Wie Regen nach der Trockenheit von abranka (DD x BZ) ================================================================================ Kapitel 1: I. ------------- 'Cause I'm hell up here on the high wire You're the hallelujah kind I'm the dust that spins and the gust of wind that's blowing by I'm a desert dry And in my thirsty eyes You look like rain (Luke Bryan – You look like rain) I. Als er das Gericht verließ, wusste Dudley Dursley, dass er Glück gehabt hatte, aber dennoch senkte sich trotz des warmen Sonnenscheins eine dunkle Wolke übler Vorahnungen auf ihn nieder. Er war mit einer Bewährungsstrafe davongekommen – was natürlich gut war. Aber das hieß auch, dass das polzeiliche Führungszeugnis, das er für seinen neuen Ausbildungsplatz brauchte, diese aufweisen würde – und er ihn somit nicht mehr bekam. Wenn er nicht schnell etwas Neues fand, würde er seine kleine Zwei-Zimmer-Wohnung auch kaum halten können. Und das allerletzte, was er wollte, war, seine Eltern um Hilfe zu bitten. Die beiden wohl spießigsten Personen unter der Sonne auf diesem Planten wussten ja nicht einmal von diesem Vorfall, der Anklage und jetzt dem Urteil. Dudley dachte auch nicht daran, das in irgendeiner Art und Weise zu ändern. Nein, es würde sich ein anderer Weg finden lassen müssen. Knapp vier Wochen später war er mit seinem Latein jedoch am Ende. Das Geld war knapp, die nächste Monatsmiete bekam er nur zusammen, wenn er gänzlich auf andere Ausgaben verzichtete, was auch so etwas Lächerliches wie Essen und Trinken einschloss. Er hatte weder einen neuen Ausbildungsplatz noch irgendeinen Job gefunden. Zumindest nichts, was legal gewesen wäre, und so etwas kam für ihn absolut nicht in Frage. Ihm reichte seine letzte Bekanntschaft mit dem Justizsystem. Er musste daraus wirklich keinen Regeltermin machen. Somit blieben ihm noch genau zwei Optionen. Beide mochte er nicht, aber er hatte wohl kaum noch eine Wahl. Und so stand Dudley an diesem Morgen des 3. März vor dem Haus Grimmauld Place 12, das er nur dank so eines komischen magischen Gegenstands sehen konnte, den sein Cousin ihm vor drei Jahren gegeben hatte. „Für Notfälle“, hatte Harry damals gesagt und Dudley hatte nur spöttisch gegrinst. Als wenn er jemals im Notfall ausgerechnet zu Harry Potter gehen würde. Und doch stand er jetzt hier. Er argwöhnte, dass Harry mit Absicht ein niedliches Plüschhäschen verzaubert hatte, damit dieser Gang noch schwieriger wurde als er ohnehin schon war. Aber dennoch drückte er das Häschen jetzt fest an sich. Dann atmete er tief durch, straffte die Schultern, richtete sich zu seiner ganzen beeindruckenden Größe von 1,95 Meter auf und klingelte. Eine schmale rothaarige Frau öffnete die Tür. Harrys Frau. Dudley erkannte ihr Gesicht von der Hochzeitskarte, die er vor rund einem Jahr erhalten hatte. Verständlicherweise waren seine Eltern und er nicht zu der Feier eingeladen gewesen. Angesichts der Tatsache, wie Harry 17 Jahre bei ihnen aufgewachsen war, war es ihm auch nicht zu verdenken. Es war eher erstaunlich, dass sie überhaupt eine Karte erhalten hatten. Dudley fühlte eine überraschende Woge von Scham und Unsicherheit in sich aufsteigen. Vielleicht war das hier doch nicht bessere von zwei suboptimalen Ideen. Vielleicht war es doch eine viel bessere Idee, sich ganz auf die schiefe Bahn zu begeben. „Ja?“ Lindsey oder so legte die Stirn in die Falten und sah Dudley arbwartend an. Sie war hübsch, aber definitiv kein Püppchen. „Hi... Ich... ähm... Ist Harry da?“, stotterte Dudley und kam sich wie der letzte Idiot unter der Sonne vor. Sie sah ihn prüfend an und rief dann über die Schulter: „Harry, es ist für dich.“ „Komme!“, erklang es von irgendwo aus den Tiefen des Hauses. Schweigend standen Dudley und die Frau sich gegenüber, bis Harry erschien. „Dudley!“, rief dieser überrascht aus. „Welch eine Überraschung! Ginny, das ist mein Cousin Dudley.