hände damit zu tun hatte, den Geschossen auszuweichen. Immerhin, Shisui schien tatsächlich Mühe zu haben, die Handlungen der Kunoichi, die sich natürlich stets so gut wie möglich verbarg, zu verfolgen. Leider konnten ihm ihre Wurfsterne trotzdem kaum gefährlich werden, auch wenn er nicht erkennen konnte, von wo aus sie geworfen wurden. Dafür waren sie schlicht nicht schnell genug und überhaupt zu wenige – Für Fernkampfwaffen hatte Makani sich nie sonderlich erwärmen können… Während die Kunoichi auf diese Weise ziemlich viel Energie darauf verwendete, möglichst unsichtbar und immer in Bewegung zu bleiben, stand Itachi dagegen die ganze Zeit wunderbar sichtbar mitten auf dem Feld und rührte sich kaum vom Fleck. Dafür schoss er dabei unablässig mit Schuriken um sich in einem Tempo und mit einer Präzision, dass einem schwindlig werden konnte. Schließlich endete die Runde in einem kurzen Taijutsu-Zweikampf zwischen Itachi und Shisui, während Makani vor Anstrengung japsend daneben stand und erfolglos nach irgendeiner Möglichkeit suchte, ihren Anführer zu unterstützen. Als die beiden Shinobi schließlich voneinander abließen, warf Itachi Makani einen kurzen und, wie es ihr erschien, unzufriedenen Blick zu. Doch dann gab er ohne etwas zu sagen ein Zeichen, dass es weitergehen sollte. Itachi stellte sich bald als ein viel erbarmungsloserer Kontrahent heraus als sein älterer Cousin: Zunächst einmal setzte er von Anfang an sein Sharingan ein und Makani hatte ja bereits feststellen müssen, dass es ungleich schwerer war, sich vor der Kekkei Genkai des Uchiha-Clans zu verbergen. Itachi schien tatsächlich jede ihrer Bewegungen verfolgen zu können, egal wie sehr sie sich auch anstrengte. Und nicht nur das – er konzentrierte seine Angriffe mehr und mehr auf die Kunoichi, begann schließlich sie regelrecht zu jagen: Sie war die Schwachstelle des Duos, die es auszunutzen galt. Makani versuchte verzweifelt ihm irgendetwas entgegenzusetzen. Vergeblich. Schließlich gab sie nur noch alles, was sie hatte, und noch mehr, um sich wenigstens so lange wie möglich nicht von ihm erwischen zu lassen. Sie wusste längst nicht mehr, was Shisui eigentlich machte, sie rannte nur noch, sprang, wich aus und rannte wieder ihren Team-Captain keine Sekunde aus den Augen lassend, aber sie wusste, dass es nur noch eine Frage von Minuten war, bis sie ihre Kräfte verlassen würden. Als letztes griff sie zu einem Mittel, das sie früher manchmal eingesetzt hatte, als sie noch Schwierigkeiten gehabt hatte, ihre Verbergungskünste in Kämpfen einzusetzen: Sie kombinierte sie mit einfachen Genjutsus, die die Sicht des Opfers mit Illusionen von Nebel, Schatten oder Blitzen stören sollten. Und tatsächlich – Itachi fiel auf einmal etwas zurück und in der Kunoichi mobilisierte die daraufhin einsetzende Euphorie weitere Energie. Und dann war sie plötzlich hinter ihrem Anführer, sein ungeschützter Rücken in greifbarer Nähe. Aber in dem Moment, in dem sie ihn mit einem entsprechenden Griff außer Gefecht setzen wollte, wirbelte er herum und sie bekam nur seinen rechten Arm zu fassen, während sich seine linke Hand blitzschnell um ihren Hals schloss. Doch dann war Shisui auf einmal da und setzte Itachi ein Kunai an die Kehle und sie alle drei erstarrten gleichzeitig in ihrer Bewegung – Pattsituation:  Der Kampf war vorbei.   Sie verharrten noch ein paar Sekunden schwer atmend in dieser Position, bis sich der kurzhaarige Uchiha schließlich als erstes bewegte; er ließ die Waffe sinken, richtete sich auf und begann, seine Muskulatur zu lockern. „Schönes Training“, sagte er. „Davon hatten wir in letzter Zeit definitiv zu wenig.“ Schließlich löste auch Itachi den griff um Makanis Hals und, weil sie bezweifelte, dass sie ihre zitternden Knie noch länger tragen würden, ließ sie sich daraufhin einfach zu Boden sinken, legte sich flach auf den Rücken und versuchte, wieder zu Atem zu kommen. Ihre Muskeln und Lunge brannten wie Feuer und sie sah weiße Blitze vor den Augen. Erst nach etwa zwei Minuten fühlte sie sich wieder kräftig genug, um sich aufzusetzen. Ihre beiden Kameraden sahen ihr schweigend dabei zu. „Mir geht‘s gut!“, versicherte sie genervt.  Sie begann bereits sich mental für die Nachbesprechung zu wappnen, die nun unweigerlich folgen würde. Sie war sich sicher, dass sie eine ausgesprochen schonungslose Analyse erwartete, aber sie war entschlossen, das beste daraus zu machen. Schon jetzt erschien ihr der Kampf rückblickend betrachtet durchaus aufschlussreich und ihr fielen bereits spontan ein paar Dinge ein, die sie – und ihre Team-Kollegen! – hätten besser machen können. „Naja, also...“ Shisui räusperte sich. „Ich werd‘ dann mal. Ich muss… ich habe zu Hause zu tun.“ Er warf Itachi einen seltsamen Blick von der Seite zu, doch dieser zeigte nicht die geringste Reaktion. Irritiert sah Makani von einem Uchiha zum anderen. Erst jetzt fiel ihr auf, dass die beiden noch kein einziges Wort direkt miteinander gesprochen hatten, seitdem sie das Trainingsgelände betreten hatten, und zumindest Itachi schien auch jetzt nichts daran ändern zu wollen. Shisui schenkte der Kunoichi ein flüchtiges Lächeln, dann kehrte er ihr und seinem Team-Leader einfach den Rücken und verließ den Platz. Makani sah ihm stirnrunzelnd nach. Sie dachte an jene unerfreuliche, aber umso aufschlussreiche Szene, die vor wenigen Tagen ebenfalls an diesem Ort stattgefunden hatte. Noch bis vor kurzem hätte sie sich gar nicht vorstellen können, dass diese vorbildlichen Kampfpartner überhaupt in Streit geraten könnten. „Das sieht nicht gerade nach einem Wetterumschwung im Betriebsklima aus“, murmelte sie. Itachi schüttelte nur stumm den Kopf. Sein Gesichtsausdruck hatte zu einem üblicheren Maß an Düsternis zurückgefunden. Makani stand seufzend auf. Sie hatte es ja geahnt… Wie hatte sie auch annehmen können, dass nach all dem, was passiert war und was sie nun wusste, ein normaler Trainingsalltag im Team – was das auch immer genau bedeuten mochte – möglich sein würde. Sie rechnete schon damit, dass Itachi sich nun auch verabschieden würde, doch da hatte sie sich geirrt. Er klopfte sich nur sporadisch den Staub von der Kleidung, baute sich dann mit strenger Miene vor ihr auf und legte ohne Umschweife los: „Deine Shuriken-Technik ist mehr als mangelhaft. Du bist zu zögerlich. Du wartest zu lange auf die richtige Gelegenheit und dann führst du Angriffe nicht konsequent genug durch. Du hast nicht sonderlich viel Kraft und du verschwendest im Kampf viel zu viel davon.“ Nein, Makani musste sich korrigieren: Nach Uchiha-Maßstäben war dies wohl durchaus ein ganz normales, wenn nicht sogar vorbildliches Training gewesen: Drauflos kämpfen bis zum drohenden Erschöpfungstod, sich anschließend ohne Widerrede eine ordentliche Portion vernichtende Kritik abholen – was dich nicht umbringt, macht dich stark! -, zwischenmenschliche Konflikte ignorieren und hoffen, dass sie von allein verschwinden. Auf einmal hatte Makani Sehnsucht nach Herrn Nakamura und ihrem Klemmbrett… „Ja, du hast recht, danke“, erwiderte sie tonlos. „Zum Glück habe ich jetzt gleich beim Überwachungsdienst genug Zeit, um meine Kraftreserven wieder aufzuladen. Ich bin sowieso schon spät dran.“ Und ohne ihren Team-Leader noch eines Blickes zu würdigen schickte sie sich an das Gelände zu verlassen. Doch sie kam nur wenige Schritte weit. „Makani!“ Die Kunoichi unterdrückte ein Stöhnen. Sie hielt an, drehte sich um und sah, dass der Uchiha mit schnellen Schritten auf sie zu kam. „Was ist?“, fragte sie mit deutlicher Ungeduld in der Stimme. „Mein Vater…“, setzte er an, dann zögerte er, sah sich kurz um und fuhr dann etwas leiser fort: „Es hat lange gedauert gestern Nacht, bis er wieder zurück war. Zu lange… Was ist passiert?“ Die Kunoichi zuckte mit den Schultern. „Er hat mich nach Hause gebracht… Er ist noch kurz mit rein gekommen. Hat sich erkundigt, wie‘s mir so geht. Er war eigentlich ganz nett.“ Plötzlich schien sich Itachis Gesicht zu beleben: Es verzog sich zu einer missbilligenden Grimasse. „Mein Vater ist vieles, aber sicher nicht nett!“ Er kam noch näher und ergriff Makanis Arm. „Was hat er zu dir gesagt? Und viel wichtiger, was hast du zu ihm gesagt?“, verlangte er zu wissen. Makani entwand sich augenblicklich seinem Griff und antwortete angriffslustig: „Ich wusste nicht, dass ich dir auch noch darüber Rechenschaft schuldig bin, mit wem ich über was in meiner Freizeit spreche. Und wieso musst du bei so etwas plötzlich überhaupt nachfragen? Du bist ein Ninja und noch dazu ANBU! Warum hast du uns nicht einfach nachspioniert? Du warst doch sonst auch nicht sonderlich zimperlich – zumindest was meine Privatsphäre betrifft.“ Itachi starrte die Kunoichi mit geballten Fäusten an. Sie konnte buchstäblich sehen, wie es hinter seiner ausdruckslosen Stirn arbeitete. Er war es offensichtlich nicht gewohnt, dass man so mit ihm sprach. „Es wäre entschieden zu riskant gewesen, euch nachzuspionieren“, entgegnete er schließlich, wobei er das von ihr verwendete Wort mit übertriebener Betonung wiederholte. „Fugaku hätte es mit Sicherheit gemerkt; ich habe nicht deine Fähigkeiten auf diesem Gebiet.“ Makani entfuhr erneut ein Seufzer. Auch wenn es wahrscheinlich eher aus Versehen passiert war, besänftigte es sie irgendwie, dass er ihr damit so etwas Ähnliches wie ein Kompliment gemacht hatte.  Sie sah dem Uchiha fest in die Augen und sagte ernst: „Ich habe versprochen, dass ich dich nicht an den Clan verrate, Itachi. Glaubst du wirklich, ich gebe dir erst mein Wort und fange keine zehn Minuten später an ausgerechnet mit dem Clan-Oberhaupt über deine Geheimnisse zu plaudern?“ Er stockte, dann schüttelte er langsam den Kopf. „Nein, das habe ich nicht gedacht! Aber mein Vater ist, fürchte ich, zu fast allem fähig, um das zu erreichen, was er für notwendig oder richtig hält.“ „Er hat mir nichts getan“, versicherte Makani. „Er hat Tekka zu verstehen gegeben, dass er sich besser um mich kümmern soll und das nicht gerade sanft.“ Itachi runzelte leicht die Stirn, dann schien sich seine Anspannung endlich ein wenig zu lösen. „Bitte, es wäre wirklich sicherer, wenn du ihm aus dem Weg gehst. Ich bin mir sicher, dass er irgendetwas vorhat. Er wartet nur darauf, dass ich einen Fehler mache. Und spätestens jetzt hat er auch dich im Visier.“ Ein unangenehm flaues Gefühl breitete sich in Makanis Magen aus. Sie beschloss, Itachi besser erstmal nichts davon zu sagen, dass sie sich bereiterklärt hatte zur nächsten Familienratssitzung zu erscheinen. Es würde ihm definitiv nicht gefallen. Andererseits stellte sie überrascht fest, dass es ihr gar nicht behagte, nun ihrerseits Dinge vor ihm zu verheimlichen. „Weiß Fugaku, dass ich in der ANBU bin? Hat Shisui es dem Clan erzählt?“, wollte sie wissen. Der Uchiha schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, von Shisui weiß er es nicht, da bin ich sicher. Auch wenn er damit nicht ganz einverstanden war, haben wir von Anfang an entschieden, dich da raus zu halten. Du bist schließlich auf ganz anderem Weg in die Einheit geraten.“ Weil Koguma mich dabeihaben wollte, dachte Makani und sie beschlich das leise Gefühl, dass sie vielleicht doch noch nicht alle Gründe für die Entscheidung des ANBU-Oberhauptes kannte. „Aber es ist nicht auszuschließen, dass mein Vater es irgendwie anders herausgefunden hat. Und das wäre sehr ungünstig! Die ANBU ist für ihn der Feind…“, fuhr Itachi fort. Die Kunoichi schluckte und fragte leise: „Wie kam es, dass er dich verdächtigt zum Feind übergelaufen zu sein?“ Makani war mittlerweile recht gut darin geworden, in der verschlossenen Miene des Uchiha zu lesen: Er rang wieder einmal mit sich selbst, ob er ihr wirklich noch mehr preisgeben sollte. Tatsächlich konnte sie ihm das immer weniger verübeln. Es war lebenswichtig für ihn, dass diese Dinge geheim blieben… und nun hatte er auf einmal eine Mitwisserin, die auch noch immer mehr Details zu wissen verlangte. „Mein ursprünglicher Auftrag lautete, einen Weg zu finden, wie man Koguma aus dem Amt drängen kann. Ich denke, der langfristige Plan meines Vaters war, dass die Uchihas die Führung der ANBU übernehmen… dann hätte der Clan zwei der drei wichtigsten Machtpositionen des Dorfes in seiner Gewalt. Und dann…. Naja. Aber ich habe ihn immer wieder hingehalten und behauptet, es gäbe keine realistische Möglichkeit, gegen Koguma vorzugehen… Er hat mir ziemlich schnell nicht mehr geglaubt.“ Ein bitteres Lächeln erschien auf dem Gesicht des Shinobi. „Am Anfang hat er vielleicht einfach nur gedacht, ich sei feige… aber spätestens, seitdem Shisui dabei ist und ich dieses schlechte Theater immer noch weiterspiele –„ „Es ist widerlich, so etwas von seinem Sohn zu verlangen!“, platzte es plötzlich aus Makani heraus und sie konnte die Verachtung, die sie auf einmal empfand, kaum verbergen. „Ich meine, du warst fast noch ein Kind, als er dich in diesen Kampf geschickt hat, der dich in einen furchtbaren Loyalitätskonflikt bringt und dich, egal wie du dich entscheidest, zum Verräter macht.“ Itachi sah sie für ein paar Momente verwundert an, dann lächelte er wieder, aber in seinem Lächeln lag auf einmal eine völlig ungewohnte Wärme. „So denkt mein Vater leider nicht, Makani. Aus seiner Sicht hat er mir eine großartige Gelegenheit geboten, mich zu beweisen. Ich wäre der unangefochtene Held des Clans gewesen. Ich hätte in einigen Jahren Oberhaupt der ANBU und des Clans werden können und niemand hätte es gewagt zu behaupten, ich hätte diese Position einfach nur von meinem Vater geerbt… Ich hätte kaum eine Möglichkeit finden können, ihn tiefer zu enttäuschen. Naja…“ Die Wärme verschwand wieder aus Itachis Lächeln und die Bitterkeit kehrte zurück. „… im Grunde hat er immer befürchtet, dass ich zu weich bin. Und vor nicht allzu langer Zeit hätte ich noch alles dafür getan ihn vom Gegenteil zu überzeugen.“ Diese Worte ihres Team-Captains halfen Makani kaum, das Gefühl der Verachtung zu besänftigen, aber sie verbiss sich weitere Kommentare. Immerhin war es dieses Mal nicht Itachi, gegen den sich ihre Wut richtete. Dieser sah die Kunoichi nun beinah unsicher an, fast als fürchte er sich ein wenig vor ihrer Reaktion auf sein Geständnis. Sie hätte ihm gern noch mehr Fragen gestellt. Zum Beispiel wie es dazu gekommen war, dass er sich seinem Vater nun nicht mehr beweisen wollte und schließlich sogar gegen ihn arbeitete. Doch Itachi sah mittlerweile beinah ebenso erschöpft aus wie bei ihrem Gespräch am Abend zuvor und so brachte sie es nicht über sich. Ohnehin meinte sie einen Teil der Antwort bereits zu ahnen: Auf der einen Seite mochten Kogumas vernünftigere Ziele ihren Team-Captain wahrscheinlich wirklich überzeugt haben, aber zusätzlich hatte das ANBU-Oberhaupt ihm vielleicht durch seine warme väterliche Art etwas gegeben, zu dem Fugaku offensichtlich nicht im Stande war.   Schließlich fragte sie in sanfterem Ton: „Und wie soll es jetzt weitergehen?“ Itachi atmete hörbar aus und zuckte kaum merklich mit den Schultern. „Ich versuche so gut es geht, die Sache unter Kontrolle zu halten und herauszufinden, was im Clan vor sich geht und was mein Vater vorhat. Aber das ist nicht leicht, sein Vertrauen habe ich schließlich endgültig verloren.“ Ich könnte es versuchen, dachte Makani unwillkürlich. Fugaku hatte sie immerhin höchstpersönlich in den inneren Zirkel der Uchihas eingeladen. Sie könnte so tun, als wolle sie als junge ehrgeitige Clan-Tochter die ambitionierten Ziele des Oberhauptes unterstützen. Und sie musste ihm sogar ganz besonders geeignet erscheinen, war sie doch gerade erst durch einen glücklichen Zufall vom Hokage in die ANBU berufen worden… Plötzlich erschrak die Kunoichi vor ihren eigenen Gedanken. Wollte sie jetzt tatsächlich schon selbst in diesem gefährlichen Spiel mitspielen? Wollte sie wirklich so wie Itachi die tragische Rolle eines Doppelagenten annehmen und ihren eignen Clan verraten, nur weil Fugaku ein miserabler Vater war? Mit großer Mühe zwang sie sich zur Besonnenheit. Sie sollte nichts überstürzen! „Alles klar, das klingt nach einem handfesten Plan… Und was soll ich solange tun?“, fragte sie endlich. Itachi verdrehte tatsächlich leicht die Augen angesichts Makanis sarkastischer Bemerkung. Dann verschränkte er die Arme vor der Brust und zog die Augenbrauen hoch. „Also, so viel ich weiß, solltest du seit mindestens einer Dreiviertelstunde deinen Aufgaben in der Zentrale nachgehen.“ Als der Kunoichi draufhin die die Gesichtszüge entglitten, hörte sie ihren Team-Captain das erste Mal lachen.       *       Kapitel 15: Familienbande III ----------------------------- Zu Makanis Erstaunen, musste sie sehr bald zugeben, dass Itachi vor seinem Teilgeständnis nicht nur leere Versprechungen gemacht hatte. Der Überwachungsdienst an diesem und auch an den folgenden Tagen gestaltete sich tatsächlich um Welten abwechslungsreicher als in den Wochen zuvor. Die Ursache dafür kam allerdings aus einer ziemlich unerwarteten Richtung: Offenbar hatte die Observationskoodinatorin Yūgao von dem Uchiha das Okay erhalten, Makani von ihren Pseudoaufgaben zu erlösen und sie stattdessen endlich ernsthaft in die Arbeit der Überwachungszentrale einzuführen. Nun stellte sich heraus, dass Yūgao keineswegs nur Protokolle abzeichnete und abheftete oder Überwachungsdienste koordinierte. Ihre eigentliche Aufgabe bestand vielmehr darin, sich um die aufwändige Technik, die hinter dem von der ANBU unterhaltenen Dorfüberwachungssystem steckte, zu kümmern, es zu warten, stetig zu erweitern und zu verbessern. Und es wurde schnell deutlich, dass die sonst so schweigsame Kunoichi dieser Tätigkeit mit größter Leidenschaft nachging und auf einmal gar nicht mehr so schweigsam war, wenn es um Kameras, Mikrofone und sonstige Übertragungstechnik ging. Yūgao war zeitweise nur noch schwer in ihren hochmotivierten Ausführungen zu bremsen; sie skizzierte für Makani große Teile des über das Dorf verteilten Überwachungsnetzes, zeigte ihr diverse von ihr entworfene technische Prototypen, zerlegte sie zu Demonstrationszwecken, erklärte und erklärte… Er schien, als hätte sie seit Ewigkeiten auf jemanden gewartet, der ihr zuhörte und vor dem sie ihr ganzes angehäuftes Knowhow ausbreiten konnte. Makani gab sich jedenfalls große Mühe den schier endlosen Ausführungen zumindest in den Grundzügen zu folgen. Besonders in den ersten Tagen war sie jedoch mit der Flut an Informationen hoffnungslos überfordert. Die junge Chunin war es nicht gewohnt, sich mit solch anspruchsvollen technischen Dingen auseinanderzusetzen, was allerdings kaum verwunderlich war. Als Ninja auf derlei Hilfsmittel zurückzugreifen, die nichts mit Chakren und Jutsus zu tun hatten, war in Konoha keine besonders hoch angesehene Praxis und die Behandlung in der Ausbildung nahm sich dementsprechend oberflächlich aus. Makani selbst wäre nie der Gedanke gekommen, dass Kenntnisse in diesem Bereich, die über das Bedienen eines Funkgerätes hinausgingen, tatsächlich nützlich sein könnten – ein großer Irrtum, wie sich nun zeigte. Bald ahnte sie, dass dieses ausgeklügelte Überwachungssystem, welches Yūgao ihr da zu erklären versuchte, so etwas wie einen Grundpfeiler der ANBU darstellte. Mit seiner Hilfe blieb die Einheit für die Dorfbewohner die meiste Zeit über so gut wie unsichtbar und trotzdem hatte sie stets die Lage in und um Konoha im Blick. Makani konnte sich nur all zu lebhaft vorstellen, wie gerade die traditionsbewussten Uchihas über diese Erweiterung des Ninja-Handwerks die Nase rümpfen würden und Tekka würde wahrscheinlich lieber Harakiri begehen, als zuzugeben, dass eben solche Hilfsmittel auch die Arbeit der Polizei, die zu einem großen Teil aus personalintensiven Patrouillegängen bestand, enorm erleichtern würde. Je klarer ihr also wurde, in was für einen wichtigen Bereich der Einheit man ihr nun Einblick gewährte, desto stärker wurde auch ihr Interesse geweckt und ebenso ihr Ehrgeiz, so viel wie nur möglich von dem zu verstehen, was Yūgao ihr erklärte – oder es zumindest versuchte. Schließlich ließ die Observationskoodinatorin Makani sogar während ihres Dienstes kleinere einfache Aufgaben außerhalb der Zentrale erledigen, wie etwa das Ersetzen einer defekten Kamera oder eine kleinere Reparatur vor Ort. Aufgrund ihrer mangelnden Kenntnisse war ihre Erfolgsquote allerdings nicht sehr rühmlich. Bei ihrem zweiten Einsatz dieser Art verursachte sie sogar einen Kurzschluss, der einen Großteil des Kameranetzes komplett lahmlegte und für einiges an Aufregung im Hauptquartier sorgte. Als Makani anschließend zerknirscht und ratlos in der Überwachungszentrale ankam, ließ sich Koguma gerade von Yūgao die Ursachen für den Zwischenfall darlegen. Diese berichtete ihm bereitwillig den technischen Hergang in allen Einzelheiten, wobei dem ANBU-Oberhaupt aber sehr bald vom Gesicht abzulesen war, dass er den Ausführungen seiner Untergebenen noch weniger gut folgen konnte als Makani, und schließlich gab er sich mit Yūgaos Versicherung zufrieden, dass es sich wirklich nur um eine Panne und keinen sonstigen ernsten Notfall handelte. Zu Makanis größter Erleichterung und Dankbarkeit hatte Yūgao es geschafft, in ihrem Bericht mit keinem Wort die Urheberin dieser Panne zu erwähnen. Den Schaden behoben die beiden Kunoichis anschließend in einer anstrengenden, aber überaus lehrreichen Nachtschicht. Und so vergingen die nächsten zwei Wochen für Makani plötzlich wie im Flug. Beinah vergessen waren bald die unendlich zähen Nachmittage, die sie größtenteils damit verbrecht hatte, Herrn Nakamura bei seiner Porzellanmalerei zu beobachten. Schließlich klärte sich endlich auch, warum das Haus des Alten das wohl am besten überwachte in ganz Konohagakure war: Yūgao nutzte es als eine Art Experimentierfeld für ihre neusten Tüfteleien. Gerade entwickelte und erprobte sie mit großem Eifer verschiedene Verschlüsselungsmethoden für Bild- und Tonsignale, denn sie erklärte: „Wenn jemand unsere Leitungen findet und anzapft, dann weiß er sehr bald alles, was wir auch wissen… nicht, dass irgendwer in Konoha die nötigen Kenntnisse dafür hätte, aber es wäre doch sehr unprofessionell, diese Möglichkeit völlig auszuschließen, nicht wahr?“ Und stolz zeigte sie Makani drei weitere Kanäle, die erst nach der Eingabe eines sechsstelligen Schlüssels Bilder von weiteren Orten in Herrn Nakamuras Haus in die Zentrale übertrugen: Speisekammer, Gartenschuppen und Toilette. Makani verstand zwar wieder allerhöchstens die Hälfte von dem, was Yūgao dozierte; das tat ihrer wachsenden Faszination jedoch keinen Abbruch. Die tägliche Arbeit mit der älteren Kunoichi machte ihr mehr und mehr Spaß und ließ sie sogar beinah vergessen, dass sie ihre eigenen Teamkollegen seit dieser einen gemeinsamen Trainingseinheit nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Denn noch bei einer weiteren Sache hatte Itachi Wort gehalten: Er hatte offenbar tatsächlich Ausschau nach weiteren geeigneten Trainingspartnern für sie gehalten und diese erwarteten sie nun täglich nach ihrem Dienst in der Zentrale auf dem Übungsgelände. Also trainierte Makani nun mit niemand anderem als Hatake Kakashi Nahkampf, während sie mit Toras Teamkollegen Baku an ihrer Shurikentechnik arbeitete. Als Itachi ihr in seinem Zimmer dieses Vorhaben eröffnet hatte, hatte das ihr Geduldsfass zum Überlaufen gebracht. Es hatte sie gekränkt und wütend gemacht, dass ihr Team-Captain offenbar nicht selbst mit ihr arbeiten und sie stattdessen an andere Trainingspartner abschieben wollte. Doch jetzt musste sie sich eingestehen, dass es tatsächlich nicht das Schlechteste war, das ihr hatte passieren können, denn so bekam sie endlich den Kopf soweit frei, um sich überhaupt angemessen aufs Training konzentrieren zu können. Darüber hinaus waren Kakashi und Baku ohne Zweifel ausgezeichnete Übungspartner und Makani machte schnell beachtliche Fortschritte mit ihnen. Nein, tatsächlich war sie erleichtert, denn sie spürte schnell, wie gut es ihr tat, wieder etwas Abstand von Itachi, Shisui, dem Clan und allen damit verbundenen Sorgen und Schwierigkeiten zu bekommen. Aber obwohl sie versuchte so wenig wie nur möglich darüber nachzudenken, wusste sie doch, dass es nur eine Frage der Zeit sein konnte, bis sie all das wieder einholen würde, dass es für sie schon lange keinen Weg zurück in ihr einigermaßen unbekümmertes altes Leben mehr gab, auch wenn es sich gerade ein klein wenig so anfühlen mochte... Sie hatte verstehen wollen und bald würde sie sich den Folgen stellen müssen und der Verantwortung, die sie nun Itachi und vielleicht sogar der ANBU gegenüber trug, und die sie auf der anderen Seite selbst beansprucht hatte, als sie die Uchihas als ihre Familie bezeichnet hatte. Auch wenn Yūgao so diskret wie möglich vorging, war es Makani durchaus nicht entgangen, dass die ältere Kunoichi stets peinlichst darauf achtete, sie aus jenem Bereich des Überwachungsnetzes herauszuhalten, der den Clan betraf. Auch Yūgao zu Liebe hatte Makani es einfach hingenommen und so getan, als würde sie es nicht bemerken. Es war anzunehmen, dass Yūgao lediglich Befehle ausführte und Makani hatte nicht den Eindruck, dass die Obervationskoodinatorin viel mehr wusste. Aber es erinnerte sie dennoch zunehmend unangenehm daran, dass mitnichten alles in Ordnung war, dass die gefühlte Bedrohung keine reine Einbildung von Itachi oder ihr selbst war, auch wenn sie sich zu gern dieser Illusion hingegeben hätte. Und so konnte sie es nicht verhindern, dass ihre innere Anspannung und Beunruhigung schließlich doch wieder mit jedem Tag wuchs, der ohne größere Ereignisse vorüberging. War dies vielleicht nur eine Schonfrist, bis man auch sie endgültig vor die Wahl stellen würde: die ANBU oder die Uchihas?   * Gegen sechs Uhr an einem lauen Abend Anfang September begann sich der Uchi-niwa im Herzen des Uchiha-Viertels allmählich zu beleben. Nach und nach erschienen aus allen Richtungen immer mehr dunkelhaarige Menschen – hauptsächlich Männer – in dunkler Kleidung mit einem rot-weißen Fächer auf dem Rücken und sammelten sich in losen Grüppchen vor dem prächtigen Dōjō, unterhielten sich gedämpft und schienen auf etwas zu warten. Schließlich betrat auch ein junges Mädchen mit langen walnussbraunen Haaren und großen braunen Augen den Platz. Sie bewegte sich etwas zögerlich auf den Dōjō zu und blickte sich suchend um. Zwei oder drei der umstehenden Uchihas warfen ihr dabei etwas verstohlene Blicke zu. Endlich entdeckte sie einen jungen Mann mit kurzen lockigen schwarzen Haaren, der am Rande des Uchi-niwa gegen einen Baum gelehnt stand, und ihr Gesicht erhellte sich. Lächelnd lief sie los und winkte dabei, doch der junge Mann, der tief in Gedanken versunken seinen Blick auf die Erde gerichtet hatte, bemerkte sie erst, als sie direkt vor ihm stand und ihn ansprach: Oh, Shisui-senpai, wie schön dich zu sehen!“ Der junge Mann schreckte auf und sah für einen kurzen Moment etwas verwirrt aus. „Ach, Izumi-chan, du bist‘s ...“, sagte er dann. Das Mädchen begann wieder sich suchend umzuschauen, wobei das Lächeln langsam aus ihrem Gesicht verschwand. Während sie den Blick weiter über den Platz schweifen ließ, fragte sie an Shisui gewandt: „Bist du allein gekommen?“ Er schien nicht ganz zu verstehen, was die junge Kunoichi meinte. „Äh, ja. Ich hatte vorher noch im Dorf zu tun. Wieso?“ „Aber es geht doch bald los, kommt Itachi später?“ Shisuis Miene verfinsterte sich. Ein ungewohnter Anblick, da der junge Uchiha sonst meist sein typisches verschmitztes Grinsen zur Schau trug. Doch durch den mürrischen Ausdruck verstärkte sich plötzlich die normalerweise nicht sonderlich auffällige Ähnlichkeit mit seinem jüngeren Cousin. „Er kommt nicht, Izumi.“ Die Angesprochene wandte sich augenblicklich wieder Shisui zu und sah in erschrocken, beinah entgeistert an. „Aber… das geht nicht! Er hat doch schon das letzte Mal gefehlt. Ich habe ihn heute morgen im Dorf gesehen. Er ist nicht auf Mission… Was stimmt denn nicht mit ihm?“ Shisui zuckte mit den Schultern. „Fugaku wird schon Bescheid wissen. Das ist wohl eine Sache zwischen ihm und Itachi. Mach dir nicht zu viele Gedanken.“ Doch Izumi schienen diese Worte nicht im Geringsten zu beruhigen. „Wie kannst du das zu abtun?! Du hast Fugakus Gesicht doch selbst gesehen, als Itachi das letzte Mal nicht aufgetaucht ist. Ich glaube, ich habe ihn noch nie so böse gesehen… Nein, ich werde Itachi holen!“ Sie drehte sich entschlossen um und wollte davoneilen, doch Shisui hielt sie ebenso entschlossen am Arm fest. „Lass es, Izumi! Wir sollten uns da wirklich nicht einmischen. Wenn Itachi nicht kommen will, dann kommt er nicht… du kennst ihn doch.“ „Aber...“ Das Gesicht der jungen Kunoichi drückte Verzweiflung aus. „… ich will doch nur wissen, was los ist!“ „Das wird er dir dann schon sagen, wenn er es für richtig hält. Lass uns einfach abwarten und kein Drama drum machen. Das würde alles wahrscheinlich nur noch schlimmer machen. Ich habe eh keine Ahnung, wo er gerade ist. Du etwa?“ Izumi schien ein paar Momente hin und her gerissen, doch dann fügte sie sich schließlich. Sie verzichtete auf weitere Einwände und sah mit düsterer Miene zum Dōjō hinüber. Schließlich sagte Shusui in deutlich sanfterem Ton: „Denk dran, du bist das jüngste Ratsmitglied. Du hast noch einiges zu tun, ehe es losgeht.“ „Was muss das jungste Mitglied denn tun“, fragte Makani und trat noch einen Schritt näher an Shisui und Izumi heran, die beide erschrocken zusammenfuhren. „Makani?!“, rief Shisui verwirrt, „was machst du denn hier… Wie lange stehst du da schon?“ „Ich bin eben gerade gekommen“, log die Kunoichi in betont gelassenem Ton. Niemand musste unbedingt wissen, wie aufgeregt sie war und dass sie sich schon seit über zwei Stunden auf dem Uchi-niwa aufhielt und das Treiben auf dem Platz beobachtet hatte. An ihrem einzigen freien Tag in der Woche hätte sie sich zwar wirklich sinnvollere und angenehmere Tätigkeiten vorstellen können, aber sie war einfach viel zu nervös gewesen, um sich auf etwas anderes zu konzentrieren. „Ja, und was machst du hier?“, fragte Shisui noch einmal, doch Izumi fiel ihm ins Wort: „Sag nicht, du wirst heute eingeführt?“ Die dunkelhaarige Kunoichi strahlte. Makani machte diese offen ausgedrückte Freude verlegen. „Äh ja, irgendwie schon, glaube ich. Fugaku hat mich eingeladen.“ „Das ist ja wunderbar, Makani! Ich dachte schon, du würdest nie in den Rat eintreten und den Clan bald endgültig verlassen.“ Ja, das habe ich auch geglaubt, dachte Makani und erwiderte Izumis impulsive Umarmung etwas steif. Shisui zog skeptisch die Stirn kraus und brummte: „Wäre das nicht eigentlich Tekkas Aufgabe gewesen?“ „Es wäre Akanes Aufgabe gewesen...“, murmelte Makani und bereute es sofort, als sie die Gesichter der anderen beiden jungen Uchihas sah. Nach ein paar Momenten betretenen Schweigens sagte Izumi mitfühlend: „Es ist schön, dass Fugaku es jetzt persönlich an ihrer Stelle getan hat. Es tut uns allen leid, dass sie dich nicht mehr selbst einführen konnte.“ „Ja“, antwortete Makani nur und wünschte sich, sie könnte einfach wieder gehen. Was wollte sie denn eigentlich hier? Akane hatte ihre Einführung nicht ohne Grund länger hinausgezögert. Die alte Kunoichi hatte nicht viel von diesem ganzen Zirkus gehalten und war selbst nur unregelmäßig zu den Ratsitzungen erschienen, was nicht selten zu Unmut unter den anderen Clanmitgliedern geführt hatte. Letztendlich war es aber trotzdem toleriert worden, da Akane eine angesehene Jonin gewesen war, die sich viele Male für Konohagakure und somit auch für die Uchihas verdient gemacht hatte. Aber sie? Sie war doch einfach nur Makani, eine einfache kleine Chunin und ein Findelkind ohne Stammbaum noch dazu. Sie verfügte nicht über das Selbstbewusstsein oder die Stellung, um sich hier zu behaupten so wie ihre Ziehmutter oder Itachi und das hatte Akane vermutlich ganz genau gewusst. Im diesem Moment erreichte eine weitere Guppe Männer den Uchi-niwa; unter ihnen befand sich auch Tekka. Als er Makani bemerkte, nickte er ihr zufrieden zu und sie spürte, wie sie sich sofort ein wenig entspannte. Sie hätte es zwar selbst nicht für möglich gehalten, aber ihr Cousin, der einzige lebende Uchiha, der sie zumindest ein bisschen kannte, schien tatsächlich anderer Meinung zu sein: Er glaubte, dass der Clan stolz auf sie sein sollte – und würde. Und noch dazu hatte nun sogar niemand anderes als Fugaku persönlich dafür gesorgt, dass sie dem Clan eben nicht für immer verloren ging. Doch dann wurde die Kunichi aus ihren Gedanken gerissen, als Izumi plötzlich ihre Hand ergriff. „Komm“, sagte sie, „Ich zeige dir, was die Aufgaben des jüngsten Ratsmitgliedes sind.“   *   Makani konnte sich nicht erinnern, wann genau sie das letzte Mal im Dōjō des Uchiha-Clans gewesen war; sie wusste nur, dass es sehr lange her war. Als sie den riesigen, nahezu leeren Raum nun wieder betrat, verschlug ihr die Luft darin für die ersten Momente den Atem und ließ sie abrupt am Eingang stehen bleiben. Es roch nach altem Holz, kaltem Rauch und irgendetwas, das plötzlich schmerzhaft etwas lange Verdrängtes in ihr wach rief – keine konkreten Erinnerungen, vielmehr ein Gefühl. Dieser Ort war Teil einer Kindheit, bei der sich die Kunoichi die vergangenen Jahre große Mühe gegeben hatte zu vergessen, dass es sie gegeben hatte. Izumi dagegen durchquerte den Raum zielstrebig und riss die großen Schiebetüren zur Veranda auf der Rückseite des Gebäudes auf. Als daraufhin frische Luft durch Makanis Haare strich, atmete sie erleichtert auf. Die dunkelhaarige Kunoichi lachte: „Es kommt mir komisch vor, dir das hier zu zeigen. Du bist doch eigentlich älter als ich.“ Das stimmte, Uchiha Izumi war ein paar Monate jünger als Makani, doch soviel sie wusste, schon beinah ebenso lange Chunin. Trotzdem hätte Makani nie damit gerechnet, dass die jüngere Uchiha Mitglied im Rat das Uchiha-Clans war. „Das macht doch nichts“, antwortete Makani und lächelte, „Du bist hier ja tatsächlich die Erfahrenere von uns beiden. Und wenn ich diesen Job ab jetzt übernehmen soll, muss ich ja wissen, was zu tun ist.“ Izumi erwiderte das Lächeln und machte eine wegwerfende Handbewegung. „Ach, es ist wirklich kaum der Rede wert! Ein bisschen lüften, das Räucherwerk vorbereiten und die Wandbehänge anbringen. Zum Schluss lasse ich die Leute rein. Das war‘s. Aber wir können das gern die nächsten Male zusammen erledigen. Oh, es es ist einfach toll, dass du jetzt mit dabei bist!“ Ihr Lächeln wurde noch breiter und sie klatschte vor Begeisterung einmal in die Hände. „Es gibt einfach viel zu wenig junge Leute hier. Und jetzt bin ich endlich nicht mehr das einzige Mädchen. Ich sag dir, es ist nicht immer einfach hier mit den ganzen alten Männern. Da sollten wir zusammenhalten!“, sagte sie verschwörerisch und gestikulierte dabei mit ihrer zur Faust geballten Hand. Dann lachte sie wieder, lief zum einzigen Möbel im Raum, einem großen Schrank aus massivem beinah schwarzem Holz, und holte eine große Menge Räucherutensilien heraus, während sie munter weiter plapperte: „Ich meine, es wäre ja wirklich eine Schande für den Clan gewesen, dich zu verlieren! Du warst doch immer schon so talentiert...“ Jetzt musste Makani lachen, wenngleich sie sich nicht sicher war, ob aus Belustigung oder aus Verlegenheit. „Hey, ich mein‘s ernst!“ Izumi sah sie streng an. „Naja, das sind aber wohl nicht unbedingt Talente, für die sich unser Clan so gerne rühmt“, erwiderte Makani immer noch grinsend, „Ich kann weder außergewöhnlich gut mit Feuer umgehen, noch kann ich mit übermenschlicher Sehkraft dienen. Eigentlich bin ich nur im Verstecken unschlagbar, zumindest solange mich keine Sharinganträger suchen.“ Die jüngere Kunoichi schüttelte energisch den Kopf. „Sich gut verstecken zu können, ist eine überaus nützliche Fähigkeit für eine Kunoichi! Und was das Sharingan betrifft – wir haben momentan kaum eine Handvoll Shinobi, die es wirklich beherrschen. Unser Clan hat keine Zukunft, wenn wir uns nur auf diese Kekkei Genkai verlassen und nicht offen für Neues sind; das sagt mittlerweile selbst Fugaku.“ Verwundert hörte Makani auf; diese Argumentation kam ihr irritierend bekannt vor. „Ja, da hat er wahrscheinlich recht“, murmelte sie und löste sich endlich von der Eingangstür, um Izumi bei der Vorbereitung des Räucherwerks zu helfen. Vielleicht, überlegte sie, tat sich ja tatsächlich langsam etwas in dieser eingestaubten Gemeinschaft. Immerhin schienen sie ihre verstockten Prinzipien mittlerweile soweit relativiert zu haben, dass sie sogar das Kind einer in Ungnade gefallenen Clan-Tochter in den Rat aufgenommen hatten. Makani schielte verstohlen zu Izumi hinuber, die gerade mit einer Zange glühende Kohlenstücke auf kleine Messingpfannen verteilte. Eigentlich, dachte sie, hatte dieses Mädchen einen noch schwierigeren Stand im Clan als sie selbst. Ihre Mutter hatte heimlich einen Nenashi geheiratet und die Uchihas noch vor Izumis Geburt für immer verlassen. Sie lebte zwar noch in Konoha, der Clan hatte den Kontakt zu ihr aber vollkommen abgebrochen. Izumi hatte später während ihrer Zeit auf der Akademie auf eigene Faust und ziemlich hartnäckig noch dazu die Nähe zum Clan ihrer Mutter gesucht, ein Verhalten, das bei Makani Verständnislosigkeit, wenn nicht sogar leichte Missbilligung hervorgerufen hatte. Doch es war ohne Zweifel bemerkenswert, dass diese noch etwas kindlich wirkende Kunoichi die Uchihas offenbar soweit von sich überzeugt hatte, dass sie sie nun als vollwertiges Clan-Mitglied anerkannten. „Wer hat dich denn in den Rat eingeführt?“, fragte Makani in beiläufigem Ton, beobachtete die dunkelhaarige Uchiha jedoch sehr aufmerksam. Sie hatte ja ebenfalls keine näheren Angehörigen im Clan, die es für sie hätten tun können. War es etwa so wie bei ihr selbst das Clan-Oberhaupt höchstpersönlich gewesen? Als Izumi auf diese Frage bei ihrer Tätigkeit inne hielt und Makani anblickte, wurde diese beinah geblendet durch das Strahlen im Gesicht der Jüngeren. „Weist du das etwa nicht? Darüber haben sich doch mindestens zwei Wochen lang alle das Maul zerrissen...“ „Ach weißt du, ich habe schon ziemlich lange nichts mehr von dem mitbekommen, was im Clan passiert.“ „Hmm, schade eigentlich“, erwiderte Izumi, „hier geht es lange nicht so öde zu, wie du vielleicht denkst. Ich bin im letzten Herbst eingeführt worden und ich sage dir, die Versammlung war wirklich sehenswert; das wird so schnell keiner vergessen. Naja zugegeben, die ganze Sache war schon ziemlich heikel… Es ist wirklich ein Glück, dass alles so gut ausgegangen ist.“ Sie schien für ein paar Momente ihren Erinnerungen nachzuhängen. „Erzählst du mir jetzt, was passiert ist, oder nicht?“, fragte Makami nach einer Weile leicht belustigt. Daraufhin sah Izumi sie bedeutungsschwer an und verkündete: „Ich weiß, es klingt seltsam, aber Itachi hat mich eingeführt.“ Als sie daraufhin Makanis völlig perplexen Gesichtsausdruck sah, brach sie in Gelächter aus. „Genauso hat der Rat auch reagiert, als Itachi mich hier angeschleppt hat. Ich hätte ehrlich gesagt auch nicht gedacht, dass es funktioniert. Es war Itachis Idee. Mir kam es ziemlich verrückt vor.“ „Wow“, brachte Makani schließlich hervor, „das war nett von ihm, oder?“ „Jaaa und vor allem wahnsinnig mutig! Ich hab mir nie irgendwelche Hoffnungen gemacht, dass der Rat mich jemals aufnehmen würde. Aber traurig war ich manchmal schon darüber. Es ist ja auch irgendwie gemein, findest du nicht? Ich kann doch nichts für die falschen Entscheidungen meiner Mutter. Doch Itachi meinte, es gäbe keinen Grund, es nicht einfach zu versuchen. Der Clan könne es sich gar nicht leisten, auch nur einen jungen Ninja abzuweisen. Und da hat er ja auch recht…“ „Und der Rat hat Itachis Antrag einfach so akzeptiert?“ fragte Makani skeptisch, woraufhin Izumi schelmisch grinste. „Na, das kann man nicht direkt behaupten... Zunächst haben alle ziemlich blöd aus der Wäsche geguckt. Damals war Itachi selbst das jüngste Ratsmitglied. Ziemlich unerhört also, dass er einfach anfängt, selbst neue Mitglieder zu rekrutieren. Danach wurde erst einmal stundenlang darüber diskutiert, ob über den Antrag überhaupt abgestimmt werden dürfe... es ging ziemlich heiß her dabei. Und obwohl sein eigener Sohn der Versucher für den ganzen Tumult war, hat sich Fugaku bis zum Schluss herausgehalten. Doch schließlich hat er ein Machtwort gesprochen. Itachi wisse genau, dass traditionell nur die Clanältesten oder enge Angehörige Aufnahmeanträge stellen. Und das habe seine guten Gründe. Itachi selbst würde das durch seine ‚jugendliche Anmaßung‘ noch einmal bestätigen. Er sei noch lange nicht reif genug, um zu erkennen, was das Beste für den Clan sei, und nicht in der Lage, seine eigenen Bedürfnisse hintenan zu stellen. Ich war mir absolut sicher, dass es damit gelaufen war...“ „War es aber offensichtlich nicht...“, ergänzte Makani und wartete gespannt darauf, dass Izumi in ihrem Bericht fortfahren würde. Diese hatte schließlich wieder damit begonnen, die Messingpfannen weiter vorzubereiten, indem sie nun kleine Klümpchen Räuchermaterial auf die glühenden Kohlen streute. „Nein“, hauchte sie und lächelte selig. „Ich war vollkommen eingeschüchtert von dem, was Fugaku gesagt hat, und ich wollte eigentlich nur noch weg. Aber dann hat Itachi absolut höflich darum gebeten, noch einmal sprechen zu dürfen. Er hat sich bei seinem Vater und dem ganzen Rat für seine Anmaßung entschuldigt. Er wisse, dass er eigentlich kein Recht dazu habe, trotzdem wolle er noch einmal inständig um meine Aufnahme bitten, denn tatsächlich sei er so etwas, wie mein engster Angehöriger hier. Und er sei sich nicht sicher, ob er selbst noch eine Zukunft in diesem Clan hätte, wenn seine … wenn seine zukünftige Frau nicht in den Rat aufgenommen werden könne.“ Den letzten Satz hatte sie beinah geflüstert, doch ihre Stimme vibrierte dabei vor Aufregung. „Ja, das hat er gesagt… Wahnsinn, oder? Tja, danach ist die Stimmung irgendwie gekippt und man wollte nun doch über meine Aufnahme abstimmen lassen. Naja, verflucht knapp war das Ergebnis trotzdem… Huch, ist alles in Ordnung? Du siehst so blass aus?“ Makanis Mund war plötzlich furchtbar trocken geworden. Mühsam brachte sie hervor: „Äh, ich wusste nicht… also, ich meine … seid ihr wirklich, oder...“ Izumi kicherte. „Ob wir wirklich verlobt sind, meinst du? Hmm, das kann man schon so sagen, denke ich... Aber glaub mir, damals hab ich auch gedacht, er blufft nur! Aber na ja, das ist schon eine Weile her und es ist viel passiert seitdem … Es hat zwar noch keine offizielle Zeremonie stattgefunden, aber ich denke, Itachi wird sehr bald darum bitten.“ „Dafür muss er aber erst einmal wieder zu den Ratssitzungen erscheinen...“ Die Worte waren Makani entschlüpft, ohne das sie in der Lage gewesen wäre, darüber nachzudenken, und sie hatten deutlich schärfer geklungen als angemessen. Und im nächsten Moment erschrak sie darüber, wie schnell Izumis Gesichtsausdruck von höchstem Glück zu tiefster Bedrücktheit wechseln konnte. „Hey, das wird schon wieder“, hörte Makani sich sagen, doch sie hatte absolut keine Ahnung, was sie damit meinte. Aus irgendeinem Grund, der ihr ganz und gar nicht gefiel, wurde ihr gerade ziemlich übel. „Ich fürchte Fugaku und noch ein paar andere haben Itachi den Coup bei meiner Aufnahme schon recht übelgenommen“, murmelte Izumi mit besorgter Miene. „Es war auch wirklich ziemlich dreist, das kann man nicht bestreiten. Deshalb verstehe ich auch nicht, warum er seinen Vater noch weiter provoziert. Und vor allen Dingen, das er mir nicht sagt, was eigentlich los ist… Itachi soll doch nach Fugaku Clan-Oberhaupt werden. Da kann es doch nicht klug sein, sich gerade jetzt in schwierigen Zeiten so aufzuführen, oder?“ Für eine Weile arbeitete sie schweigend weiter, doch als sie schließlich fertig war, blickte sie Makani nun mit entschlossener Miene an. „Nein, du hast Recht; es wird alles gut – es muss! Wir sind jetzt beide hier und alle werden sich bald an uns gewöhnen. Und Itachi wird sich auch wieder einkriegen und seine Verantwortungen übernehmen. Wir sind schließlich die Erben dieses Clans; ohne uns gibt es keine Zukunft.“ Sie stand auf und holte die Wandbehänge aus dem Schrank.     * * *       Kapitel 16: Uchiha Shisui I ---------------------------   Bleischwer hing der dunkel und animalisch riechende Rauch in der Luft, breitete sich mit jedem Atemzug brennend in Makanis Lungen aus und trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie kniff sie zusammen und versuchte hinter dem Nebelschleier die Gesichter der anderen Uchihas zu erkennen, die sich mit ihr in dem spärlich beleuchteten Dōjō befanden. Die meisten von ihnen knieten in zwei Reihen mit dem Rücken zu jeweils einer der beiden längeren Seiten des rechteckigen Raumes. Beinah jedes Gesicht, das die Kunoichi deutlich genug sehen konnte, schien Sorge, Wut oder zumindest starke Anspannung auszudrücken, und fast alle hatten den Blick auf eine dritte, kürzere Sitzreihe gerichtet, in der sechs weitere Männer Platz genommen hatten. Es waren die Ältesten des Clans, wobei dieser Titel ähnlich wie der des Ratsjüngsten nicht unbedingt etwas mit dem tatsächlichen Alter seiner Träger zu tun hatte. Es handelte sich um eine Art Führungsgremium, das gemeinsam mit dem Clan-Oberhaupt den Ratsvorsitz innehatte. In ihrer Mitte thronte Fugaku und ließ seinen strengen Blick über die Anwesenden wandern. Doch etwas störte die wohl durchdachte Symmetrie dieser Sitzordnung und Makani bildete sich ein, dass sich die ohnehin schon angespannte Atmosphäre dadurch noch einmal verstärkte: Eine große Lücke zu Fugakus Rechten machte auf unangenehme Weise unübersehbar, dass dort vorne eigentlich sieben und nicht sechs Personen den Vorsitz bilden sollten. Offenbar stand dieser Platz seinem designiertem Nachfolger bereits offiziell zu. Makani selbst saß zu ihrer Erleichterung weit entfernt an einem Ende der beiden langen Sitzreihen und tat bereits seit einigen Minuten das, was sie am besten konnte: so unauffällig sein wie möglich. Links neben ihr hibbelte Izumi auf ihrem Platz herum und sah besorgt zu der Lücke neben Fugaku hinüber. Auf Makanis anderer Seite starrte Shisui mit ausdrucksloser Miene die Tatamimatten auf dem Boden an. Offensichtlich waren alle beide viel zu sehr von ihren eigenen Gedanken und Sorgen vereinnahmt, als dass sie sich um den Neuzugang in ihrer Mitte hätten kümmern können. Aber Makani war das eigentlich auch ganz recht, denn sie war selbst schwer damit beschäftigt, gegen eine zunehmende Übelkeit anzukämpfen, zu der sich nun auch noch leichter Schwindel gesellte. Der viel zu intensiv riechende Rauch setzte ihr zu und sie konzentrierte sich darauf, möglichst ruhig und kontrolliert zu atmen. Zumindest schien noch niemand auf sie aufmerksam geworden zu sein, das war immerhin eine kleine Erleichterung. Aber sie wusste, dass dies leider nur einen kleinen Aufschub des Unvermeidlichen bedeuten konnte. Schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit erhob Fugaku endlich die Stimme und das angespannte Raunen unter den Anwesenden erstarb augenblicklich. „Verehrte Brüder“, begann er, „ich weiß, dass ihr aufgeregt, wenn nicht sogar wütend seid. Und ihr könnt mir glauben, ich kann es euch nur allzu gut nachempfunden! Dennoch bitte ich euch, diesem Rat die gewohnte Konzentration und den nötigen Ernst zu schenken, damit wir allen Problemen so angemessen und nüchtern wie möglich begegnen und entsprechende Lösungen finden können. Und ja, ich kann es nicht leugnen, der Vorfall, der so viele von euch erregt, ist ausgesprochen problematisch. Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie sehr ich wünschte, ich könnte euch beruhigen und behaupten, es würde sich um einen bedauerlichen Einzelfall handeln, aber wir alle wissen, dass dies ein gefährliches Herunterspielen der Tatsachen bedeuten würde“ „Erzähl allen, was passiert ist!“, rief jemand aufgebracht und Fugaku nickte ernst. „Ja, ihr habt Recht. Auch wenn ich davon ausgehe, dass sich die Ereignisse bereits herumgesprochen haben, wäre es falsch, sie ausgerechnet hier nicht auszusprechen. Ohnehin ist die Lage leider viel zu ernst, um sie der Gerüchteküche zu überlassen: Gestern Abend also wollten unsere Clanbrüder Yakumi und Inabi den Feierabend im Usagi-Goya bei Geppei ausklingen lassen. Seit Jahren gehen die beiden wie auch einige andere von uns regelmäßig im Usagi-Goya essen, immerhin liegt Geppeis Izakaya in unmittelbarer Nachbarschaft zu unserer Polizeizentrale. Der alte Mann hat schon meinen Vater gerne bewirtet und wir können auf ein langes freundschaftliches Verhältnis zurückblicken. Umso betrübter bin ich über die jüngsten Ereignisse, denn gestern wurde Yakumi und Inabi der Zugang zum Usagi-Goya ohne Angabe von Gründen verweigert. Nun, dass unser gutes Verhältnis zu Geppei besonders in den letzten Jahren nicht völlig unbelastet war, sollte sich jeder hier denken können, wenn man seine verwandtschaftliche Nähe zu den Ishis bedenkt. Bisher hat sich der friedfertige Alte jedoch nicht von diesen Zwietracht schürenden Emporkömmlingen beeinflussen lassen – bisher. Aber es ist zu vermuten, dass sie ihn aus aktuellem Anlass mehr denn je unter Druck setzten, doch ich möchte hier keine Vermutungen über die Ursachen dieses Vorfalles in den Raum stellen, bevor ihr nicht alle Einzelheiten erfahren habt. Denn zu meinem Entsetzen war der Bericht unserer Brüder damit noch nicht zu Ende – aber, Yakumi, möchtest du nicht vielleicht selbst erzählen, was euch widerfahren ist?“ Als hätte er nur auf Fugakus Aufforderung gewartet, sprang fast im selben Moment ein großer schlaksiger Mann auf. Sein linkes Auge war zugeschwollen und als er einen Schritt aus der Sitzreihe heraus trat, zog er ein Bein nach. Er wandte sich den anderen Clanmitgliedern zu und begann hastig zu berichten, wobei seine Stimme vor Wut bebte: „Geppei war sogar zu feige zu sagen, warum er uns nicht reinlassen wollte. Also sagten wir ihm, dass er ohne vernünftigen Grund kein Recht dazu habe. Wir setzten uns an unseren Stammplatz und Geppei bediente uns, als wäre alles wie immer. Doch ein paar Minuten später tauchten drei maskierte Kerle auf und drohten uns mit Gewalt, sollten wir das Usagi-Goya nicht freiwillig verlassen. Da sie in der Überzahl waren, entschieden wir ihnen zunächst zu gehorchen. Trotzdem griffen sie uns draußen auf der Straße an. Wir wehrten uns natürlich, doch es waren verflucht gute Kämpfer. Nachdem sie uns einige Minuten arg zugesetzt hatten, machten sie sich davon. Eine Polizeieinheit machte zwar sich gleich auf die Suche, aber die Kerle waren spurlos verschwunden.“ Erneut war der Dōjō mit wütendem Raunen erfüllt. Makani sah geballte Fäuste und zusammengebissene Zähne und ihre Nervosität wuchs, obwohl oder gerade weil sie Yakumis Bericht nicht recht einordnen konnte. „Wer waren die Schweine?“, rief schließlich jemand. „Das wissen wir nicht“, erwiderte Yakumi und schüttelte den Kopf. „Aber Inabi ist sich ziemlich sicher, dass einer von ihnen eine weiße Tiermaske unter der Kapuze trug...“ „ANBU“, hörte Makani jemanden in ihrer Nähe flüstern. Daraufhin schwoll das Raunen noch weiter an und die Kunoichi erschrak über das Ausmaß des Hasses in einigen Gesichtern. Doch schließlich erhob Fugaku gebieterisch die Hände und verhinderte damit vorerst, dass sich die bedrohliche Stimmung noch weiter aufschaukelte. „Ich möchte an dieser Stelle zu bedenken geben“, sagte er ruhig, „dass es sich dabei um reine Vermutungen handelt. Ein Verdacht also, dem in einer sachgemäßen Ermittlung nachgegangen und über den anschließend in einer fairen Verhandlung entschieden werden müsste … Aber genau an dieser Stelle liegt das Problem! Ich habe bereits heute den Hokage darum gebeten, in dieser Angelegenheit Ermittlungen anstellen zu dürfen. Doch ich muss euch leider mitteilen, dass der Sarutobi meinem Ersuchen nicht stattgegeben hat. Er begründet seine Ablehnung damit, dass der Fall nicht in den Kompetenzbereich der Polizei fallen würde, wenn ein Mitglied der Ansatsu-Senjutsu-Tokushu-Butai in die Angelegenheit verwickelt sein könnte. Stattdessen - “ Die nächsten Worte des Clanoberhauptes gingen unter, denn an dieser Stelle kippte die Stimmung im Dōjō endgültig. Beinah alle Uchihas machten nun lautstark ihrer Empörung Luft. Einzelne standen sogar auf und untermalten ihre wütenden Rufe mit drohenden Gesten. Einer recht nah bei Makani rief hasserfüllt: „Diese verfluchten Bastarde stellen sich einfach über unsere Gesetze und jetzt deckt diese Witzfigur von Hokage sie auch noch. Ich sage euch, der eigentliche Anführer dieses Dorfes wohnt definitiv nicht mehr im Hokageturm, aber der alte Vollidiot Hiruzen merkt das noch nicht einmal!“ Makani fragte sich erneut voller Unbehagen, ob Itachi Recht hatte und hier tatsächlich niemand außer Shusui wusste, dass sie selbst eine dieser ‚verfluchten Bastarde‘ war. Sie sah zu ihrem Teamkollegen neben ihr und traf dessen zutiefst beunruhigten Blick. „Ruhe!“ Makani zuckte zusammen und richtete ihren Blick wieder nach vorn. Fugaku hatte die Arme erneut erhoben und war dieses Mal sogar selbst aufgestanden, um die Aufmerksamkeit des Rates zurück zu gewinnen. Seine dröhnende Stimme und autoritäre Ausstrahlung verfehlten ihre Wirkung jedoch nicht. „Ich verstehe, dass ihr wütend seid! Und ihr habt allen Grund dazu. Die Dorfführung verweigert uns unser Recht. Über die Gründe können wir nur spekulieren, aber - “ „Ist doch klar!“, platzte Inabi plötzlich dazwischen, der neben Yakumi saß und noch schlimmer zugerichtet aussah als er. „Die machen doch seit Jahren Stimmung gegen uns. Die wollen uns loswerden, besonders dieser ...“ „ - aber“, wiederholte Fugaku und brachte Inabi mit einem einzigen kurzen Blick zum Schweigen. „Ich schwöre euch, dass wir das Ganze/die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen werden. Wenn Hiruzen und die Goikenban auf ihrem Standpunkt beharren und die Polizei keine Ermittlungen einleiten lassen, dann sehe ich mich gezwungen, von unserem Clanrecht Gebrauch zu machen und ein Dorfgericht einzuberufen.“ Bei diesen Worten sah Fugaku für einen Augenblick in eine ganz bestimmte Richtung und Makani lief es plötzlich kalt den Rücken herunter. Natürlich war auch der Dōjō an das Überwachungsnetz der ANBU angeschlossen und die Kamara mit integriertem Mikrofon musste sich, wenn sie sich richtig erinnerte, links neben der Eingangstür in einer präparierten Wandlaterne befinden – und genau dorthin hatte das Oberhaupt der Uchihas geschaut. Aber eigentlich sollte sie das nicht verwundern, dachte Makani gleich darauf. Schließlich hatten die Uchihas bereits zwei Agenten in die Einheit entsandt und zumindest einer von ihnen war, soweit sie wusste, immer noch aktiv. Das bedeutete also, dass sich Fugaku darüber im Klaren sein musste, dass die ANBU jedes Wort, das in diesem Raum gesprochen wurde, mithören konnte. War es möglich, dass er gerade so etwas wie eine Drohung ausgesprochen hatte? Zumindest auf die sichtbaren Zuhörer schien seine letzte Ankündigung Eindruck gemacht zu haben: das wütende Gemurmel war beinah völlig abgebt und alle sahen wieder gespannt zu ihrem Anführer. „Dennoch halte ich es noch für etwas zu früh, um einen derartig drastischen Schritt einzuleiten. Es sollte in jedem Fall das letzte Mittel der Wahl bleiben. Daher bitte ich darum, dass ihr euch noch etwas in Geduld übt. Aber ich versichere euch, ich werde in dieser Sache nicht nachlassen. Dem Uchiha-Clan schon wird viel zu lange nicht mehr der Respekt gezollt, der uns zusteht. Damit werde ich den Punkt für heute schließen. Möchte noch jemand von euch etwas Dringendes in diesem Rat besprechen? Falls nicht, möchte ich selbst einen Antrag stellen.“ Es blieb still im Dōjō. Auf einmal schien niemand mehr etwas zu der Angelegenheit sagen zu wollen. Seltsam, wenn man bedachte, wie extrem erhitzt die Gemüter noch keine Minute zuvor gewesen waren. Makani selbst hatte sich beinah von der Wut um sie herum mitreißen lassen. Die Ereignisse, von denen Yakumi berichtet hatte, klangen wirklich unerhört und ungerecht… und der Hinweis, dass die ANBU etwas damit zu tun haben könnte, wühlte sie kaum weniger auf, als ihre Clan-Genossen – wenngleich auf eine recht unterschiedliche Weise. Vielleicht hätte sie den geäußerten Verdacht als unbedachte Überreaktion abtun können, als Ergebnis des ungefilterten Zorns und der althergebrachten Abneigung gegenüber der Einheit, die sich bedauerlicher Weise/offenbar noch verstärkt zu haben schien. Aber es wollte der Kunoichi irgendwie nicht recht gelingen. Gegen ihren Willen musste sie an ein ganz bestimmtes ANBU-Mitglied denken, dem sie die eine oder andere fatale Überreaktion leider durchaus zutraute. Nichtsdestotrotz musste Fugaku etwas gesagt haben, das zumindest die übrigen Uchihas für den Moment beruhigt hatte. Die Wut in ihren Gesichtern war nun deutlich gemildert oder hatte bei einzelnen sogar so etwas wie grimmiger Genugtuung Platz gemacht. War es etwa die Ankündigung des Clan-Oberhauptes gewesen, ein Dorfgericht einzuberufen? Makani versuchte krampfhaft sich zu erinnern, worum es sich dabei handelte. „Gut“, ertönte schließlich wieder Fugakus Stimme, „dann bitte ich unsere Schwester Makani vorzutreten.“ In diesem Moment war die Kunoichi so in ihre Gedanken vertieft, dass sie erst ein paar Sekunden später realisierte, dass ihr Name gefallen war. Doch dann erwischte es sie eiskalt. Sie hatte bereits/schon heimlich gehofft, dass sie sich vielleicht ganz still und leise in den Rat integrieren könnte oder zumindest dass das Clan-Oberhaupt beschlossen hatte das Aufnahmezeremoniell angesichts der aktuellen Ereignisse zu verschieben. Obwohl Makanis Blick auf den Boden gerichtet war, spürte sie, wie zahlreiche irritierte Blicke vergeblich suchend über die Sitzreihen huschten bis sie sich schließlich erhob und einen entschlossenen Schritt in die Mitte des Raumes machte. Sie hob das Kinn, sah über die Köpfe der Ratsältesten hinweg zu dem Wandbehang mit dem Clanwappen und verbeugte sich so kerzengerade, dass sie schon befürchtete, man würde glauben, sie wolle das Ganze ins Lächerliche ziehen. „Makani, ich bin sehr glücklich, dass du heute gekommen bist.“ Kurz löste die Kunoichi ihren Blick von dem roten Fächer und sah zu Fugaku. Angesichts seiner steinernen Miene wäre sie nicht darauf gekommen, dass er glücklich war – aber das musste in dieser Familie ja nicht wirklich viel bedeuten. „Verehrte Brüder und Schwestern,“, wandte er sich wieder an alle „es ist wirklich bedauerlich, dass ich diese Versammlung mit so einem unangenehmen Punkt eröffnen musste. Umso mehr freue ich mich darüber, dass heute eine bereits verlorengeglaubte Clantochter zu uns zurück gefunden hat.“ Er ging ein paar Schritte auf Makani zu legte ihr seine schweren Hände auf die Schultern und drehte sie herum, sodass sie nun mit dem Rücken zu ihm stand und von jedem Winkel des Raumes bestmöglich zu sehen war. Als er weitersprach, ließ er die Hände dort liegen und Makani schien es, als wolle ihr Gewicht sie in die Knie zwingen. Verwirrt dachte sie, ob sie vielleicht tatsächlich niederknien sollte. Was sah das Protokoll dieser Zeremonie für sie vor? Sie wusste es nicht, aber sie blieb stehen, stoisch, mit angespannten Schultern und fast schmerzhaft durchgedrückten Beinen. „Makani ist die Ziehtochter unserer verehrten Schwester Akane und lebt heute unter der Obhut unseres verehrten Bruders Tekka. Sie ist sechzehn Jahre und sieben Monate alt und hat bereits vor über zwei Jahren den Rang einer Chunin erworben. Ihre Vorzüge und Fähigkeiten als Ninja sind außergewöhnlich und uns natürlich schon lang bekannt, auch wenn wir ihr beträchtliches Talent in den letzten Jahren kaum entsprechend gewürdigt haben. Doch wie ich jüngst erfahren habe, sind nun andere auf unsere außerordentliche Schwester aufmerksam geworden, denn sie wurde unlängst sogar für die Liste der Jonin-Anwärter vorgeschlagen.“ Makani glaubte kurz sich verhört zu haben. Davon hatte sie überhaupt nichts gewusst. „Heute will ich nun den längst überfälligen Schritt machen und Uchiha Maknai in diesen hoch verehrlichen Rat einführen. Möchte noch jemand etwas sagen, bevor wir über ihre Aufnahme abstimmen?“ Eine Stille bereitete sich im Raum aus, die Makani den Schweiß auf die Stirn trieb. Sie versuchte die Emotionen in den Gesichtern der Uchihas zu erfassen, ohne dabei jemandes Blick zu begegnen. Sie glaubte, Irritation und Skepsis daraus zu lesen… oder war es sogar Missbilligung? Was zum Oni mache ich hier? Fugakus Rede halte in ihrem Kopf wider. Ihr war zwar bewusst, dass so etwas nun einmal zum guten Ton gehörte. Nicht nur in diesem Clan lobten sich Ninja gegenseitig gerne mit pathetischen Phrasen. Doch nun, da diese ihr selbst galten, klangen die preisenden Worte nicht mehr nur leicht übertrieben, sondern beinah wie Hohn. Seltsam, dass niemand lachte… Auf einmal blieb ihr Blick bei einer älteren Kunoichi mit einem auffallend großen Haarknoten hängen. Denn die Miene der Frau – Makani glaubte sich dunkel zu erinnern, dass sie Izanami hieß – drückte eindeutig mehr als Skepsis aus. Tatsächlich sah sie ernsthaft empört aus und als sei sie kurz davor, dies allen Anwesenden kundzutun. Und tatsächlich – als Fugaku Anstalten machte, fortzufahren, platze es aus ihr heraus: „Also versteht mich bitte nicht falsch, aber es leuchtet mir nicht ganz ein, warum Akanes Mündel jetzt auf einmal in unseren Kreis aufgenommen werden will.“ Sie rümpfte die Nase. „Ich meine, ich habe das Mädchen in den letzten Jahren kaum ein halbes Dutzend mal im Viertel gesehen. Nennt mich altmodisch, aber zu meiner Zeit haben wir uns Monate auf die Aufnahme in den Rat vorbereitet. Wir haben vorher allen Mitgliedern unsere Aufwartung gemacht und uns im Clan nützlich gemacht… Ich weiß, die Zeiten mögen sich geändert haben - „ Makani bildete sich ein, dass sie bei diesen Worten kurz zu Izumi schielte. „ - aber ich finde es bedenklich, wenn wir die Mitgliedschaft im Rat des bedeutendsten Clan Konohas immer mehr der Beliebigkeit preisgeben. Und davon einmal abgesehen… zumindest von Akane kann sie wohl kaum ein angemessenes Maß an Respekt mitbekommen haben...“ Nein, keine Sorge, dachte Makani, ich fürchte, ich habe dich ganz richtig verstanden. Für einen Moment vergaß sie Nervosität und Übelkeit, denn der blanke Zorn brannte sich weißglühend in ihren Magen. Tausend Erwiderungen schossen ihr durch den Kopf, ein paar schlagfertig, die meisten wahr und allesamt in höchstem Maß undiplomatisch. „Verehrte Schwester“, setzte sie schließlich an und war sich ziemlich sicher, dass die Ironie in ihrer Stimme eine Schleimspur oder so etwas hinterlassen würde, „ich bedauere deine Bedenken und auch, dass ich mich, wie du sagst, in den letzten Jahren so selten im Clan habe blicken lassen. Leider weiß ich tatsächlich nicht, wie es zu deiner Zeit war, aber mein Arbeitsalltag als Chunin lässt mir bedauerlicherweise kaum Zeit, mich anderweitig zu engagieren: Training, Missionen, die Ausbildung an der Akademie und nun noch die Vorbereitung auf den Rang einer Jonin… Ich gebe zu, manchmal wächst mir das alles etwas über den Kopf. Aber solltest du in nächster Zeit Hilfe bei deinen Einkäufen oder im Garten benötigen, wäre ich glücklich, mich nützlich zu machen. Und noch eines möchte ich euch sagen: Meine Mutter war eine bewundernswerte Jonin und eine wunderbare Mentorin, die auf noch viel mehr Menschen außer mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Dennoch hoffe ich, dass hier heute über meine Aufnahme entschieden wird und nicht über die von Akanes Mündel.“ Es war im Zwielicht zwar schwer zu erkennen, aber Makani glaubte, dass sie die Frau mit der überdimensionierten Frisur und mit ihr die meisten anderen Uchihas schockiert anstarrten. Gut, das war‘s dann also, dachte sie. So formvollendet hat das sicherlich noch niemand versaut. Sie war hin und her gerissen zwischen Scham und Stolz über ihre eigene Rede. Für eine Spionin wäre sie natürlich einer Bankrotterklärung gleichgekommen, aber vielleicht waren sie zumindest ein gutes Investment in die Zukunft, sollte sie sich jemals so etwas wie Selbstachtung leisten wollen. „Ja, ist wohl wirklich schwierig, sich vorzustellen, wie anstrengend das Leben einer Kunoichi heutzutage sein kann, wenn man selbst quasi direkt nach der Chininprüfung aus dem aktivem Dienst ausgeschieden und seitdem kaum ein Dutzend mal aus dem Viertel rausgekommen ist.“ Makanis Blick schnellte zu Tekka, der zwar nicht in der Reihe der Ältesten, aber gleich im nächsten Rang darunter saß. Ihr Cousin funkelte Izanami, die ihrerseits recht nah am unteren Ende saß, quer durch den Raum an. Aus unterschiedlichen Richtungen vernahm Makani Geräusche, die wie leidlich unterdrücktes Kichern klangen. Tekkas und ihre Vorrednerin war nun ganz ohne Zweifel blass geworden und Makani sah es mit weit mehr Genugtuung, als sie zugeben mochte. Gleichzeitig hüpfte hier Herz vor Erstaunen. Sie hätte niemals mit einem derartigen Rückhalt vonseiten Tekkas gerechnet, geschweige denn, dass er zu solch einem beißenden Sarkasmus fähig war. „Danke für eure aufschlussreichen Beiträge“, schaltete sich schließlich wieder Fugaku ein. Makani konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass er diese Worte ernst meinte. „Dann stelle ich jetzt den Antrag, Uchiha Makani in unseren hochverehrlichen Rat aufzunehmen. Wer ist dafür?“ Tekka hob die Hand. Aus den Augenwinkeln nahm Makani wahr, dass Shsui und Izumi es ihm gleichtaten und mit ihnen noch einige andere. „Wer ist dagegen?“ Als sich abermals Hände über die schwarzen Schöpfe der Uchihas erhoben, ließ Makani lautlos die angehaltene Luft entweichen … es waren weniger. Sie wusste nicht recht, ob sie erleichtert war oder sich sogar ein klein wenig freute. Immerhin war es nun überstanden – das glaubte sie zumindest in diesem Moment. Später in dieser Nacht würde sie denken, dass sie es hätte besser wissen müssen… Fugaku sagte noch ein paar weitere gewichtige hohle Worte, nahm endlich seine Hände von Makanis Schultern und überreichte ihr einen rot-weißen Seidenfächer. Dann wurde sie schließlich aus der Loge entlassen und sie ließ sich – wieder ganz Zurückhaltung – auf ihren Platz neben Shisui uns Izumi nieder. Sie fühlte sich eigenartig leer und das schummrige Gefühl im Kopf setze wieder ein, denn die Luftqualität im Dōjō hatte sich in der Zwischenzeit nicht verbessert. Doch leider schien das Clan-Oberhaupt immer noch nicht mit seiner Agenda fertig zu sein, obwohl auch das Interesse seines übrigen Publikums mittlerweile abgeflaut zu sein schien. „Nun da unser Rat ein neues jüngstes Mitglied gewonnen hat, wird es umso dringender, dass wir auch anderen nicht mehr ganz so jungen Mitgliedern die Positionen, die ihnen gemäß ihrer Verdienste zustehen, nicht länger vorenthalten.“ Etwas träge versuchte Makani Fugakus nächster Ankündigung zu folgen, mit leidlichem Erfolg. Doch sie spürte, dass die Anspannung im sie herum wieder zunahm. „Shisui, tritt vor!“ Überrascht sah sie zu ihrem Team-Kollegen hinüber, der vor Schreck erstarrt zu sein schien. Erst nach einigen Sekunden stand er auf und ging quälend langsam auf die Sitzreihe der Clanältesten zu, bis er schließlich an der selben Stelle in der Raummitte angekommen war, an der sie noch vor wenigen Minuten selbst gestanden hatte. Er war kreidebleich. Verwirrt wandte sich Makani nun Izumi zu und sah, dass die junge Kunoichi vor Entsetzen die Hände vor den Mund geschlagen hatte. Was war hier los? „Verehrter Bruder Schisui, wir Ältesten haben uns beraten und sind zu dem Schluss gelangt, dass wir es nicht länger vertreten können, einen Platz in unserer Mitte verwaist zu lassen, während ein herausragender junger Shinobi wie du immer noch unter den Novizen weilt.“ Daraufhin setzte Fugaku zu einer ähnlichen Lobrede auf ihren Kameraden an, wie er sie zuvor an Makani gerichtet gehalten hatte, wobei es dieses Mal umso grotesker wirkte, da Shisui währenddessen so aussah, als würde ihm jedes schmeichelnde Wort einen Messerstich versetzen. Makani fühlte, wie Izumi neben ihr am ganzen Körper bebte und, als das Clan-Oberhaupt schließlich geendet hatte und auf den leeren Platz neben sich wies, entfuhr ihr ein leises Wimmern. In diesem Moment fuhr Makani selbst wie in Zeitlupe der Schreck in die Glieder, als sie endlich begriff: Fugaku hatte soeben einen neuen Nachfolger gewählt und im gleichen Atemzug seinen eigenen Sohn verstoßen… Es war grabesstill im Dōjō. Alle Uchihas schienen gleichzeitig den Atem anzuhalten. Makani konnte es nicht verhindern: Ihr nervöser Blick huschte immer wieder zur Wandlaterne. Schließlich nach einer gefühlten Ewigkeit, in der Shisui wie festgefroren vor dem Clanoberhaupt gestanden hatte, setzte er sich in Bewegung, um seinen neu zugewiesenen Platz einzunehmen. Doch Fugaku hielt ihn unerwartet zurück: „Warte noch einen Augenblick.“ Dann wandte er sich wieder an alle: „In einer Sache muss ich unserer Schwester Izanami recht geben. Auch ich bin der Ansicht, dass wir einige unserer Traditionen in den letzten Jahren schleifen gelassen haben. Es ist zwar ganz natürlich, dass sich Zeiten und Gepflogenheiten ändern und dem einen oder anderen Brauch muss man vielleicht wirklich nicht nachtrauern – Hier geht es allerdings um eine Sache, die den innersten Kern unserer Gemeinschaft betrifft: Shisui, da dir heute eine Position übertragen wurde, die den Fortbestand unseres Clans sichern soll, liegt es nun ebenso in deiner Verantwortung, dafür Sorge zu tragen, diesen Fortbestand auch für die Generation nach dir zu sichern. Es ist durchaus noch nicht lange her, da wurden solche Dinge allein durch diesen Rat entschieden. Aber ich bin mir bewusst, wie unzeitgemäß dies heute erscheinen würde… Daher möchte ich, dass du, Shisui, und unser neues Mitglied dies zwar nicht als Anordnung, aber dennoch als ausdrückliche Empfehlung versteht.“ Der Raum um Makani begann sich zu drehen. Fugakus Worte drangen nur zeitverzögert zu ihrem Gehirn vor. Warum bin ich nur hergekommen? „Shisui und Makani, ihr sollt wissen, dass wir eine eheliche Verbindung zwischen unseren vielversprechendsten Nachwuchsninja überaus begrüßen würden. Ich weiß, dass dies sehr überraschend für euch sein muss und wir erwarten an dieser Stelle auch noch keine Antwort. Dennoch möchte ich euch schon jetzt mitteilen, dass das Haus Mokuren als euer gemeinsames Heim vorgesehen ist, solltet ihr unserer Empfehlung nachkommen. Ihr seid hiermit herzlich eingeladen, wann immer ihr möchtet, dort einzuziehen.“     * Kapitel 17: Uchiha Shisui II ---------------------------- Makani stand bereits seit einigen Minuten vor dem Eingang des Dōjō und blickte auf die Szenerie vor sich, ohne wirklich etwas zu sehen. In ihren Ohren rauschte es und ihr Puls ging deutlich schneller als normal. Fast so, als hätte sie gerade gekämpft, als wäre der Kampf noch nicht vorbei… Sie zwang sich einmal tief durchzuatmen und sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Die Ratssitzung war vorbei. Die Uchihas hatten das Gebäude verlassen und standen nun wieder in Gruppen auf dem Uchi-niwa, der zunehmend von den Schatten des späten Abends verschluckt wurde. Einige unterhielten sich angespannt flüsternd, warfen ihr verstohlene Blicke zu, andere traten bereits den Heimweg an. Makani hatte den Dōjō als eine der letzten verlassen, gemeinsam mit Izumi, die sich wie eine Ertrinkende an ihrem Arm festklammerte. „Wir müssen zu Itachi! Er muss etwas unternehmen... Bitte, hilf mir ihn zu suchen“, flüsterte sie. Ja, zu Itachi gehen… Das war auch Makanis erster Impuls gewesen. Sollte sie in der ANBU-Zentrale nach ihm suchen? - Und dann? Was erwartete sie von ihrem Team-Leader? Er hatte schließlich eine ganz bewusste Entscheidung getroffen und musste mit den Konsequenzen gerechnet haben. Ja, es war wohl sogar sinnlos, ihm nur die ungeheuerlichen Neuigkeiten überbringen zu wollen. Er wusste doch vermutlich ohnehin Bescheid... Oder bildete sie sich etwa ein, dass er eine Lösung für ihr dringendstes Problem hatte? Sie sah zu ihrem anderen Team-Kollegen hinüber, der am Rande des Platzes bei seinen Eltern stand. Kein Wort hatten sie miteinander gesprochen, noch nicht einmal Blickkontakt hatten sie gehabt. Und auch jetzt stand Shisui mit dem Rücken zu ihr, doch Makani glaubte, die quälenden Gedanken und Empfindungen in ihm spüren zu können. Oder waren es nur ihre eigenen? Umso verstörender wirkten auf sie jene Emotionen, welche sich in den Gesichtern von Shisuis Eltern spiegelten: Makani glaubte nie zuvor zwei Menschen so voller Stolz gesehen zu haben. Der Vater hatte feuchte Augen, ihm schienen vor Glück die Worte zu fehlen. Die Mutter dagegen redete ohne Unterlass auf Shisui ein und lächelte das für ihren Sohn typische breite Lächeln, welches sie schon so lange nicht mehr an ihrem Kameraden gesehen hatte. In diesem Moment begegnete Makani dem Blick der älteren Frau. Sie sagte noch etwas zu ihrem Mann und kam dann noch breiter lächelnd auf die Kunoichi zu. Augenblicklich spürte sie nackte Panik in sich aufsteigen… Verschwinden! Jetzt! Sie wollte nur noch weg. Doch mit aller Macht unterdrückte sie den Reflex. Dies war kein Kampf! Doch was in aller Welt war es dann? Politik? Das ganz normale Tagesgeschäft in einem durchgedrehten Clan? Shisuis Mutter kam unaufhaltsam näher und Makani zwang sich sie anzusehen – Ihr Ausdruck schnitt ihr direkt ins Herz. So sah man keine entfernte Verwandte an, sondern eine lang ersehnte geliebte Tochter. Das war doch vollkommen absurd! Sie kannte Makani doch überhaupt nicht… Plötzlich trat jemand vor sie und schnitt Shisuis Mutter auf diese Weise den Weg ab. Sofort überkam sie eine wundervolle Welle der Erleichterung. Aber nur für den Moment, nur bis sie begriff, wer da vor ihr stand... Fugaku lächelte. Makani konnte sich nicht erinnern, dies jemals zuvor beim Oberhaupt des Clans gesehen zu haben. Eines war jedoch sicher: dieses Lächeln sah dem seines Sohnes überhaupt nicht ähnlich. „Das ist ein großer Tag für doch, liebe Schwester“, sagte er und fixierte Makani und ihr Anhängsel. Izumi zuckte beim Klang seiner Stimme merklich zusammen und klammerte sich noch fester an sie. Auch Makani drängte sich intuitiv näher an die jüngere Kunoichi. Sie war froh, Fugaku diesmal nicht allein gegenüberzustehen. „Sicher wünschst du dir, wir hätten dich besser darauf vorbereitet“, fuhr er fort. „Glaub mir, ich wünsche mir das auch. Aber die gegebenen Umstände haben es leider nicht zugelassen.“ Makani fühlte eine Mischung aus Wut und Verblüffung. Er kam anscheinend noch nicht einmal auf die Idee, dass man sie vorher hätte fragen müssen, was sie wollte, wie sie sich ihr Leben mit dem Clan vorstellte… Stattdessen gestand er ihr gerade einmal das Recht auf eine bessere Vorbereitung auf seine Entscheidungen über ihr Leben zu? „Trotzdem müssen wir dich nun umso besser darauf vorbereiten, was dich in Zukunft erwartet. Es bringt ein großes Maß an Verantwortung mit sich, ein Teil unserer Gemeinschaft zu sein. Ich bin zwar überzeugt, dass du alles ganz wunderbar meistern wirst. Dennoch werden wir einiges nachholen müssen, was du in deiner … Abwesenheit versäumt hast.