“ Harry lächelte, was Dudley wiederum ehrlich verblüffte. Mit Freundlichkeit hatte er nicht unbedingt gerechnet. Mit der abschätzenden Vorsicht Ginnys konnte er dagegen gut umgehen. Er wusste ja, was sie sah: einen jungen Mann Anfang 20, groß, massig – wenngleich nicht mehr extrem übergewichtig –, eine erkennbar mehrfach gebrochene Nase, abgetragene Klamotten und diesen schrecklichen Plüschhasen. „Hi Harry, ich...“, setzte Dudley an, doch weiter kam er gar nicht. „Komm rein, Big D. Nennt man dich noch so?“ Harry winkte ihn herein und zögernd trat Dudley über die Schwelle. Ein kaltes Gefühl überkam ihn dabei. „Falls sich das komisch angefühlt hat: Sicherheitszauber. Leider notwendig als ungewollte Berühmtheit.“ Harry schnitt eine Grimasse und ging vor. Dudley folgte ihm, während Ginny die Tür schloss und ihm unübersehbar skeptisch nachschaute. Am Ende des Flurs betraten sie einen größeren Raum, von dem Haus eine Treppe in den ersten Stock führte. Sie gingen jedoch im Erdgeschoss durch eine Tür in eine gemütliche Wohnküche. „Kaffee, Tee, Wasser? Was kann ich dir anbieten?“, erkundigte sich Harry und bedeutete Dudley, sich auf die Eckbank neben einem glänzenden Kieferntisch zu setzen. „Tee bitte.“ Dudley lächelte verlegen. Gut sah es hier aus. Weder so abgewohnt und chaotisch wie bei ihm selbst, noch so penibel aufgeräumt und klinisch rein wie bei seiner Mutter. Hier interessierte es offenbar niemanden, was etwaige Besucher denken mochten. Oder man wusste, dass Besucher üblicherweise Freunde waren. Während Harry die Teekanne holte, musterte Dudley ihn. Sein Cousin sah gut aus. Er war weniger schmal als früher, hatte Farbe ihm Gesicht und bewegte sich mit vollkommener Selbstsicherheit. Die schwarzen Haare standen allerdings noch immer so unmöglich von seinem Kopf ab wie früher schon immer. Dudleys Mutter Petunia hatte diese Frisur immer wahnsinnig gemacht. „Also, was führt dich her?“ Harry reichte Dudley eine Tasse mit Tee, stellte Milch und Zucker auf den Tisch und ließ sich dann ihm gegenüber nieder. Ginny war nirgends zu sehen. Offenbar hatte sie sich entschieden, ihren Mann und seinen Besucher allein zu lassen. „Ich komme lieber gleich auf den Punkt. Smalltalk können wir danach noch halten.“ Harry schnitt eine Grimasse. „Verzeih mir meine Direktheit.“ „Ist schon okay.“ Dudley lächelte. Er drehte die Tasse zwischen seinen Fingern und bemühte sich, seine Nervosität zu unterdrücken. „Ich hätte auch nicht gedacht, dass ich einmal hierher komme und das da brauche.“ Er deutete auf das zerknautschte Häschen, das er auf den Tisch gestellt hatte. Harry lachte leise. „Ich konnte nicht widerstehen. Wenn du je herkommen solltest, sollte es dir wenigstens weh tun.“ „Glaub mir, das tut es auch so.“ „Dann schieß los.“ Harry nippte an seinem Tee und blickte Dudley aus seinen grünen Augen herausfordernd an. „Ich brauche deine Hilfe.“ Dudley atmete tief durch. „Frag mich bitte erst einmal nicht nach Details, aber ich habe seit kurzem eine Vorstrafe wegen Körperverletzung. Es war durchaus berechtigt und wenigstens Notwehr. Ich bin nicht mehr der dumme Schläger wie noch als Teenager. Ich habe nur jemanden verteidigt. Jedenfalls... finde ich seither keinen Job. Ich habe keine Ausbildung. Den Platz, den ich hatte, habe ich wegen der Vorstrafe verloren. Die nächste Miete kann ich kaum zahlen und ich weiß nicht, wie ich mir noch etwas zu Essen kaufen soll.“ Er atmete tief durch. „Ich bitte dich, mir zu helfen, einen Job zu finden, eine Ausbildung, irgendetwas. Ich mache wirklich alles. Ganz egal was.“ Harrys Mund klappte auf und wieder zu. Es war unübersehbar, dass ihm ein gutes Dutzend Gedanken gleichzeitig durch den Kopf schoss. „Zwei Fragen: Bist du dir bewusst, dass ich nur Kontakte in der Zaubererwelt habe? Und: Warum fragst du nicht deine Eltern?