“ Was denn? Hatte sie etwa versäumt zu lernen, wie man eine gute Ehefrau wurde? Die gute Ehefrau eines oder vielmehr des einen Clanerben? Also zumindest damit mochte er wohl recht haben… „Deshalb möchte ich, dass du morgen vor mir und den Ältesten erscheinst. Dann werden wir alles weitere besprechen.“ „Ich muss arbeiten“, entfuhr es Makani prompt. Ihre Stimme klang scharf... kampfbereit. Erschrocken biss sie sich auf die Unterlippe. Es war bitter, aber sie musste sich eingestehen, dass sie sich einem offenen Konflikt mit diesem Mann nicht gewachsen fühlte. Einem Mann, der Autorität und Macht derart kompromisslos verkörperte. Kurz glaubte sie, ein gefährliches Funkeln in Fugakus Augen zu sehen. „Natürlich musst du deinen täglichen Pflichten nachkommen. Deswegen werden wir uns auch abends treffen. Es sei denn -“ Er machte eine bedeutungsschwangere Pause. „Es sei denn, du planst wieder ein nächtliches Treffen mit meinem Ältesten auf seinem Zimmer… Allerdings solltest du dich in diesem Fall schon fragen, ob heimliche Rendezvous wirklich noch angemessen für jemanden in deiner Position sind. Was meinen Sohn betrifft, so scheinen solche Verantwortungslosigkeiten dagegen leider zunehmend zur Gewohnheit zu werden. Ich fürchte, er hat mittlerweile völlig den Sinn für Anstand verloren… Dass er nun gleich zwei unerfahrenen jungen Mädchen Versprechungen macht, ist allerdings ein neuer trauriger Höhepunkt. Ich muss mich für ihn entschuldigen. Er ist sehr stolz und fast krankhaft von sich überzeugt. Er erträgt es nicht, dass ich ihm Grenzen aufgezeigt habe. Leider scheint er auch nicht davor zurückzuschrecken, andere für seine Rebellion gegen mich zu instrumentalisieren. Lass dich bitte nicht von ihm in dieses Spielchen mit hineinziehen, Makani!“ Während Fugaku gesprochen hatte, hatte sie ganz deutlich gespürt, wie sich Izumi neben ihr immer mehr versteifte. Mit vor Entsetzen offenem Mund drehte sich Makani nun zu der Kunoichi. Im selben Moment ließ diese so ruckartig ihren Arm los, als hätte sie sich verbrannt, wich zurück und starrte sie mit einem Gesichtsausdruck an, der kaum zu ertragen war. Makani wollte etwas sagen – sie musste! Das war doch alles gar nicht wahr ... oder anders … aber sie blieb sprachlos. Denn sie hatte Itachi heimlich in seinem Zimmer besucht, um mit ihm über ihre gemeinsame Arbeit bei der ANBU zu sprechen. Er hatte ihr anvertraut, dass er in der Tat gegen seinen Vater rebellierte – mehr noch – er hatte ihn, den Clan und damit auch seine Verlobte verraten … Nichts davon konnte sie sagen. Stumm wie ein Fisch stand sie mit offenem Mund da und sah ganz deutlich in Izumis Augen, dass ihr Zögern jeden weiteren Erklärungsversuch vergeblich machen würde. Die jüngere Uchiha glaubte dem Clan-Oberhaupt. „Ich...“ Izumis Stimme zitterte. „Ich muss nach Hause. Es ist spät.“ Sie drehte sich um und verließ den Uchiniwa eine Spur zu eilig. Makani starrte ihr fassungslos hinterher. Dann sah sie wieder zu Fugaku und sie hatte auf einmal das Gefühl, einen anderen Mann vor sich zu sehen. Als hätte sie nun begriffen, was für ein Mensch Uchiha Fugaku wirklich war. „Gute Nacht, Makani“, sagte er, lächelte noch einmal sein seltsames Lächeln und ging davon.     *   Sie hatte noch nicht einmal mehr den Blick erhoben, um zu sehen, ob Shisuis Mutter immer noch mit ihr sprechen wollte. Sie war einfach mit den tiefen Schatten der Kirschbäume, die den Uchi-niwa säumten, verschmolzen und irgendwo zwischen ihnen verschwunden. Wie in Trance war sie gelaufen, ohne Ziel, ohne einen konkreten Gedanken im Kopf. Viel zu unlösbar schienen die Probleme, mit denen sie jede Form des Denkens unweigerlich konfrontieren würde. Irgendwann blieb sie schließlich doch stehen und erschrak, als ihr bewusst wurde, wohin sie ihre Füße getragen hatten: Sie stand vor dem Haus Mokuren, vor ihrem Zuhause… Es war Akanes Haus gewesen und bis vor zwei Jahren hatte Makani gemeinsam mit ihrer Ziehmutter hier gelebt. Seitdem stand die kleine Noka am südlichen Rand des Viertels leer und der Garten war mittlerweile derart überwuchert, dass man den schmalen Kiesweg, der vom Gartentor zum Eingang führte, nur noch erahnen konnte. Auf halber Strecke führte er an jenem großen Magnolienbaum vorbei, von dem das Haus seinen Namen hatte. Seine weit ausladenden Äste wirkten im Dunkeln beinah bedrohlich. Makanis Brust wurde schmerzhaft eng. Was für ein perfider Zug es doch war, Shisui und ihr ausgerechnet dieses Haus anzubieten… Peinigend lebhaft erinnerte sie sich daran, wie man sie keine zwei Tage nach dem Morgen, an dem Akane nicht mehr aufgewacht war, hier abgeholt hatte, um sie zu Tekka zu bringen. Für sie war damals vollkommen klar gewesen, dass sie im Haus Mokuren wohnen bleiben wollte. Doch sie war beinah noch ein Kind gewesen und natürlich hatte das Haus nicht wirklich Akane gehört. Nichts in diesem Viertel gehörte wirklich irgendwem… Der Clan verfügte über alles. Mit aller Macht schob Makani den Gedanken beiseite, weil sie fürchtete, daran zu ersticken. Sie musste sich unbedingt beruhigen und die Geschehnisse des Abends so nüchtern wie möglich betrachten, um dann zu entscheiden, was sie tun konnte. Doch ihr blieben nur wenige Minuten, sich zu sammeln, denn plötzlich spürte sie, wie sich eine menschliche Präsens näherte – tastend, zögerlich und ihr sehr vertraut. Sofort begann ihr Fluchtinstinkt von neuem an ihr zu zerren, aber sie ignorierte ihn. Es war vollkommen logisch und richtig, dass Shisui nach ihr suchte. Und er tat es ganz offen, verbarg sein Chakra nicht und gab ihr so die Möglichkeit, sich rechtzeitig zurückzuziehen, wenn sie wollte. Aber sie durfte jetzt nicht wieder weglaufen. Sie mussten diese völlig absurde Situation klären! Langsam trat ihr Team-Kamerad aus den Schatten und blieb dann ein paar Meter von ihr entfernt stehen. Es fiel Makani extrem schwer, ihm in die Augen zu sehen, doch sie zwang sich dazu. Es gab doch eigentlich gar keinen Grund, sich zu fürchten. Shisui war immer freundlich zu ihr gewesen. Und für ihn selbst war dieser ganze Schlamassel wahrscheinlich sogar noch schlimmer als für sie. Sie verringerte den Abstand zwischen ihnen um ein paar Schritte und versuchte es mit einem zaghaften Lächeln. Doch es erstarb sofort wieder. Shusui sah furchtbar aus. Tiefe Schatten lagen unter seinen Augen und seine Wangen sahen seltsam hohl aus. Die große, schlanke Gestalt des jungen Uchiha wirkte nun eher hager und gebeugt. Es bestand kein Zweifel: Es war schlimm für ihn, vielleicht noch um einiges schlimmer, als sie sich hätte vorstellen können. „Hey“, sagte sie unsicher und räusperte sich dann in dem Versuch, ihrer Stimme Festigkeit zu verleihen. „Tut mir leid. Es war eine bescheuerte Idee, hierher zu kommen.“ Sie schielte zum Haus. „Ich weiß auch nicht… Ich bin irgendwie wie von selbst hier gelandet. Alte Gewohnheit, nehm‘ ich an.“ Shisui nickte fast unmerklich und sah nun seinerseits zu Makanis früherem Zuhause hinüber. „Es ist ein sehr schönes Haus“, erwiderte er mit belegter Stimme. Makani sah ihn verwundert an. Selbst wenn man von dem momentan ziemlich verwahrlosten Zustand absah, gehörte das Haus Mokuren eindeutig zu den unscheinbareren Gebäuden im Viertel. Etwas versteckt hinter dem mehr als doppelt so großen Anwesen eines Clanältesten fiel es eigentlich kaum jemandem auf, bis vielleicht auf die wenigen Wochen im Frühjahr, wenn die Magnolie in voller Blüte stand. „Nein, wirklich“, versicherte Shisui, als er ihren skeptischen Blick bemerkte, „mir hat das beschaulich Einfache daran schon als Kind gefallen! Unser Haus ist eigentlich viel zu groß für uns drei. Meine Mutter käme ohne Haushaltshilfen gar nicht mit der ganzen Arbeit hinterher...“ Und dabei war sie noch nicht einmal aktive Kunoichi, dachte Makani. Aber wenn sie genauer darüber nachdachte, traf dies eigentlich auf so gut wie alle verheirateten weiblichen Uchihas zu. „Oh, lass dich nicht von der Größe täuschen! Akane hat ständig geschimpft, wie viel Arbeit das Haus macht… Na ja, eigentlich hat sie erst in den letzten Jahren angefangen sich richtig darum zu kümmern. Aber es ist eben ein altes Haus; es gab ständig irgendwo Probleme. Und schau es dir jetzt an…“ Shusui schüttelte langsam den Kopf und hob dann den nachdenklichen Blick unvermittelt zur Krone der Magnolie. „Trotzdem. Es wirkte irgendwie immer… wie ein richtiges Zuhause. Weißt du noch? Wir waren früher öfter zum Spielen hier. Als du noch sehr klein warst, hast du dich oft auf diesem Baum versteckt. Wir wussten, dass du da oben irgendwo warst. Gefunden haben wir dich trotzdem nicht. Dann hast du Blüten auf unsere Köpfe regnen lassen, als Hinweis. Trotzdem haben wir immer sehr lange gebraucht, bis wir dich hatten. Das hat uns fürchterlich geärgert… Wir haben ewig gegrübelt, wie du das machst.“ Wir … Es war offensichtlich, dass er Itachis Namen mit Absicht nicht ausgesprochen hatte. Und trotzdem oder vielleicht gerade deswegen schien die Präsens ihres Team-Leaders in diesem Moment so greifbar, als stünde er direkt neben ihnen. Nichts zwischen Shisui und ihr würde sich wirklich klären lassen ohne ihn. Aber er war nun einmal nicht da – wie üblich. „Wir haben auch keine Zeit, uns um ein Haus zu kümmern“, murmelte sie und spürte wie die Hitze, die zunächst nur ihre Ohren erfasst hatte, sich nun in ihrem ganzen Körper ausbreitete und ihr Gesicht zum Glühen brachte. Shisui warf ihr einen schnellen, scharfen Blick zu und sie war über alle Maßen dankbar dafür, dass es dunkel war. „Willst du für immer das Leben eines Ninja führen?“, fragte er nach kurzem Zögern. Diese Frage verwirrte Makani. Solche Gedanken waren für sie immer undenkbar weit weg gewesen. Ihre Laufbahn als Kunoichi hatte doch gerade erst richtig begonnen und sie war, seit sie sich erinnern konnte, viel zu vereinnahmt davon gewesen, um sich zu überlegen, was danach kam oder wann dieses ‚danach‘ sein würde. Und nun musste sie feststellen, dass ihr offenbar völlig die Fantasie fehlte, um sich vorzustellen, was das Leben im Dorf dann noch für sie bereithalten könnte. Ein Haushalt, Kinder, Ehe? Nichts. Ihr Geist schien unfähig diese Wörter mit Inhalt zu füllen. „Willst du das denn?“, fragte sie schließlich zurück. Shisui sah sie wieder an, diesmal länger und etwas irritiert. „Aber ich bin Ninja!“ Makani zog die Stirn kraus, sagte aber nichts, sondern erwiderte nur seinen Blick. Dann schien der Uchiha selbst zu merken, in welches Licht diese spontane Aussage seine zuvor an sie gerichtete Frage rückte. Er ließ ein kurzes erstauntes Lachen vernehmen. „Entschuldige, ich dachte nur … Nein, ich hatte manchmal den Eindruck, du würdest dich nicht sonderlich wohl in dieser Rolle fühlen …“ War das wirklich so?, fragte sie sich gekränkt. Doch für die letzte Zeit mochte dieser Eindruck vielleicht sogar zutreffen. Sie hatte ja tatsächlich sehr mit ihrer plötzlichen Berufung in die ANBU gehadert und mit all den Problemen, vor die sie diese Entscheidung anderer gestellt hatte und weiterhin stellte. Aber was war vorher? War sie glücklich mit ihrem Leben gewesen? Hatte sie das getan, was sie wollte? Oder hatte Itachi am Ende recht und es gehörte einfach zum Leben einer Kunoichi dazu, dass andere über ihr Leben entschieden … Makani spürte, wie sie die Fragen, die dieses seltsame Gespräch aufwarf, zunehmend überforderten. Was taten sie hier? Worüber redeten sie da? „Na ja“, Shisui räusperte sich und sah weg, „es gibt ja zum Glück Haushaltshilfen und … Kindermädchen … und das Haus ist ja wirklich nicht sehr groß ...“ Makani erstarrte und wusste nicht mehr, ob es Hitze oder Kälte war, die sich in ihre Eingeweide fraß. Es konnte einfach nicht wahr sein, was sie glaubte, das er da andeutete. Waren denn alle vollkommen verrückt geworden?! „Shisui, ich … bitte!“, stammelte sie. „Das da vorhin war doch das reinste Theater. Das kannst du doch nicht ernst nehmen … oder?“, fügte sie kleinlaut hinzu, denn sein Gesichtsausdruck erschreckte sie fast noch mehr als das, was er zuvor gesagt hatte. „Natürlich nehme ich das ernst“, entgegnete er mit Nachdruck. „Es ist der Wunsch unseres Clans. Und es sind momentan alles andere als einfache Entscheidungen, die wir treffen müssen. Niemand macht es sich leicht und niemand spielt Theater! Dafür ist nun wirklich nicht die Zeit ...“ Nach diesem kurzen Ausbruch verfiel er in Schweigen und sah grimmig in die Ferne. „Hältst du es wirklich für so eine schlechte Idee?“, fragte er schließlich unvermittelt und entwaffnete Makani damit vollkommen. Was in aller Götter nahmen sollte sie darauf sagen? Doch er half ihr nicht aus dieser misslichen Lage und schien tatsächlich eine Antwort von ihr zu erwarten. „Ich… keine Ahnung … ich weiß überhaupt nicht, was ich davon halten soll. Hältst du es denn für keine schlechte Idee? Wir kennen uns doch kaum…“, sprudelte es schließlich aus ihr heraus. „Es ist doch irgendwie irre, sich von seiner Familie vorschreiben zu lassen, wen man heiraten soll. Und wieso gerade wir beide? Ich kapier das alles nicht...“ Makani biss sich auf die Lippe, um den Wortschwall zu bremsen. Nun hatte sie es ausgesprochen und sie bildete sich ein, dass es nicht nur entrüstet, sondern sogar etwas abweisend und geringschätzig geklungen hatte. Aber was sollte es bringen, ewig drum herum zu reden? Doch zu ihrem Erstaunen lachte Shisui leise. Dann kam er plötzlich auf sie zu, blieb direkt vor ihr stehen und sah sie mit einer Direktheit an, die Makani erneut innerlich straucheln ließ. „Ja, ich dachte auch lange, dass so etwas ziemlich rückständig wäre. Aber tatsächlich kommt die überwältigende Mehrheit aller Ehen in Konoha immer noch auf diese Weise zustande. Ich glaube langsam, die Leute reden zwar viel davon, wie anders heute alles ist, aber in Wahrheit sind es die alten Traditionen, die alles zusammenhalten.“ Er lächelte sie an, tief traurig und zugleich irgendwie zärtlich. Makani bekam eine Gänsehaut. „Nein, ehrlich gesagt, denke ich nicht, dass es eine schlechte Idee ist. Es ist vermutlich sogar die einzig sinnvolle. Hätte ich entscheiden müssen, hätte ich es vermutlich genauso gemacht.“ Nun sah Makani ihren Team-Kamerad vollends entgeistert an, woraufhin dieser erneut lachte. „Na, denk doch mal nach. Das Nachwuchsproblem im Clan ist mittlerweile so drastisch, dass wir uns ernsthaft Sorgen um unser Überleben machen müssen. Du, Izumi und ich sind so gut wie die einzigen jungen unverheirateten Mitglieder. Wir alle drei sind gute Ninja, aber du und ich verfügen darüber hinaus über verschiedene sehr machtvolle Fähigkeiten, die wir mit großer Wahrscheinlichkeit an unsere Nachkommen weitergeben werden.“ Makani spürte, wie das Blut, welches eben noch ihren ganzen Körper mit pulsierender Hitze geflutet hatte, fast augenblicklich irgendwohin zu entweichen schien und sie blass und erstarrt zurückließ. Noch vor wenigen Sekunden hätte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen können, dass die ganze Angelegenheit noch verrückter werden könnte. „Es geht … es geht um unsere Kekkei Genkai?!, stammelte sie. „Wir sollen Nachwuchs mit besonderen Ninja-Fähigkeiten züchten?!“ Ihre Stimme zitterte und klang durchdringend und schrill. Shisui, der nicht mit einer derart heftigen Reaktion auf seine Schlussfolgerung gerechnet zu haben schien, schaute erschrocken. „Hey!“, sagte er alarmiert und überbrückte den letzten Meter Abstand zwischen ihnen. Vorsichtig und offenbar in der Absicht, Makani zu beruhigen, legte er einen Arm um sie. Doch es wirkte nicht im Mindesten beruhigend auf sie. Augenblick erstarrte ihr Äußeres zu einer Salzsäule, während sich innen alles schmerzhaft ineinander verkrampfte und verknäulte. „Tut mir leid, wenn dich verletzt hat, was ich gesagt habe“, beschwichtigte Shisui. „Ja, ich gebe zu, es klingt hart, aber so läuft das nun einmal in den Clans – immer schon. Wenn wir nicht zusehen, dass unser Fortbestand gesichert ist, warten zahllose andere Familien nur darauf, unseren Platz einzunehmen. Und leider scheinen ihre Chancen momentan besser zu stehen als jemals zuvor. Auf die meisten Ursachen dafür haben wir wohl kaum Einfluss, aber auf diese eine schon. Ich möchte meine Familie nicht im Stich lassen, sie verlassen sich auf uns ...“ Durch seine Worte schimmerte nun Verzweiflung hindurch und er hatte das letzte so eigenartig betont, als wolle er sich selbst davon überzeugen, dass es ein solches ‚uns‘ gab. Makani fühlte ihr Inneres noch tiefer aufgewühlt. Es war schwer erträglich, ihren sonst so selbstsicheren und leichtmütigen Kameraden auf diese Weise sprechen zu hören. Aber konnte es stimmen, was er da sagte? Hing die Zukunft des Clans, die Zukunft all dieser Menschen wirklich von ihnen ab? Verlies sich etwa auch Tekka auf sie? Auf einmal war sie sich ziemlich sicher, dass es so war. Und diese Erkenntnis löste in ihr Freude und Angst zugleich aus. „Aber...“, entgegnete Makani schließlich leise, „wieso behandeln sie uns dann so wie unartige Kinder oder wie ihre Untergebenen? Fugaku ist… ich finde Fugaku ist ein schrecklicher Anführer!“ Auf einmal verspürte sie das drängende Bedürfnis, sich umzudrehen und sicherzustellen, dass sie nicht belauscht wurden. Doch bevor sie diesem nachgeben konnte, erstarrte sie abermals vor Schreck, als Shisui sie vorsichtig, aber bestimmt in eine Umarmung zog. Ihr Gesicht ruhte nun an seiner Brust, die sich in schweren Atemzügen hob uns senkte. Sie war völlig unfähig sich zu bewegen. „Ja, ich kann verstehen, dass du so denkst. Er tut wirklich manchmal Dinge, die … schwierig sind. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass es wohl vor allem ihm zu verdanken ist, dass wir nicht schon längst untergegangen sind. Er führt uns und mit harter Hand durch eine harte Zeit.“ Er quittierte seinen eigenen Wortwitz mit einem abschätzigen Schnauben. „Wir Uchihas sind es halt nicht anders gewöhnt… vielleicht geht es auch gar nicht anders, aber ...“ Plötzlich spürte sie Shisuis Hand an ihrer Wange, die leichten Druck ausübte. Er wollte, dass sie ihm ins Gesicht sah. Doch er nötigte sie nicht, sondern wartete ihre Reaktion auf die Geste ab. Endlich löste sie sich aus ihrer Starre und tat ihm den Gefallen. „ - aber, wenn wir die Anführer dieses Clans werden, könnten wir doch immerhin versuchen es besser zu machen, oder?“ Erneut stolperte Makani über das ‚wir‘ von dem Shisui da sprach. Er und sie, die zukünftigen Anführer der Uchihas? Sie war sich ziemlich sicher, dass Fugaku dies nicht im Sinn gehabt hatte. Dennoch erfüllte sie die völlig abwegige Vorstellung mit einer irritierend starken Erregung. Shisui sah sie an, als wünsche er sich ihre Zustimmung, doch sie konnte nichts weiter tun, als ihn wie ein verschrecktes Reh anzustarren. Was war sie bloß für ein jämmerliches Ding?! Als keine Antwort von ihr kam, fuhr er fort: „Aber natürlich hast du recht, es klingt heute schon ziemlich seltsam, sich von einem Clanrat vorschlagen zu lassen, wen man heiraten und wo man einziehen soll. Aber weißt du, ich hatte ein paar Freundinnen in den letzten Jahren und ich habe sie auch wirklich gern gehabt, doch irgendwie war es immer … ich weiß auch nicht … sie konnten nie richtig verstehen, was es bedeutet, zum Uchiha-Clan zu gehören und warum das Ninjatum so dermaßen viel für mich bedeutet. Mit einer von ihnen mein Leben zu teilen, wäre wohl nicht gut gegangen. Aber du verstehst das alles, du bist ein Teil davon geworden. Und ich schätze dich sehr, als Kunoichi und als Kameradin. Ich glaube, mehr kann man nicht verlangen. Ich finde, es spricht nichts dagegen, dass wir es nicht versuchen könnten – was immer das bedeuten mag.“ Er grinste etwas verlegen und verschmitzt zugleich, ein blasser Schatten seines früher so bereitwillig verschenkten Lächelns. „Aber das ist natürlich alles absolut irrelevant, wenn du es nicht möchtest, was natürlich vollkommen verständlich wäre...“ Was ich möchte? Beinah hätte Makani gelacht. Wurde sie nicht seit Wochen täglich vor vollendete Tatsachen gestellt und mit für sie getroffene Entscheidungen konfrontiert? Eine Entwicklung, welche ausgerechnet an diesem Abend ihren unbestrittenen Höhepunkt erreicht hatte. Und sie mühte sich verzweifelt, dies alles zu begreifen und die Führung über ihr Leben zurückzugewinnen, nur um in der nächsten Kurve wieder aus der Spur geschleudert zu werden. Und jetzt fragte er sie ernsthaft, was sie wollte? … Sie war erschöpft. Shisuis Umarmung war einerseits nur schwer zu ertragen, fühlte sich aber gleichzeitig seltsam gut an. Sein Körper strömte eine angenehme Wärme aus und er roch ... verheißungsvoll? Etwas lang Vergrabenes schien in ihr zu erwachen und sich unter Qualen zu winden … ein verzweifelter Hunger, von dem sie bisher kaum etwas gewusst hatte. Wie unendlich lang war es her, dass sie umarmt worden war, dass sie den Körper eines anderen Menschen gespürt hatte? Shisuis Gesicht näherte sich ihrem, seine Hand ruhte weiterhin auf ihrer Wange und er sah sie fragend an. Doch anstelle einer Antwort schloss sie die Augen. Ihr war klar, dass es absolut irrational und lächerlich war, aber sie wusste auch, dass sie bei jedem Versuch, der Situation mithilfe ihres Verstandes Herr zu werden, kläglich scheitern würde … und mit ziemlicher Sicherheit würde es dazu führen, dass sie wieder allein in der kalten Dunkelheit stand, ohne einen warmen Körper, der sie umarmte… Als Shisui sie küsste, glaubte sie für einen Moment den Boden unter den Füßen zu verlieren. Fast panisch schlang sie die Arme um seinen Hals und konnte dann nichts weiter tun, als ihren Körper gewähren zu lassen, der sich fast gewaltsam an dem anderen festklammerte. Zunächst schien Shisui überrascht von der Vehemenz ihrer Reaktion, doch nach kurzem Zögern begann er darauf einzugehen, hielt sie so fest, dass es wehtat, und zog mit seinen Fingen tiefe Spuren über die Haut ihres Rückens. Als er versuchte mit seiner Zunge in ihren Mund einzudringen, zuckte sie zunächst zurück, ließ es dann aber zu und hörte sich selbst wie von fern seufzen, als sie ihre Lippen öffnete. Und im nächsten Moment verlor sie tatsächlich den Boden unter den Füßen, denn Shisui hatte sie ein Stück hochgehoben und, während er sie weiterhin fiel zu fest hielt, legte er sie auf die kühle Erde. Auf die Matte geschickt … besiegt!, ging es Makani durch den Kopf, ohne dass sie wirklich begriff, wieso. Doch sie war unfähig weiter darüber nachzudenken. Shisui beugte sich über sie und begann sie zu streicheln. Seine Bewegungen wirkten fieberhaft, fast ein wenig gehetzt. Makani hielt weiterhin die Arme um seinen Hals geschlungen und ließ es geschehen. Doch dann erstarrte ihr Team-Kamerad plötzlich in der Bewegung. Seine Lippen verließen ihre, sie öffnete sie die Augen und irgendein verwirrter Teil von ihr war tatsächlich überrascht, Shisuis Gesicht vor sich zu sehen … sah es nicht irgendwie fremd und verändert aus? Als sie realisierte, dass sie in das stechende Rot seines Sharingans blickte, kam sie endgültig wieder in der Gegenwart an, nahm nicht mehr nur ihren Körper, sondern auch ihre Umgebung wahr – und augenblicklich verließ sie alle Wärme und ihr wurde eiskalt … sie waren nicht allein. „Es tut mir leid, euch unterbrechen zu müssen“, ertönte Fugakus Stimme und Makani schloss erneut die Augen, diesmal allerdings in einer Art ungläubigem Schock. Sie wünschte sich so sehr, nicht da zu sein, dass es sie nicht gewundert hätte, wenn die Erde erbarmen mit ihr gehabt und sie einfach an Ort und Stelle verschluckt hätte. Stattdessen versuchte sie verzweifelt, sich in die nächtlichen Schatten zu hüllen, aber ihr hoffnungslos aufgewühltes Chakra wollte ihre Schwingungen einfach nicht aufnehmen. Dann lugte sie doch an Shisuis glühendem Blick vorbei und da stand das Oberhaupt der Uchihas mit einer Gaslampe in der Hand, die bedrohliche Schatten auf sein Gesicht und die seiner Begleiter warf. Die Mienen der Clanältesten schienen ein ganzes unerträgliches Spektrum an Emotionen widerzuspiegeln: von Ärger über peinliche Berührtheit bis hin zu leichter Belustigung. Sie spürte, wie ihre Blicke den Händen Shisuis folgten, eine unter den Stoff ihres leichten Hemdes geglitten, die andere fest um ihren Oberschenkel gefasst, ihr Bein beim umschlingen seiner Hüfte unterstützend. Berührungen, die sie eben noch genossen hatte und die sie nun plötzlich abstießen. „Auch wenn es mich freut, zu sehen, wie sehr ihr einander bereits ...“ Er machte eine, wie es Makani vorkam, süffisante Pause. „… ins Herz geschlossen habt, erstaunt es mich doch, wie schnell sich insbesondere unser jüngstes Ratsmitglied … umorientiert hat.“ Makani drohte an der Wut und der Scham, welche sich gleichzeitig in ihrer Kehle stauten, zu ersticken. Sie stieß Shisuis immer noch erstarrte Hände weg. Da löste er sich endlich von ihr, stand hektisch auf und stellte sich zwischen sie und die Uchihas. Makani blieb liegen und kauerte sich Schutz suchend im spärlichen Gras zusammen. „Ja, auf dieses Mädchen musst du gut aufpassen, Shisui“, bemerkte einer der Ältesten in widerwärtig anzüglichen Tonfall. „Ich denke, das reicht“, wies ihn das Clan-Oberhaupt milde zurecht. Dann wandte er sich an Shisui: „Also, wann dürfen wir das Haus für euch herrichten lassen?“ „Ich … ich denke bald“, antwortete dieser mit kleiner Stimme und verbeugte sich. „Das freut mich. Gut, da das geklärt ist, können wir nun zum eigentlich Grund kommen, weswegen wir dich gesucht haben. Du bist vorhin nach der Sitzung so schnell verschwunden, dabei gibt es noch einige sehr wichtige Dinge zu besprechen. Dir ist heute schließlich eine der wichtigsten Positionen in unserer Gemeinschaft überantwortet worden… Also würdest du jetzt bitte mit uns kommen?“ Shusui zögerte und drehte seinen Kopf ein kaum wahrnehmbares Stück zu Makani. „Aber natürlich, wenn du zuerst deine Verlobte nach Hause bringen möchtest ...“ Folgsam beugte er sich über sie und hielt ihr eine zitternde Hand hin. „Nein, ich will nicht!“, zischte sie mit erstickter Stimme. „Ist in Ordnung. Sie kommt zurecht“, sagte Shisui daraufhin laut und wie mechanisch.     *     Kurz darauf lag sie allein in der Dunkelheit. Sie spürte einzelne feine Regentropfen auf ihrem immer noch entblößten Bauch und einen kühlen Wind, der ihr die kleinen Härchen auf der Haut aufrichtete. Irgendwann, sie wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, hörte sie von Ferne Donnergrollen. Das half ihr, sich endlich aufzurichten. Es fühlte sich an, als würde sie sich schwer verwundet von einem Schlachtfeld erheben, auf dem sie gerade die Niederlage ihres Lebens erlitten hatte… Dabei war ihr an diesem Abend ein Wunsch erfüllt worden, der, so erkannte sie plötzlich, einen großen Teil ihres bisherigen Lebens bestimmt hatte, ohne dass sie sich es hätte eingestehen können: Die Uchihas hatten sie als wahre Clan-Tochter anerkannt und sie noch dazu prompt auf die höchste Position gesetzt, die man als solche wohl je erreichen konnte. Und der verlorene und schmerzlich vermisste Freund aus Kindertagen hatte ihr nicht weniger als das Versprechen einer lebenslangen Bindung angeboten – zumindest einer von ihnen… Und was blieb von diesem Wunsch nach seiner Erfüllung übrig? Makani sah ein letztes Mal zum Haus Mokuren, dessen Fensteröffnungen sie wie finstere Schlünde stumm anzuschreien schienen. Sie schrien Einsamkeit. Makani hielt sich die Ohren zu und weinte.         * * *       Kapitel 18: Blut und Tränen I ----------------------------- Die Gewitterfront zog an Konoha vorbei und wütete einige Kilometer südöstlich mit kräftigen Sturmböen und Blitzeinschlägen. Dennoch setzte nach Mitternacht heftiger Regen über dem Dorf ein und hielt an, bis Makani am nächsten Tag die Augen aufschlug. Sie erwachte wie aus einer tiefen Bewusstlosigkeit und brauchte einige Momente, bis sie wieder wusste, wo sie war: Ein helles, freundliches Zimmer mit einem bequemen Bett und großen Fenstern, hinter deren Regen benetzten Scheiben sich verschwommen ein großzügiger Garten abzeichnete. Langsam richtete sie sich auf. Über einem Stuhl neben dem Bett hing ihre Kleidung. Sie war immer noch feucht. Verwirrt sah Makani an sich herunter. Nur sehr vage meinte sie sich zu erinnern, wie sie vergangene Nacht die nassen Sachen ausgezogen, den leichten, viel zu großen Yukata übergeworfen und nachlässig zugebunden hatte – der Knoten hatte sich mittlerweile gelöst. Doch das alles schien wie der Garten hinter den Fenstern hinter einem Schleier aus Regen, Schmerz und Scham zu zerfließen. Während sie den Knoten in ihrem Gürtel erneuerte, begegnete sie ihrem eigenen Blick in einem Spiegel an der Wand. Ein gespenstisch blasses und zerwühltes Gesicht, aus dem rote, geschwollene Augen hervorstachen. Makani wandte sich entschieden ab, verließ das Zimmer und stieg eine Treppe hinunter. Im Flur im Erdgeschoss blieb ihr Blick für einen Moment an der Tür eines Wandschrankes hängen, dann ging sie zögerlich in Richtung Wohnzimmer weiter. „Oh, du bist wach?“ Eine große Frau mit langen schwarzen Haaren und hübschem Gesicht stand mit einem Staubtuch am Hausaltar und lächelte Makani freundlich an. Diese schaute nur verwirrt und etwas erschrocken zurück. „Ach, entschuldige - “ Die Frau lachte leise und verlegen. „ - du kennst mich nicht … Ich bin Nami. Ich kümmere mich seit Kurzem um Jiraiyas Haus. Ich komme aus Urazato. Ich war auch gestern Nacht da, als du hier ankamst, aber du hast mich wahrscheinlich nicht bemerkt.“ Urazato war, soviel Makani wusste, ein Dorf irgendwo an der Küste des Hi no Kuni, keine Ninjasiedlung, sondern einfach ein ganz normales Dorf, ein Fischerdorf. Konoha erhielt regelmäßig Lieferungen von dort. „Äh, wo ist Jiraiya?“, brachte sie nach einem Moment hervor. „Er ist ins Dorf gegangen. Er müsste aber jeden Moment zurück sein. Möchtest du so lange etwas frühstücken?“ Eigentlich wollte Makani ablehnen, aber aus irgendeinem Grund schien die Verbindung zwischen ihren Gedanken und ihrem Mund gerade nicht richtig zu funktionieren und Nami interpretierte ihr Schweigen als Zustimmung. Kurz darauf saß die Kunoichi am Wohnzimmertisch, betrachtete stumm die am Fenster herabrinnenden Tropfen und ließ sich von Jiraiyas Haushälterin Reis, Misosuppe und kalten gegrillten Lachs vorsetzen. Das Gefühl der Verwirrung hatte zwar etwas nachgelassen, trotzdem konnte sie sich immer noch nicht ganz erklären, wie sie hier gelandet war. Was musste ihr alter Sensei gedacht haben, als sie mitten in der Nacht völlig nass und verheult vor seiner Tür gestanden hatte? Aber wenn sie genauer darüber nachdachte – wo hätte sie sonst hingehen können? Im Uchiha-Viertel zu bleiben war jedenfalls absolut undenkbar gewesen … Als Makani Fisch und Reis mit einem sie selbst überraschenden Hunger hinuntergeschlungen hatte und sie sich gerade über die Suppe hermachen wollte, polterte es im Flur und Jiraiya kündigte mit einem dröhnenden „Was ein Sauwetter!“ seine Rückkehr an. Keine Minute später stand er in der Wohnzimmertür, warf seinen nassen Mantel über eine Stuhllehne und kam grinsend auf seinen etwas bedröppelt dreinschauenden Gast zu. „Ja, wusst‘ ich‘s doch! Da fehlt nur etwas Schlaf und ein ordentliches Frühstück und du bist wieder fast die Alte!“ Mit einem wohligen Seufzen ließ er sich auf den Stuhl neben Makani fallen. „Danke, dass ich hier übernachten durfte“, murmelte sie. Wie so oft machte sie offen ausgedrückte Herzlichkeit verlegen, aber sie ahnte, dass sich dies bei Jiraiya bald geben würde, - sie hätte es zwar nicht erwartet, aber die Anwesenheit ihres alten Sensei fühlte sich irgendwie angenehm vertraut an. Dieser winkte auf ihren gemurmelten Dank nur ab: „Ich freue mich, dass meine eigensinnigste Schülerin endlich mal zu Besuch kommt! Obwohl es mir manchmal so vorkommt, als wäre ich damals viel mehr Schüler gewesen als du.“ Er lachte dröhnend und Makani überlegte, ob er sich nicht vielleicht über sie lustig machte. „Jetzt kann ich es dir ja sagen ...“, fuhr er fort. „Als wir damals mit dem Training anfingen, dachte ich, es wäre hoffnungslos mit dir und Akane hätte sich das mit der Begabung für Naturchakra nur eingebildet. Ich habe alles Erdenkliche versucht, nichts wollte funktionieren. Und du hast zwar keinen Ton gesagt, aber es war dir klar vom Gesicht abzulesen, dass du meine Trainingsmethoden absolut bescheuert fandest – nicht leicht auszuhalten als Lehrer sowas, das kannst du glauben! Und dann eines schönen Tages: Zack! Da lief es auf einmal … und ich habe bis heute keine Ahnung, wie oder warum, aber das Chakra floss nur so in Strömen … Hahaha! Seitdem versuche ich immer zu Bedenken, dass jeder Ninja seinen eigenen Weg finden muss. Aber ich muss gestehen, das ist manchmal verflucht schwer, besonders wenn sich Arroganz und Senilität mit zunehmendem Alter vermischen … Hahaha!“ Makani wusste nicht recht, was sie darauf antworten sollte, also sagte sie einfach gar nichts und erwiderte den Blick Jiraiyas lediglich mit der Andeutung eines Lächelns. Doch die Erinnerung an damals stand ihr auf einmal erstaunlich klar vor Augen. Er hatte es geschildert, als sei das alles nicht weiter schwer gewesen … Die fast unerträgliche Frustration, die sie empfunden hatte, als ihr zu Beginn nichts zu gelingen schien, der ihr endlos erschienene Kampf, bis sich dann endlich, endlich etwas bewegte, und die Angst, dass, wenn sie es nicht schaffte, sie nie über den Rang eines Genin hinausgekommen würde, waren bei ihm zu einem schnöden ‚Zack‘ zerronnen ... Verletzter Stolz und Angst, zu versagen. Hatte sie jemals etwas anderes auf ihrem Ninjaweg angetrieben? Kein Wunder, dass man sie fragte, ob sie das wirklich wollte … oder eigentlich: ob solch eine Motivation ausreichte, um sich überhaupt Ninja nennen zu dürfen. Willst du für immer das Leben eines Ninja führen? Um das Stechen abzuwürgen, trank Makani hastig den Rest der kalten Miso-Suppe. „Und kaum drei Jahre später erwische ich dich bei einem ANBU-Einsatz in meinen eigenen vier Wänden! Ich habe ja immer geahnt, dass Hiruzen mich beschatten lässt, aber dass er jetzt schon meine eigenen Schüler auf mein Flirt-Paradies ansetzt …“ Makani fand es etwas irritierend, dass sich der alte Sannin offenbar köstlich über diese Vorstellung zu amüsieren schien. Unsicher fragte sie sich, inwieweit sie befugt war, die Situation aufzuklären, sagte dann aber trotzdem: „Es war nur eine Übung, kein Spionageauftrag! Außerdem glaube ich, dass die Sache mit deinem Manuskript auf Kakashis Mist gewachsen ist.“ „Ist das so?“ Diese Eröffnung schien Jiraiyas Amüsement keinerlei Abbruch zu tun. Er fuhr lediglich fort breit – und nicht im mindesten überrascht – zu grinsen. „Ähm, und ich glaube, es wäre gut … also ich wäre dir dankbar, wenn du es für dich behalten könntest, dass ich bei der ANBU angefangen habe …“, fügte Makani nach kurzem Zögern gedämpft hinzu und sah dabei ausweichend in ihre leere Suppenschale. Sie spürte Jiraiyas aufmerksamen Blick auf sich ruhen, seine alberne Stimmung schien mit einem Mal verflogen. „Wenn du möchtest, werde ich es selbstverständlich für mich behalten. Es hat zugegebener Maßen Vorteile, seine Mitgliedschaft in bestimmten Einheiten auch gegenüber seinem eigenen Dorf geheim zu halten … Man kann sich ja leider nie sicher sein, ob nicht irgendwann einmal Aufträge wie dieser neulich erteilt werden müssen, die keine Übung sind.“ Irgendetwas an Jiraiyes Worten oder an der Art, wie er es gesagt hatte, beunruhigte Makani. „Hast du etwas dagegen, wenn ANBU-Mitglieder ihre Identität geheim halten?“, fragte sie schließlich, woraufhin ihr alter Sensei resigniert lächelnd seufzte. Er schien kurz nachzudenken, dann begann er mit ungewohntem Ernst in der Stimme: „Das ist eine sehr alte Streitfrage, an der sich immer wieder von neuem die Geister scheiden. Ich persönlich denke, es kann gefährlich werden, wenn man nicht weiß, wer für die Aktionen unserer schlagkräftigsten Einheit verantwortlich ist. Immerhin ist das ANBU-Oberhaupt noch verpflichtet seine Identität offen zu legen. Die Reform unseres letzten Hokage hatte das allerdings noch für alle Mitglieder vorgesehen, nachdem es über Jahrzehnte bei Strafe verboten war, sich zu seiner Mitgliedschaft zu bekennen … Du siehst, keine einfache Angelegenheit … Aber versteh mich bitte nicht falsch, Makani. Dein Wunsch ist absolut legitim und ich verstehe deine Lage.“ Spielte er auf ihre Clanzugehörigkeit an? Augenblicklich fühlte sich Makani in die schrecklich beklemmende Szene im Dōjō zurückversetzt, als der Name der Einheit überall durch die Reihen der Anwesenden geisterte, dabei den Kreis immer enger um sie zu ziehen schien, als wäre es ihr eigener Name, der da voller Verachtung geflüstert wurde. Und wieder lief es ihr kalt den Rücken hinunter. Was für ein Wahnsinn, dass ihre Team-Kollegen sich dieser Situation seit Monaten aussetzten – Nun, immerhin einer von ihnen hatte sich dem für die Zukunft entzogen, allerdings hatte er dafür einen verdammt hohen Preis bezahlt… Aber wie stellte sich Shisui das Ganze vor? Sie würden heiraten, in ihr altes Zuhause ziehen, nachmittags ihren Pflichten als zukünftige Clan-Oberhäupter nachgehen, vormittags gemeinsam mit dem verstoßenen Clan-Erben die Uchihas ausspionieren und anschließend wieder Fugaku darüber Bericht erstatten? Sie wollte lachen, aber stattdessen begannen ihre wunden Augen zu brennen, als sich plötzlich neue salzige Flüssigkeit ihren Weg durch die geschwollenen Kanäle bahnte. Sie biss mit Gewalt die Zähne aufeinander und kniff die Lider zusammen, aber es half nichts. Plötzlich spürte sie Jiraiyas tröstende Hand auf ihrem Arm. Als sie endlich wieder sprechen konnte, erzählte sie. Doch nicht das, was für den Sannin und jeden anderen Dorfbewohner wohl von deutlich größerem Interesse gewesen wäre. Dass der ehrwürdigste Clan und die ehrwürdigste Einheit Konohas sich in einem äußerst unwürdig anmutenden Gerangel um Macht gegenseitig ihren Nachwuchs auf den Hals hetzten – wobei es sich absurder Weise auch noch um die selben Personen handelte – sparte sie vollkommen aus. Sie war sich nicht sicher, ob sie es aus Loyalität ihren Team-Kameraden oder sonst jemandem gegenüber tat und es war ihr in diesem Moment auch irgendwie gleichgültig. Stattdessen erzählte sie, wie das Clan-Oberhaupt sie mitten in der Nacht nach Hause gebracht und in den Rat der Uchihas eingeladen hatte. Sie berichtete von ihrer Aufnahmezeremonie, von Fugakus ‚Heiratsempfehlung‘ und schließlich auch von Shisui und ihr vor dem Haus Mokuren. Sie schilderte es in allen Einzelheiten, auch wenn die Scham sie dabei innerlich zu verbrennen drohte. Aber noch größer war ihre Angst, dass, wenn all diese Dinge nicht ausgesprochen wurden, sie bald unter ihrem Gewicht zusammenbrechen würde. Als sie fertig war, schwiegen die junge Kunoichi und der alte Shinobi für eine Weile. Doch Irgendwann begann Jiraiya unvermittelt zu kichern. Befremdet starrte Makani ihn an. „Entschuldige bitte, Makani. Es ist nur … Ich fasse es nicht, dass Fugaku wirklich glaubt mit so einem fadenscheinigem Unsinn seine Schäfchen zusammenhalten zu können. Und dass er jetzt auch noch das gleiche bei der Tochter versucht, was seinem Vater bei der Mutter nicht gelingen wollte … das sieht ihm ähnlich! Verletzter Uchiha-Stolz verjährt nicht, hätte Akane gesagt. Verdammt, wie recht sie hatte!“ „Wovon redest du?“, unterbrach ihn Makani ungeduldig. Immer noch verärgert, dass er ihre Geschichte offenbar aus irgendeinem Grund ziemlich komisch fand. „Oh, ja, das sieht ihr nun wieder ähnlich, dass sie es dir nie erzählt hat. Na ja, ist ja auch alles wirklich verdammt lange her … Also, als Akane ungefähr so alt war wie du, vielleicht auch etwas älter, wurde sie als erste Kunoichi des Clans überhaupt Jonin. Das hat die Uchihas wohl ganz schön aufgescheucht. Es wurde diskutiert und gestritten, was man mit so einer unerhört talentierten Clan-Tochter denn nun anfangen sollte. Man kam zu dem Schluss, dass es am klügsten wäre, sie besser heute als morgen mit Fugakus Vater, damals angehendes Clan-Oberhaupt, zu verheiraten.“ Makani sah Jiraiya skeptisch an. „Und sie hat abgelehnt?!“ „Und ob sie das hat! Vor dem versammelten Rat“, erwiderte er mit einem selbstzufriedenen Grinsen, beinah als hätte er selbst den Heiratsplänen der Uchihas einen Strich durch die Rechnung gemacht. „Akane konnte es wunderbar erzählen. Ich versuche es lieber gar nicht erst, aber es muss ein Spektakel gewesen sein.“ „Sie haben es akzeptiert?“ Jiraiya zuckte die Achseln. „Was hätten sie machen sollen? Sie einsperren? Ich weiß nicht genau, was danach passiert ist. Nur, dass Akane für ein paar Jahre das Uchiha-Viertel verlassen und im Dorf gewohnt hat. Oder besser gesagt, war sie ab da an praktisch ununterbrochen auf Mission oder auf Reisen – diesem Lebensstiel blieb sie dann auch treu, als sie wieder in den Clan zurückkehrte. Viel später durfte ich Grünschnabel sie dann ein paar Mal auf ihren Reisen begleiten. Damals, als sie besessen von der Suche nach dem Ursprung war. Es wäre wirklich zu schade gewesen, wenn sie diese Jahre im Uchiha-Viertel versauert wäre! Davon hat sie dir aber erzählt, oder? “ Makani horchte gespannt auf und endlich löste sie sich für einen Moment von ihren düsteren Gedanken, die sich die ganze Zeit um ihre eigene verfahrene Situation gedreht hatten. „Ja, sie hat viele Reisen an alle möglichen Orte unternommen, um herauszufinden, woher das Chakra kommt oder so … so ganz verstanden habe ich es ehrlich gesagt nie und gefunden hat sie diese Quelle wohl eh nicht. Aber ich wusste nicht, dass du sie begleitet hast.“ „Nun, ich glaube nicht, dass sie nichts gefunden hat. Es mag zwar sein, dass es auf manche Dinge keine Antwort gibt. Das heißt aber nicht, dass es sich nicht lohnt, danach zu suchen“, erwiderte Jiraiya und lächelte geheimnisvoll. „Aber ja, ich habe sie eine Zeit lang häufiger begleitet und ich sage dir, es hat sich immer gelohnt.“ „Ich wünschte, ich hätte sie einmal begleiten können.“ Draufhin trat kurz Stille ein. „Ja… Das hätte ihr sicherlich auch gefallen.“ So ganz sicher war sich Makani da nicht, aber es tat trotzdem gut, es gesagt zu bekommen. Sie schenkte Jiraiya ein schwaches Lächeln, wobei sie versuchte nicht all zu Mitleid erregend auszusehen. „Nun, sie begleiten kannst du leider nicht mehr, aber würdest du denn trotzdem gern ein bisschen mehr aus Konoha rauskommen?“, fragte der Sannin, wobei er deutlich großzügiger lächelte als seine ehemalige Schülerin. Diese zuckte nur die Achseln. „Klar, es ist schön, neue Orte und Menschen kennenzulernen“ – jedenfalls stellte sie sich oft vor, dass es schön wäre. Wie hätte eine Mutter wie Akane, die immer viel und gern erzählt und selbst wohl mehr als ihr halbes Leben auf Reisen zugebracht hatte, diese Sehnsucht nicht in ihr wecken können? Doch tatsächlich hatte Makani das Dorf und seine nähere Umgebung in den letzten fünfzehn Jahren kaum ein halbes Dutzend mal verlassen. Ein bisschen bedauerlich kam ihr das manchmal schon vor, aber vielleicht war ja – wie manchmal im Leben – die Vorstellung viel schöner, als es die Realität je sein könnte. Und waren ihr zuletzt nicht genau hier, in jenem Dorf, in dem sie ihr ganzes Leben zugebracht hatte, so viele neue Dinge widerfahren, dass es sie immer wieder von Neuem schier überwältigt hatte? Schön war allerdings definitiv nicht das richtige Wort, um diese jüngsten Erfahrungen zu beschreiben. Schrecklich? Auf das Ende der letzten Nacht und noch auf ein paar andere Momente traf dies vielleicht zu, aber das war nicht alles … „Hmm… dann ist die ANBU vielleicht auf lange Sicht nicht das richtige Betätigungsfeld für dich; die scheinen in letzter Zeit eigentlich nur noch im Dorfgebiet aktiv zu sein“, warf Jiraiya wie beiläufig ein. „Ist das so? Aus welchem Grund?“ Jetzt zuckte er mit den Schultern – für Makanis Geschmack allerdings diesmal eine Spur zu beiläufig. „Woher soll ich wissen, was die höchsten Tiere hier für nötig halten, um die Sicherheit Konohas zu gewährleisten? Ich bin nur ein einfacher Jonin im Ruhestand. Einen Posten bei den Goikenban habe ich abgelehnt, vor Jahren schon. Viel zu anstrengend! Außerdem habe ich schon immer geahnt, dass meine wahre Berufung die Kunst ist … Noch dazu scheint mein eigenes Werk seit neustem als Sicherheitsrisiko eingestuft worden zu sein … Hahahaha!“ Makani musterte den über seinen eigenen Witz feixenden Shinobi skeptisch, entschied sich aber dagegen, dessen beteuerte Ahnungslosigkeit weiter zu hinterfragen, obwohl sie sich ziemlich sicher war, dass die allermeisten Dorfbewohner der Aussage zustimmen würden, dass Jiraiya selbst – auch ohne offiziellen Posten – ein ‚hohes Tier‘ in Konoha war – Aber in diesem Moment erweckte etwas anderes an seiner Aussage ihre Neugier noch stärker: Hielt es ihr Sensei wirklich für möglich, dass die ANBU nicht der richtige Platz für sie sein könnte? Nur aufgrund einer vagen Sehnsucht nach Dingen, von denen sie eigentlich kaum eine Ahnung hatte? „Aber…“, erwiderte sie schließlich, „meinst du nicht auch, dass meine Fähigkeiten prädestiniert sind für die Geheimdienstarbeit? Klar, ein Genie bin ich auf diesem Gebiet wohl auch nicht, aber ist es für Konoha insgesamt nicht die am meisten gewinnbringende Verwendungsmöglichkeit für mich?“ Jiraiya wischte Makanis Einwand mit einer leicht ungeduldigen Handbewegung beiseite. „Mag sein, mag sein … aber nicht immer führt einen diese Herangehensweise auf seinem eigenen Weg weiter. Vielleicht gräbt man sich nur tiefer an der Stelle ein, auf der man schon lange stehengeblieben ist, bis man irgendwann vollends stecken bleibt. Was soll daran für irgend jemanden gewinnbringend sein? Außerdem ... es gibt kein zerrisseneres Leben als das eines Spions. Man sollte diesen Weg nicht gleich beim erstbesten Abzweig wählen.“ Verdammt, Jiraiya mochte gern den Ahnungslosen spielen, aber er schien zumindest ein geradezu hellsichtiges Gespür für Makanis verzwickte Lage zu haben. Hatte sie ihm vielleicht doch zu viel erzählt? „Aber … der Hokage hat mich in die ANBU berufen. Sie werden mich nicht einfach gehen lassen, selbst wenn ich es wollte …“ „Hast du denn gefragt?“ Ungläubig erwiderte sie den abwarteten Blick des Sannin und antwortete: „Nein, selbstverständlich nicht!“ „Woher willst du es dann so genau wissen?“ … weil Itachi es gesagt hatte. Es waren ihre allerersten Tage in der Einheit gewesen und er war ihr Anführer; natürlich hatte sie ihm geglaubt… Aber – konnte es sein, dass es auch von ihm nur eine Annahme gewesen war, die auf seinen eigenen Überzeugungen beruhte? Befehle müssen befolgt, dem Willen des Dorfes muss entsprochen werden! Irgendwann hatte sich ihr Team-Leader offenbar für die ANBU und gegen seinen Clan entschieden und von da an schien alles weitere für ihn absolut eindeutig und das hieß insbesondere, wessen Befehle unbedingt befolgt werden mussten und wessen nicht … Einerseits beneidete sie ihn für diese übermenschliche Entschlusskraft, andererseits war es auch irgendwie unbegreiflich. Und dennoch hatte Itachi ihr damals eine andere Möglichkeit aufgezeigt, wie sie sich dem Ganzen trotzdem noch hätte entziehen können – Doch was für eine?! Indem sie zeigte, dass sie für die ANBU keinen Nutzen hatte … Wenn sie jetzt darüber nachdachte, kam dieses Angebot nicht eigentlich einer Beleidigung gleich? Aber vielleicht war es ja wirklich für ihn die einzig denkbare Möglichkeit gewesen – Doch würde man sie tatsächlich dazu zwingen, in der ANBU zu bleiben, wenn sie explizit um ihre Entlassung bat? Sie konnte sich irgendwie nicht recht vorstellen, dass Koguma so etwas tun würde, selbst wenn irgendwelche alten Gesetze es ihm erlaubten. Doch was würde er, was würden sie alle von ihr denken? Dass sie feige war und sich ihrer Verantwortung entzog? Sie würde ihren – wenn man dem ANBU-Oberhaupt Glauben schenkte – Schicksalsgenossen, den Nenashi, den wichtigen Dienst versagen, stellvertretend für sie Karriere zu machen. Sie würde nicht in den Rang einer Jonin aufsteigen und in ihr so angenehmes wie unbedeutendes Chuninleben zurückkehren. Das sollte der richtige Weg für sie sein? Makani, abermals in tiefen Gedanken versunken, schüttelte langsam den Kopf. Sie hatte doch schon einmal festgestellt, dass es ein einfaches Zurück für sie nicht mehr geben konnte, oder? … Aber wie in aller Götter Namen kann es bloß weiter gehen? Plötzlich blieb ihr Blick unvermittelt an einer Wanduhr über der Tür zum Flur hängen und, als sie begriff, was sie da sah, sprang sie vor Schreck auf. „Das mit der ANBU-Laufbahn hat sich vielleicht ohnehin erledigt“, rief sie mit leichter Panik in der Stimme „Ich bin heute nicht zum Dienst erschienen …“ Wie neben der Spur war sie denn, dass sie, seit sie aufgewacht war, kein einziges Mal daran gedacht hatte?! Jiraiya, selbst leicht aufgeschreckt durch ihre plötzliche Bewegung, hob beschwichtigend die Hände: „Schon gut, schon gut, Makani. Ich war vorhin im Dorf und habe dich krankgemeldet. Es ist alles in Ordnung; du musst dir keine Sorgen machen!“ Langsam ließ sich Makani wieder auf den Stuhl sinken und sackte schließlich darauf zusammen. Das Ausmaß der Erleichterung, das sie verspürte, erschreckte sie beinah. „Danke“, murmelte sie tonlos. Die Wahrheit lautete wohl, dass ihr nicht mehr viel bleiben würde, wenn sie die ANBU jetzt verließ – oder noch schlimmer, wenn die Einheit sie entließ. Sie konnte sich nicht mehr vorstellen, in ihr altes Team, zu ihren Freunden, zurückzukehren … Sie war von einem auf den anderen Tag verschwunden und mittlerweile seit Monaten nicht mehr aufgetaucht … Was mochten die erst von ihr denken? Realistisch betrachtet blieb ihr dann wohl nur ein Leben in jenem Clan, dem sie vor einiger Zeit bereits einmal den Rücken gekehrt hatte, um ihren eigenen Weg zu finden. Und nun sollte es damit enden, dass sie sich um das Haus Mukoren kümmerte und die Kinder des zukünftigen Oberhauptes darin großzog? - mithilfe von Kindermädchen natürlich! Oh Götter, was hätte Akane nur dazu gesagt? In diesem Moment war Makani das erste Mal für einen kurzen Moment froh, dass ihre Mutter nicht da war … „Hat es dir Spaß gemacht mit Shisui?“, fragte Jiraiya plötzlich und riss Makani damit augenblicklich wieder aus ihren Gedanken. „Was?!“ „Na ja, es geht mich zwar nichts an, aber das Leben eines jungen Ninja lässt normalerweise kaum Platz für Verliebtheiten. Eine Schande, wenn du mich fragst! Umso schöner, wenn sich doch mal etwas ergibt, findest du nicht? Wir könnten definitiv alle etwas mehr Liebe vertragen …“ Er grinste verschmitzt und zwinkerte Makani zu, welche augenblicklich dunkelrot anlief. „Ich … was? Nein, ich glaube… ich habe nichts gegen ihn, ich meine, ich mag ihn schon, er ist nett und so … aber ich … ich kann nicht. Heiraten … das ist doch völlig absurd!“, stammelte sie. „Hey, hey, wer sagt denn, dass ihr das müsst? Wenn es dir Spaß gemacht hat und ihr euch mögt, könnt ihr es genießen – deswegen musst du ihn aber noch lange nicht heiraten, ganz egal, was Fugaku für lächerliche Pläne schmiedet. Der Clan hat es damals verkraftet, dass eine Tochter nicht nach der Pfeife des Rates tanzt, und er wird es wieder verkraften.“ Makani brachte es nicht fertig, ihrem Sensei ins Gesicht zu sehen. Stocksteif saß sie da, den Blick auf ihre Hände geheftet, die sich verzweifelt Halt suchend an ihren eigenen Beinen festkrallten. Nach einer Weile hörte sie Jirayas Stimme, in der viel Mitgefühl, aber auch eine milde Mahnung lagen: „Schäme dich nicht zu viel, Makani. Scham ist ein wunderbares Unterdrückungsinstrument – und so bequem, die Menschen unterdrücken sich einfach selbst …“ Einfach nein sagen… Der ‚Empfehlung‘, wie Fugaku es diplomatisch formuliert hatte, einfach nicht nachkommen. Es klang so banal, aber Makani wusste, das war es nicht. Der Clan würde es mindestens als einen Ausdruck skandalöser Undankbarkeit auffassen, wenn sie dieses in ihren Augen wohl maßlos großzügige Angebot ablehnte. Das Clan-Oberhaupt würde es vielleicht sogar als offene Kampfansage verstehen und, dass sie es damit, wie sie jetzt wusste, ihrer Mutter gleichtun würde, machte es wahrscheinlich nur noch schlimmer. Wäre sie wirklich mutig genug zu rebellieren so wie sie? Eine lächerliche Vorstellung, wenn man bedachte, wie sie gezittert hatte vor der brutalen Autorität Fugakus… Und Shisui? Hatte sie es tatsächlich genossen? Ja … für ungefähr fünfundvierzig Sekunden. Und genau dafür schämte sie sich so sehr, dass es ihr fast körperlich Schmerzen bereitete, denn das Clan-Oberhaut hatte es in der nächsten Sekunde kaltblütig gegen sie verwendet. Und Shisui hatte absolut nichts dagegen unternommen … er war mindestens ebenso feige wie sie! Die Kunoichi spürte, wie heiße Wut in ihr wogte, die in Hass umzuschlagen drohte. „Nein, da ist wirklich kein Platz für Liebe“, murmelte sie finster und musste erneut mit den Tränen kämpfen. „Das ist schade“, erwiderte Jiraiya mit aufrichtigem Bedauern in der Stimme. Stille breitete sich aus und hielt eine Weile an, bis sie endlich von der sanften Stimme Namis unterbrochen wurde, welche so leise eingetreten war, dass weder die Kunoichi noch der Shinobi es bemerkt hatten: „Entschuldigt bitte die Störung. Ich wollte nur sagen, dass ich jetzt losgehe zum Markt, sonst bekomme ich nicht mehr alles, was wir brauchen.“ Sofort stand Jiraiya auf. „Oh, verdammt, ja, ich wollte dir mit den Einkäufen helfen!“ Er ging auf die Frau aus Urazato zu und, was er als nächstes tat, überraschte Makani so sehr, dass ihre Augen beim Starren ganz groß wurden und ihr der Mund aufklappte: Der Sannin nahm Namis Gesicht in beide Hände und gab ihr einen langen, sanften Kuss auf die Lippen. Diese erwiderte die Geste bereitwillig. So war das also?! Aber sie musste mindestens zwanzig Jahre jünger sein als ihr alter Sensei. Makani spürte, wie ihr erneut das Blut in den Kopf schoss … „Dann sollten wir uns wirklich beeilen, dass wir loskommen. Der Regen scheint auch gerade ein bisschen nachgelassen zu haben“, säuselte Jiraiya und legte Nami einen Arm um die Tailie. „Aber was ist mit Makani? Es macht mir nichts aus, allein zu gehen!“, wandte Nami ein und schenkte der Kunoichi ein freundliches Lächeln. „Nein“, rief diese, wobei sie die Arme so hektisch hochriss, dass sie beinah ihr Frühstücksgeschirr vom Tisch gefegt hätte, „ich komme zurecht. Geht nur!“ Jiraiya schmunzelte. „In Ordnung, Makani. Wir sind bald wieder da. Fühl dich bitte wie zu Hause. Das Zimmer steht dir so lange zur Verfügung, wie du es brauchst.“ „Danke!“ Schon wieder diese verfluchten Tränen! Immer noch am Wohnzimmerfenster sitzend beobachtete Makani, wie Jiraiya und Nami Händchen haltend das Grundstück verließen. Sie fragte sich, ob die beiden auch so über den Marktplatz gehen würden. Das würde garantiert jede Menge Gerede geben. Aber vielleicht gab es das ja ohnehin schon. In den letzten Wochen hatte sie schließlich so gut wie nichts mehr davon mitbekommen, was im Dorf vor sich ging. Und auf einmal wusste Makani, was sie tun wollte: Sie nahm sich vor sich sobald wie nur möglich bei ihren alten Team-Kameraden zu melden. Sie würde sich bei ihnen entschuldigen und ihnen vielleicht sogar einfach sagen, was sie die letzten Wochen getrieben hatte. Denn es war offenbar ganz allein ihre Entscheidung, ob sie ihre ANBU-Mitgliedschaft jemandem anvertraute oder nicht, egal was Itachi oder sonst wer sagte. Aus seiner Perspektive war ein offener Umgang damit natürlich absolut indiskutabel, aber sie hatte das Recht, ihre eigenen Prioritäten zu setzen. Auch wenn es kein einfaches Zurück mehr für sie gab, durfte sie das Leben, das sie sich die letzten zwei Jahre mühsam aufgebaut hatte, nicht einfach wegwerfen – so wie Itachi es mit seinem Leben vor dem Eintritt in die Einheit getan hatte. Ihres mochte dagegen zwar weitaus weniger spektakulär gewesen sein, aber es war ihr Leben. Sollte sie vielleicht sogar jetzt gleich gehen, bevor sie der zaghafte Mut wieder verließ? Ihr Blick schweifte zur Uhr an der Wand. Es war bereits nach sechzehn Uhr… Doch dann fiel ihr plötzlich etwas anderes ein und ihr Magen krampfte sich augenblicklich schmerzhaft zusammen: Fugaku hatte sie für den heutigen Abend zu sich und den Ältesten bestellt, um sie in die Pflichten ihrer neuen Position einzuführen. Ein Teil von ihr hatte verzweifelt gehofft, dass sie die damit verbundene Entscheidung noch ein bisschen länger hätte hinauszögern können, bis sie hoffentlich etwas klarer sah, bis sich wenigstens eine vage Richtung vor ihr abzeichnete, in die sie gehen wollte und die wenigstens halbwegs versprach, nicht in eine Sackgasse oder vollends in den Abgrund zu führen… Aber wenn sie nicht ging, wäre das nichts Geringeres als das erste Zeichen des Widerstands gegen das Clan-Oberhaupt. Sie war sich sicher, dass Fugaku es genau so auffassen würde und es nicht ohne entsprechende Antwort auf sich beruhen lassen würde – und wenn sie ging, musste sie ihm gleich klar ins Gesicht sagen, dass sie auf gar keinen Fall heiraten würde, oder es würde zu spät sein… In der Kunoichi stieg Panik auf. * Kapitel 19: Blut und Tränen II ------------------------------ Die Sonne stand bereits sehr tief, als sich Makani endlich dem Uchiha-Viertel näherte. Sie war auf dem nur denkbar größtem Umweg hergekommen, der sie noch einmal um halb Konoha und auf den schmalsten und verschlungensten Pfaden durch den Wald geführt hatte. Trotzdem hatte sie noch immer keine endgültige Entscheidung getroffen, noch immer fühlte sie sich nicht im Stande, dem Oberhaupt der Uchihas ein weiteres Mal gegenüberzutreten oder aber durch ein demonstratives Nicht-befolgen seiner Anweisungen den diesmal vermutlich endgültigen Bruch einzuleiten. Doch nun würde sie jeden Moment am Trainingsgelände ankommen und genau wie sie dem Hoheitsgebiet des Clans immer näher kam, schritt auch der Tag unbarmherzig dem Abend entgegen... Ob Shisui bei dem Treffen dabei sein würde? Diese Vorstellung steigerte ihren Widerwillen sogar noch. Würde er sich heute von Fugaku auch noch Instruktionen dazu abholen, wie sie ihr Wohnzimmer zu dekorieren hatten oder wann und wie oft sie miteinander das Bett teilen sollten? In diesem Moment wollte sie ihren Team-Kameraden am liebsten nie wieder sehen … ich schätze dich sehr, als Kunoichi und als Kameradin. Ich glaube, mehr kann man nicht verlangen. Nein, es war wahrscheinlich sogar weit mehr als sie, Makani, verlangen konnte, dass Shisui mit ihrer Hilfe seinen Clan und seine vor Stolz platzenden Eltern zufrieden stellen konnte, weil er zu feige war, ihnen zu sagen, wie lächerlich das alles war oder was er wirklich wollte … was immer das sein mochte. - aber, wenn wir die Anführer dieses Clans werden, könnten wir doch immerhin versuchen es besser zu machen, oder? Na, hoffentlich glaubte er sich das wenigstens selbst. Makani war sich bewusst, dass sie sich immer weiter in ihre Wut hineinsteigerte, sich dabei sogar regelrecht anstachelte. Doch immerhin übertönte diese starke Emotion für den Moment einige andere peinigende Gefühle, die sie seit der vergangenen Nacht quälten. Es setzte in ihr sogar ausreichend Energie frei, um ihre Schritte endlich in eine klare Richtung zu lenken: Die Grenze zum Uchiha-Viertal lag gleich hinter den nächsten Bäumen. Doch dann verlangsamte sich ihr Gang unvermittelt wieder, bis sie schließlich sogar ganz stehen blieb. Sie hatte die Augen geschlossen, den Kopf ganz leicht in Richtung Waldesinnere geneigt. Sie hörte und spürte etwas, das sie auf einmal völlig in seinen Bann zu ziehen schien: ein lebhaftes Plätschern, Fließen und Strömen – ihr Bach. Wie lange war sich nicht mehr hier gewesen? Einen Monat? Zwei? Trotz des relativ kühlen Septemberabends verspürte sie kurz das drängende Bedürfnis, in dem flachen klaren Wasser zu versinken, die Zeit und die Götter erledigen zu lassen, dessen sie sich nicht gewachsen fühlte … Doch etwas stimmte nicht. Irgendetwas kaum Wahrnehmbares schien den freien Fluss der Energien zu stören. Als müssten sich die quirligen Fluten ihren Weg umständlich um einen schweren, unbeweglichen Fremdkörper bahnen … Wie automatisch setzte sich Makani wieder in Bewegung und bog nach links ab, weg vom Uchiha-Viertel. Der erste trügerische Eindruck, den die kleine Lichtung vermittelte, war ein zutiefst friedvoller. Das Wasser plätscherte so unschuldig und munter wie eh und je; das Geräusch vermischte sich mit dem leisen Flüstern der Blätter, die erste Anzeichen herbstlicher Verfärbungen aufwiesen. Das durch sie hindurch spielende Licht ließ helle Flecken über den Waldboden tanzen – und über den Rücken und das schwarze Haar der Person, die dort zusammengesunken am Ufer kauerte. „Itachi?“ Makanis Team-Captain zeigte keine Reaktion. Er saß völlig reglos da. Mit leicht gesenktem Kopf starrte er in den Bach hinunter. Der Kunoichi lief unwillkürlich ein Schauer über den Rücken, als sie eine unheilvolle Ahnung erfasste. Mit langsamen, unsicheren Schritten näherte sie sich dem Uchiha und, als sie endlich neben ihm stand und sah, worauf er seinen Blick gerichtet hatte, schienen die Blätter, die Vögel und das Wasser plötzlich für einen atemlosen Moment zu schweigen. Makani hatte das Gefühl, der Boden unter ihren Füßen würde nachgeben und sie würde fallen … „Shisui?“ Er lag dort unten, bleich und leblos, mit zerrissener Kleidung und zahlreichen Abschürfungen auf der bloßen Haut. Das einzige, das sich an ihm regte, waren seine Haare, die sich gleich einer schwarzen Wasserpflanze mit der Strömung bewegten. „Was ist mit seinen Augen?“, hörte sie sich selbst schreien, aber es fühlte sich so an, als käme die Stimme von weit her und wäre nicht ihre eigene. Shisuis Augen waren geschlossen, doch die Lider wölbten sich unnatürlich nach innen, fielen haltlos in die leeren Höhlen dahinter. Eine Spur geronnenes Blut quoll darunter hervor, dunkelbraun, beinah schwarz, als hätte sich die Farbe seiner Iris selbst über seine Wangen ergossen. Er war tot. Makani hatte es sofort gewusst, fast noch ehe sie seinen Namen ausgesprochen hatte. „Was ist mit seinen Augen?“, schrie sie noch einmal, doch Itachi rührte sich immer noch nicht. Er muss aus dem Wasser!, schoss es ihr durch den Kopf und noch ehe sie den Gedanken vollendet hatte, setzte sich ihr Körper auch schon wie von selbst in Bewegung. Sie hatte bereits einen Fuß in den Bach gesetzt, eine Hand nach Shisui ausgestreckt, da reagierte ihr Team-Leader endlich. Blitzschnell packte Makani und riss sie mit enormer Kraft zurück. Ein Arm schlang sich um sie und eine Hand krallte sich in ihre Schulter. Sie verlor das Gleichgewicht, stürzte nach hinten gegen den Uchiha und sie fielen beide. Sie verharrten eine unbestimmte Zeit lang im Gras. Wenige Sekunden oder sogar Minuten? Makani wusste es nicht; die Zeit, die Realität selbst schien ins Stocken geraten oder irgendwo hin jenseits dieser Lichtung verschoben. Das einzige, das einigermaßen wirklich erschien, war das Geräusch von Itachis schweren, leicht bebenden Atemzügen hinter ihr. „Lass mich los“, forderte sie ihn auf, aber er lockerte seinen Griff nicht. Doch irgendwie fühlte es sich nicht mehr so an, als würde er sie festhalten, sondern als sei er derjenige, der sich an ihr festhielt. Als sie sich schließlich selbst aus seiner Umklammerung befreite, leistete er nur halbherzig Widerstand. Sie drehte sich um, packte ihn nun ihrerseits an den Schultern und sah ihm ins Gesicht. Er erwiderte ihren Blick kurz merkwürdig teilnahmslos, dann schienen seine Augen den Fokus wieder zu verlieren. „Was ist passiert?“ Obwohl sie ihn regelrecht anbrüllte, bekam sie keine Antwort. Itachi schien nicht ganz bei sich zu sein. Sie musste irgendetwas unternehmen! „Steh auf! Wir können ihn nicht da liegen lassen. Hilf mir, ihn aus dem Wasser zu holen.“ Makani erhob sich mit zitternden Knien und hielt ihrem Anführer eine Hand hin. Doch fast im selben Moment erkannte sie, dass er schlicht außer Stande war aufzustehen. Also wandte sie sich ab und stieg allein zu ihrem anderen Team-Kameraden ins kalte Wasser. „Nein, Makani, bitte“, hörte sie Itachis schwache Stimme hinter sich, doch sie watete entschlossen weiter. Als sie auf das fahle Gesicht hinabblickte, war sie sich bewusst, dass sie nicht wirklich begriff, was sie sah. Ihr Geist ließ es einfach nicht zu, ließ sämtliche Eindrücke nur durch einen Filter zu ihr durchdringen, der alles auf das nackte, objektive Jetzt reduzierte, und das war gut so! Erst jetzt bemerkte sie, dass Shisuis Schädel hinter der linken Schläfe eingeschlagen war, ein beachtliches Stück des Knochens fehlte, doch das Wasser hatte die Stelle beinah vollständig von Blut reingewaschen. Die Wunde musste ihm zugefügt worden sein, als er sich bereits im Wasser befand oder kurz davor. Anders verhielt es sich mit seinen Augen… Makani packte den Körper unter den Armen und begann an ihm zu zerren. Er fühlte sich wahnsinnig schwer an. Die Totenstarre hatte bereits eingesetzt, schien aber noch nicht voll ausgeprägt. Sofort aktivierte sich ihr lang gepflegtes, aber bisher so gut wie nie praktisch angewandtes Akademiewissen. Demnach müsste der Tod vor etwa drei bis vier Stunden eingetreten sein. Endlich hatte sie ihn aus dem Wasser und die schmale Böschung hinaufgeschleift. Aber was nun? Als sie sich hektisch umsah, ohne wirklich zu wissen, wonach sie suchte, fiel ihr Blick auf einen dicken Ast, der nah bei Itachi am Ufer lag, und ihr wurde schlagartig schlecht. Nein! Nein! Das konnte nicht sein. War dies tatsächlich derselbe Ast, mit dem Shisui sie genau hier an dieser Stelle unter Wasser gedrückt hatte? Vor wie vielen Monaten? Zwei? Bald drei? Wieso lag der immer noch hier? Wieso fiel ihr das gerade jetzt auf? Vielleicht war es ja gar nicht so lange her … Vielleicht waren die ganzen letzten Wochen nicht mehr als eine Illusion gewesen, eine Genjutsu, in der sie gefangen war, seit dem Morgen, an dem Shisui sie hier aufgesucht hatte… Makani spürte, dass sie ganz kurz davor war, die Fassung zu verlieren. „Er hat sich fallen lassen...“, hörte sie dann Itachis tonlose Stimme zu sich durchdringen. Gerade noch rechtzeitig riss sie sich von dem verfluchten Ast und dem gebrochenen Körper los und fiel vor ihrem Anführer auf die Knie. Dieser sah sie an und sein Blick war wieder klar. „Ich habe ihn oben am Wasserfall gefunden. Er war noch am Leben, aber ein Auge hatte er bereits verloren. Er entfernte sich auch das andere und gab es mir.“ Itachi hielt ihr eine blutige Faust entgegen. Die Kunoichi wandte verstört den Blick ab und unterdrückte ein Würgen. „Dann stürzte er sich hinab.“ Eine ganze Weile brachte Makani keinen Ton heraus. Dann presste sie schließlich ein ersticktes „Warum?“ hinter der Hand hervor, die sie vor ihren Mund geschlagen hatte. „Er hat den Weg gewählt, den jeder Ninja dem des Verrats vorziehen sollte. Er hat nur das getan, was wir uns als Kinder immer geschworen haben: lieber Tod als Verrat.“ „Red keinen Scheiß!“, fuhr Makani ihn an und packte ihn erneut bei den Schultern. Sie wollte ihn schütteln oder ihm am liebsten eine runterhauen, einfach um irgendetwas zu tun. Sie spürte, wie sein Körper daraufhin fast völlig erschlaffte und scheinbar nur noch von ihrem groben Griff aufrecht gehalten wurde. „Bitte, du musst nach Hause gehen und jemanden holen. Ich will nicht, dass er hier liegen bleibt. Es ist nicht verdächtig, dass du ihn gefunden hast. Du kommst öfter hier her. Es tut mir leid, dass ich dir gesagt habe, wie es passiert ist. Jetzt musst du lügen -“ „Nein!“, unterbrach sie ihn und schüttelte ihn nun tatsächlich, allerdings nicht wirklich grob. „Bitte, keine Lügen mehr! Lass uns gemeinsam gehen. Wenn du ihnen alles erzählst und sie sehen, was sie mit ihren verfluchten Spielchen angerichtet haben, werden sie zur Besinnung kommen. Es wir endlich aufhören!“ Plötzlich schien auch noch das letzte Bisschen Kraft aus dem Uchiha zu entweichen. Sein Kopf sackte auf Makanis Schulter und er fing an zu zittern. „Nein, das wird es nicht“, flüsterte er. Eine Weile blieb er still, dann wiederholte er: „Bitte, Makani, geh!“ Sie wollte ihm widersprechen, ihn anflehen mit ihr zu kommen, aber es war nur zu offensichtlich, dass er momentan nicht die Kraft hatte, seinem Vater oder irgendjemanden sonst aus dem Clan gegenüberzutreten, geschweige denn von etwas zu überzeugen. Vermutlich war es tatsächlich das einzige, das sie gerade für ihn tun konnte… Aber sie konnte ihn doch jetzt nicht einfach allein lassen. „Was ist mit dir? Wo schläfst du gerade? Im Hauptquartier? Ich bringe dich hin!“ Ihr Team-Leader schüttelte entschieden den Kopf und machte Anstalten, sich zu erheben, doch Makani ließ ihn nicht los. Sie hatte auf einmal wahnsinnige Angst, ihn gehen zu lassen. Wie konnte sie sicher sein, dass er nicht auch irgendeine Dummheit beging, die nach seiner und Shisuis verdrehten Ansicht angemessen für einen Shinobi war. „Verdammt nochmal! Glaubst du im Ernst, ich lasse dich allein, nachdem dein bester Freund ...“ Ihre Stimme brach und sie konnte nicht weitersprechen. Itachi versuchte noch einmal sich von ihr zu lösen, doch sie krallte sich mit roher Gewalt an ihm fest. „Scheiße, Itachi! Wenn wir alle nicht ständig irgendwelche Alleingänge gemacht hätten, wenn wir uns keine Dinge verheimlicht und uns nicht von allem Möglichen hätten entzweien lassen -“ … wenn wir ein richtiges Team geworden wären … „ - dann hätten wir … dann wäre vielleicht...“ Plötzlich versteifte sich Itachi und gab seine halbherzigen Versuche auf, sich von der Kunoichi loszureißen. Ein paar Momente schien er zu versuchen sich zu sammeln, dann sah er ihr überraschend fest in die Augen. „Makani, ich schwöre dir, ich sorge dafür, dass weder dir noch mir etwas geschehen wird und dass wir uns gleich morgen wiedersehen werden! Aber ich bitte dich, bring ihn nach Hause … ich kann nicht mal mehr das für ihn tun. Und es könnten Wochen vergehen, bis ihn hier jemand findet“ Makanis Kehle schnürte sich schmerzhaft zu. Misstrauisch beäugte sie Itachi eine Weile. „Wohin wirst du gehen?“ „Zu Koguma. Er hat mich bei sich aufgenommen.“ Tatsächlich beruhigte sie diese Antwort ein wenig. Itachi würde heute Nacht nicht allein sein. Es gab jemanden, der sich um ihn kümmerte. Sie atmete einmal tief durch und erwiderte seinen festen Blick. „Ich nehme dich beim Wort, Uchiha Itachi.“ * Was sich in den nächsten Stunden ereignete, erschien Makani so unwirklich, als befände sie sich in einem Traum. Ein Albtraum, ohne Zweifel, doch keiner, aus dem man plötzlich schreiend aufschreckt. Nein, dieser hier zog sich schier ewig in die Länge, ohne das sie eine Chance hatte aufzuwachen. Es war ihr die ganze Zeit, als stünde sie neben sich und würde sich selbst dabei beobachten, wie sie das Uchiha-Viertel endlich erreichte, wie sie über eine halbe Stunde nach jemandem suchte, dem sie die ungeheuerliche Nachricht überbringen konnte, und wie sie danach nur noch tatenlos dabei zusah, wie dieser verhängnisvolle Funke sich von selbst fortzupflanzen begann, den Schrecken immer weiter anwachsen ließ und damit gleichzeitig unwiderruflich ans Licht der Realität gezerrt wurde. Sie blieb allein auf dem Uchi-niwa zurück, während vier Clan-Mitglieder zum Waldbach aufbrachen. Ein fünfter war im Viertel unterwegs, um alle wichtigen Personen zu unterrichten. Als es schon fast vollständig dunkel geworden war und Shisuis Eltern fast zeitgleich mit dem Clan-Oberhaupt den Platz erreichten, widerstand Makani dem Impuls, sich zu verbergen, nicht und verschmolz unbemerkt mit den Schatten der Kirschbäume. Und nur wenige Minuten später kehrten auch die Männer aus dem Wald zurück und die nächste Phase des Schreckens begann. Sie trugen den leblosen Körper, den sie vorsorglich mit einem Mantel verhüllt hatten, auf einer improvisierten Trage aus zusammengebundenen Ästen. Doch praktisch im selben Augenblick, als die Gruppe den Uchi-niwa betrat, stützte Shisuis Mutter auf sie zu und riss den Mantel herunter. Der Schrei, den die Frau daraufhin ausstieß, hatte schreckliche Ähnlichkeit mit dem eines verendenden Tieres. Makani drehte es den Magen um. Und es schien gar kein Ende nehmen zu wollen. Man hörte es noch auf dem Platz, als Shusui und seine Eltern schon längst in den Dōjō gebracht worden waren. Fugaku und die Ältesten waren ebenfalls hineingegangen. Da trat die Kunoichi schließlich aus ihrem Versteck, ging bis zum Eingang des Gebäudes und kauerte sich zitternd auf die Engawa. Später konnte sie sich nicht mehr erinnern, wie lange sie dort ausgeharrt hatte, nur dass sie die ganze Zeit über schrecklich gefroren hatte. „Makani“, ertönte irgendwann eine herrische Stimme hinter ihr. Widerwillig stand sie auf, drehte sich um und stellte sich dem unerbittlichen Blick des Clan-Oberhauptes. Sie sah wie hinter ihm Shisuis Eltern aus dem Dōjō geführt wurden. Seine Mutter hatte endlich aufgehört zu schreien. Tatsächlich schien sie halb bewusstlos zu sein. Vielleicht hatte man ihr irgendetwas verabreicht – gut für sie! Makani wünschte, sie könnte auch etwas davon haben… „Fugaku-san“ Ihre Stimme klang seltsam, heiser und teilnahmslos. Sie schaute zu ihm auf und stellte nicht ohne Verwunderung fest, dass sie keine wirkliche Angst verspürte. Eigentlich fühlte sie gar nichts, bis auf Abneigung vielleicht. Der strenge Blick des Uchiha perlte an ihr ab wie Regentropfen an einer Scheibe. „Du hast ihn gefunden“, sagte er. Es war keine Frage. „Ja, er lag im Bach hinter dem Trainingsgelände. Es gab keine Anzeichen für einen Kampf“, antwortete sie dennoch absolut nüchtern und sachlich, als würde sie Auskunft über den Verlauf irgendeiner x-beliebigen Mission geben. „Bist du meinem Sohn begegnet?“ Dies war wiederum definitiv eine Frage und sie versetzte die Kunoichi trotz ihrer Benommenheit augenblicklich in höchste Alarmbereitschaft. „Itachi? Nein, es war niemand sonst dort.“ Die Lüge kam ihr überraschend leicht über die Lippen; ihr erstarrtes Inneres war wohl zu keiner verräterischen Regung im Stande. Trotzdem schaffte sie es irgendwie Fugakus forschenden Blick einigermaßen verwirrt zu erwidern und den Namen ihres Team-Captains so auszusprechen, als sei er die Person, an die sie in diesem Moment als allerletztes gedacht hätte. Gleichzeitig wurde ihr bewusst, dass dies hier kein Gespräch unter vier Augen war, sondern dass sie einige Zuhörer hatten, die bei der Erwähnung des verstoßenen Clan-Erben sofort wie gebannt die Ohren spitzten. Was hatte es zu bedeuten, dass die zweite Frage, die Fugaku in dieser Angelegenheit an sie richtete, seinem Sohn galt? Wusste er etwa, dass Itachi tatsächlich da gewesen war? „Warum warst du dort?“, fragte er dann. „Ich gehe oft zum Bach, wenn ich nachdenken will.“ „Aber wenn ich mich nicht irre, hättest du eigentlich eine wichtige Verabredung gehabt.“ „Ich war mir noch nicht sicher, ob ich kommen will.“ Makani stellte sich die schockierten Gesichter der Umstehenden vor, sah aber nicht hin. Unter anderen Umständen hätten ihr ihre Blicke zugesetzt, vielleicht hätte sie sie sogar gleichzeitig ein klein wenig genossen. Vermutlich hätte sie es aber im nächsten Moment wieder mit der Angst vor Fugakus Reaktion zu tun bekommen. Doch in diesem Moment fühlte sie nichts von all dem. Was interessierte es sie, ob dieser geradezu lächerlich autoritäre Mann, der nichts Besseres zu tun hatte, als knutschenden Teenagern nachzustellen, sie für unverschämt hielt? Das war doch alles vollkommen bedeutungslos… Schließlich ließ sie ihm gar keine Zeit für eine Reaktion. Stattdessen sagte sie mit unverhohlener Forderung in der Stimme, die noch nicht einmal gespielt war: „Ich will wissen, was mit ihm passiert ist!“ Dabei sah sie Fugaku beinah herausfordernd an. Seine Miene verriet nichts, aber er antwortete auch nicht gleich. Die anderen Uchihas schienen den Atem anzuhalten. „Sie steht unter Schock“, sagte jemand dann und es klang fast wie eine Entschuldigung. Doch das Clan-Oberhaupt hob abwehrend seine Hand, nickte aber gleichzeitig kaum merklich. „Schon gut! Ja, Makani, das wollen wir alle und ich verspreche dir: Wir werden es herausfinden.“ Makani kniff die Lippen zusammen, um die anklagende Erwiderung, die ihr auf der Zunge brannte, zurückzuhalten. Sie wusste, es wäre nicht klug, die innere Wut, die irgendwo unter der ganzen Taubheit schwelte, gerade jetzt herauszulassen. „Liebe Schwester, du könntest noch etwas für Shisui tun.“ Sie sah das Clan-Oberhaupt misstrauisch an. „Ich wüsste nicht, was das sein könnte.“ „Es ist vielleicht zu viel verlangt, gerade wenn du dich noch nicht endgültig entschieden hattest. Aber es wäre die Aufgabe seiner Frau gewesen, ihn für die Bestattung vorzubereiten, oder die seiner Mutter, aber ich fürchte, sie ist momentan nicht in der Lage dazu. Würdest du das für ihn tun?“ Eine eiserne Hand legte sich um Makanis Brustkorb und presste ihr fast vollständig die Luft ab. Sie brauchte eine ganze Weile, bis sie wieder sprechen konnte. „Ja.“ Fugaku legte der Kunoichi für einen Moment seine bleischweren Hände auf die Schultern, dann ging er und mit ihm verließen auch die anderen Uchihas den Uchi-niwa. Makani blieb noch minutenlang an der selben Stelle stehen, ohne sich auch nur einen Millimeter zu rühren. * Kapitel 20: Blut und Tränen III ------------------------------- Der große Raum wurde nur spärlich von zwei im Zug flackernden Öllampen erleuchtet und die Luft roch abermals schwer nach zu viel Räucherwerk. Shisui lag bereits auf jener reich verzierten Bahre, auf die jedes verstorbene Clan-Mitglied vor seiner Beerdigung gebettet wurde. Makani erkannte sie wieder, denn sie hatte schon einmal für jemanden die Totenwache gehalten. Allerdings war ihre Mutter nicht im Dōjō, sondern im Haus Mukoren aufgebahrt worden. Überrascht stellte sie nun fest, dass bereits jemand damit begonnen hatte, den Leichnam vorzubereiten. Doch als sie Uchiha Mikoto erkannte, fiel ihr wieder ein, dass Itachis Mutter ihr auch damals bei Akane geholfen hatte. Als Frau des Clan-Oberhauptes gehörte das zu ihren Aufgaben. Die jüngere und die ältere Kunoichi verbeugten sich höflich und machten sich ohne ein einziges Wort an die Arbeit, denn die Totenwache verrichtete man schweigend – und Makani war in diesem Moment sehr dankbar für diesen Brauch. Sie befreiten den Körper von der ramponierten Kleidung und wuschen ihn von oben bis unten mit warmen Wasser. Ganz vorsichtig wischte Makani Shisui dabei die blutigen Tränen von den Wangen. Danach verbanden sie ihm den zertrümmerten Schädel und die Augen, so dass keine Spuren der Gewalt mehr offen sichtbar waren. Und nachdem sie ihm schließlich mit einiger Mühe das blütenweiße Totenhemd angezogen hatten, nahm Makani Shisuis Hände und faltete sie über seiner Brust. Danach ließ die ihre Hände noch eine ganze Weile auf seinen liegen. Sie fühlte die kalte und starre Haut unter ihren Fingen und versuchte vorsichtig zu begreifen, was das bedeutete. Vor kaum vierundzwanzig Stunden hatten diese Hände sie berührt und gestreichelt und sie waren warm und sehr lebendig gewesen – Verdammt, Shisui… Wer war sie, ihn dafür zu verurteilen, dass er seine Familie hatte glücklich machen wollen? Eine Familie, die er liebte und die ihn liebte. Der Zuneigung, die er Makani entgegengebracht hatte, hatte sie dagegen keinerlei Bedeutung beigemessen. Warum nicht? Weil weder er noch sie sich vor Liebe zueinander verzehrt hatten? Weil er so feige war wie sie selbst und sich nicht offen gegen Fugaku aufgelehnt hatte? Oder war sie am Ende vielleicht sogar neidisch auf die Liebe seiner Familie gewesen? … ich schätze dich sehr, als Kunoichi und als Kameradin… Makani stieß einen stummen Schrei aus, ihre Hände begannen unkontrolliert zu beben und sich um die des Toten zu verkrampfen. Sie wusste, dass es sie jeden Moment vollends zu überwältigen drohte. Da spürte sie eine zarte Berührung an ihrer Schulter. Behutsam, aber bestimmt zugleich zog Mikoto sie auf die Beine, führte sie nach draußen an die frische Luft und setzte sie dort auf die Engawa. Dann verschwand sie wieder im Inneren des Dōjōs und kehrte kurz darauf mit einem Glas Wasser zurück. Makani trank gierig. „Es tut mir leid, mein Mann hätte dich nicht darum bitten dürfen“, sagte sie und in der Stimme der sonst so schweigsamen und distanzierten Frau lagen erstaunlich viel Bedauern und Mitgefühl. „Du siehst müde aus. Geh nach Hause und leg dich hin; den Rest schaffe ich allein.“ Dasselbe hätte sie auch zu Mikoto sagen können, dachte Makani. Nein, sie sah sogar mehr als nur müde aus. Tatsächlich wirkten die schönen dunklen Augen von Itachis Mutter beinah ebenso leblos wie die leeren Höhlen ihres Team-Kameraden. Makani erschauerte. „Nein, ist schon gut. Ich brauche nur einen Moment.“ Nach kurzem Zögern nickte Mikoto bloß, drehte sich um und ging wieder hinein. Während Makani allein vor dem Dōjō saß und in die Dunkelheit starrte, begann sich ihr Geist langsam, aber sicher aus seiner tauben Starre zu befreien. Und obwohl sie versuchte sich dagegen zu wehren, weil sie die Antworteten fürchtete, begann ihr Gehirn zu arbeiten und Fragen an das Unbegreifliche zu formulieren: Hatte Shisui sich das tatsächlich selbst angetan? Was in aller Götter Namen konnte ihn dazu getrieben haben, nur wenige Stunden nachdem er zum zukünftigen Clan-Oberhaupt ernannt worden war und versucht hatte, sie von einer gemeinsamen Zukunft zu überzeugen? Sollte für ihn etwa gerade darin ein derart schwerwiegender Verrat an seinem besten Freund gelegen haben? Aber ihr Team-Leader hatte doch quasi freiwillig auf seine Ansprüche auf die Clanführung verzichtet und man konnte nun wirklich nicht behaupten, dass Shisui darum gebeten hätte, seine Stelle einzunehmen. Allerdings war er ganz offensichtlich auch nicht in der Lage gewesen, abzulehnen … keine Frage, die Situation war schwierig gewesen, aber Makani konnte oder wollte nicht glauben, dass das tatsächlich ausgereicht hatte, um einen so lebensfrohen Menschen zum Äußersten zu treiben. Was war in den Stunden geschehen, nachdem Shisui sie letzte Nacht vor dem Haus Mukoren zurückgelassen hatte? In diesem Moment wurden Makanis hilflos umherirrende Gedanken jäh unterbrochen, als sich vor ihr die Umrisse einer Gestalt aus der Schwärze der Nacht lösten. Der lange Schatten, den der Mond auf die den Uchi-niwa umgebene Mauer warf, schien der kleinen zierlichen Person wie ein übergroßer dunkler Begleiter zu folgen. Kurz versteifte sich Makani alarmiert, im nächsten Moment war sie erleichtert und wusste gleichzeitig nicht, wo wie sie hinschauen sollte. Izumi blieb unschlüssig ein paar Meter vor ihr stehen. Sie hielt einen großen Strauß weißer Chrysanthemen in den Händen und selbst in dem wenigen Licht, das durch die Dōjōtür nach draußen fiel, konnte Makani erkennen, dass ihre Augen rot und geschwollen waren. „Ich… ich wollte nicht stören, aber ich konnte nicht … ich -“ Weiter kam sie nicht. Aus reinem Reflex eilte Makani auf sie zu und nahm ihr die Blumen ab, da es so aussah, als würde sie sie jeden Moment fallen lassen; so stark hatte ihr Körper zu beben begonnen. „Möchtest du dich in Ruhe verabschieden, bevor morgen früh alle hier anrücken?“, fragte sie nach längerem Zögern. Izumi nickte stumm. Als die beiden Kunoichis den Dōjō betraten, hielt sich Izumi an Makanis Arm fest. Seltsamerweise schien diese verzweifelte Geste Makani, welche sich selbst mehr als zittrig fühlte, ein wenig neue Kraft zu geben. Dennoch dachte sie unwillkürlich: Ich kann dich nicht beschützen. Dieser Clan frisst aus lauter Angst vor dem Untergang seine eigenen Kinder. Was kann ich Außenstehende schon dagegen tun? Eine halbe Stunde später saßen sie nebeneinander auf der Engawa. Izumi hatte die Arme um ihre Knie geschlungen und das Gesicht darin verborgen. Sie weinte beinah lautlos, nur von Zeit zu Zeit durchlief ein Zittern ihren Körper und sie sog wimmernd Luft ein. Makani strich ihr unbeholfen über den Rücken, wünschte sie könnte anstelle dieser holen Geste echten Trost spenden oder wenigstens selbst weinen, aber sie fühlte nichts als Leere und Müdigkeit. „Erzählst du mir, was passiert ist?“, fragte Izumi irgendwann mit kleiner Stimme. „ … Ich verstehe es selbst nicht“, antwortete Makani nach längerem Zögern. Sie hatte keine Kraft mehr sich darüber den Kopf zu zerbrechen, was sie wem sagen konnte und was nicht, aber diese Aussage entsprach immerhin definitiv der Wahrheit. „Gestern Abend nach der Sitzung habe ich das letzte Mal mit ihm gesprochen. Er war natürlich ziemlich aufgebracht, aber er … hat über die Zukunft geredet. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, er könnte - “ Izumi hob ruckartig den Kopf und sah Makani schockiert an. „Glaubst du etwa, er hat es selbst getan?!“ Verdammt! Und schon fehlten ihr wieder die Worte. Sie konnte nicht mehr klar genug denken. Sie wollte auch ganz einfach nicht mehr darüber nachdenken. „Ich weiß es nicht, aber ich kann mir nicht vorstellen, was ihm sonst zugestoßen sein könnte… Ein Unfall? Vielleicht war er unvorsichtig nach dem Schock?“ Izumi sah sie ungläubig an. „Vielleicht ist er angegriffen worden … “ „Wer sollte ihn angreifen und warum?“ Izumi erwiderte ihren skeptischen Blick nur hilflos und ihre Unterlippe begann erneut zu beben. Nach einer Weile sagte Makani sehr leise: „Sein bester Freund wird verstoßen und im selben Atemzug wird er selbst auf dessen Platz gesetzt … Würde das für einen wahren Shinobi nicht vielleicht ausreichen, um - “ Sie sprach nicht zu Ende, aber das brauchte sie auch nicht. „Oh Gott, nein! Nein!“, entfuhr es Izumi und sie verbarg ihr Gesicht wieder zwischen den Knien. Auch Makani kam es nach wie vor völlig unglaublich vor, aber eine bessere Erklärung gab es einfach nicht, oder? Und dann drang auf einmal doch der eine Gedanke auf sie ein, den sie die ganze Zeit über partout nicht hatte zulassen wollen: Hätte sie es verhindern können, wenn sie Shisui in der letzten Nacht nicht allein gelassen hätte? - Aber das hatte sie ja gar nicht, oder? … Er war mit Fugaku und den Ältesten mitgegangen. Was war danach geschehen? War der Gedanke, dass es kein Selbstmord gewesen war, vielleicht doch gar nicht so abwegig? Nach allem, was sie wusste, ergab es kaum einen Sinn, dass die Clanführung Shisui etwas angetan haben könnte, aber Makani war in diesem Moment nur all zu bereit, diesen schrecklichen Männern alles Mögliche zuzutrauen. „Was sollen wir denn jetzt machen?“, fragte Izumi und es klang fast kläglich. „Was sollen wir bloß Itachi sagen?“ Er weiß es doch längst, Izumi… Aber Makani bezweifelte, dass sie dieses Wissen trösten würde. „Du weißt, wo er ist, nicht wahr?“ Izumi hatte den Kopf wieder gehoben, bevor sie die Frage gestellt hatte. Doch sie sah Makani nicht an, sondern hatte den Blick irgendwo in die Ferne gerichtet, aber sowohl ihre Stimme als auch ihre Haltung verrieten ihre Anspannung. Mit einem Mal stand nun doch wieder wie ein unüberwindliches Dickicht zwischen ihnen, was Fugaku mit so viel Heimtücke gesät hatte. Die Makani fand es schier unerträglich, welche Macht er offenbar immer noch über sie hatte, aber auch jetzt sah sie keinen Weg, diese doch eigentlich lächerliche Intrige aus der Welt zu schaffen, ohne dadurch neue unabsehbare Probleme zu verursachen. Sie konnte Izumi nicht sagen, warum Itachi dem Clan und damit auch ihr den Rücken gekehrt hatte. Zumindest nicht hier und nicht jetzt. Aber sie wünschte, sie könnte ihr wenigstens versichern, dass er keine andere Wahl gehabt hatte, dass er natürlich hier bei ihr wäre, wenn das irgendwie möglich wäre und dass um aller Götter Willen zwischen ihm und Makani natürlich rein gar nichts lief. Doch es ging nicht. Sie war sich in diesem Moment absolut nicht sicher, ob auch nur irgendetwas davon der Wahrheit entsprach. Schließlich rang sie sich durch zu sagen: „Ich fürchte, er kann nicht in den Clan zurückkehren… Jetzt erst recht nicht.“ Nun wandte Izumi doch den Kopf und sah sie mit großen erschrockenen Augen an. „Aber das muss er! Was soll aus diesem Clan werden ohne Itachi? Fugaku hat einen Riesenfehler gemacht; das muss er doch einsehen.“ Erneut empfand Makani Mitleid für die jüngere Kunoichi. Glaubte sie das wirklich? Aber vielleicht hätte sie vor nicht all zu langer Zeit noch selbst so gedacht... „Und selbst wenn nicht“, fuhr Izumi fort und so etwas wie Trotz mischte sich plötzlich in ihren verzweifelten Blick. „Fugaku ist ein Idiot. Wenn er seinen Fehler nicht einsieht, werden es die anderen bald tun. Es können doch nicht alle Uchihas Idioten sein.“ Gegen ihren Willen musste Makani schmunzeln. „Wenn ich ihn sehe, werde ich ihm das sagen. Aber ich denke, dass er sich sehr bald selbst mit dir in Verbindung setzen wird.“ Dafür würde sie verdammt nochmal sorgen! So viel Verständnis sie für die Lage ihres Team-Leaders hatte, er konnte doch nicht immer alle, denen er etwas bedeutete, so im Ungewissen lassen. Er hatte hier offensichtlich etwas begonnen, für das er jetzt die Verantwortung übernehmen musste… „Um Gottes Willen, Makani!“ Die Kunoichi schreckte hoch und brauchte einen Augenblick, bis sie realisierte, wer da ihren Namen gerufen hatte und nun mit forschen Schritten auf sie zu geeilt kam. „Tekka?“ Ihr überraschter Ausruf wurde halb erstickt, als ihr Cousin sie in eine ruppige Umarmung zog. „Verdammt nochmal, Mädchen! Wo bist du die ganze Zeit gewesen?“ Makani bekam zunächst kein Wort heraus; Tekka drückte sie so fest gegen seine Brust, dass ihr die Luft wegblieb. Dann ergriff er sie bei den Schultern, brachte sie auf eine Armeslänge Abstand und sah ihr streng in die Augen. „Warst du bei ihm? Hat er dir etwas angetan?“ Für einen Moment war sie ehrlich verwirrt. Wieso sollte Jiraiya ihr etwas tun? Doch im nächsten dämmerte ihr, dass Tekka wohl nicht von ihrem alten Sensei gesprochen hatte… Die zaghafte Hoffnung, die für eine Sekunde in ihr aufgekeimt war, zerstob wie trockenes Herbstlaub in einer Windböe. „Verflucht, Makani! Fugakus Sohn ist absolut unberechenbar! Du musst dich von ihm fernhalten. Musste es wirklich erst soweit kommen, dass du es begreifst?“ Er schüttelte sie grob und er hatte die Stimme bedrohlich erhoben. „Ich war nicht - “, setzte sie an, doch ihre Stimme versagte und ganz plötzlich brach sie in Tränen aus, löste sich schier auf darin. Sie war so müde, sie konnte einfach nicht mehr. Tekka sah ihr für eine Weile nur überfordert dabei zu, wie sie vom starken Schluchzen geschüttelt wurde. Schließlich fragte er mit einem gefährlichen Grollen in der Stimme: „Was hat er getan?“ Makani schüttelte stumm den Kopf, woraufhin Tekka sie wieder in seine Arme zog und unbeholfen etwas vor und zurück schaukelte. „Kleiner Hausgeist, ich schwöre dir, er wird dafür bezahlen, was er Shisui und dir angetan hat!“ „Was meinst du damit?“, schaltete sich Izumi plötzlich ein und die Panik war deutlich aus ihrer Stimme herauszuhören. Tekka wandte sich ihr zu, ohne Makani loszulassen. In starkem Kontrast zu seinen letzten Worten klang er mit einem Mal sehr distanziert: „Es tut mir Leid Izumi, aber Fugaku wird Itachi wohl noch heute zur Fahndung ausschreiben. Er steht unter dringendem Mordverdacht.“ Izumi stieß einen erstickten Schrei aus und Makani krallte sich Halt suchend an ihrem Cousin fest, denn ihr wurde auf einmal schwindlig. Itachi, du hattest Recht … es hört nicht auf … Aber sie musste sich jetzt unbedingt zusammennehmen! „Warum verdächtigt ihr Itachi Shisui ermordet zu haben?“, fragte sie und sah Tekka dabei so fest in die Augen wie möglich. Sie hatte das Ungeheuerliche dabei mit Absicht direkt ausgesprochen. Er sollte genau hören, wie vollkommen absurd es klang. Tatsächlich zuckte Tekka leicht zusammen, doch gleich darauf schien sich Wut in seinen Augen zu entzünden. „Über laufende Ermittlungen darf ich keine Auskunft geben. Fugaku hat schon seit Längerem gefährliche Tendenzen an seinem Sohn beobachtet. Seine Entscheidung gestern kam nicht von ungefähr. Aber wir hätten wissen müssen, dass Itachi es nicht einfach so hinnehmen würde. Es ist unverzeihlich, dass es erst so weit kommen musste – Es tut mir leid, Makani! Auch ich hätte dir gegenüber deutlicher werden müssen. Ich hätte dich vor ihm warnen müssen.“ Dann werde doch jetzt deutlicher, verdammte Scheiße! Was genau habt ihr gegen Itachi in der Hand? Gib doch zu, dass ihr einfach nur jeden Mist glaubt, den Fugaku euch auftischt! „Aber, Makani, es ist lebenswichtig, dass du mir jetzt die Wahrheit sagst. Weißt du irgendetwas darüber, wo Itachi sich momentan aufhalten könnte?“ „Ich habe keine Ahnung.“ „Bist du absolut sicher? Denk genau nach. Wir müssen ihn unbedingt finden, bevor er noch mehr Schaden anrichtet.“ „Es tut mir leid. Ich kann euch nicht helfen.“ Tekka sah ihr noch für einige Sekunden forschend in die Augen, während Makani seinem Blick eisern standhielt. Dann zog er sie abermals in seine ungeübte Umarmung. „Es tut mir leid. Das muss sich alles gerade vollkommen überfordern. Willst du nicht nach Hause kommen und sich etwas hinlegen?“ „Danke, aber ich muss bei Shisui bleiben“, erwiderte Makani, obwohl sie sich gerade nichts sehnlichster wünschte, als sich in einem Bett zu verkriechen, egal wo. Tekka schien zwar nicht erfreut darüber, dass sie nicht mit ihm kommen wollte, akzeptierte es aber ohne Widerworte und verabschiedete sich. Aber nicht ohne Izumi darauf hinzuweisen, dass man sie bald zu einer ausführlichen Befragung vorladen würde, woraufhin die dunkelhaarige Kunoichi noch eine deutliche Nuance blasser wurde, als sie es ohnehin schon war. Als der Uchiha schließlich wieder in der Nacht verschwunden war, spürte sie, wie sich Izumi dicht neben sie stellte und nach ihrer Hand suchte. Makani griff nach ihrer und drückte sie. „Was sollen wir jetzt machen?“, wisperte Izumi dicht neben ihrem Ohr. „Shhh“, erwiederte Makani kaum vernehmbar, „nicht hier!“ Ihr war auf einmal, als würde die Schwärze um sie herum mit unzähligen körperlosen Augen und Ohren spähen und lauschen, als würde ihr eigener beschleunigter Herzschlag Ohren betäubend über den Uchi-niwa schallen. „Ich werde versuchen Kontakt aufzunehmen“, hauchte sie, „mit ihm und mit dir. Dann werden wir einen Weg finden, um – wir bringen das in Ordnung!“ Makani wusste, dass sie das auch sagte, um sich selbst zu überzeugen.“         * * * Kapitel 21: Mission I ---------------------   Fugaku übernahm die Leitung der Begräbnisrituale höchstpersönlich. Diese Geste betonte unmissverständlich, welche besondere Stellung dem Verstorbenen zugedacht worden war. Makani war bis vor kurzem gar nicht richtig bewusst gewesen, welche Bedeutung dem Titel des Sōryō – wie der Nachfolger des amtierenden Oberhauptes offiziell bezeichnet wurde – beigemessen wurde. Doch auch die Ausmaße der Zeremonie, die der Clan von einem auf den anderen Tag auf die Beine gestellt hatte, führte ihr dies sehr deutlich vor Augen: Im Morgengrauen versammelten sich die Uchihas auf dem Uchi-niwa, allesamt in vollkommen schwarze Mofukos gekleidet. Auf die üblichen roten Akzente wurde zu so einem Anlass verzichtet. Sogar das Clanwappen selbst wurde vorübergehend durch einen weißen Fächer auf schwarzem Grund ersetzt. Im Erscheinungsbild der schwarz gekleideten Trauergemeinde spiegelte sich die Farbe des Fächers durch eine überwältigende Masse weißer Blumen wider, welche dem Toten in einer schier endlos andauernden Zeremonie von jedem Clanmitglied einzeln dargebracht wurden. Die ganze Zeit über stand Makani gemeinsam mit Fugaku und Shisuis Eltern neben der Bahre und sah zu, wie ihr Team-Kamerad nach und nach in einem Berg aus Blüten versank. Als endlich alle Gäste offiziell Abschied genommen hatten, wurde Shisuis Körper in einen glänzend polierten Holzsarg gelegt, der irgendwo darauf gewartet haben musste, dass der nächste Uchiha aus dem Leben schied – Hätte er sich träumen lassen, dass es ausgerechnet einen der jüngsten Clansöhne treffen würde, dem noch bis gestern die strahlendste Zukunft vorhergesagt worden war? Diese Zukunft verschwand nun gemeinsam mit Shisuis sterblichen Überresten für immer hinter einem mit Nägeln verschlossenen Holzdeckel. Etwas später brach eine lange Prozession mit den Sargträgern an der Spitze vom Dōjō auf und machte sich auf den Weg zum Clan eigenen Friedhof, der etwa zwei Kilometer südlich der Dorfgrenze lag. Die imposante Anlage war dem Uchi-niwa nachempfunden. Das heißt, eigentlich verhielt es sich umgekehrt: Der Friedhof war sogar älter als Konoha und von den Uchihas als Versammlungsort genutzt worden, bevor das Ninja-Dorf gegründet und das Clan-Viertel errichtet wurde. Der große runde Platz war halb von einer massiven Mauer aus dunkelgrauen Granitblöcken umgeben, in die in regelmäßigen Abständen Fächer aus rotem und weißem Marmor eingelassen waren. An der Stelle, an der im Viertel der aus Holz erbaute Familiendōjō stand, erhob sich hier ein Mausoleum aus dem gleichen dunklen Stein wie die Mauer und die zahlreichen über den Platz verstreuten Grabmäler. Makani war vor Müdigkeit mittlerweile schwindlig. Als Tekka ihr Schwanken bemerkte, legte er ihr einen Arm um die Schultern und drückte sie stützend an seine Seite. Auf diese Weise flog der zweite Teil der Zeremonie an ihr vorbei, ohne dass sie wirklich viel davon mitbekam. Erst als der Sarg in die frische Grube hinabgelassen worden war und die Träger damit begannen, ihn mit Erde zu bedecken, schreckte sie aus ihrer Trance, denn Fugaku erhob noch einmal die Stimme und der ebenso feierlich getragene wie einschläfernde Ton war auf einmal daraus verschwunden: „Meine Brüder und Schwestern, dieser Tag wird als einer der düstersten in die Geschichte der Uchihas eingehen. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als in dieser schwersten Stunde ausschließlich Worte des Trostes für euch zu haben. Aber es wäre ein weiterer gefährlicher Fehler, euch gerade jetzt die bittere Wahrheit vorzuenthalten. Ich glaube, dass sich unser Clan noch nie zuvor in größerer Gefahr befunden hat wie in diesem Augenblick. Der Prozess begann schleichend und mag sich zunächst nur dadurch bemerkbar gemacht haben, dass uns scheinbar unzeitgemäße und entbehrliche Traditionen abhanden gekommen sind. Doch mittlerweile ist die Gefahr stark geworden in diesem wunderschönen von unseren Vätern errichteten Dorf. Sie hat sich von außen in unsere Mitte gefressen und bedroht den Kern unserer Identität und die Konohas. Es ist kaum zwei Tage her, da habe ich mit einem unendlich schmerzhaften Schritt versucht diese Bedrohung von innen abzuwenden, nur um am nächsten Tag festzustellen, dass ich immer noch zu nachsichtig war, nicht entschlossen genug, um diese Tragödie zu verhindern. Bitte verzeiht die Blindheit eines Vaters!“ In diesem Moment brach Fugakus Stimme tatsächlich und er verbeugte sich so tief vor Shisuis Eltern, dass seine langen schwarzen Haare, die denen seines Sohnes so ähnlich waren, beinah den Boden streiften. Nach einigen Sekunden, in denen völlige Stille geherrscht hatte, berührte Shisuis Vater das Clan-Oberhaupt an der Schulter. Dieser erhob sich wieder und dann umarmten sich die beiden Männer. Die umstehenden Uchihas waren dermaßen ergriffen, dass nicht wenigen Tränen über die Wangen liefen. Makani hingegen war einfach nur fassungslos und Übelkeit stieg in ihr auf. Für einen Moment trafen sich Izumis und ihr Blick. Dann wandte sich Fugaku wieder an alle: „Ich schwöre euch, ich werde mein wichtigstes Ziel, diesen Clan unter allen Umständen zu beschützen, nie wieder durch mangelnde Entschlossenheit oder persönliche Befindlichkeiten in Gefahr bringen. Einstige Verbündete mögen sich gegen uns wenden, scheinbare Freunde uns ihren Beistand versagen und wir mögen sogar Brüder auf die eine oder andere Weise an unsere Feinde verlieren – Ich werde uns aus diesem Tal führen, der Uchiha-Clan wird bestehen!“ Makani musste gar nicht erst in die Gesichter der Clan-Mitglieder schauen, um zu wissen, dass sich Wut, Angst und Hass darin spiegelten, denn es schien, als wäre die ganze Luft erfüllt davon und würde ihr wie der betäubende Rauch im Dōjō den Atem rauben – und genau in diesem Moment bemerkte sie seine Anwesenheit. Sie erstarrte augenblicklich und widerstand dem Drang, sich umzudrehen und sich zu vergewissern, aber es war auch gar nicht nötig. Sie war sich absolut sicher, dass er dort keine zwanzig Meter entfernt hinter den Bäumen stand. Es war nicht sein Chakra, das sie spürte; davon war absolut nichts wahrzunehmen. Stattdessen war es seine plötzlich unkontrolliert auflodernde Erregung, die von ihr Besitz zu ergreifen schien. Makanis Herz begann schmerzhaft gegen ihre Rippen zu schlagen. Was hatte Itachi vor? War er von allen guten Geistern verlassen, hierher und noch dazu dermaßen nah heran zu kommen? Sie wollte sich nicht ausmalen, zu was die Uchihas in diesem Zustand fähig waren … Doch dann bedeutete Fugaku mit einer wortlosen Geste, dass die Begräbniszeremonie beendet war und langsam kam wieder Bewegung in die zuvor vor Ergriffenheit gelähmte Trauergemeinde. Verschwommenes Gemurmel schwoll an und die Menge setzte sich in Bewegung, um ins Dorf zurückzukehren, wo sie ein üppiger Leichenschmaus erwarten würde. Nun spürte Makani deutlich Itachis Unentschlossenheit, aber gleichzeitig einen überwältigenden Drang zu handeln. Auch er bewegte sich jetzt, kam noch näher, um – um was? Schließlich handelte Makani als erste. Blitzschnell und ungesehen entschlüpfte sie der trägen Menschenansammlung und knapp drei Sekunden später war sie bei ihm, ergriff seine Hand und zog ihn fort, fort vom Friedhof und tiefer in den Wald. Sie brachte deutlich mehr Entfernung zwischen sie und die anderen Uchihas, als nötig gewesen wäre, um vor Entdeckung sicher zu sein, aber etwas drängte sie dazu, Itachi so weit von seinen Verwandten wegzubringen wie nur möglich. Endlich nach mehreren Minuten hielt sie doch auf einer kleiner Lichtung, einfach weil sie nicht mehr weiter laufen konnte. Schwer atmend drehte sie sich zu ihrem Begleiter um, ließ seine Hand aber nicht los. Tatsächlich drückte sie sie noch etwas fester. „Denk nicht mal dran zurückzugehen!“, herrschte sie ihn an. „Erklär mir lieber, was das eben werden sollte! Erst bittest du mich, an deiner Stelle ins Viertel zurückzukehren, für dich zu lügen, und dann...“ Eigentlich wollte Makani überhaupt nicht mit ihm streiten, aber das Schimpfen half ihr für den Moment ihre wahren viel komplizierteren und wild durcheinanderwirbelnden Gefühle zu kaschieren. Sie hätte sonst überhaupt nicht gewusst, was sie zu ihm sagen sollte. Itachi sah sie kurz etwas pikiert an – eine Reaktion auf ihren unverschämten Ton – , doch dann schüttelte er beinah ergeben den Kopf. „Danke“, murmelte er und sah dann für einen Moment auf ihre Hände hinunter. „Du hast mich eben vermutlich vor einer großen Dummheit bewahrt.“ Beschämt von seinem Blick ließ Makani ihn nun doch widerwillig los. „Was hattest du denn vor? Wolltest du Fugaku vor dem versammelten Clan angreifen, oder was?“ Das wäre in der Tat an Dummheit kaum zu überbieten gewesen. Itachi schüttelte erneut den Kopf. „Ja, vielleicht … ich weiß es nicht“, antwortete er und es klang, als könnte er selbst nicht glauben, dass er zu so einer irrationalen Handlung fähig wäre. „Ich … wollte die Begräbniszeremonie überwachen und sichergehen, dass es dir gut geht, dass sie dir glauben. Ins Viertel kann ich nicht mehr gehen; es wäre viel zu riskant. Hier draußen ist es leichter für mich, unentdeckt zu bleiben – “ „ – und trotzdem hast du um ein Haar alles auffliegen lassen!“, fiel Makani ihm ins Wort. Dieses widersprüchliche impulsive Verhalten passte tatsächlich überhaupt nicht zu ihm und es beunruhigte sie zutiefst. „Ja“, sagte Itachi leise und zu Makanis noch größerem Entsetzen sahen seine Augen auf einmal genauso düster und leer aus wie die seiner Mutter, „aber es hätte ohnehin kaum einen Unterschied mehr gemacht.“ Ungläubig erwiderte Makani den hilflosen Blick ihres Anführers. Uchiha Itachi, der zielstrebige Rationalist mit der übermenschlichen Entschlusskraft, der so gut wie alles für seine Mission geopfert hatte, war tatsächlich im Begriff aufzugeben? Sollte dieses eine letzte Opfer doch zu groß für ihn gewesen sein? Als würde dieser Gedanke auch ihr die letzte Hoffnung nehmen, schien plötzlich die ganze Erschöpfung, die sie in den vergangenen Stunden immer wieder von Neuem ignoriert und überwunden hatte, über sie hereinzubrechen. Statt etwas zu antworten gab sie ihr endlich nach und ließ sich mit einem Stöhnen ins Gras sinken. Etwas irritiert beäugte Itachi sie für einen Moment, dann setzte er sich zögerlich neben sie. „Wie geht es dir?“, fragte Makani irgendwann unvermittelt. Sie wusste nicht genau, wie viel Zeit vergangen war; sie mochte sogar kurz weggedöst sein. Itachi sah sie an, als hätte sie gefragt, ob er einen angenehmen Tag gehabt hätte oder etwas ähnlich Absurdes. Wäre es nicht so unpassend gewesen, hätte sie über seinen Gesichtsausdruck gelacht. „Tut mir leid, was für eine dumme Frage… es ist nur … es ist so verflucht schwer zu erraten, was du wirklich denkst oder wie es dir geht … und nach allem, was passiert ist … ich würde das nicht aushalten, ich halte es nicht aus … ich glaube, ich habe mich noch nie so … so leer gesaugt gefühlt … so neben mir. Ich bin mir nicht sicher, ob ich jemals wieder aufstehen kann.“ … Was redete sie da für einen Unsinn? Itachi schien zunächst überhaupt nicht auf ihr Gestammel zu reagieren, doch dann tat er auf einmal etwas, mit dem die Kunoichi absolut nicht gerechnet hatte: Er legte sich neben sie, so nah, dass sich ihre Schultern berührten. „Ich weiß, was du meinst“, murmelte er leise. Perplex und neugierig zugleich musterte Makani ihren Team-Leader aus den Augenwinkeln. Er hatte die Augen geschlossen und lag völlig bewegungslos da, aber sein beschleunigter Herzschlag und seine unruhige Atmung verrieten ihr, wie aufgewühlt er war. Er versuchte offenbar sich selbst zu beruhigen. „Was glaubst du, wird passieren, wenn du nicht aufstehst?“, wollte sie wissen. Wieder antwortete er nicht sofort, doch dann schien es regelrecht aus ihm hervorzubrechen: „Dann steht meinem Vater nichts mehr im Weg und er kann ungehindert weitermachen. Der Tod des neuen Sōryō ist ohne Zweifel ein schwerer Schlag, aber letztendlich hat er dazu beigetragen, dass der Clan jetzt genau dort ist, wo Fugaku ihn haben wollte: Sie sind verzweifelt, wütend und zu allem bereit. Sie glauben jetzt endlich, dass er der einzige ist, der unseren Niedergang vielleicht noch aufhalten kann, und sie werden ihm blind folgen. Er ist seinem Ziel verdammt nah“ „Was ist denn sein Ziel?“ „Das habe ich mich selbst lange gefragt… mein ganzes Leben habe ich versucht meinen Vater zu verstehen. Mittlerweile bezweifle ich, dass er eine wirklich eigene Idee von der Zukunft des Clans hat. Er wünscht sich vor allem die uneingeschränkte Anerkennung als Anführer. Um die zu bekommen, glaubt er, dem Clan das geben zu müssen, was er vermeintlich immer schon wollte: Der alte Traum von der Alleinherrschaft der Uchihas. Seit der Gründung des Dorfes erzählen wir uns dieselbe Geschichte, dass wir betrogen worden sind, dass Konoha rechtmäßig uns gehört, dass die anderen Clans und heute natürlich allen voran die Clanlosen uns aus Angst vor unserer Großartigkeit klein halten wollen. Nur dieser Traum wird uns geradewegs in die Vergangenheit führen und schlimmeres …“ Ganz plötzlich drehte er in einer impulsiven Bewegung den Kopf und sie begegnete seinem wilden Blick. „Makani, du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich meinen Vater früher bewundert habe, wie stolz ich auf ihn war … aber die Wahrheit ist, er ist ein lausiger Anführer!“ Eine seltsame Mischung aus Schmerz und Verachtung sprach aus seinen Worten. „Er will die Macht im Dorf an sich reißen? Ein Putsch? … Das ist doch Wahnsinn!“, flüsterte sie verzweifelt. Noch immer weigerte sich ein kleiner trotziger Teil in ihr diese ganzen furchtbaren Dinge über ihren Clan zu glauben, doch er war deutlich leiser geworden. „Ja, das ist absoluter Wahnsinn!“, stimmte Itachi ihr zu. „Ich war bisher auch der Meinung, dass mein Vater seine Chancen doch wenigstens realistisch genug einschätzen kann, um dieses aberwitzige Risiko nicht einzugehen … aber jetzt … die Uchihas denken, sie stehen am Abgrund. Er muss irgendetwas tun. Und es gibt durchaus andere Fraktionen im Dorf, die er mobilisieren könnte, verschiedenste Leute, die mit der Art, wie Konoha heute regiert wird, nicht zufrieden sind. Ich bezweifle, dass es genug wären, um tatsächlich einen erfolgreichen Putsch durchzuführen, aber ich fürchte, es wären trotzdem zu viele, dass ein Aufstand einfach so/ohne weiteres niedergeschlagen werden könnte.“ Mit großen ängstlichen Augen hörte Makani ihm zu. Doch neben der Furcht fühlte sie auch Erstaunen darüber, wie offen Itachi plötzlich mit ihr sprach und wie klar ihm dabei seine Emotionen ins Gesicht geschrieben standen. Aus einem Impuls heraus ergriff sie wieder seine Hand, die sich nur wenige Zentimeter neben ihrer zur Faust geballt hatte. „Wenn es stimmt, was du sagst, dann musst du dich Fugaku in den Weg stellen, bevor er uns alle ins Unglück stürzt“, sagte sie und sah Itachi fest in die Augen. Ihr kamen Izumis Worte in den Sinn: Was soll aus diesem Clan werden ohne Itachi? „Vielleicht kann uns tatsächlich niemand außer dir vor dem Niedergang bewahren.“ Itachi erwiderte ihren Blick mit einer Mischung aus Verwunderung und Unglaube, dann seufzte er zutiefst erschöpft. Immerhin löste sich dabei die verkrampfte Faust unter Makanis Fingern ein wenig. „Du klingst fast wie Koguma“, sagte er. Zu ihrem Erstaunen musste sie gar nicht weiter nachfragen, was genau er damit meinte, denn Itachi fuhr ganz von selbst fort: „Koguma glaubt, unsere einzige Chance besteht darin, dass ich den Platz meines Vaters einnehme, dass ich den Clan davon überzeuge, mir statt ihm zu folgen, und sie von diesem Irrweg abbringe...“ „Wahnsinn, egal welche Seite dich gerade beansprucht, die Erwartungen an dich sind wirklich alles andere als bescheiden“, platze es aus Makani heraus und abermals sah Itachi sie überrascht an. Dann lachte er plötzlich und einen Moment später spürte sie, wie sich seine Hand sehr zögerlich öffnete und um ihre schloss; tatsächlich war es mehr eine Andeutung als eine richtige Bewegung. Seine Miene verfinsterte sich allerdings im nächsten Moment wieder. „Ich fürchte, ich kann keine einzige dieser Erwartungen erfüllen. Ich sehe keine Möglichkeit, wie ich meinen Vater jetzt noch entmachten könnte. Er hat viel schneller erkannt, dass ich eine Gefahr für ihn darstellen könnte, als ich jemals gedacht hätte, und mich verdammt erfolgreich aus dem Spiel gedrängt. Indem er mir jetzt noch einen Mord anhängt, versucht er mich endgültig unschädlich zu machen. Ihm hätte wirklich nichts besseres passieren können.“ Makani warf ihm einen scharfen Blick zu. Er wusste es also bereits. Itachi starrte durch sie hindurch ins Leere, vielleicht irgendwohin, wo er seinem verhassten geliebten Vater gegenüberstand, der seinen einstigen Lieblingssohn ohne mit der Wimper zu zucken ans Messer geliefert hatte. Wie schmerzhaft das sein musste, dachte Makani. „Und wenn du sein falsches Spiel aufdeckst“, wandte sie ein, mehr um ihn aus seinen düsteren Gedanken zu reißen, als dass sie es für einen wirklich realistischen Vorschlag hielt. „Glaubst du, sie würden ihm noch folgen, wenn sie das alles über ihn wüssten?“ „Manche vielleicht nicht… für andere würde es wahrscheinlich keine große Rolle spielen.“ Unwillkürlich fragte sie sich, zu welcher Gruppe Tekka gehören würde. „Aber würde das nicht vielleicht ausreichen?“, warf Makani ein, die auf einmal eine vage Erregung erfasst hatte. „Wenn ein Putsch schon in der jetzigen Situation mehr als riskant wäre, dann wäre er doch unmöglich, wenn nicht wenigstens der Clan geschlossen hinter Fugaku steht, oder?“ Nachdenklich betrachtete Itachi die Kunoichi. Ihn schien der Gedanke jedoch nicht wirklich zu überzeugen: „Da hast du vielleicht recht, aber du vergisst, dass ich momentan der letzte bin, dem sie noch irgendetwas glauben würden. Dafür hat mein Vater gesorgt. Und ich weiß noch nicht einmal, was sein genauer Plan ist. Ich komme nicht mehr an ihn heran und er weiß mittlerweile von der Überwachung der ANBU. Die wirklich wichtigen Dinge bespricht er irgendwo, wo er davor sicher ist.“ Von einem auf dem anderen Moment schien Makanis Magen wie mit Blei ausgefüllt, als plötzlich ein Gedanke alle anderen aus ihrem Geist verdrängte. Er war ihr schon einmal gekommen, aber damals hatte sie ihn als übertrieben oder sogar verrückt abgetan. „Ich könnte das für dich tun.“ Kaum war ihr dieser Satz herausgerutscht, da prasselten auch schon die Zweifel auf sie nieder wie ein unheilvoller Shurikenregen. Itachi legte irritiert die Stirn in Falten. „Wie meinst du das?“ Sie schluckte und zwang sich ihre Aussage zu konkretisieren: „Na ja, ich kann nach wie vor im Viertel ein- uns ausgehen. Sie verdächtigen mich nicht des Verrats. Fugaku hat mich immerhin in den Rat eingeführt und wollte mich sogar mit seinem Nachfolger verheiraten. Ich könnte versuchen sein Vertrauen zu gewinnen und ihn so überwachen, herausfinden, was er plant …“ Mit einem Ruck setzte Itachi sich auf und der strenge Blick, mit dem er Makani bedachte, erinnerte sie viel mehr an den ANBU-Team-Leader, den sie vor Wochen kennengelernt hatte. „Auf keinen Fall!“, versetzte er in scharfem Befehlston. „Das ist eine absolut dumme Idee. Du kennst meinen Vater nicht. Er würde dir niemals vertrauen. Für ihn bleibst du eine Außenseiterin, noch dazu Akanes Ziehtochter. Er würde dich Tag und Nacht im Auge haben und unter Druck setzen – das hältst du nicht durch.“ Makani reagierte nicht gleich, sondern blickte eine Weile nur stur nach oben in die Wolken. Dann stand sie langsam auf und entzog Itachi dabei ihre Hand. Mit kühlem Blick sah sie auf hin runter und sagte: „Es fühlt sich zwar alles andere als gut an, aber es kann durchaus von Vorteil sein, von allen unterschätzt zu werden. Auch wenn das für jemanden, der ständig überschätzt wird, vielleicht schwer zu begreifen ist … Dein Vater hält mich für ein dummes verliebtes Mädchen, das er für seine Zwecke benutzen kann, wie es ihm passt. Darüber hinaus verschwendet er keinen Gedanken an mich. Du magst es mir nicht zutrauen, aber ich wäre sehr wohl in der Lage ihn in dieser Vorstellung zu bestätigen – es ist keine sehr anspruchsvolle Rolle. Aber es ist ohnehin sekundär, ob du es mir zutraust oder nicht, denn sehen wir den Tatsachen ins Auge: Wenn du noch irgendetwas ausrichten willst, brauchst du einen Agenten im Clan. Und wie du schon richtig sagtest, kannst du das nicht mehr sein.“ Sie verkniff sich die Ergänzung – und Shisui auch nicht. Auch wenn sie Itachis heftige Ablehnung tief gekränkt hatte, wäre es doch zu grausam gewesen. Als könnte er es nicht ertragen so ungeschützt zu ihren Füßen zu sitzen, sprang er im Bruchteil einer Sekunde auf. Unbewusst nahm er eine kampfbereite Haltung ein und Makani tat es ihm gleich. So standen sie sich einige Momente gegenüber und funkelten sich an. Schließlich rang sich Itachi endlich zu einer Antwort durch, doch seine Worte klangen eine Spur zu kontrolliert: „Du irrst dich. Ich traue es dir sehr wohl zu – zumindest was deine Fähigkeiten betrifft, könnte ich mir absolut keinen besseren Agenten vorstellen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob du die Tragweite dieser Entscheidung begreifst. Die Chancen stehen verdammt gut, dass du so endest wie ich: verstoßen und verfolgt von der eigenen Familie. Selbst wenn wir Erfolg haben, werden sie ahnen, dass es einen Spion gegeben haben muss, und der Verdacht wird sehr schnell auf dich fallen. Du wärst der perfekte Sündenbock, damit sie mich rehabilitieren können. Du bist nicht im Clan geboren, deine Mutter ist tot und sonst hast du keine wirklichen Fürsprecher. Ich weiß nicht, ob ich allein dagegen etwas ausrichten könnte. Ich verstehe nicht, warum du diesen Weg wählen solltest.“ Er trat noch einen Schritt auf sie zu und sie widerstand dem Drang zurückzuweichen. „Makani, ich überzeuge Koguma noch heute dich ehrenhaft aus der ANBU zu entlassen. Du könntest selbst bestimmen, wie du dein Leben führen möchtest, und gehen, wohin du willst.“ Obwohl sie keine Regung zeigte, bebte die Kunoichi innerlich. Sie hatte die eiskalte Härte, zu der Itachi fähig war, nun schon einige Male zu spüren bekommen, trotzdem gelang es ihr einfach nicht sich dagegen zu wappnen. Seine Worte waren Peitschenhiebe und sie wollte zurückschlagen oder in Tränen ausbrechen oder beides. Ein dummes verliebtes Mädchen – der plötzliche Gedanke brachte sie vollends aus dem Konzept, doch nur für einen Augenblick und schließlich schluckte sie ihn mit größter Mühe zusammen mit den Tränen hinunter. „Nein Itachi, diese Alternative existiert nicht. Wenn dein Vater tatsächlich einen Putsch anzettelt, werde ich wohl kaum einfach so tun können, als hätte ich mit den Uchihas nichts zu tun. Vielleicht wird es sogar zum Krieg kommen; das befürchtest du doch selbst. Dann könnte nicht nur mein Clan untergehen, sondern auch mein Dorf. Natürlich muss ich versuchen das zu verhindern, wenn ich kann – auch wenn ich Angst habe, auch wenn es bedeutet, dass ich danach vielleicht nicht zurückkehren kann. Im Übrigen bin ich ohnehin über den Wunsch hinweg zu euch zu gehören – so wie die Uchihas im Moment sind, möchte ich kein Teil davon sein. Aber ich könnte mir vielleicht vorstellen, dass du ein besserer Anführer werden könntest, dass du einen besseren Clan aus ihnen machen könntest, einen, in den ich zurückkehren kann und will.“ Shisui und auch Akane hätten es so gewollt, oder? „Ich finde es sehr bewundernswert, dass du diesen schweren Weg eingeschlagen hast, und ich fände es furchtbar, wenn du jetzt aufgeben würdest. Ich möchte dir helfen! Außerdem bist du mein Anführer. Deine Mission ist auch meine.“ Wenn Makani immer noch gewollt hätte, hätte sie Itachi jetzt schlagen können. Er war sich abermals vielleicht gar nicht bewusst darüber, aber in seiner Deckung klaffte auf einmal eine Lücke. Doch sie war damit beschäftigt, betreten zur Erde zu blicken und darüber nachzudenken, was für dummes, albernes Zeug sie gerade geredet hatte. Dann erstarrte sie, als Itachi plötzlich ihre Hand ergriff und seine Finger mit ihren verschränkte. Es fühlte sich etwas seltsam an, wie eine ungelenke Mischung aus einer rein formalen und einer sehr vertraulichen Geste. Ebenso merkwürdig klang es, als er sagte: „Ich … ich hätte nie gedacht, dass ich jemals eine Mitstreiterin in meinem Clan finden würde … „ Makani verspürte das starke Verlangen, ihm noch näher zu kommen, aber sie wagte es nicht. Sie war sich sicher, der Moment würde sofort in tausend Scherben zerspringen.     *        Kapitel 22: Mission II ---------------------- Makani musste sich eingestehen, dass sie nicht richtig bei der Sache war. Eigentlich hatte sie die Aufgabe, Āku genau zu beobachten, um ihm hinterher sagen zu können, ob er eine besonders schwierige Angriffskombination richtig ausführte. Doch im entscheidenden Augenblick waren ihre Gedanken abermals abgeschweift und zogen ihre Bahnen in einer, so kam es ihr vor, völlig anderen Welt. Sie kreisten um eine richtige und doch unmögliche Aufgabe, um eine neuerliche Wende, die ihr Leben genommen hatte, und um ein Ziel, das unter allen Umständen erreicht werden musste. Dagegen erschien es ihr geradezu bizarr, dass sie jetzt hier mit Āku und Chiko, ihren ehemaligen Team-Partnern – oder wieder-Team-Partnern – auf dem Trainingsgelände stand und Übungskämpfe absolvieren sollte. So als hätte ihr gut drei Monate währender Ausflug in die ANBU niemals stattgefunden. Aber genau diesen Eindruck zu erwecken, war der Zweck dieses Arrangements. In diesem Moment erschien es ihr beinah als der schwierigste Teil ihrer Mission. Man hatte ihr gesagt, es würde ihr leichter fallen und glaubwürdiger sein, wenn sie sich auch selbst davon überzeugte, dass sie jetzt wieder ein Teil ihres alten Teams war. Bisher war es ihr jedoch praktisch keine Sekunde gelungen, den Gedanken zu verdrängen, dass sie in Wahrheit eine Agentin war mit einem geheimen Auftrag, der die innere Sicherheit ihres Dorfes betraf und der sich gleichzeitig gegen hochrangige Bewohner eben dieses Dorfes richtete. In Anbetracht dessen schien es tatsächlich als das Klügste, dass sie ganz unauffällig ihr altes Leben wieder aufnahm und so tat, als sei sie immer noch die kleine unbedeutende Chunin von früher. Doch dummer Weise wollte es sich einfach nicht wie ihre altes Leben anfühlen – ganz und gar nicht! Beinah noch unwirklicher war ihr der Moment vorgekommen, als sie am Tag nach Shisuis Beerdigung Kogumas Büro das zweite Mal in ihrem Leben betreten hatte. Genau wie beim ersten Mal hatten die zwei wohl wichtigsten Mitglieder der Einheit hinter dem Schreibtisch auf sie gewartet: der ältere erfahrene Anführer der ABNU selbst und der Anführer ihres eigenen Teams, welcher eigentlich noch fast ein Junge war. Es war das reinste Déjà-vu gewesen! Zusätzlich irritierte sie, dass Kuguma für ihren Geschmack entschieden zu gut gelaunt aussah. Sein Lächeln war dermaßen selbstzufrieden, dass sie unwillkürlich der Gedanke durchzuckte: Hat er es etwa von Anfang an genauso geplant? Itachi wirkte im Gegensatz zu dem ANBU-Oberhaupt extrem angespannt. Der erste kurze Blick, den er der Kunoichi zuwarf, war beinah linkisch. Shisuis Tod und die Ereignisse danach schienen ihm ein gutes Stück seiner unnahbaren Selbstsicherheit geraubt zu haben. Er suchte sichtlich nach seiner alten Balance, fand sie aber nicht so recht wieder. Er straffte die Schultern, als müsste er sich für das Folgende wappnen, durchquerte dann den Raum und stellte sich neben Makani, sodass sie nun gemeinsam dem ANBU-Oberhaupt gegenüberstanden. Das Gespräch, das gefolgt war, hatte über zwei Stunden gedauert und es hatte für Makani dermaßen viele neue Informationen und Stoff zum Nachdenken geboten, dass es absolut nicht verwunderlich war, dass sie sich auch jetzt, fast zwei Wochen später, nicht auf gewöhnliches Alltagstraining konzentrieren konnte. Zunächst einmal bestätigte Koguma ohne Umschweife und mit einer geradezu verblüffenden Offenheit vieles von dem, das Makani über Wochen mit so viel Mühe herausgefunden hatte. Das Motiv, das hinter allem steckte, war so einfach wie ungeheuerlich: Es sei bedauerlicher Weise unumgänglich, Uchiha Fugaku aller seiner Ämter zu entheben und seinen Einfluss so weit wie möglich einzuschränken, im besten Fall aber vollständig zu eliminieren. Sein Bestreben, die vollständige Machtergreifung der Uchihas in Konohagakure, habe sich bereits angedeutet, als Fugaku vor Jahren die Clan-Führung übernommen hatte. Doch mittlerweile habe sich die Lage so weit zugespitzt, dass Gegenmaßnahmen dringend geboten seien. Es gebe Hinweise, dass Pläne für einen Putschversuch existierten, und darauf, dass sich das Oberhaupt der Uchihas unter den alten Clans mit zunehmenden Erfolg um Allianzen bemühte. Die zentrale Frage, die diese Ausführungen aufwarfen, war offensichtlich und Makani musste sie gar nicht laut aussprechen, ein banger Blick genügte: Wie wollte er Fugakus Einfluss „eliminieren“? Als Koguma so geduldig und freundlich wie zuvor weitersprach, verspürte die Kunoichi starke Erleichterung und in Gedanken belächelte sie sich selbst: Hatte sie etwa tatsächlich erwartet, dass man sie mit einem Attentat beauftragen würde? Zunächst, erklärte Koguma, müssten sie alle Anstrengungen darauf verwenden, Fugaku eines konkreten Verbrechens zu überführen, welches eine offizielle Anklage und Verurteilung ermöglichte. Sprich es mussten handfeste Beweise her, dass er ein Komplott plante. Darüber hinaus gelte es herauszufinden, welche Clan-Mitglieder noch daran beteiligt waren. Bisher gebe es leider nichts als vage Hinweise und Indizien und die Zeit dränge. Er glaube zwar nicht, dass ein Angriff unmittelbar bevorstehe, aber wenn sie nichts gegen Fugaku in der Hand hätten in dem Moment, in dem er seine Drohung wahrmachen und ein Dorfgericht einberufen würde, könnte dies die entscheidende Wende zu Fugakus Gunsten bedeuten. Er würde die Gelegenheit dazu nutzen, Misstrauen gegenüber der Dorfführung und der ANBU zu schüren und weitere Verbündete zu gewinnen. Makani erinnerte sich sehr gut an die Drohung des Clan-Oberhauptes, die er über die erregten Köpfe der Uchihas hinweg gegen den im Verborgenen lauschenden Feind ausgesprochen hatte. Jetzt war sie froh, dass sie in der Zwischenzeit etwas gegen ihre Unwissenheit unternommen hatte und Koguma nicht um weitere Erklärungen bitten musste. Ein Dorfgericht konnte in Konoha von jedem Clan, der über das Clanrecht verfügte, einberufen werden und dort gefällte Urteile standen über denen des Hokage und der Goikenban. In der Gründerzeit, als es diese Ämter noch nicht gegeben hatte, war das Dorfgericht das einzige Clangrenzen überschreitende Gremium gewesen. Es war nachvollziehbar, dass man Fugaku diese Plattform nicht überlassen wollte. Doch die Kunoichi wagte es nun gegenüber Koguma einen anderen Gedanken zu äußern, mit dem sie sich bereits eine Weile trug: Konnte es sein, dass dieser Angriff damals auf Yakumi und Inabi von Fugaku und seinen Komplizen inszeniert worden war, um den Clan weiter gegen die ANBU aufzubringen und die Einberufung eines Clangerichts zu rechtfertigen… Daraufhin war Koguma plötzlich sehr ernst geworden. Nachdem er mit Itachi einen kurzen Blick gewechselt hatte, fixierte er Makani scharf und die zwar ernste, aber eher zwanglose Atmosphäre war endgültig verflogen. „Makani, es muss absolut klar sein, dass jedes Wort, das in diesem Raum gesprochen wird, dass letztendlich alles, was du mit mir oder Itachi besprichst, niemals das Ohr eines anderen erreichen darf. Und bevor ich dir noch mehr Informationen anvertraue, musst du wissen, was deine Aufgabe in dieser Mission sein soll. Und wenn du sie annimmst, muss ich dir einen Schwur abnehmen, der dich darauf verpflichtet. Die ANBU trägt dir auf, Uchiha Fugaku dort zu observieren, wo wir es nicht können. Und so tief in den Kreis seiner Verschwörung einzudringen, wie du kannst. Du sollst dein Leben bei den Uchihas fortführen, es unauffällig intensivieren. Du musst versuchen das Vertrauen von Fugaku selbst oder zumindest anderen Schlüsselfiguren im Clan zu gewinnen. Um dieses Ziel zu erreichen, musst du nicht nur die Verschwörer unter den Uchihas belügen, sondern auch die Menschen, die du liebst – vielleicht gehören sie sogar selbst zu den Verrätern, vielleicht kommt der Tag, an dem sie dich eine Verräterin nennen. In diesem Fall wird die ANBU und Konoha dich schützen, aber deine Loyalität muss ohne Einschränkungen uns gelten. Von nun an musst du den Frieden in diesem Dorf, wenn es sein muss, mit deinem Leben und gegen deine Nächsten verteidigen. Das musst du schwören.“ Und sie hatte geschworen. Ihr Eid wurde mit ein paar hochtrabenden Worten auf einer Schriftrolle festgehalten und versiegelt. Eigentlich war es doch absurd, dachte sie während der kurzen Zeremonie befremdet, dass man seit Generationen versuchte die Loyalität von Ninja auf diese Weise zu kontrollieren. Das Schriftstück erklärte zwar, dass das Dorf über nicht weniger als ihr Leben verfügte, sollte Sie eidbrüchig werden, doch was gab diesem Symbol mehr Gewicht als dem Fächer, der ihr bei der Einführung in den Rat der Uchihas überreicht worden war? Ohne Glaube und entsprechendes Pflichtgefühl waren es doch nur Schriftzeichen und Papier. Ein kurzer Seitenblick zu ihrem Team-Leader ließ jedoch absolut keinen Zweifel: Er glaubte daran. Zu Makanis Erstaunen hatte der Schwur bald darauf trotzdem begonnen schleichend auch auf sie seine Wirkung zu entfalten. Die Ursache war weniger der Akt selbst, als die Dinge, denen sich das Gespräch danach zuwendetet hatte. Sie begriff, dass sie mit den Geheimnissen, die man von nun an mit ihr teilte, großen Schaden anrichten konnte. Mit dem Gewicht der Verantwortung und des Glaubens anderer an ihre Loyalität hatte sie nicht gerechnet … Hinter dem Vorfall im Usagi-Goya steckte keine Inszenierung Fugakus. In Wahrheit was es leider noch viel schlimmer, doch um das zu erklären, musste Koguma etwas weiter ausholen. Der Umstand, dass die ANBU überhaupt von der mehr und mehr Gestalt annehmenden Verschwörung der Uchihas erfahren hatte und dass sie dieser heute so dicht auf den Fersen waren, war vor allem den Ishi-Brüdern zu verdanken, die seit Jahren unermüdlich gegen den Clan ermittelt und keine Ruhe gegeben hatten, bis sie die ANBU-Führung von ihrem Verdacht überzeugt hatten. Aus diesem Grund hatte Koguma in der Angelegenheit zu Beginn sehr eng mit Tora, Saburo und Jiro zusammengearbeitet, doch sich schließlich dazu entschlossen, sie von dem Fall abzuziehen. Die Ishis wären eindeutig zu sehr persönlich involviert gewesen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Lage darüber hinaus dadurch grundlegend verändert, dass Itachi in die ANBU versetzt worden war. Diese neue Situation hatte umgehend einen Strategiewechsel erfordert. Die Ishis hatten ihren Auschluss nicht gut aufgenommen und, wie sich später herausstellte, waren sie weiter auf eigene Faust gegen den Uchiha-Clan vorgegangen. Auch sie hatten versucht Fugaku ein Verbrechen nachzuweisen. Als ihnen dies jedoch auch nach Monaten nicht gelingen wollte, überfielen sie schließlich Yakumi und Inabi in der Hoffnung, dass der Vorfall das Clan-Oberhaupt dazu bringen würde, seine verräterischen Pläne endlich in die Tat umzusetzen. An diesem Punkt hatte Makani, die den Ausführungen zunächst eher verwirrt zugehört hatte, sofort verstanden, warum sie ihren Treueschwur hatte ableisten müssen, bevor Koguma ihr dies erzählte. Es bedeutete, dass Fukaku nicht einmal vorzugeben brauchte, die ANBU hätte Mitglieder des Clans angegriffen, um die Uchihas weiter aufzustacheln und innerhalb anderer Clans Misstrauen zu sähen. Nein, zu seinem Glück entsprach es tatsächlich der unschönen Wahrheit. Und es war zu befürchten, dass ein Dorfgericht diese ans Licht bringen würde. Und auf einmal schien ein Misstrauensvotum gegen eine Dorfführung, die willkürliche Anschläge ihrer Geheimdiensteinheit gegen unbescholtene Clan-Mitglieder tolerierte, wenn nicht gar selbst in Auftrag gab, gar nicht mehr so aussichtslos. Nach diesen Enthüllungen schien Koguma der Ansicht zu sein, dass Makani nun ausreichend darüber informiert war, wie die Dinge lagen. Er ließ ihr auch keine Zeit, das neue Wissen zu verarbeiten, sondern begann sofort ihr weitere Instruktionen zu geben. Die Kunoichi bemühte sich zu folgen, doch ihre Gedanken waren beherrscht von einer anderen Frage, auf deren Beantwortung sie noch viel dringender gehofft hatte. Als das ANBU-Oberhaupt schließlich Anstalten machte sie zu entlassen, hielt sie es nicht mehr aus: „Werden wir Ermittlungen zu Shisuis Tod anstellen?“ Sie registrierte sofort die minimale Veränderung bei ihrem Team-Leader. Sein ernster und konzentrierter Gesichtsausdruck erstarrte schlagartig zu einer Maske. „Oder wisst ihr, was mit ihm passiert ist?“, fragte sie an Koguma gewandt. Dieser stutze kurz, dann nickte er verständnisvoll. „Es ist vollkommen nachvollziehbar, dass du verstehen möchtest, wie es zu diesem furchtbar tragischen Vorfall kommen konnte. Umso mehr bedauere ich, dass ich dir keine Antworten bieten kann. Nach allem, was wir wissen, hat Shisui seinem Leben selbst ein Ende gesetzt. Itachi wurde Zeuge davon. Es ist unerträglich, dass ausgerechnet ein so junger und talentierter Shinobi dieser Fehde als erster zum Opfer fallen musste. Auch unsere Einheit muss sich fragen, welche Verantwortung sie daran trägt. Aber ich fürchte, zu ermitteln gibt es in diesem Fall nichts mehr. Es gilt jetzt vor allem alles daran zu setzten, weitere Opfer zu verhindern.“ „Aber was ist mit seinen Augen? Warum hat er sich seine Augen entfernt? Das ist doch … kein normaler Suizid! Könnte er nicht doch angegriffen worden sein? Es ist schließlich noch nicht lange her, dass ein ANBU im selben Wald von Nukenin getötet wurde …“ Koguma wollte zu einer Antwort auf Makanis aufgeregten Einwand ansetzen, doch Itachi kam ihm überraschend zuvor: „Die entfernten Augen mögen auf den ersten Blick seltsam erscheinen, aber verstorbenen Uchihas, die das Scharingan beherrschten, wurden stets die Augen entfernt, um zu verhindern, dass sie in fremde Hände fallen. Es heißt, unser Bluterbe sei auf diese Weise übertragbar. Ein Clanmitglied, das durch eigene Hand stirbt, ist verpflichtet seine Augen vorher selbst zu vernichten.“ Makani hatte ihn daraufhin nur entgeistert angestarrt. Sie wusste nicht, ob sie zu angewidert gewesen war, für einen Moment an Itachis Verstand gezweifelt hatte oder einfach nur beleidigt gewesen war, weil er ihr diese Dinge erklärt hatte, als wäre sie eine Außenstehende. Tatsache war allerdings, sie hatte noch nie zuvor von dieser abartigen Geschichte gehört. Schließlich hatte sie sich ohne ein weiteres Wort von Koguma verabschieden lassen. Und nun stand sie Tage später hier auf dem Trainingsgelände und ging zum gefühlten hundertsten Mal im Geiste dieses letzte Gespräch mit dem ANBU-Oberhaupt und ihrem Team-Leader durch, während besonders Āku zusehends ungeduldiger wurde. Es war nur zu offensichtlich, dass seine unverhofft wiedergefundene Kameradin mit ihren Gedanken ganz woanders war. Die Kunoichi war sich nicht sicher, was Āku und Chiko wirklich davon hielten, dass sie nach monatelanger Abwesenheit plötzlich zurückgekehrt war und dass sie ihnen so gut wie gar nichts darüber erzählt hatte, was sie in der Zwischenzeit getrieben hatte. Irgendein geheimer Spionageauftrag für das Dorf, bei dem sie hätte aushelfen müssen. Makani fand es selbst nicht sehr überzeugend. Āku und Chiko hatten zwar große Augen gemacht, aber nicht weiter nachgefragt. Sie war sich durchaus bewusst, dass sie eigentlich etwas anderes vorgehabt hatte, und streng genommen beinhaltete selbst jener kürzlich geleistete Schwur nicht, dass sie ihre Mitgliedschaft bei der ANBU geheimhalten musste. Aber sie musste sich eingestehen, dass es ganz ohne Zweifel ein unkalkulierbares Risiko für ihre Mission dargestellt hätte. Makani wusste nicht mehr, wann genau sich ihre Prioritäten so grundlegend verschoben hatten, dass ihr diese Entscheidung auf einmal so leicht fiel. Es fühlte sich sogar in gewisser Weise gut an. Die Zeit der unerträglichen Orientierungslosigkeit und des Hin- und Hergerissenseins schien endlich vorüber. Nun war sie mit jeder Faser ihres Seins fokussiert auf eine Mission, für die sie sich aus freien Stücken entschieden hatte: Fugaku ausschalten, Itachi zum neuen Oberhaupt der Uchihas machen und den Clan – ihren Clan damit vor seiner zerstörerischen Rückwärtsgewandtheit retten. Umso frustrierender war es auf der anderen Seite, dass Sie diesem Ziel trotz aller Willenskraft und Konzentration praktisch noch keinen einzigen Schritt näher gekommen war. Außerhalb der Trainingseinheiten mit ihrem Team, die sie versuchte so kurz wie möglich zu halten, verbrachte sie jede freie Minute im Uchiha-Viertel oder in der Nähe der vom Clan geführten Polizeizentrale, um alle Aktivitäten dort im Auge zu behalten. Insbesondere achtete sie penibel darauf, dass sie zu jedem Zeitpunkt wusste, wo Fugaku sich aufhielt und mit wem er zusammen war. Wenn sie ihn aus irgend einem Grund nicht selbst beschatten konnte, gab sie über eine der zahlreichen Überwachungskameras im Viertel ein Zeichen und ihr wurde ein ANBU-Mitglied zur Verstärkung geschickt. Nachts saß rund um die Uhr jemand in der Überwachungszentrale und beobachtete das Uchiha-Oberhaupt dabei, wie er schlief, auf die Toilette ging oder sich ein Glas Wasser aus der Küche holte. Morgens fand sie stets eine Kopie des Protokolls zusammengerollt im Astloch einer großen Zeder neben dem Trainingsgelände. Die lückenlose Überwachung war mühsam und das Ergebnis so provozierend unauffällig, dass Makani mit jedem Tag ein bisschen besser nachvollziehen konnte, dass der jähzornige Tora irgendwann die Geduld verloren hatte. Nun war es so weit gekommen, dass sie den vielleicht gefährlichsten Mann in ganz Konohagakure ausspionierte, und die Berichte hatten einen ähnlich hohen Unterhaltungswert wie jene, die in der berüchtigten Akte Nakamura im Archiv der ANBU-Zentrale vor sich hin moderten. Kaum weniger frustrierend war, dass sie bezüglich des anderen Teils ihrer Mission ebenso wenig messbare Fortschritte machte. Du musst versuchen das Vertrauen von Fugaku selbst oder zumindest anderen Schlüsselfiguren im Clan zu gewinnen. Als ihr diese Idee vor nicht all zu langer Zeit selbst gekommen war, war es ihr ganz logisch und richtig erschienen. Aber jetzt, wo sie sich tatsächlich mit dieser Aufgabe konfrontiert sah, hatte sie keine Ahnung, wie sie es anstellen sollte. Viel mehr als ein paar Abendessen mit Tekka mit angestrengt bemühter Konversation hatte sie bisher nicht zustande gebracht. Darüber hinaus versuchte sie sich bewusst mehr im Viertel zu zeigen. Ein Gruß hier, ein kurzes belangloses Gespräch da … Es kostete sie jedes Mal enorme Überwindung. Aber sie war fest entschlossen nicht aufzugeben, dieses Mal nicht! Und wenn sie noch monatelang so weitermachen musste…   Als das Training endlich zu Ende war, fragte Āku, ob sie im Anschluss bei ihm zu Hause die für den nächsten Tag anstehende Mission besprechen wollten. Makani wollte nicht. Am liebsten wäre sie wie immer umgehend ins Uchiha-Viertel zurückgekehrt, doch sie sah keine unverfängliche Möglichkeit, den Vorschlag abzulehnen. Damit sich die Kunoichi bestmöglich auf ihre eigentliche Mission konzentrieren konnte, sorgte Koguma dafür, dass ihrem Team nur Aufträge zugeteilt wurden, die kaum der Rede wert waren. Sie würde nicht einmal einen Tag weg sein und dennoch widerstrebte es ihr auch nur für wenige Stunden die Beschattung Fugakus anderen überlassen zu müssen. Der Gedanke, in jeder unbeobachteten Sekunde könnte ihr der eine entscheidende Hinweis entgehen, plagte sie mit jedem vorübergehenden Tag ohne Fortschritte mehr. Āku wohnte in einem der zahlreichen einfachen, eng aneinandergereihten Wohnhäuser, die das Stadtbild in Konohas Norden dominierten. Über vier bis fünf Stockwerke stapelten sich hier kleine Ein-Personen-Apartments übereinander und reckten sich plump und trotzig zugleich den hoch über ihnen aufragenden Steingesichtern der Hokage entgegen. Auf beinah jedem der winzigen Balkone flatterten Kampfanzüge mit deutlichen Gebrauchsspuren auf Wäscheleinen und es roch nach billigem, schnell von ungeübten Köchen zusammengerührtem Essen. Die alleinstehenden Ninja, die hier lebten, waren in der übergroßen Mehrheit Nenashi, die entweder ihr ganzes Leben in einer dieser kleinen Wohnungen verbringen oder vielleicht, wenn sie viele erfolgreiche Missionen bestritten und genug Geld gespart hatten, heiraten und sich ein Haus an der Dorfgrenzen bauen würden. Der ein oder andere glücklose Ninja unter ihnen würde Konoha sogar irgendwann für immer verlassen und irgendwo im Hi no Kuni als Leibwächter oder Dorfpolizist anheuern, dann allerdings ohne den Einsatz von Ninjutsus, die allein den Kriegern in den offiziellen Siedlungen vorbehalten waren. Während Makani die klapprige sich an die Außenwand des Gebäudes drängende Treppe hinaufstieg und dann Ākus Wohnung im dritten Stock betrat, stellte sie sich vor, es wäre ihr eigenes Zuhause: Ein einziges quadratisches Zimmer mit einer Kochnische und einem Kotatsu. Eine Tür führte auf den Balkon, eine weitere zur fensterlosen Toilette. Mehr nicht. Zum Baden ging man alle paar Tage ins öffentliche Badehaus. Dies alles war mehr als schlicht und unterschied sich um Welten vom Leben im Uchiha-Viertel mit seinen opulenten Bauwerken, traditionellen Gärten und eigenem Onsen. Dennoch erschien es Makani in diesem Moment überraschend einladend. Wenn sie sich doch dafür entschieden hätte, den Clan zu verlassen, dann hätte sie jetzt vermutlich auch eine dieser winzigen baugleichen Wohnungen mit Kochnische und Kotatsu ganz für sich allein gehabt. Tatsächlich fühlte sich die lästige taktische Besprechung dann mehr nach einem müßigen Zusammensein unter Freunden an. Aber der Personenschutzauftrag niedrigster Prioritäts- und Sicherheitsstufe, mit dem sie betraut worden waren, verlangte in der Tat kaum einen ausgeklügelten Plan. Makani hörte zunächst ungeduldig, dann zunehmend erheitert dem belanglosen Getratsche ihrer Kameraden zu und blieb schließlich sogar weit länger als nötig gewesen wäre. Die Abende wurden nun bereits kühl und unter dem zerschlissenen, aber verlockend warmen Kotatsu lösten sich Makanis Gedanken irgendwann ganz heimlich, fast ohne dass sie es merkte, zum ersten Mal seit Tagen von ihrer Mission, ihrem Feind und ihrem Team-Leader. Sie musste bereits für einen Moment eingedöst sein, da schreckte Makani plötzlich hoch, als hätte sie jemand mit kaltem Wasser übergossen. Verdutzt sahen Āku und Chiko ihr dabei zu, wie sie hektisch ihre Sachen zusammenraffte. Draußen war die Dämmerung schon weit fortgeschritten und bald würde die Nachtwache in der Überwachungszentrale ihre Schicht beginnen, ohne dass Makani heute ein einziges Mal vor Fugakus Haus die Lage sondiert hatte. Mit dem halbherzig gemurmelten Vorwand, am nächsten Tag ausgeschlafen sein zu wollen, verließ sie ihre Kameraden. Im Geiste schon längst wieder über ihrer unmöglichen Aufgabe brütend, eilte sie die Treppe hinunter und schlug dann den kürzesten Weg Richtung Clan-Viertel ein. Dabei entging ihr völlig, wie sich eine schlanke Gestalt aus den Schatten der umstehenden Gebäude löste und ihr in geringen Abstand folgte. Die hochgewachsene junge Frau mit langem dunkelvioletten Haar lief zügig hinter der hellhaarigen Kunoichi her, wobei sie sich noch nicht einmal besonders zu bemühen schien unauffällig vorzugehen. Sie mochte bereits an der Körpersprache erkannt haben, dass ihr Zielobjekt momentan nur äußerst unzureichend auf seine Umgebung achtete. Immerhin war es nicht das erste Mal, dass sie Makani beschatten musste. In letzter Zeit hatte sie fast täglich ein bis zwei Stunden damit zugebracht, den Aktivitäten der sonderbaren Uchiha nachzuspionieren. Als sie beinah die Grenze des Clan-Viertels erreicht hatten, blieb sie schließlich etwas zurück. Kurz schien es, als wolle sie sich in eine andere Richtung wenden und ihr Zielobjekt ziehen lassen, doch dann sah sie sich plötzlich ein paar Mal rasch um, überbrückte zügig den Abstand zwischen sich und der Verfolgten und ergriff von hinten ihren Arm. Innerhalb eines Wimpernschlags hatte Makani ihr Kunai aus der Beinhalterung gezogen und gegen die vermeintliche Angreiferin gerichtet. „Schon gut. Schon gut. Steck das bitte weg.“ „Götter, Yūgao, du hast mich zu Tode erschreckt. Was ist los?“ Die Observationskoordinatorin antwortet nicht. Stattdessen zog sie Makani ein Stück abseits der Straße hinter ein Gebüsch und bedeutete ihr mit einer Geste leise zu sein. „Was soll das?“, fragte die jüngere Kunoichi mit gedämpfter Stimme, aber sichtlich aufgebracht. „Wenn uns nun jemand gesehen hat ...“ Yūgaos Gesichtsausdruck war undefinierbar, sie schien Makanis Worte kaum zu registrieren. „Es gibt Unregelmäßigkeiten.“ „Was?“ „Oder genauer gesagt verdächtige Regelmäßigkeiten. Sie nutzen unseren einzigen toten Winkel aus.“ Yūgao neigte gelegentlich dazu, sehr hastig zu reden und dabei scheinbar ziemlich wirres Zeug von sich zu geben, wenn sie von etwas besonders begeistert oder aus anderen Gründen aufgeregt war. Sie konnte dann schnell ungeduldig werden, wenn ihr Gegenüber die für sie doch völlig offensichtlichen Dinge, die sie zu erklären versuchte, nicht verstand. Auch Makani war mit dieser Eigenschaft schon mehrmals konfrontiert gewesen. „Okay, und was für verdächtige Regelmäßigkeiten wären das?“ Zu ihrer Verwunderungen antwortete Yūgao nicht sofort mit einem weiteren Wortschwall, sondern blickte sie für ein paar Sekunden nur seltsam gequält an. Dann spähte sie noch einmal die sich in der Nachtschwärze verlierende Straße hinunter. „Du weißt schon ... es gibt zwei Toiletten im Haus“, flüsterte sie dann, „eine im West- und eine im Ostflügel… sein Schlafzimmer … also das von ihm und seiner Frau liegt im Westflügel.“ Nachdem Makani die Obersationskoordinatorin für ein paar Momente nur verwirrt angestarrt hatte, fiel bei ihr endlich der Groschen – wenn auch nur ein winzig kleiner: Sie konnte nur sein Haus meinen, Uchiha Fugakus Haus. „Äh ja, ich weiß“, erwiderte sie vorsichtig. Aufgrund der aufwändigen Überwachung, die in den letzten Wochen praktisch zu ihrem Lebensinhalt geworden war, hatte sie das Gefühl, dass es kein Gebäude in diesem Dorf gab, das sie besser kannte. Dennoch hatte sie absolut keine Ahnung, warum die Tatsache, dass das Anwesen über zwei Toiletten verfügte, auf einmal dermaßen wichtig sein sollte. „Trotzdem geht er immer ins Bad im Ostflügel, auch nachts …“, fuhr die ältere Kunoichi ungeduldig fort. Ihren geweiteten Augen nach zu urteilen meinte sie, dass Makani nun wirklich mehr als genug Hinweise erhalten hatte und dass die Bedeutung dieser Information absolut offenkundig war. Makani teilte diese Auffassung allerdings keineswegs. Krampfhaft versuchte sie sich die langweiligen Protokolle der Nachtwache in Erinnerung zu rufen. „Ja, kann sein… aber in beiden Bädern sind Kameras installiert und wir haben doch nichts Verdächtiges beobachtet … ich meine, er geht doch einfach nur aufs Klo, oder nicht?“ Nun rang Yūgao der Verzweiflung nah die Hände. „Verdammt, es geht nicht darum, was im Bad passiert, sondern wo es liegt! Der tote Winkel, Makani! Das Bad im Ostflügel führt an unserem toten Winkel vorbei!“ Makani blickte Yūgao hilflos an, wusste aber, dass weitere Nachfragen kaum etwas bringen würden. Sie sah den Ostflügel von Fugakus Haus vor ihrem inneren Auge, den langen kahlen Flur mit den glänzenden Dielen. Vor einer gefühlten Ewigkeit war sie selbst einmal dort gewesen. Damals, als sie ihren Team-Leader zur Rede gestellt und dieser ganze Wahnsinn begonnen hatte. Sie stellte sich vor, wie sie den Flur entlang ging. Die ganze Zeit hätte sie die sorgfältig versteckte Kamera über der Tür zum Eingangsbereich gut im Blick, bis der Gang schließlich um eine Ecke führte. Hier konnte es tatsächlich eine kurze Strecke von zwei bis drei Metern geben, auf der sie unsichtbar blieb, bevor ihre Anwesenheit wieder von der nächsten Kamera über der Badezimmertür erfasst wurde. Aber solche winzigen toten Winkel gab es einige im Haus; sie waren kaum vermeidbar. Und an der betreffenden Stelle im Flur gab es nichts, kein Fenster, keine – Unwillkürlich fuhr Makani zusammen, als hätte ihr jemand einen Schlag versetzt. Doch dort gibt es etwas! „Itachis Zimmer!“ Yūgao nickte erleichtert und aufgeregt zugleich. Und nun war auch Makani mit einem Mal wie elektrisiert: Der Mann, den sie seit Tagen rund um die Uhr überwachte, nahm offenbar jede Nacht einen Umweg von einem Ende seines Anwesens zum anderen, an einem Zimmer vorbei, dessen Eingang und dessen Inneres von keiner Kamera erfasst wurde. Itachi selbst hatte den Großteil der Überwachungstechnik im Haus installiert, als er noch dort gewohnt hatte. Sein eigenes Zimmer hatte er dabei offenbar ausgelassen. Ein wie sich jetzt herausstellte vielleicht fatales Versäumnis, das Yūgao sicherlich ziemlich wurmte. Makani dagegen war es gar nicht aufgefallen. Das musste einfach das eine Puzzleteil sein, das ihr noch gefehlt hatte… Als sie jedoch versuchte, den Gedanken fortzuführen, blieb sie beim nächsten sofort wieder stecken: „Aber ich verstehe nicht ganz … was nützt es ihm, kurz an einem unüberwachten Zimmer vorbeizukommen? Es wäre uns doch sofort aufgefallen, wenn er sich länger als ein paar Sekunden im toten Winkel der Kameras aufgehalten hätte. Oder meinst du, er kommuniziert von dort aus irgendwie mit seinen Komplizen?“ Yūgaos verstimmte Ungeduld schien zunehmend von Begeisterung über den Erfolg ihrer Arbeit, den nun auch endlich jemand außer ihr in Ansätzen zu begreifen schien, verdrängt zu werden. „Das wäre eine Möglichkeit“, erwiderte sie kopfschüttelnd, „aber auf diese Weise etwas Großes zu planen, stelle ich mir unbefriedigend vor… Ich würde es anders machen.“ Sie blickte sich abermals um und senkte ihre Stimme noch etwas. „Also stell dir vor: Irgendwann mitten in der Nacht begibt sich Uchiha Fugaku, ein Mann mit mittlerer Statur und schulterlangen Haaren, auf den Weg zur Toilette im Ostflügel. Es ist völlig dunkel im Haus, auf den Kameras ist kaum mehr als eine Silhouette zu erkennen. Er verlässt die Toilette wieder und verschwindet an besagter Stelle aus unserem Blickfeld. Kurz drauf erfasst die nächste Kamera die Silhouette eines Mannes mit mittlerer Statur und schulterlangen Haaren, der sich in Fugakus Schlafzimmer ins Bett legt und vielleicht noch vor Morgendämmerung dem Bad Im Ostflügel einen weiteren Besuch abstattet…“ Makanis Augen weiteten sich. „Du meinst doch nicht etwa … er tauscht die Plätze mit einem Doppelgänger?!“ Yūgao grinste. Für sie schien es absolut keinen Zweifel zu geben. Der jüngeren Kunoichi kam die Theorie im ersten Moment etwas zu weit her geholt vor, doch je mehr sie darüber nachdachte, desto besser schien alles zusammenzupassen. „Aber wenn das stimmt… unglaublich, dass du auf diese Idee gekommen bist. Koguma wird schwer beeindruckt sein!“ Makani war es in jedem Fall. Da verschwand mit einem Mal das Lächeln aus Yūgaos Gesicht. Ihr Begeisterung schien völlig verflogen. „Makani, erzähl bitte niemandem etwas von unserem Gespräch heute“, sagte sie ernst. „Es hätte vermutlich nicht mehr lange gedauert und du wärst selbst auf diese offensichtliche Idee gekommen.“ Makani bezweifelte dies entschieden. Die Bitte dagegen verwirrte sie. Die Obervationskoordinatorin war doch ebenso ein Mitglied der ANBU wie sie selbst und angesichts ihrer besonderen Stellung in der Einheit war es doch praktisch unvermeidbar, dass sie an diesem Auftrag mitwirkte, auch wenn sie bis zu diesem Moment Makani gegenüber nicht explizit aktiv geworden war. Der irritierter Gesichtsausdruck der jüngeren Kunoichi schien Yūgao dazu zu bewegen, widerwillig zu erklären: „Weißt du … ich möchte einfach nur meine Arbeit machen und meine Arbeit ist es, zu beobachten und Muster zu erkennen. Es gehört definitiv nicht zu meinen Aufgaben, mich in irgendwelche heiklen Missionen einzumischen. Ehrlich gesagt, möchte ich damit so wenig wie möglich zu tun haben. Da kommt nichts Gutes bei heraus … “ Nachdenklich zog Makani die Stirn in Falten. Allerdings war es nicht das erste Mal, dass sie die Frau, die in der ersten Zeit in der ANBU ihre Mentorin gewesen war, nicht wirklich verstand. „In Ordnung, wenn du das so möchtest… Aber ich werde jetzt definitiv zu Koguma gehen; wir müssen überlegen, wie wir dieser Spur am besten nachgehen.“ Obwohl Yūgao ein erleichtertes Lächeln andeutete, wirkte sie weiterhin angespannt. Ihr Nicken schien weniger echte Zustimmung auszudrücken als das Hinnehmen von etwas Unvermeidlichem. Doch dann, als Makani sich abwandte, packte sie sie erneut am Arm: „Noch eine Sache…“ Yūgao sah voller Unbehagen zu Boden und sprach sehr schnell: „Eigentlich hast du wahnsinniges Talent für die Spionage! Du könntest bei der ANBU eine große Zukunft haben, nur… also, du vernachlässigst immer wieder deine eigene Deckung. Du bist so fixiert auf eine Aufgabe, dass du alles andere vergisst und unaufmerksam wirst. Nur … „ Kurz schien sie nach den richtigen Worten zu ringen. „ … in diesem Spiel ist man niemals nur Jäger, sondern immer auch selbst Gejagter. Die ANBU ist definitiv kein Ort, an dem man sich sicher fühlen sollte. Es ist lebenswichtig in jeder Sekunde wachsam zu bleiben!“ Und dann ließ sie Makani stehen.       *  Kapitel 23: Mission III ----------------------- Die mannshohen Hortensienbüsche hinter dem Anwesen des Clan-Oberhauptes boten eigentlich eine geradezu paradiesische Deckung. Dennoch hatte Makani ihre Körperfunktionen, Atmung, Herzschlag und Schweißproduktion, auf ein absolutes Minimum heruntergefahren, während ihr Chakra die Energieströme der Blätter imitierte, die über ihr in der kühlen nächtlichen Brise erzitterten. Ab und zu löste sich eines vom Strauch und segelte herunter auf die feuchte Erde, wo die Kunoichi seit Einbruch der Dämmerung bäuchlings kauerte und die Verandatür zu Itachis Zimmer keine Sekunde aus den Augen ließ. Alle anderen ihr zur Verfügung stehenden Sinne scannten unermüdlich die Umgebung. Neben den regelmäßigen Atemzügen und ruhigen Chakraflüssen der im Haus Schlafenden entging ihr dabei weder der alte Fuchs, der auf der Suche nach Essbarem gegen Mitternacht am Gartenzaun entlangstrich, noch das Krabbeln oder Flügelschlagen des kleinsten nachtaktiven Insekts. Bis auf das vereinzelte einsame Rufen eines Käuzchens aus der Ferne war es vollkommen still. Yūgaos Worte nagten immer noch an ihr, denn die Obersvationskoordinatorin hatte wohl leider recht gehabt, genauso wie Itachi, der ebenfalls wiederholt Makanis mangelnde Wachsamkeit kritisiert hatte. Wahrscheinlich war dies auch ein Grund dafür, warum ihr Team-Leader alles andere als begeistert gewirkt hatte, als Koguma angeordnet hatte, dass die Kunoichi diese wie sie hofften entscheidende Wache allein halten sollte. Nach anfänglicher Skepsis hatte Makani ihre Vorgesetzten von der Idee mit dem Doppelgängertausch – von der die beiden nun annehmen mussten, sie selbst wäre darauf gekommen – soweit überzeugen können, dass sie sich noch in der selben Stunde alle Protokolle der Nachtwache vorgenommen hatten, um diese nochmals auf Hinweise zu überprüfen. Und tatsächlich hatten auch sie auffällige Regelmäßigkeiten, wie Yūgao es ausgedrückt hatte, feststellen können. Offenbar wich Fugakus Verhalten in manchen Nächten von seinen sonstigen Gewohnheiten ab. Die folgenden drei Tage passierte wie erwartet gar nichts. Doch heute Nacht, bei Vollmond – was hätte einem Clan mit einer ausgemachten Vorliebe für Melodramatik auch besser zu Gesicht gestanden? – würde sich zeigen, ob sie die Zeichen richtig gedeutet hatten …   „Makani, Status bitte!“ Das Herz der Kunoichi machte einen plötzlichen Hüpfer und wirbelte für einen kurzen Moment ihr sorgfältig kontrolliertes Chakra durcheinander. Hektisch langte sie in die Brusttasche ihrer Schutzweste und drehte die Lautstärke des Funkgerätes etwas herunter, aus dem soeben das Kommando ihres Team-Leaders ertönt war. „Äh … immer noch alles ruhig hier. Wie … wie sieht es im Viertel aus?“ „In den letzten Minuten sind mehrere Clan-Mitglieder gesichtet worden. Alle scheinen das Viertel zur selben Zeit auf unterschiedlichen Wegen verlassen zu haben.“ „Was?! Wer war es?“, flüsterte Makani und presste dabei das Mikrophon fest gegen ihre Lippen in der Hoffnung, das plötzliche Zittern ihrer Stimme dadurch zu unterdrücken. Itachi antwortete hochkonzentriert und vollkommen sachlich, dennoch meinte sie unterdrückten Unwillen aus seinen Worten herauszuhören: „Es konnten nicht alle identifiziert werden, aber das ist jetzt auch nicht weiter relevant für dich. Hier in der Überwachungszentrale haben wir absolut nichts gesehen. Sie müssen sorgfältig jede Kamera im Viertel vermieden haben. Das bedeutet: es geht los. Bist du bereit, Makani?“ Und ob diese Information relevant für sie war! Zwar musste sie zugeben, dass sie vor allem erfahren wollte, ob Tekka unter ihnen gewesen war … doch wäre es ganz objektiv betrachtet nicht von Vorteil, wenn sie wüsste, mit welchen ihrer Clan-Brüder sie es heute Nacht zu tun bekommen würde? Schließlich sah der Plan vor, dass sie dem Oberhaupt der Uchihas ganz allein folgen sollte, dorthin, wo er und seine mutmaßlichen Mitverschwörer auch immer gehen mochten. Sie würde den Funkkontakt zu Itachi und Koguma in der Überwachungszentrale aufrecht erhalten, während die zwei anderen ANBUs, welche soeben gemeldet haben mussten, dass Clanmitglieder ihre Häuser verlassen hatten, im Uchiha-Viertel versteckt die Stellung hielten. Ein waghalsiger Plan, unbestritten, und absolut nicht nach dem Geschmack ihres Team-Leaders! Trotzdem war Kogumas Entscheidung nachvollziehbar, denn jede noch so unauffällige Begleitung hätte das Risiko, entdeckt zu werden, um ein Vielfaches erhöht. Doch noch ein weiteres nicht zu unterschätzendes Risiko, das Makani insbesondere vor ihrem Team-Leader zu verbergen suchte, schwelte seit Stunden in ihrer Brust und drohte nun unkontrolliert Funken zu schlagen: Sie hatte Angst ... Aber es stand absolut außer Frage, dass sie heute Nacht aus diesem einsamen Kampf mit sich selbst als Siegerin hervorgehen musste. Und dann war sie plötzlich nicht mehr allein in dem großen Garten. „Jemand ist hier“, hauchte sie beinah lautlos. „Ich melde mich, sobald es wieder möglich ist.“ Dann drehte sie den Ton ihres Funkgerätes ab. Das Mikrophon blieb zwar eingeschaltet, damit Itachi und Koguma soweit wie möglich mitverfolgen konnten, was geschah. Doch falls sie der Kunoichi noch etwas mitteilen wollten, würde sie es nicht mehr hören. Sie war auf sich gestellt … Die Person, die das Grundstück soeben von der dem Uchi-niwa abgewandten Seite betreten hatte, schien sich in relativer Sicherheit zu wiegen. Sie blickte sich nur einmal sporadisch um, überquerte dann ohne Zögern die große von silberblauem Mondlicht geflutete Rasenfläche, vorbei am still daliegenden Teich, der ihre Anwesenheit kurz durch die Reflexion auf seiner leicht gekräuselten Oberfläche bezeugte, und nahm schließlich direkten Kurs auf jene Tür, die Makani seit mehreren Stunden bewachte. Als der nächtliche Besucher nur wenige Meter von den Hortensien entfernt die Engawa betrat, erkannte sie endlich mit einiger Verblüffung Uchiha Yakumi. Nicht dass sie es dem jungen Polizisten nicht zugetraut hätte, sich an dieser zwielichtigen Aktion zu beteiligen – Yakumi war ein ganz besonders heißblütiger Bewunderer Fugakus und leidenschaftlicher Verteidiger des alten Uchiha-Stolzes – viel mehr dachte sie nun, dass sie eigentlich sofort hätte darauf kommen müssen, dass niemand anderes als er der mysteriöse Doppelgänger sein konnte. Yakumi und Fugaku sahen sich, wenngleich gut zwanzig Jahre Altersunterschied zwischen ihnen lagen, sehr ähnlich: Statur, Frisur, Haltung und Gang – alles passte. Vermutlich wurde es sonst kaum jemandem bewusst, da die beiden Männer trotz aller übereinstimmenden optischen Merkmale, eine sehr verschiedene Ausstrahlung besaßen. Von dieser kleinen Überraschung einmal abgesehen verlief von da an alles wie erwartet beziehungsweise wie von Yūgao vorausgesehen: Als Yakumi durch die Verandatür verschwunden war, verharrte Makani noch weitere zehn Minuten im Blumenbeet und konnte dann plötzlich Bewegungen in dem großen finsteren Anwesen wahrnehmen. Jemand verließ das Schlafzimmer des Clan-Oberhauptes und seiner Frau und machte sich auf den Weg in den Ostflügel. Der Austausch in Itachis Zimmer fand statt und dauerte keine volle Minute. Im nächsten Moment trat Uchiha Fugake auf die Engawa hinaus. Seine unverkennbaren scharfen Züge zeichneten sich kurz deutlich im Mondlicht ab, dann verschwanden sie unter der Kapuze seines dunklen Umhangs und er setzte sich mit ausladenden, forschen Schritten in Bewegung. Die Kunoichi hinter ihm atmete kontrolliert aus und hob noch einmal das Funkgerät an ihre Lippen: „Fugaku verlässt das Grundstück Richtung südlicher Dorfgrenze. Ich nehme jetzt die Verfolgung auf.“ Fugaku lief zielstrebig in eine eindeutige Richtung. Gleichzeitig schien er es jedoch nicht übermäßig eilig zu haben und davon auszugehen, dass ihm keine Gefahr drohte. Er sah sich die ganze Zeit nicht ein einziges Mal um und wählte keinen all zu umständlich versteckten Pfad durch den Wald. Und während Makani in gebührendem Sicherheitsabstand hinter ihm her schlich, fiel allmählich die quälende Angst von ihr ab. Stattdessen ließ sie endlich zu, dass leise Zuversicht in ihr keimte. Alles lief nach Plan. Sie war dieser Mission gewachsen. Alles, was sie tun musste, war wachsam zu bleiben und keinen ihrer alten Fehler zu wiederholen …   Die Kunoichi begriff erst, wo sie hingeführt wurde, als sich die Baumreihen schließlich lichteten und den Blick auf eine Mauer aus grauem Granit freigaben: Direkt dahinter befand sich jener Friedhof, auf dem die Uchihas rund zwei Wochen zuvor ihren Sōryō zu Grabe getragen hatten. Doch eigentlich, dachte sie mit einem plötzlichen Gefühl der Überlegenheit, hätte man auch dies voraussehen können. Fugaku hatte einen Platz für seine heimlichen Treffen ausgewählt, welcher einst der wichtigste Versammlungsort des Clans gewesen war in einer Zeit, als es noch kein Dorf, keinen Hokage und keine Abkommen mit anderen Clans, geschweige denn mit clanlosen Ninja gegeben hatte und die stärksten Clans noch beinah uneingeschränkt über das Hi no Kuni herrschten. Auf dem Platz in der Mitte des Friedhofs konnte Makani ein gutes Dutzend Gestalten ausmachen, aber sie waren zu weit entfernt und sie trugen allesamt weite Umhänge mit Kapuzen, sodass sie keine Gesichter erkennen konnte. Das Clan-Oberhaupt ging auf sie zu, während die Kunoichi im sicheren Schatten der Mauer zurückblieb. Sie hoffte, dass das bereits ausreichte, um die Versammlung zu belauschen. Andernfalls musste sie wohl versuchen hinter einem der zahlreichen Grabmäler versteckt noch näher heranzukommen. Doch als Fugaku bei der Gruppe angekommen war, sagte niemand ein Wort. Stattdessen setzten sie sich in Bewegung und taten es ihrem Anführer nach, der geradewegs auf das alte Mausoleum am Rand des Platzes zusteuerte. Irritiert verfolgte Makani jede seiner Bewegungen. Er hatte doch nicht etwa vor dort hineinzugehen? Der Eingang des wuchtigen Gebäudes war mit einer massiven Steinplatte verschlossen, die so wirkte, als sei sie seit Generationen nicht mehr bewegt worden. Doch im selben Moment, als Fugaku davor stehen geblieben war, glitt die graue Wand wie von Geisterhand und vollkommen geräuschlos zur Seite. Ungläubig fragte sich die Kunoichi, ob es sich vielleicht um eine optische Täuschung handeln konnte oder gar eine Genjutsu, da war auch schon ein Großteil von Fugakus Begleitern im finsteren Schlund des Mausoleums verschwunden. Schweigend und ohne Zögern waren sie ihrem Anführer gefolgt, der eine Gaslaterne entzündet hatte und vorangegangen war. Dann schloss sich das Grab wieder und der Friedhof lag so verlassen da, als wäre nie jemand hier gewesen. Makani, die wenige Minuten zuvor noch so zuversichtlich gewesen war, sah das Ziel ihrer Mission abermals in unerreichbare Ferne rücken. Resigniert verließ sie ihr Versteck und schlich näher an das steinerne Gebäude heran, das wie eine uneinnehmbare Festung auf sie herabzublicken schien. Es wäre absoluter Wahnsinn, Fugaku dort hinein zu folgen. Es war eine Sache ihm in großzügigem Abstand durch den Wald zu folgen oder ihn komfortabel von Bäumen und Büschen geschützt zu belauschen, aber wie imposant das Mausoleum auch wirken mochte, konnte sein Grundriss eine Ausdehnung von fünfzig Quadratmetern kaum überschreiten… Hatte sie für diese Nacht nicht vielleicht schon genug herausgefunden? Sie kannte nun den geheimen Treffpunkt der mutmaßlichen Verschwörer und sicher war es klüger, besser vorbereitet zu ihrer nächsten Zusammenkunft wiederzukommen. Auf der anderen Seite – wie konnten sie sicher sein, dass ihnen soviel Zeit überhaupt noch blieb? War es nicht ebenso möglich, dass dies ihre letzte Chance war, noch rechtzeitig herauszufinden, was Fugaku plante …? Nein, Wahnsinn wäre es wohl, diese Gelegenheit einfach ungenutzt verstreichen zu lassen. Makani hob die Hände, legte sie auf die kalte raue Oberfläche und übte zaghaften Druck aus – Wie erwartet gab die Steinplatte keinen Millimeter nach. Und sie war vollkommen überzeugt, dass sich auch nichts daran ändern würde, egal wie viel Kraft sie einsetzte. Wie um aller Götter Willen hatte Fugaku diese Tür nur bewegen können? Ein geheimer Mechanismus vielleicht? Ihr Blick glitt forschend über die Umrisse des auf Augenhöhe eingemeißelten Familienwappens, wanderte weiter nach unten und blieb schließlich an einem kleinen Symbol am Fuß des Fächerschafts hängen: Ein Kreis mit drei konzentrisch angeordneten und an Tropfen oder Strudel erinnernde Punkte darin. Wie gebannt starrte Makani auf das Zeichen. Obwohl die Einkerbungen stark verwittert waren, konnte es absolut keinen Zweifel daran geben, was es darstellen sollte. Doch ebenso sicher war sich die Kunoichi, dass sie es so lange anstarren konnte, wie sie wollte; es würde nichts bewirken. Trotzdem blieben ihre Augen darauf geheftet, als sie scheinbar geistesabwesend nach ihrem Funkgerät griff und den Lautsprecher einschaltete. „Itachi! Hörst du mich? Ich befinde mich jetzt auf dem Clan-Friedhof.“ „Ich weiß. Wir konnten das Signal deines Senders die ganze Zeit gut verfolgen.“ Makani war beeindruckt, wie klar die Stimme ihres Team-Leaders klang. Sie wusste zwar, dass die Funkgeräte, die sie für diese Operation verwendeten, mit Abstand die stärksten waren, die der Einheit zur Verfügung standen, aber solch eine enorme Reichweite hätte sie nicht für möglich gehalten. „Fugaku hat sich hier mit einigen Personen getroffen, die ich leider nicht identifizieren konnte. Ich dachte sie würden ihr Treffen direkt im Freien abhalten, aber sie sind in das alte Mausoleum gegangen. Ich kann -“ „Nein, das Mausoleum ist verschlossen!“, fiel Itachi Makani schroff ins Wort, als würde er einen dummen Fehler von ihr korrigieren. „Ja, jetzt ist es wieder verschlossen“, erwiderte sie mit Nachdruck, „aber Fugaku hat es geöffnet. Ich glaube, man kann das Siegel mit dem Sharingan lösen...“ Stille … „Itachi? Hörst du mich?“ „Bist du dir ganz sicher? Ich meine, konntest du es sehen?“ „Nein, ich konnte überhaupt nichts sehen. Aber ich stehe jetzt direkt vor dem Eingang … ich kann ihn jedenfalls nicht öffnen und das Sharingan ist darauf eingeritzt … Es kommt mir einfach logisch vor, dir nicht?“ Wieder Stille … „Itachi?“ Nach ein paar weiteren Momenten erbarmte sich ihr Anführer schließlich zu einer Antwort und sie klang reservierter denn je: „Wie es auch sein mag, in jedem Fall ist diese Operation damit beendet. Makani du begibst dich umgehend -“ Dann brach er plötzlich ab und die Kunoichi meinte jemanden im Hintergrund sprechen zu hören, doch es war unmöglich, etwas zu verstehen. Dann blieb es wieder still und als Itachis Stimme schließlich doch wieder aus dem Lautsprecher drang, hörte Makani klar und deutlich an seinem Tonfall, dass er das, was er als nächstes sagte, absolut nicht sagen wollte: „Gesetzt den Fall, deine Theorie stimmt, gäbe es unter Umständen eine Möglichkeit, dir Zugang zum Mausoleum zu verschaffen… Wenn es funktioniert, wirst du hineingehen und deine Mission wie geplant fortsetzen. Aber ich muss dir wohl kaum sagen, dass das Risiko enorm ist und was passieren kann, wenn du dir auch nur den kleinsten Fehler erlaubst.“ „Jawohl!“, sagte Makani nur und hoffte, dass die Verbindung wenigstens nicht gut genug war, um den Ärger und die dahinter verborgene Kränkung in ihrer Stimme zu übertragen. Sie war sich sicher, dass der Befehl, die Operation nicht abzubrechen, von Koguma kam und Itachi sie am liebsten auf der Stelle zurückgepfiffen hätte. Überhaupt nicht einleuchten wollte ihr allerdings, wie man ihr so kurzfristig einen Zugang in diese steinerne Festung verschaffen wollte … Wollte Itachi etwa selbst versuchen den Eingang mit seinem Sharingan zu öffnen? Ihm musste doch klar sein, dass es viel zu lange dauern würde aus dem Hauptquartier bis hierher zu kommen. Bis dahin würde Fugaku sein geheimes Treffen womöglich schon beendet haben … Die Kunoichi wollte ihrer Gehorsamsbekundung gerade eine skeptische Frage hinterher schicken, da ließ sie ein plötzliches Krächzen direkt über ihr zusammenfahren. Im nächsten Moment landete auf dem ihr nächsten Grabstein ein großer Vogel mit schwarzgrauem Gefieder. Makani wich einen Schritt zurück und hob die Arme, als wollte sie einen Angriff abwehren. Der Anblick des Tieres erfüllte sie mit jäher Furcht, obwohl sie sofort wusste, dass ihr Team-Leader es geschickt haben musste. Mit wild pochendem Herzen erwiderte sie den Blick zweier völlig unterschiedlicher Augen: Das rechte war klein, schwarz und matt glänzend wie ein Knopf. Das linke war groß, leuchtete karmesinrot und die drei Tomoe schienen sich zitternd um die kleine Pupille zu winden. Dasselbe Auge hatte sie angeblickt, als sie sich vor dem Haus Mukoren ins Gras gekauert hatte, und der Schädel, zu dem der Augapfel eigentlich gehörte, lag in eben diesem Moment nur wenige Meter entfernt in der Erde begraben. Sie sah Itachi, wie er ihr seine blutige Faust entgegenstreckte … „Makani? Ist alles in Ordnung bei dir?“ „Nein! Itachi, was hast du …? Ich kann nicht ...“ Sie stolperte zwei weitere Schritte rückwärts. „Makani, du musst doch jetzt unbedingt zusammenreißen! Die Krähe ist nur ein Werkzeug, genauso wie dein Körper jetzt dein Werkzeug sein muss. Beherrsche deine Gefühle. Du kannst das!“ Kalte, glasklare Ruhe flutete Makanis Geist und der Bach in ihr nahm alle störenden Regungen mit sich, als das angenehm vertraute Mantra sie in den gewünschten Zustand versetzte. Mein Körper ist ein Werkzeug. Sie streckte der Krähe ihren Arm entgegen. Sofort breitete das Tier seine Flügel aus und mit zwei kräftigen Schlägen landete es auf ihr. Die Krallen gruben sich tief in ihr Fleisch. Die Panik war fort. Stattdessen vibrierte in ihr eine eigenartige neue Empfindung. Ein Gefühl der Macht. Auch dies war auf seine Weise furchteinflößend, aber unwillkommen war es nicht. Als sie den Vogel vor den Eingang zum Mausoleum hielt, glimmte das runde Symbol kurz auf, als steckte ein Stück glühender Kohle darin, auf das jemand blies. Dann glitt die Steinplatte beiseite und gab den Blick auf eine Treppe frei. „Es hat funktioniert. Hier führt ein Gang nach unten.“ „Denk daran“, mahnte Itachi, „dass mindestens ein Sharinganträger da drin ist. Normale Verbergungskünste nützen dir nichts. Aber wenn du dein Chakra an deine Umgebung anpasst, habe auch ich Schwierigkeiten, dich zu sehen. Darauf musst du dich konzentrieren! Es hilft auch, wenn du zusätzlich Genjutsus anwendest. Ich würde -“ „Was befindet sich in diesem Mausoleum?“ Itachi, offenbar irritiert darüber, dass sie ihn unterbrochen hatte, antwortete nicht sofort. „… Madaras und Izunas Gräber sollen da unten sein.“ In Makanis Ohren klang es, als wolle er fragen: Weißt du das etwa nicht? „Ich gehe jetzt rein“, sagte sie und schaltete den Lautsprecher wieder aus, ohne eine weitere Antwort abzuwarten.       * Kapitel 24: Mission IV ---------------------- Obwohl abermals vollkommen lautlos, spürte Makani deutlich, wie sich der Eingang hinter ihr wieder schloss. Sofort umgab sie absolute Dunkelheit und Stille. Dann spürte sie einen Luftzug und eine Berührung an ihrer Schulter, als die Krähe sich darauf niederließ. Die Kunoichi war erleichtert und beunruhigt zugleich, dass dieses abscheuliche Wesen offenbar beschlossen hatte bei ihr zu bleiben. Mit gespitzten Ohren und sorgfältig mit den Füßen tastend begann sie mit dem Abstieg. Sie hatte 25 Stufen gezählt, als schließlich keine weitere mehr folgte und die Treppe in einem leicht abschüssigen Gang mündete. Nach gut 100 Schritten hörte und sah sie etwas … „Nichtsdestotrotz dürfen wir keine Zeit verlieren. Wir müssen schnell entscheiden wie es mit ihr weitergehen soll.“ Makani erkannte die Stimme von Dentō, einem der Clanältesten. Nur wenige Meter vor ihr endete der Tunnel plötzlich. Durch einen niedrigen Durchgang fiel ein diffuser Lichtschein. Die Wände bestanden hier nicht mehr aus glattem, sorgfältig behauenem Granit, sondern aus rohem zerklüfteten Fels mit zahlreichen Spalten und Löchern. Mit einem davon direkt neben der Öffnung, aus der die Geräusche und das Licht drangen, verschmolz nun die Kunoichi. „Dieses Problem“, sagte Dentō, „mag auf den ersten Blick beileibe nicht unser dringlichstes sein … aber bedenkt, wie groß die Gefahr ist, dass sie jetzt auf Abwege gerät. Wir wissen viel zu wenig über ihren Charakter. Und wenn sie nur einen Bruchteil von Akanes Aufmüpfigkeit geerbt hat, ist besonders klare Führung gefragt. Und zwar sofort!“ Makani versuchte sich auf ihre Deckung zu konzentrieren und ihren Puls zu beruhigen, der sich jäh beschleunigte, als sie begriff, um wen sich das Gespräch gerade zu drehen schien. „Ich stimme dir zu“, antwortete Fugaku. „Wir dürfen diese Angelegenheit auf keinen Fall aus den Augen verlieren… Unser langfristiges Überleben hängt davon ab. Das ist auch der Grund, warum ich Tekka heute das erste Mal in unsere Runde gebeten habe. Ich hielt es für richtig. Da er bereits seit mehreren Jahren für das Mädchen verantwortlich ist, trägt auch er für unsere Zukunft eine besondere Verantwortung. Tekka, ich bin froh und dankbar, dass du dem Clan in seinen schwersten Stunden auf diese Weise dienen möchtest. Erzähl uns bitte von deinem Schützling. Müssen wir uns Sorgen um ihre Gesinnung machen?“ „Ähm… also sie trauert … natürlich“, ertönte zögerlich die brummige Stimme von Makanis Cousin, verhalten zwar, aber dennoch unverkennbar. Für einen Moment lehnte sie erschöpft ihre erhitzte Stirn gegen den rauen und kühlen Stein, an den sie ihren Körper schmiegte. Tekka sprach weiter: „ … aber, dass sie trauert, spricht ja für ihren Charakter, oder nicht? Und sie ist auch häufiger zu Hause in letzter Zeit. Ich denke, ihre Bindung zu uns ist deutlich stärker als früher. Sie ist ein gutes Mädchen. Ein bisschen orientierungslos vielleicht, gerade jetzt, aber … aber ich glaube, es gibt keinen Grund, an ihrer Loyalität zu zweifeln. Es war eine gute Entscheidung, sie als Frau für unseren Sōryō auszuwählen.“ „Und sie hat keinen Kontakt mehr zu Fugaku-sans Sohn?“, warf Yashiro, der gemeinsam mit Tekka die Polizei von Konoha leitete, in scharfem Ton ein. „Äh, nein. Ich denke nicht. Ich habe es ihr verboten“, antwortete Tekka, woraufhin ihm Dentō aufgebracht ins Wort fiel: „Und genau da liegt die Wurzel allen Übels! Du kannst es offenbar nicht mit Sicherheit sagen. Du weißt nicht, ob sie dir gehorcht. Ich sage es nur ungern, aber genau durch diesen laschen Umgang, durch diese Vernachlässigung von unserem Nachwuchs haben wir nun bereits zwei Sōryō verloren. Der eine ist ein größenwahnsinniger Egoist, der sich hat verführen lassen, der andere war nicht mehr als ein verweichlichtes Kind. Tekka, du trägst die Verantwortung für das Mädchen. Du musst ihr jetzt genau die Orientierung geben, die ihr offensichtlich fehlt.“ Es entstand eine Pause. Tekka schien unsicher, was er darauf antworten, ob er widersprechen sollte. Doch schließlich erwiderte er nur ergeben: „Jawohl!“ Und nach einer weiteren kurzen Pause fügte er hinzu: „In letzter Zeit hat sie eigentlich nicht mehr gemacht als vormittags mit ihrem Team zu trainieren … aber ich werde sicherstellen, dass sie auch in Zukunft nirgendwo sonst hingeht.“ „Sehr gut“, schaltete sich Fugaku wieder ein, „das ist eine wichtige Aufgabe, Tekka, mit der wir dich in den vergangenen Jahren allein gelassen haben. Aber von nun an sollst du mehr Unterstützung bekommen. Denn wir alle müssen Verantwortung für unsere Zukunft übernehmen! Das führt uns allerdings zu einer noch viel schmerzlicheren Angelegenheit, die wir gleichsam nicht länger vor uns her schieben dürfen … “ Makani horchte irritiert auf, als sie in diesem Moment glaubte so etwas wie echte Emotionen in den Worten des Clan-Oberhauptes mitschwingen zu hören. „In der Rangfolge der Kandidaten für unseren Sōryō steht momentan Inabi an erster Stelle, obwohl er mit seinen neunundzwanzig Jahren eigentlich schon zu alt ist, um diesen Titel übertragen zu bekommen. Doch angesichts der außergewöhnlichen Zwangslage, in der wir uns befinden, schlage ich vor, dass wir die Ernennung trotzdem durchführen, sobald die offizielle Zeit der Trauer vorbei ist. Auch wenn es schmerzt, scheint eine noch längere Vakanz in dieser Situation nicht ratsam. Ich habe mich bereits mit Inabi darüber unterhalten. Er ist bereit seine Pflicht zu erfüllen.“ „Ja, das bin ich. Ich werde euer Vertrauen nicht enttäuschen!“ Inabis Stimme war Makani nur vage vertraut. Sie hatte ihn kaum je fünf Sätze sagen hören. Aber sie sah den eher kleinen Shinobi mit dem spitzen Gesicht, den dominanten Augenbrauen und dem für die Uchihas so typischen Kontrast von heller Haut und dunklen Haaren deutlich vor sich. Ausgerechnet er sollte Itachis und Shisuis Nachfolger werden? Inabi galt wenn überhaupt dann höchstens als mittelmäßiger Ninja und als nicht besonders klug. Sie erinnerte sich, wie Tekka sich das eine oder andere mal mit nicht gerade schmeichelhaften Worten über seine Leistungen im Polizeidienst beschwert hatte. Die Clan-Führung musste in der Tat verzweifelt sein … „Inabi“, wandte sich Fugaku nun direkt an den jüngeren Uchiha, „das ist sicher eine Sache, an die wir in Anbetracht der jüngsten Entwicklungen behutsam herangehen müssen… aber zu deinen Pflichten gehört auch, von nun ein Auge auf Makani zu haben. Als ihr zukünftiger Ehemann musst du bereits heute Verantwortung für sie übernehmen und Tekka unterstützen.“ Inabi stieß einen erstickten Laut hervor. Diese Anweisung hatte ihn offenbar überrumpelt. „Gibt es ein Problem damit, Inabi?“ „Nein! Nein!“, versicherte dieser hastig. „Ich meine, na ja … also ich verstehe nur nicht ganz warum sie es sein muss… Sie ist doch eigentlich gar keine von uns. Und sie ist irgendwie komisch, oder? Also ich würde ihr nicht so leicht trauen. Und sie sieht - “ „ - das tut hier absolut nichts zur Sache, Uchiha Inabi!“, schnitt Fugaku ihm scharf das Wort ab. „Es geht hier weder um sie noch um dich. Es geht um das Überleben deines Clans. Wenn du schon bei diesen grundlegenden Dingen nicht in der Lage bist, deine eigenen Bedürfnisse unterzuordnen - „ „ - ich weiß, ich weiß! Verzeih, Fugaku-san!“ Die Worte des Clan-Oberhauptes waren mehr als deutlich gewesen und aus ihnen sprach Verachtung. Entsprechend war in die Stelle der unverhohlenen Unzufriedenheit in Inabis Ton sofort absolute Unterwürfigkeit getreten. Trotzdem schien er die Sache noch nicht auf sich beruhen lassen zu wollen. Nach kurzem Zögern sagte er: „Aber na ja … wir wissen doch eigentlich gar nichts über ihre Kekkei Genkai, oder? Könnte es nicht sein, dass sie sich gar nicht mit unserer verträgt? Am Ende sind unsere Kinder vielleicht nicht in der Lage das Sharingan zu beherrschen ...“ Guter Punkt, Inabi, schließlich beherrschst du es selbst nicht, dachte Makani boshaft. Sie empfand Ekel bei dem Gedanken an gemeinsame Kinder mit diesem mehr als zehn Jahre älteren Mann. Dennoch nötigte ihr die Unverfrorenheit, mit der er gegen die Entscheidung der Clan-Führung argumentierte einen gewissen Respekt ab und gleichzeitig belustigte sie die Vorstellung, dass Fugaku seine neuste Nachfolgerwahl vielleicht bereits bereute. Dann schüttelte sie ungläubig den Kopf. Auf einmal kam ihr die ganze Situation furchtbar lächerlich vor. Sollten das etwa Fugakus ebenso streng geheime wie hochgefährliche Machenschaften sein? Diskussionen über Erziehungsmethoden und das Arrangieren von Ehen? Die Kunoichi fand das alles zwar absolut abstoßend, aber sie wurde hier wohl kaum Zeuge eines Verbrechens … Was Itachi, der dieses Schauspiel über das Funkgerät mithörte, wohl gerade dachte? Inabi ließ immer noch nicht locker: „Ich meine, immerhin gäbe es ja eine Alternative … Wir haben eine sehr talentierte junge Kunoichi unter uns, die im Gegensatz zu Tekkas Mädchen eine echte Uchiha ist – also zumindest zur Hälfte ...“ „Genug jetzt!“, befahl Fugaku. „Ich begreife nun, zu welchem Zweck du die besagte junge Kunoichi unbedingt heute bei unserer Zusammenkunft dabei haben wolltest ungeachtet der Risiken, die wir dadurch eingegangen sind.“ Das Clanoberhaupt wandte sich nun wieder an alle: „Inabi hat das Mädchen mit einer Genjutsu belegt hierher geführt. Wie ihr seht, hört und sieht sie nichts. Sie weiß, dass sie unserem Treffen beiwohnt, aber nicht wo sie sich befindet. Ich bin deiner Bitte gefolgt, Inabi, weil du mir versichert hast, sie könne für unsere Sache nützlich sein. Aber nun wird mir klar - „ „ - Nein!“, rief Inabi. „ Sie kann uns wirklich helfen! Wir sollten uns wenigstens anhören, was sie zu sagen hat.“ Makani in ihrem Versteck hielt die Erregung, die sie bei der letzten Wendung des Gesprächs ergriffen hatte, kaum noch aus. Sie hatte einen sehr starken Verdacht, von welcher jungen Kunoichi die Rede war. Befand sie sich tatsächlich freiwillig in einer Illusion gefangen genau in diesem Moment unter den Männern, die sie gerade belauschte? Warum in aller Götter Namen sollte sie so etwas tun? Trotz der fast vollkommenen Dunkelheit, die sie umgab, starrte sie mit voller Konzentration auf den Felsen, der ihr Deckung bot und ihr gleichzeitig die Sicht versperrte, als könne sie ihn so mit ihrem Blick durchdringen und sich mit eigenen Augen Gewissheit verschaffen … Da regte sich plötzlich der Vogel auf ihrer Schulter. Er schien Makanis wachsende Anspannung gespürt zu haben. Er bewegte seine Füße, hob erst den einen, dann den anderen und dann mit einem Mal schlug er seine Krallen mit Wucht wieder in ihr Fleisch. Makani fuhr vor Schmerz zusammen und kniff die Augen zu. Als sie sie wieder öffnete, durchdrang ihr Blick tatsächlich den Stein … Es war, als finge ihr linker Augapfel an zu glühen. Das Gefühl war kaum zu ertragen, aber sie konnte nun ganz deutlich sehen, wie sie alle in einer hohen Felsengrotte standen im Kreis irgendein rechteckiges Gebilde aus Stein umringend. Doch auf diese seltsame Weise hatte sie noch nie zuvor einen Menschen gesehen, denn die sah sie durch das Sharingan … Ihre Körper waren nicht mehr als Schemen, von ihrer Substanz kaum zu unterscheiden von dem leblosen Stein der Höhlenwände. Zugleich nahm sie beinah verstörend klar und detailliert jede kleinste Bewegung wahr: Hier verlagerte jemand sein Gewicht von einem Bein aufs andere, da zuckte ein kleiner Finger, dort blähten sich Nasenlöcher … Sie erkannte deutlich die Züge von Fugaku, Tekka und Inabi, doch sie wirkten wie aus Marmor gehauen und, obwohl sie noch das kleinste Zucken von jedem der fünfzig Gesichtsmuskeln registrierte, fehlte ihren Mienen jeglicher Ausdruck – ihre Gesichter, ihre Haut, ihr Fleisch, ihre Knochen, ihr Haar, alles war von einem schemenhaften grau – ganz im Gegensatz zu dem, was in grellem rot dahinter, dazwischen und hindurch floss, nicht ihr Blut, nein, es musste ihr Chakra sein, das dort wie der Energieträger einer eigentümlichen Maschine unablässig nach oben und wieder nach unten gepumpt wurde. Makani hatte gewusst, dass das Sharingan in der Lage sein sollte Chakra zu sehen, aber dass es so plastisch, so konkret sein würde, hätte sie sich nicht vorstellen können. Es war etwas völlig anderes, als die Präsenz von jemandem zu spüren. Dieses Gefühl war der Kunoichi wiederum sehr vertraut. Doch dabei handelte es sich um etwas viel diffuseres und weniger eindeutiges. Die ganze Zeit, während sie gelauscht hatte, hatte sie die Anwesenheit von Personen, das Fließen von menschlichem Chakra jenseits der meterdicken Felsen gespürt, doch es war ein schwaches Gefühl gewesen und es hatten sich zu viele Präsenzen vermischt, die ihr nicht vertraut genug waren, als dass sie jemanden dadurch hätte erkennen können – nein, ganz richtig war das nicht … Einen der anwesenden Clanmitglieder hatte sie viel stärker gespürt, er stach deutlich aus dem dumpfen Meer der Auren hervor und nun verstand Makani plötzlich auch, wieso: Die Chakraflüsse von Fugaku, Tekka und fast aller anderen strömten ruhig und gleichmäßig ausschließlich innerhalb ihrer Körper. Das Chakra von Inabi dagegen bewegte sich deutlich schneller, es pulsierte leicht und kleine haarfeine Rinnsale traten aus seinen Schläfen. Sie wanden sich in geschwungenen Bögen durch die Luft und ihre Enden umspannten wie ein loses Gewebe aus roter Seide den Kopf der zierlichen Gestalt, die neben Inabi stand: Izumi … Das Erstaunen darüber, dass sie die Genjutsu, die der Uchiha über die Kunoichi gelegt hatte, tatsächlich sehen konnte, nahm Makani in diesem Moment so gefangen, dass sie zunächst vergaß, über Izumis Anwesenheit schockiert zu sein. Stattdessen wandte sie ihren Blick von ihr ab und sah an sich selbst hinunter. Begierig dort das faszinierende rote Strömen und Fließen aus nächster Nähe zu sehen, erschrak sie umso mehr, als sie zum ersten Mal ihr eigenes Chakra erblickte. Es hatte sich tief in ihren Körper zurückgezogen und es war nicht von jenem leuchtenden Rot, sondern nahezu transparent mit einem nur zu erahnenden rötlichen Schimmer. Makani war eigenartig verstört vom Anblick ihres Körpers, der ebenso schemenhaft und grau war wie der aller anderen, durch den aber darüber hinaus dieser geisterhaft farblose Fluss strömte, als sei er nur die Erinnerung an ein echtes lebendiges Chakra. Einem spontanen Bedürfnis nachgebend, hörte sie auf ihr Chakra zu unterdrücken und an ihre Umgebung anzugleichen. Der Effekt war beeindruckend: Es sah aus, als hätte jemand eine konzentrierte Menge reines Farbpigment in einen klaren Bach geworfen. Sofort breitete sich ausgehend von ihrem Körperzentrum der intensive Rotton aus … Für wenige Sekunden genoss Makani den Anblick – bis ihr klar wurde, was sie da gerade tat: Sie war im Begriff sich zu verraten … Mit Gewalt kniff sie beide Augen zu und zwang sich und ihr Chakra zur Ruhe. „Hmm … aber jetzt ist sie nun einmal hier. Dann können wir uns auch ebenso gut anhören, was sie zu sagen hat, oder nicht?“, hörte sie jemanden sagen ohne zu erkennen, wessen Stimme es wer. Dafür rauschte ihr noch viel zu laut das eigene Blut in den Ohren. Sie war sich ziemlich sicher, dass Fugaku sich abermals weigern würde, doch zu ihrer Verwunderung lenkte er nach kurzem Zögern ein: „Wohl wahr, sie ist hier … nun gut, Inabi, gib sie frei.“ Daraufhin trat eine längere Pause ein. Makani wagte es trotzdem nicht, ihre Augen noch einmal zu öffnen. Ihr blieb nichts anderes übrig, als sich wieder allein auf ihr Gehör zu konzentrieren und zu warten … „Uchiha Izumi“, ertönte schließlich abermals Fugakus Stimme, laut und herrisch. „Du bist heute auf eigenen Wunsch hier her vor deine Clan-Brüder geführt worden, weil du wichtige Informationen mit uns teilen möchtest. Ist das richtig?“ „Jaaa ...“ Izumi sprach schleppend und undeutlich. Es klang fast ein wenig, als wäre sie betrunken. „Also wir hören dich. Was für Informationen sind das?“ Fugakus Ton war wieder vollkommen kalt und sachlich. War, als er mit Inabi gesprochen hatte, sein Unwille noch deutlich zu spüren gewesen, ließ er nun keinerlei Emotionen mehr erkennen. „Äm also … ich danke dir Fugagu-san, dassu mir erlaubst hier susein un dassu mir suhören willst … also.“ Makani schien es, als wolle Izumi mit diesen gelallten Floskeln Zeit gewinnen, bis ihr die richtigen Worte – oder irgendwelche Worte – einfielen. Die soeben erst aufgehobene Genjutsu machte ihr offensichtlich zu schaffen. Und Makani wusste, wie sehr sich Izumi vor dem Clan-Oberhaupt fürchtete. Sie konnte sich sehr gut daran erinnern, wie sich die Jüngere an sie geklammert hatte, als sie beide Fugaku damals gemeinsam gegenüber gestanden hatten. „Äm … also“, setzte Izumi noch einmal an, „ich wollte mein ganzes Leben lang Teil dieses Clans sein! Meine Mutter hat einen furchtbaren Fehler gemacht, als sie euch verließ. Ihr könnt sicher sein, dass sie es sehr schnell bitter bereut hat! Mein Vater war ein Idiot, hat sie sitzen lassen - “ „ - das sind wohl kaum Information, die von irgendeinem Nutzen für uns sind.“ Die Kälte in Fugakus Worten schien nun durch Fleisch schneiden zu können. Doch erstaunlicherweise schien Izumi sich davon nicht beirren zu lassen. Sie sprach sogar lauter weiter als zuvor – vielleicht half ihr der kleine Rausch, den Inabis Illusion hinterlassen hatte, sogar dabei: „Nein, bitte, lasst mich erklären! Ich weiß, dass ihr mich wegen meiner Eltern nicht mögt und dass ihr mir nicht traut, weil dein Sohn, Fugaku-san, mich in den Clan geholt hat … Doch bitte versteht mich! Er war der einzige Uchiha, der mir je die Hand gereicht hat. Ich habe gedacht … Ich war so dumm! Bitte verzeiht mir!“ Nun brach die Kunoichi in Tränen aus. Für ein paar Momente war nur ihr Schniefen zu hören, dann fuhr sie mit etwas zu hoher Stimme fort: „Ich konnte mein Glück kaum fassen … der Sōryō der Uchihas wollte mich in den Rat einführen. Ich konnte doch nicht wissen, was für ein … dass er ein verdammter Verräter ist! Aber glaubt mir, jetzt weiß ich es!“ „Was weißt du?“, fuhr Fugaku schneidend dazwischen. „Wenig … also ein bisschen. Aber ihr müsst euch nicht sorgen. Ich habe mit niemandem darüber gesprochen, das schwöre ich! Ich würde nie etwas tun, das - „ „Was weißt du?“ Es klang, als wäre das Clan-Oberhaupt kurz davor, handgreiflich zu werden. „ … Itachi ist Mitglied der ANBU!“ Izumi schrie nun fast. Zwei oder drei der Anwesenden schnaubten verächtlich. „Er sollte die Uchihas im Auftrag der ANBU ausspionieren. Er hat sich von unseren Feinden kaufen lassen! Er hat Shisui getötet, weil er ihm auf die Schliche gekommen ist. Dass er dadurch auch Rache dafür nehmen konnte, dass er von seinem Platz in diesem Clan verdrängt wurde, kam ihm sicher auch nicht ungelegen …“ Fugaku schien seine Fassung wiedergefunden zu haben. „Woher willst du das wissen?“, fragte er ruhig. Izumi zögerte einen Moment, dann sprach sie sehr hastig, als wollte sie es möglichst schnell hinter sich bringen: „Ich stehe in Verbindung mit Itachi. Wir treffen uns heimlich ... Er liebt mich!“ Inabi stieß einen keuchenden Laut hervor. „Er hat von mir verlangt, dass ich ihm Informationen aus dem Clan verschaffe. Ich sagte, ich würde ihm helfen … Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte. Ich habe mich auch nicht getraut ihn abzuweisen. Er würde mir sicher etwas antun, wenn er erfährt, dass ich euch und nicht ihm die Treue halte. Aber ich bin mir sicher, ich könnte wertvolle Informationen von ihm beschaffen. Lasst mich euch helfen! Ich tue alles, was getan werden muss, um den Clan zu schützen. Und bitte helft mir! Ich habe solche Angst vor ihm … „ Ihre letzten Worte gingen in einem erneuten Weinkrampf unter. „Schon gut, Izumi“, sagte Inabi zärtlich, wenngleich auf eine ziemlich plumpe Weise, „du brauchst keine Angst zu haben.“ Dann hob er die Stimme: „Wir müssen ihr helfen! Sie ist eine Clan-Tochter. Wir sind für sie verantwortlich!“ Makani konnte Inabis mitfühlende Reaktion erstaunlich gut nachempfinden. Izumis herzzerreißende Vorstellung hatte selbst in ihr einige unangenehme Verwirrung ausgelöst, als ein emotionaler Teil ihren Tränen spontan Glauben schenken wollte. Doch der rationale Rest wusste, dass die jüngere Uchiha hier brillantes Theater spielte, dass sie log, lügen musste! Warum sie das tat, erschloss sich Makani dagegen noch nicht. „Das ist wahr, wir sind verantwortlich für dich, Uchiha Izumi, seit dem Tag, als dich mein Sohn zu uns zurück geführt hat. Und selbstverständlich werden wir dem gerecht werden.“ Die feinen Nuancen in der Stimme des Clan-Oberhauptes hatten sich abermals gewandelt. Sie drückten nun grenzenlose Überheblichkeit und fast so etwas wie Belustigung aus. „Doch ich bin erfreut zu hören, dass scheinbar auch mein Sohn seiner Verpflichtung weiterhin nachkommt, obwohl du ihm seine Treue offensichtlich nicht dankst … Leider kann man von einer jungen Frau kaum ein Verständnis dafür erwarten, dass es größere Dinge gibt als Romanzen und primitive Prügeleien um Macht. Dass du deinem Beschützer allerdings einen Mord aus derart trivialen Beweggründen unterstellst, kommt einer Beleidigung gleich. Ja, nach den lächerlichen Gesetzen des Hokage, an die er sich selbst am wenigsten hält, mag es Mord gewesen sein und er soll strafen, wie er es für richtig hält – wir brechen die Abkommen, die wir einst eingingen, nicht! Nach unseren Gesetzen aber ist Shisui im fairen Zweikampf unterlegen. Als Sōryō war es seine Aufgabe und Prüfung zugleich den Verräter im Kampf zu stellen und damit unser Urteil zu vollstrecken. Auch mein Sohn hat Verantwortung für seine verhängnisvollen Entscheidungen übernommen und sich dem Zweikampf gestellt. Doch letztendlich hat das Schicksal ein Urteil gefällt: Der Vollstrecker hat die Prüfung nicht bestanden. Der Verräter hat triumphiert …“ Während das Clan-Oberhaupt gesprochen hatte, waren von einzelnen Anwesenden halb unterdrückte Laute des Entsetzens zu hören gewesen, darunter auch Izumi und Tekka. Dann trat eine längere Stille ein, die so schwer war wie die Schichten aus Stein und Erde über ihren Köpfen, eine Stille, wie sie vielleicht nur in Gräbern herrschen kann … Erstaunlicherweise ergriff Inabi als erster wieder das Wort: „Heißt das … ich muss Itachi als nächster herausfordern?!“, presste er hervor, nackte Panik in der Stimme. Fugaku stieß ein kurzes bellendes Lachen hervor. „Das wäre mit Sicherheit der schnellste Weg, einen weiteren Sōryō loszuwerden. Mein Sohn war nicht ohne Grund seit Kindertagen als zukünftiges Oberhaupt vorgesehen. Er ist vielleicht der talentierteste Shinobi, den die Uchihas jemals hervorgebracht haben. Er hätte den Clan zu nie dagewesener Größe führen können ... Nein, dieses Mal schlagen wir den Sarutobi und seinen Nenashi bei der ANBU mit ihren eigenen Waffen. Ich habe heute alle alten Clans zu einem Dorfgericht einberufen. Dort werden wir meinen Sohn nach ihren Gesetzen wegen Mordes verurteilen. Und dann wird es endlich so weit sein: Gemeinsam werden wir den Hokage absetzen und wir Uchihas werden endlich wieder die Position in diesem Dorf einnehmen, die uns zusteht und die wir einnehmen müssen, um Konoha auf den richtigen Weg zurückzuführen. Die Clans werden die einzig richtige Entscheidung treffen, denn sie werden endlich erkennen, dass ihre eigene Dorfführung sich gegen sie gewendet hat!“ Makanis zitterte am ganzen Körper und in ihrem Kopf rauschte ohrenbetäubend ihr eigenes Blut, sodass sie kaum noch in der Lage war zu realisieren, was weiter gesagt wurde. Sie konnte nur noch daran denken, wie Itachi alles hatte mitanhören müssen. Am liebsten hätte sie das Mikrophon ihres Funkgerätes ausgeschaltet oder zugehalten, aber sie war wie gelähmt. Der Verzweiflung nahe riss sie die Augen nun doch wieder auf und noch einmal zeigte ihr das Sharingan auf jene verstörend verzerrte Weise die Gestalt Fugakus. Wie eine imposante und gleichzeitig entmenschlichte Statue aus grauem Stein stand er da, den stählernen Blick, in dem sich sein blutrotes Chakra konzentrierte, unerbittlich auf irgendein Ziel in der Ferne gerichtet. Er hat Shisui beauftragt Itachi zu töten … „Also ich muss zwar zugeben, Fugaku, dass dieser Plan einen gewissen Reiz hat“, meldete sich nun wieder Dentō zu Wort, „und ich halte es sogar für wahrscheinlich, dass es auf diesem Weg gelingen könnte, den Sarutobi abzusetzen. Der Unmut der Clans über ihn ist groß, wir würden wohl eine Mehrheit gegen ihn gewinnen. Aber was passiert dann? Können wir sicher sein, dass sie nicht einfach einen neuen Hokage wählen wollen oder dass auch der Senju-Clan die Führung im Dorf beansprucht? Höchstwahrscheinlich werden weitere Intrigen und weiteres Geschacher folgen. Dinge, die eigentlich unter unserer Würde sein sollten.“ Aber das ist es!, schoss es Makani durch den Kopf. Er hat den Mord an seinem eigenen Sohn in Auftrag gegeben. Er hat tatsächlich ein Verbrechen begangen! Dentō fuhr noch eindringlicher fort: „Dabei ist die Lösung doch zum greifen nah! Wir wissen, wer der Jinchuuriki des Kurama ist. Alles, was uns im Weg steht, ist ein kleiner Junge ohne Clan und ohne Eltern. Wenn wir dieses lächerliche Hindernis überwinden, wenn der Kurama uns dient, wie er es schon einmal getan hat, werden wir nie wieder mithilfe irgendwelcher intriganter Pläne für unser Recht kämpfen müssen!“ Wenn sie das Dorfgericht abhalten und Itachi anklagen, müssen wir aufdecken, wie es wirklich war. Jetzt haben wir den Beweis!       * * * Kapitel 25: Verrat I -------------------- Ein nebeliger Morgen brach über Konohagakure an. Der weiß-graue Dunst kroch lautlos durch die Gassen und hüllte die Gebäude in ein diffuses Zwielicht. Es schien fast, als wollten sie sich verbergen vor etwas, das im Nebel lauerte. Irgendetwas, das noch niemand mit eigenen Augen gesehen hatte – oder sehen wollte. Etwas, von dem noch nicht einmal gesagt werden konnte, um was genau es sich handelte, dessen Anwesenheit aber trotzdem nicht mehr ignoriert werden konnte, denn es befand sich zweifellos irgendwo direkt unter ihnen. An jeder Ecke meinte Makani Schatten auszumachen, die ihr folgten, nur um im nächsten Moment, wenn sie sich umdrehte, die Umrisse eines Strommasts oder einer Mülltonne zu erkennen. Dennoch rannte sie, als wäre eine Horde Nukenin hinter ihr, vollkommen lautlos natürlich – nur ein weiterer verlorener Schatten im Nebel … Endlich erreichte sie den Zugang zum Hauptquartier, den sie zu ihrer Überraschung unverschlossen vorfand. Ihre Beunruhigung linderte dieser Umstand jedoch nicht – im Gegenteil. Noch vor dem Morgengrauen hatte Fugaku die geheime Versammlung beendet und er und seine Gefolgsleute hatten das Mausoleum verlassen. Makani hatte es ihnen schließlich gleichgetan, allerdings mit einiger Verzögerung. Etwas Unvorhergesehenes hatte sie aufgehalten. Direkt im Anschluss hatte sie versucht Kontakt mit ihren Anführern aufzunehmen. Doch sooft sie es auch versuchte, das Funkgerät hatte beharrlich geschwiegen. Atemlos stürmte sie nun in den ihr mittlerweile so vertrauten weiß gefliesten Korridor. Eine gespenstische Stille empfing sie und das arrhythmische Flackern einer einzelnen Deckenlampe, welche die Treppe am Ende des Ganges erleuchtete. Auch die Überwachungszentrale im ersten Stock war wie ausgestorben. Sogar die meisten Monitore waren ausgeschaltet – ein beunruhigend ungewohnter Anblick. Makani spürte deutlich, wie das so vertraut wie verhasste Gefühl der Panik mit seinen finsteren Klauen nach ihr zu greifen drohte. Sie konnte sich einfach nicht erklären, was das zu bedeuten hatte. Von hier hatten Itachi und Koguma ihre Mission überwacht und genau hier hätten sie auf ihre Rückkehr warten sollen. Warum war niemand hier? Was hatte Itachi vor, nachdem er erfahren hatte … die Kunoichi verscheuchte den Gedanken und hastete eine weitere Treppe nach oben. „Koguma, bist du da? Mach bitte auf!“ Sie schlug mit der Faust gegen die Bürotür des ANBU-Oberhauptes, rief mehrmals seinen Namen und den ihres Team-Leaders. Nichts rührte sich. Verzweifelt wandte Makani sich ab und rannte wieder zwei Treppen nach unten, nur um abermals in jenem fensterlosen Korridor mit den weißen Fliesen an den Wänden stehen zu bleiben. Ihr Gehirn arbeitete auf Hochtouren, ohne zu einem konkreteren Ergebnis zu kommen, als dass sie irgendetwas unternehmen musste. In ihrer Ratlosigkeit tat sie schließlich etwas, das sie vor einer gefühlten Ewigkeit schon einmal getan hatte: Sie versuchte nacheinander jede einzelne der zahlreichen Türen zu öffnen. Genauso wie damals waren so gut wie alle verschlossen, bis auf die zum Umkleideraum und jene, die, wie sie bereits wusste, in einen Schlafsaal führte. Als sie letztere öffnete, entfuhr ihr ein leiser Schrei: Auf einer Pritsche direkt gegenüber saß – Itachi. Er lehnte leicht zusammengesunken an der Wand, hatte die Arme lose um ein hochgezogenes Knie gelegt und den Kopf gesenkt. Als er Makanis überraschten Laut vernahm, blickte er auf und sah sie teilnahmslos an. Und genau dieser Blick, den sie in letzter Zeit viel zu oft an ihrem Team-Leader gesehen hatte und der sich so fundamental von ihrem eigenen inneren Gemütszustand zu unterscheiden schien, ließ in der Kunoichi etwas explodieren. Sie knallte die Tür hinter sich zu, stürmte auf ihren Anführer zu und packte ihn grob an den Schultern. „Was soll das?! Warum antwortet ihr mir nicht? Warum bist du hier und nicht mehr in der Überwachungszentrale? Und wo zum Kami ist Koguma?“ Während sie Itachi anbrüllte, schien sich ihr Geist auf eigenartige Weise zu spalten. Der eine Teil ging völlig in ihrer Wut und Erleichterung auf. Der andere schien dagegen einen Schritt zurückzutreten und sie beide für einen kurzen Moment von außerhalb zu beobachten. Und das, was sie sah, kam ihr auf frustrierende Weise bekannt vor … Über Itachis Gesicht huschte der Schatten einer Emotion, doch gleich darauf hatte sie sich wieder wie ein aufgescheuchtes Tier irgendwo verkrochen. „Koguma ist zum Hokage gerufen worden“, sagte er ruhig. „Er musste sofort weg. Hat er dir das nicht gesagt?“ „Nein, das hat er verdammt nochmal nicht getan! Wieso hast du es mir nicht gesagt?“ „Kuguma hat das Funkgerät mitgenommen“, antwortete Itachi leichthin und in Makanis Ohren bodenlos arrogant. „Aber du hast deine Mission erfolgreich abgeschlossen. Die Versammlung war beendet und du hattest klare Anweisungen, danach ins Hauptquartier zurückzukehren – “ „ – wo es stockfinster und keine Menschenseele weit und breit zu sehen ist. Verflucht, ich dachte – “ Sie brach ab. Wie konnte er es nur wagen, so zu tun, als wäre alles wunderbar nach Plan verlaufen? -einmal abgesehen davon, dass ihr Einsatz ihrer Meinung nach mitnichten mit dem Ende von Fugakus Versammlung beendet gewesen war. Wie konnte er nur so widerwärtig ruhig und abgeklärt bleiben, sodass sie sich zunehmend lächerlich vorkam, so vollkommen aufgelöst wie sie gerade vor ihm stand? „Was hast du gedacht?“, fragte er und sah sie plötzlich nicht mehr ganz so teilnahmslos, sondern sogar recht scharf an. Makani erstarrte und ließ ihren Team-Leader endlich los. Sie sah weg, da sie diesen Blick noch weniger ertragen konnte. „Was glaubst du denn? Ich hatte Angst davor, was du tun würdest, nachdem du erfahren hast, dass dein Vater dich töten lassen wollte … dass es Shisui tun sollte.“ Die Kunoichi presste die Lippen aufeinander. Sie hatte Itachi das Ungeheuerliche entgegengeschleudert, fast als würde sie es ihm selbst vorwerfen. Doch das Wissen darum wog so unerträglich schwer. Und vielleicht hatte sie sogar ein klein wenig grausam sein wollen … Bange und mit weiterhin abgewandten Blick wartete sie auf eine Reaktion ihres Anführers. Und dann hörte sie ihn plötzlich lachen. Bestürzt sah Makani auf. Schnappte Itachi jetzt etwa über? „Wusstest du es? Hat Shisui es dir gesagt?“, verlangte sie zu wissen. Sie wollte verdammt nochmal irgendetwas von ihm hören, das kein irres Lachen war oder Teilnahmslosigkeit ausdrückte. „Nein, er hat es mir nicht gesagt. Das war nicht nötig. Ich musste jeden Tag damit rechnen, dass mein Vater etwas in diese Richtung unternimmt. So sind nun einmal unsere Gesetze. Was ich allerdings nicht vorausgesehen habe, ist, dass er Shisui mit hineinziehen würde – obwohl sich auch das durchaus im Rahmen unserer Traditionen bewegt, ebenso wie Shisuis Entscheidung … er hat die einzige Möglichkeit gewählt, sich seiner Pflicht zu entziehen, ohne selbst Verrat zu begehen.“ „Was sollen das denn für Gesetzte sein“, rief Makani aufgebracht und nun mit unverhohlener Verachtung, „nach denen ein Vater seinem Sohn einen Killer auf den Hals hetzt, der ganz nebenbei noch der engste Freund des Sohnes ist – sind wir Uchihas ein Haufen wilder Irrer?!“ „Das sind nicht nur unsere Gesetze! Alle Clans haben einst nach diesen Gesetzen gelebt und sie würden es sofort wieder tun, wenn es nötig wäre. Das ist das Gesetzt des Krieges, Makani. Ein Verräter stellt eine existentielle Gefahr dar. Egal, in welcher Beziehungen man zu ihm stehen mag, er muss bestraft werden. Und seine Strafe muss grausam genug sein, um ein warnendes Beispiel zu bieten.“ Obgleich alles in ihr sich zu wappnen suchte, traf sie die blanke Härte, mit der Itachi gesprochen hatte, wieder einmal mit voller Wucht. Und ebenso wenig konnte sie verhindern, dass ihr Tränen in die Augen traten. Sie hasste sich dafür und sie hasste ihn. Sie hasste es, dass er wie eine undurchdringliche Wand aus Stahl vor ihr stand, während ihr die verräterische Verletzlichkeit jeden Moment über die Wangen zu kullern drohte. „Aber eigentlich ist es kein Wunder, dass dir das alles verrückt vorkommt“, sagte Itachi nach ein paar Momenten in deutlich verändertem Ton. „Und das ist gut so! Bei dir hat sich die Vision, mit der Konoha gegründet wurde, erfüllt. Du bist ein Kind des Friedens. Krieg und Kampf auf Leben und Tod sind für dich nur abstrakte Ideen …“ Makani sah das zarte Lächeln, mit dem er sie dabei betrachtete, nicht. Sie war damit beschäftigt, sich von einem weiteren brutalen Schlag, von dem sie nicht genau wusste, woher er gekommen war, nicht überwältigen zu lassen. Sie fürchtete jeden Moment hemmungslos in Tränen auszubrechen und für absolut nichts hätte sie sich in diesem Moment mehr verachten können. Alles andere war gleichgültig. Ohne ihren Team-Leader noch einmal anzusehen wandte sie sich um. Doch Itachi sprang blitzartig auf und kriegte ihren Arm zu fassen, noch bevor sie ihre Hand auf die Türklinke legen konnte. „Wo willst du hin?“ „Lass mich los. Ich muss mich um Izumi kümmern.“ Itachi ließ sie nicht los. „Das wirst du nicht“, sagte er gebieterisch. Makani erstarrte in ihrer Bewegung. Als sie sich dann wieder zu ihrem Anführer umdrehte, loderten eisige Flammen in ihren Augen, deren Anblick ihr Gegenüber unwillkürlich dazu veranlasste, seinen Griff ein klein wenig zu lockern. „Sie ist immer noch in diesem widerwärtigen Grab. Man will sie da unten vermodern lassen, weil sie dir helfen wollte. Dich und Koguma scheint das offenbar nicht weiter zu interessieren, aber ich werde sie auf keinen Fall da unten lassen.“ Ja, Izumi war im Mausoleum zurückgeblieben. Fugaku hatte ihr befohlen dort zu bleiben, solange bis er über ihr Angebot „gründlich nachgedacht“ haben würde. Da sie mit solcher Leidenschaft für das Wohlergehen des Clans brenne, würde sie sich einer solch kleinen Prüfung sicher mit Freuden stellen. Sie brauche sich keine Sorgen machen, man würde sie mit dem Nötigsten zum Überleben versorgen. Makani hatte ihm kein Wort geglaubt, ihr war jedoch auch nicht klar, was das Clan-Oberhaupt damit bezweckte. Wollte er Izumi davon abhalten, mit Itachi in Kontakt zu treten? Wollte er sie einfach nur quälen? Nachdem Fugaku und die anderen Uchihas gegangen waren, war sie aus ihrem Versteck gekommen und hatte sich der jüngeren Kunoichi zu erkennen gegeben. Zu Makanis Erstaunen hatte sich diese jedoch geweigert, das Mausoleum mit ihr zu verlassen. Sie hatte versucht Izumi klar zu machen, dass Fugaku ihr sehr wahrscheinlich nicht glaubte, dass ihr Plan, seinen engsten Zirkel zu infiltrieren und Itachi damit zu helfen, gescheitert und es daher sinnlos war, bei seiner sogenannten „Prüfung“ mitzuspielen. Izumi hatte nichts davon abgestritten, trotzdem hatte sie nicht mitgehen wollen. Schließlich war Makani widerwillig allein aufgebrochen. Sie hatte auf den Rat und die Hilfe ihrer Anführer gehofft … „Izumi hat verdammt großen Schaden angerichtet mit ihrer hirnrissigen Aktion“, erwiderte Itachi und eisern kontrollierter Zorn blitze zwischen seinen Worten hervor. „Das beste, das sie jetzt tun kann, ist den Anweisungen meines Vaters zu gehorchen und das weiß sie auch. Solange wird ihr nichts passieren und sie kann keinen weiteren Schaden verursachen.“ Makani schüttelte heftig den Kopf und blaffte: „Das ist Schwachsinn! Wir haben doch überhaupt keine Ahnung, was dein Vater wirklich mit ihr vorhat. Mag sein, dass er sie nur einschüchtern will, aber was, wenn nicht? Sie ist auf unserer Seite und sie konnte nur deswegen Schaden anrichten, weil du alles vor ihr geheim halten wolltest. Was dir im Übrigen nicht besonders gut gelungen ist; sie hat erstaunlich viel herausgefunden. Wir müssen sie da rausholen und wir müssen sie uns helfen lassen. Je mehr Verbündete wir gewinnen, desto besser!“ Makani machte abermals Anstalten, sich von ihrem Team-Leader loszureißen. Dieser schien für einen kurzen Augenblick zu überrascht darüber, dass sie offenbar immer noch entschlossen war zu gehen, um zu reagieren. Doch im letzten Moment, bevor sie seinen Fingern entglitten wäre, schloss sich sein eiserner Griff abermals und er riss sie so brutal zurück, dass Makani kurz fürchte, er würde ihr das Gelenk auskugeln. Doch der Schmerz war ihr willkommen … „Ich sage, wir werden Izumi auf keinen Fall in diese Sache mit hineinziehen! Und du wirst das Hauptquartier nicht verlassen, bevor ich es sage. Das ist ein Befehl, Uchiha Makani!“ Itachis Stimme war wie die blankpolierte Schneide eines Katana, das von einem Meister geführt wird, - obwohl, wenn man genau hinhörte, ein ganz leichtes unterschwelliges Zittern wahrzunehmen war. Makanis Blick dagegen, den sie ihm trotzig entgegenschleuderte, war wie der aufgewühlte Himmel vor einem Gewitter, der nur darauf wartet, irgendwo einzuschlagen. „Glaubst du etwa ein Befehl macht dein Vorhaben weniger dumm?“, höhnte sie. „Es tut mir sehr leid, Uchiha Itachi, aber ich befolge keine schwachsinnigen Befehle, nur weil es Befehle sind.“ Itachi erbleichte. Für einen Moment schien er von Makanis Worten wie geohrfeigt. Dann packte er plötzlich auch noch ihren anderen Arm und drängte sie mit erschreckend unbeherrschter Gewalt gegen die Wand. Nun schrie er fast: „Hast du jetzt vollkommen den Verstand verloren?! Hast du vergessen, dass du ein Ninja bist und ich dein Anführer bin? Du hast einen Eid darauf geschworen! Willst du etwa vor dem Kriegsgericht landen?“ Makani erwiderte seinen Blick, ohne auch nur einmal zu blinzeln. Sie war so wütend, dass sie fürchtete, jeden Moment auch noch den letzten Rest Kontrolle zu verlieren … Angst verspürte sie jedoch seltsamerweise keine. Ihr entfuhr ein zynisches Lachen: „Ja, das muss ich wohl vergessen haben. Kriege und so etwas sind leider nur abstrakte Ideen für mich … Aber eins weiß ich: Ich folge einem Anführer nicht wegen irgendwelcher Eide, sondern nur, weil er gut führt.“ Nein, sie fürchtete, dass sie beide die Kontrolle verlieren würden … und sie wünschte es sich. Sie starrten einander an, sprachlos vor Zorn, vielleicht davor zurückschreckend, was ein weiteres Wort anrichten könnte. Itachi hielt weiterhin mit enormer Kraft Makanis Schultern gepackt, seinen Körper dicht gegen ihren drängend, als wollte er sie durch die Übermacht seiner bloßen Präsenz in die Knie zwingen. Das undurchdringliche Schwarz seiner Augen sprühte lebendige Funken, die prickelnde Male auf ihrer Haut hinterließen. Doch die Kuoichi wich keinen Millimeter zurück. Sie war der Kodex treuen Sprüche ihres Anführers, seiner so zahlreichen wie durchschaubaren Masken und ihrem eigenen Schmollen darüber so dermaßen überdrüssig … Sie gierte danach, alles mit einem einzigen Schlag niederzureißen – Ohne jegliche Vorwarnung schrie Makani plötzlich laut auf und schlug die Hände vor das Gesicht. Ein stechender Schmerz hatte ihr linkes Augen durchzuckt und schien sich nun durch ihre Augenhöhle direkt in ihr Gehirn zu brennen, als würde jemand eine glühende Klinge hineintreiben. Sie taumelte rückwärts und wäre im nächsten Moment gefallen, hätte Itachi sie nicht immer noch fest in seinem Griff gehabt. Er zog sie an den Armen zunächst wieder in eine aufrechte Position, schlang dann einen Arm um ihre Schultern und führte sie zu der Pritsche, von der er selbst vor wenigen Minuten aufgesprungen war. Makani keuchte und krümmte sich, während Itachi sie festhielt, bis der rasende Schmerz endlich ein wenig nachließ. Die Kunoichi ließ zitternd die Hände sinken, blinzelte und geriet erneut in Panik. „Was ist das?! Ich sehe nichts mehr ...“ Das stimmte nicht ganz: Vor ihren Augen ergoss sich ein grell leuchtendes Rot, hinter dem undefinierbare Formen waberten, als schwämmen sie in einem See aus Blut. „Was ist das!?“, schrie sie erneut hysterisch. „Die Nachwirkungen des Scharingan sind brutal, wenn man es nicht gewohnt ist“, hörte sie Itachi sagen. „Aber keine Sorge, es vergeht meist recht schnell.“ In seiner nüchternen Stimme schwang noch ein leises Echo der Erregung, die ihn vor wenigen Sekunden beinah überwältigt hätte. Oder war er vielleicht einfach nur erschrocken? Er zögerte einen Moment. „Leg dich hin“, sagte er dann, doch es klang nicht im Mindestens gebieterisch, sondern eher fragend. Dennoch ließ sich Makani gehorsam dabei helfen, sich auf der schmalen Liege auszustrecken. Dabei bettete er sehr vorsichtig ihren Kopf auf seinen Schoß. „Lass die Augen geschlossen; so ist es am erträglichsten.“ Wieder gehorchte Makani bereitwillig. Der stechende Schmerz war in ein kaum weniger quälendes Pulsieren übergegangen. Sie fürchtete, wenn sie die Lider nicht fest geschlossen hielt, würden ihre Augäpfel aus den Höhlen quellen. Dann zuckte sie heftig zusammen, als sie eine Berührung spürte. Itachi hatte seine rauen Hände über ihre Augen gelegt. Seltsamerweise schienen sie Wärme und Kühle zugleich auszustrahlen und verschafften ihr sofort etwas Linderung. So vergingen mehrere Minuten, in denen sich ihr Atem und Herzschlag nach und nach normalisierten. Itachi schwieg, doch Makani hörte und fühlte deutlich, wie auch er sich langsam beruhigte. Als sich der rote Nebel in ihrem Kopf endlich gelichtet hatte, dachte sie kurz mit Bedauern, dass von der rasenden Wut, die sie zuvor empfunden hatte und die ihr scheinbar nie gekannte Kräfte verliehen hatte, nichts mehr übrig geblieben war. Stattdessen lag sie nun vollkommen hilflos hier und hatte ihrem Anführer, von dem sie sich nicht hatte anführen lassen wollen, eine weitere Schwäche offenbart – allerdings einen kleinen Unterschied gab es dieses Mal schon… „Hast du etwa auch solche Anfälle?“ „Früher ja. Es gibt sich mit der Zeit etwas, aber einen Tribut fordert das Sharingan immer; es verbraucht einfach zu viel Energie ...“ Makani spürte die Vibration, die Itachis Körper durchlief, während er sprach. Seine Hände verrieten immer noch leichte Anspannung, als er vorsichtig über ihre Augenlider strich. „Du wusstest, dass ich das Sharingan im Mausoleum benutzt habe? Hattest du es etwa so geplant?“ Jetzt fühlte sie, wie Itachi entschieden den Kopf schüttelte. „Ich hatte es nicht geplant … aber, als du danach verlangtest, habe ich der Krähe erlaubt ihre Kraft auf dich zu übertragen. Es war sehr riskant, aber in dem Moment kam es mir richtig vor …“ Makani war verwirrt. Was redete er da? Nie im Leben wäre sie auf die Idee gekommen, so etwas von Itachi zu verlangen. Sie hatte ja noch nicht einmal geahnt, dass es möglich war … Doch gleich darauf kam ihr ein erschreckender Gedanke: „Kann das Vieh Gedanken lesen?!“ „Nein!“, versicherte Itachi. „Jedenfalls nicht im eigentlichen Sinne. Sie ist ein Produkt einer Genjutsu und kann sich einen begrenzten Zugang zu jemandes Geist verschaffen – andernfalls würde die Kraftübertragung nicht funktionieren. Doch ich konnte nur vage deine Emotionen nachspüren. Da herrschte ziemliches Durcheinander, aber der Wunsch, zu sehen und zu verstehen, beherrschte alles.“ „Ich wünschte, ich könnte einmal so in deinem Hirn herumschnüffeln!“, machte Makani ihrer Empörung Luft. Sie konnte es nicht fassen, mit was für einer selbstverständlichen Anmaßung er diesen verstörenden Übergriff auf sie erklärte … auf der anderen Seite, dachte sie, war es nicht auch wieder irgendwie typisch? „Wie meinst du das?“, fragte Itachi, scheinbar aufrichtig neugierig. Frustrierender Weise schien ihn die Vorstellung nicht zu erschrecken. „Ach, was weiß ich“, erwiderte sie ärgerlich. „Du stellt mich immer wieder vor Rätsel … Wie bist nur auf diese abartige Idee gekommen, Shisuis Auge diesem gruseligen Biest einzupflanzen?!“ Itachi zögerte und fuhr eine Weile schweigend fort mit federleichten Bewegungen über Makanis Augenlider zu streichen. Sie war sich schon sicher, dass er beschlossen hatte nicht auf ihre Frage zu antworten, als er schließlich zögerlich sagte: „Ich wollte nicht, dass es jemand anderem in die Hände fällt … Ich weiß, ich hätte es zerstören müssen; die Augen verstorbener Uchiha, die das Sharingan beherrschen, müssen vernichtet werden. Aber ich konnte es nicht … zumindest nicht solange ich nicht weiß, wo das andere Auge ist.“ Makani versuchte die Emotionen, die aus Itachis Worten sprachen zu entschlüsseln. Es gelang ihr nur vage. Jedoch stellte sie erstaunt fest, dass ihre eigene stark empfundene Befremdung deutlich besänftigt worden war. „Hast du eine Ahnung, wo das andere Auge sein kann? Könnte Shisui es vielleicht selbst vernichtet haben?“ Itachi antwortete nicht, doch Makani erahnte sein ratloses Kopfschütteln. Nach weiterem kurzen Schweigen sagte er mit unwillkürlicher Erregung: „Aber wäre es nicht vielleicht sogar gut, wenn das Sharingan von jedem benutzt werden könnte, unabhängig davon, ob er damit geboren wurde oder nicht? Es wäre einfach eine Waffe wie jede andere … und wir Uchihas wären eine Familie wie jede andere.“ Makani horchte verwirrt auf. Im ersten Moment verstand sie nicht so recht, was Itachi meinte. Es klang absurd oder wie eine bloße Gedankenspielerei. Doch dann versetzte es sie zurück in jenes unterirdische Grab, in dem sie eine Kostprobe dieser absurd klingenden Idee am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte. „Ich weiß nicht ...“, erwiderte sie schließlich skeptisch. „Wenn ich ehrlich bin … ich fand es grauenvoll, mit dem Sharingan zu sehen. Versteh mich bitte nicht falsch! Es war unglaublich, das Sharingan ist eine sagenhafte Fähigkeit! Aber irgendwie … obwohl man die Quelle aller Macht zum Greifen nah vor sich sieht, als müsste man nur die Hand ausstrecken, um sie direkt in sich aufzunehmen oder sie für immer versiegen zu lassen, scheint zugleich alles Lebendige daran zu verschwinden … Ich möchte mir lieber nicht vorstellen, jeder Ninja könnte mit so einer Waffe in den Kampf ziehen.“ Itachi hatte aufgehört über Makanis Augen zu streichen. Seine Hände ruhten weiterhin auf ihrem Gesicht, doch sie hatten sich merklich verkrampft. „So treffend habe ich es noch nie jemanden beschreiben höre … du hast recht, es wäre das Beste, niemand würde über diese Waffe verfügen.“ Die letzten Worte hatte er beinah geflüstert. „Nein, so habe ich das nicht gemeint!“, versicherte Makani erschrocken. „Wenn man verantwortungsvoll mit dem Sharingan umgeht, kann es bestimmt sehr nützlich sein.“ Itachi lachte bitter auf: „Und du meinst, dass der Uchiha-Clan, dass mein Vater und seine Speichellecker verantwortungsvoll damit umgehen?!“ „Das wohl leider nicht“, räumte Makani ein, „aber immerhin kannst du es! Ich denke jedenfalls, es wäre viel schlimmer, wenn nur unser Gegner über diese Waffe verfügen würden.“ Als Antwort gab Itachi einen eigenartigen Laut von sich: ein Seufzen, das Erstaunen, Belustigung und Verzweiflung zugleich auszurücken schien. „Warst du nicht diejenige, die festgestellt hat, dass ich von allen überschätzt werde? Jetzt tust du es selbst … ich bin längst nicht so frei von meiner Familie, wie du glaubst, Makani!“ „Was meinst du damit?“ Itachi stöhnte gequält. Es kostete ihn offenkundig einiges an Überwindung kostete weiterzusprechen. Trotzdem brach es plötzlich aus ihm hervor, als hätte das Zurückhalten ihn zuvor nicht weniger Kraft gekostet: „Als mein Vater vorhin sagte, ich sei der talentierteste Ninja, den der Clan jemals hervorgebracht hat, hat mich das verdammt glücklich gemacht … es war mir völlig egal, was er sonst für abscheuliche Dinge gesagt oder getan hat, alles, was mich interessierte, war, dass dieser schreckliche Mann stolz auf mich ist.“ „Itachi – “, versuchte Makani ihn zu unterbrechen, doch ihr Anführer schien ein starkes Verlangen zu verspüren, sein zorniges Geständnis fortzusetzen. „Wie sehr ich mich auch bemühe, ich komme einfach nicht los von all dem … nicht von meinem Vater und nicht vom Sharingan! Manchmal würde ich es am liebsten überhaupt nicht mehr deaktivieren; die Welt erscheint dann so simpel und beherrschbar … ich könnte dieses ganze Elend einfach zermalmen und dann wäre es endlich vorbei.“ Itachi hatte schwer zu atmen begonnen und seine Stimme schwankte. „Es steckt einfach in mir, Makani! Ich kann mir noch so oft einreden, dass ich für den Frieden kämpfe, im Kern bin ich nicht besser als diese Verschwörer. Ich habe nie etwas anderes gelernt als zerstören und ich bin genauso außer Stande mit dieser Waffe verantwortungsvoll umzugehen wie sie.“ Unwillkürlich begann Itachi wieder damit, Makani zu berühren: Er strich ihr das Haar zurück, das an ihrer mit kaltem Schweiß bedeckten Stirn klebte. „ … aber wer weiß, vielleicht kannst du es ja“, murmelte er und lachte leise, während er erkundend die Linie von Kinn und Lippen der Kunoichi nachfuhr, als untersuchte er sie auf Anzeichen dafür, ob sie mit einer Waffe wie dem Sharingan verantwortungsvoll umgehen könnte oder nicht. Makani dagegen hielt vor Überraschung und Verwirrung den Atem an. Sie war sich sicher, dass Itachis Hände ein Eigenleben entwickelt haben mussten … er konnte sich unmöglich bewusst darüber sein, was er gerade tat. „Immerhin bist du allemal widerspenstig genug, um dich von uns Uchihas nicht beirren zu lassen. Du schlägst einfach alles, was wir für unumstößliche Gesetzte gehalten haben, in den Wind ...“ Endlich löste sie sich aus ihrer Starre und wagte es, die Augen aufzuschlagen. Der rote Nebel hatte sich fast vollständig verzogen, nur noch ein leichter blutiger Schimmer lag auf Itachis von tiefer Erschöpfung gezeichnetem Gesicht. Sein rabenscharz verschleierter Blick fand ihren. „Vielleicht überschätzt du mich auch, Itachi“, flüsterte Makani. „Ich will überhaupt nicht verantwortungsvoll sein. Und Ich will kein Kind des Friedens sein. Sind das nicht die ersten, die im Krieg untergehen …?“ Langsam richtete sie sich auf. Itachi sah sie überrascht und – so kam es ihr vor – erwartungsvoll an. Sie war sich nicht sicher, ob er verstand, was sie ihm hatte sagen wollen … eigentlich wusste sie es selbst nicht mehr genau. Alle Worte kamen ihr mit einem Mal unzulänglich und belanglos vor. Was mühte sie sich hier ab mit ihrem täppischen Geplapper? Es war noch immer meilenweit von dem entfernt, was sie ihm wirklich mitteilen wollte und was sie bisher unbedingt vor ihm hatte verbergen wollen. Immerhin meinte sie, zumindest eine leise Ahnung davon bekommen zu haben, was er ihr sagen wollte. Erschreckt hatte es sie jedoch nicht, so wie Itachi es vielleicht beabsichtigt hatte. Nein, sie fühlte sogar so etwas wie Erleichterung und das drängende Verlangen, noch besser zu begreifen. Doch es gab einfach keine Worte mehr, die ihnen dabei helfen konnten, nur – Makani neigte Itachi ihren Kopf entgegen. Sie hatte noch auf irgendein Zeichen der Einwilligung warten wollen, doch ihr Körper war schneller als ihre Furcht. Itachi zuckte fast unmerklich zusammen. Sein Körper verharrte in gespannter Reglosigkeit, nur seine Lippen folgten mit beinah übertriebener Ernsthaftigkeit und Sorgfalt den Bewegungen des fremden Mundes. Makani entglitt ein lautloses Lachen. Es brach den Bann immerhin soweit, dass sie beide wagten hörbar Luft zu holen. „Was ist?“, hauchte Itachi. Makani schüttelte den Kopf und ließ sich wieder auf die Pritsche sinken, diesmal jedoch nicht allein, wenngleich sich Itachis Muskeln dabei unschlüssig anspannten. Doch den zweiten vorsichtigen Kuss eröffnete er. Von schamhafter Ungeduld getrieben öffnete Makani ihre Lippen und schlang herausfordernd die Arme um den festen schlanken Körper über ihr. Sie hatte auf einmal eine einen winzigen Spalt geöffnete Tür vor Augen, dahinter ein unbekannter geheimer Raum, so flüchtig wie verheißungsvoll. Mit trotziger Entschlossenheit verbannte sie jeden vernünftigen oder verantwortungsvollen Gedanken und hoffte inbrünstig, dass Itachi es ihr gleichtun würde. Sein Verhalten immerhin schien darauf hin zu deuten. Er hatte sich neben Makani auf die Seite gelegt und folgte ihren Bewegungen zunehmend bereitwilliger, erwiderte das Drängen ihres Körpers gegen seinen, fuhr ihr durchs Haar, über den Rücken, den Bauch … Ich will dich! Sie wusste nicht, ob sie die Worte nur gedacht oder laut ausgesprochen hatte. Aber es war auch gleichgültig; ihr verräterischer Körper kannte eine viel deutlichere Sprache, auch wenn sie nicht wusste woher. Als sie auch noch ihre Beine fest umeinander schlangen, ihre Erregung plötzlich ganz unmittelbar spürten, erhöhte sich ihre Atemfrequenz noch einmal deutlich und dann glitten ihre Hände gleichzeitig unter die Kleidung des anderen. Sie waren beide alles andere als geübte Liebende, aber der Rausch des Unbekannten steigerte ihre Empfindungen so weit, dass der Weg zur Ekstase nur noch wenige Berührungen maß. Makani gab ein lustvolles Wimmern von sich, Itachi verbarg keuchend sein Gesicht in der Mulde über ihrem Schlüsselbein. So blieben sie eine Weile liegen und spürten, wie sich ihre Brust hob und senkte, erst sehr schnell und mit jeder Minute, die verstrich, ein wenig langsamer. „Lass uns gehen“, murmelte Itachi irgendwann. „Was … was meinst du? Wohin?“ Makani fühlte sich in einem merkwürdigen Zwischenzustand gefangen. Erschöpft und überwältigt auf der einen und voller banger Unruhe auf der anderen Seite. Sie hatte sich vor seinen ersten Worten gefürchtet, denn sie würden das, was zwischen ihnen geschehen war, zwangsläufig aus jenem geheimen namenlosen Raum verstoßen, in dem es geboren worden war … „Ganz egal“, antwortete Itachi auf ihre verwirrte Frage, „nur fort von hier! Vielleicht nach Westen ins Tsuchi no Kuni oder noch besser: über das Meer. Ich würde gerne wissen, was dort liegt. Und zumindest können wir sicher sein, dass es dort kein Konoha, keine ANBU und keinen Uchiha-Clan gibt.“ Makani brachte keinen Ton hinaus. In ihrer Brust tobte ein aufgewühlter Ozean, der ihren Verstand zu fluten und sie irgendwohin ins Ungewisse mitzureißen drohte … es wäre so wunderbar, einfach loszulassen …     * Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)