“ Dudley seufzte leise. Da war die erwartbare und so schwierige Frage. „Zu erstens: Ich habe es vermutet und sofern es eine Möglichkeit gibt, werde ich sie ergreifen. Dankbar.“ Harry schaute skeptisch und zog die Augenbrauen hoch, sagte dazu aber nichts. Noch nicht, vermutete Dudley. „Und deine Eltern?“, hakte Harry nach. „Das ist schwieriger.“ Dudley seufzte und stellte die Tasse ab, aus der er bislang noch keinen Schluck getrunken hatte. „Vermutlich reicht es dir nicht, wenn ich sage, dass wir mittlerweile ein recht schwieriges Verhältnis haben, oder?“ „Nein.“ Harry lächelte schwach. „Sorry, aber nein. Sie haben dich immer vergöttert. Warum sollte sich das geändert haben?“ Dudley atmete erneut tief durch. Natürlich musste er es sagen. Es war utopisch gewesen zu hoffen, dass das nicht notwendig sein würde. „Weil ich schwul bin, Harry. Du kannst dir sicher vorstellen, was sie davon halten.“ Er senkte den Blick, um Harrys Reaktion nicht sehen zu müssen. Wieder Unverständnis und Abscheu zu ernten, wie er das von seinen Eltern und seinen sogenannten Freunden erfahren hatte, war nicht unbedingt, was er brauchte. Doch Harry überraschte ihn. Warm legte er seine Hand auf Dudleys verkrampfte Rechte. „Ich verstehe“, sagte er sanft. Und als Dudley aufsah, hatte er das Gefühl, dass Harry ihn wirklich verstand und das nicht nur so dahersagte. „Vermutlich kommen nicht nur Vernon und Petunia nicht damit klar, sondern deine Gang auch nicht, oder?“ Dudley schüttelte nur den Kopf. „Scheiße.“ Harry fuhr sich durch die Haare. „Okay... Ich kann nicht glauben, dass ich das sage, aber: Wir kriegen das hin. Ich meine, du hast keinen Grund mir zu glauben. Und ich keinen, das bei dir zu tun. Aber du bist hier und ehrlich zu mir. Du bist Familie und ich werde den Teufel tun und dich hängen lassen. Ich spreche mit Ginny, aber es spricht nichts dagegen, wenn du erst einmal hier bleibst. Und dann schaue ich, was ich für dich tun kann, damit du wieder Boden unter den Füßen bekommst, okay?“ Er sprach immer schneller und Dudley hatte das Gefühl, dass Harry den Plan entwickelte, während er redete. „Du bist ein Muggel, also wird das in der Zaubererwelt nicht so einfach... Und ich kenne in der Muggelwelt wirklich nichts und niemanden. Aber wir kriegen das schon hin. Ich denke da in Richtung Muggelkunde und so. Damit kennst du dich ja aus. Das Ministerium könnte da vielleicht doch jemanden...“ „Sprich Hermione an, Harry. Sie ist doch die rechte Hand des Zaubereiministers. Und soweit ich weiß, würde Dad vor Freude ausflippen, wenn er einen echten Muggel zum Austausch hätte“, erklang Ginnys Stimme. Sie stand an den Türrahmen gelehnt da und blickte zu den beiden Männern hinüber. Dudley spürte, wie er rot anlief. „Ich mache das Gästezimmer fertig. Harry, hilf deinem Cousin, seine Sachen zu holen.“ Sie lächelte dünn. „Wir werden niemanden aus der Familie im Stich lassen, ganz gleich was früher einmal vorgefallen ist. Aber wehe, du lässt es uns bereuen, Dudley.“ Sie sprach sanft, doch in ihrer Stimme lag eine unmissverständliche Schärfe. „In diesem Sinne: herzlich Willkommen, Dudley.“ Als Dudley an diesem Abend in dem Bett im Gästezimmer lag, hatte er das gute Gefühl, dass ihm ein Klotz vom Bein genommen war. Natürlich war es unangenehm, seine Unabhängigkeit mit seiner Wohnung erst einmal aufgegeben zu haben. Aber er hatte letztlich doch keine Wahl gehabt. Was wäre denn die Alternative gewesen? Sich mehr und mehr zu verschulden und in eine noch schnellere Abwärtsspirale zu geraten? Dudley wusste, dass er nicht unbedingt die hellste Kerze am Kronleuchter war, aber er war auch nicht komplett dämlich. Gleichzeitig machte ihm aber auch die Situation, in die er sich hier gebracht hatte, Sorgen. Der ganze Zaubereikram war ihm unheimlich. Er verstand ihn nicht und Zauberei war mächtig. Sie war etwas, das er nicht konnte. Wenn er eine Wahl hätte, würde er sich auch nicht darauf einlassen. Aber er hatte nicht das Gefühl, noch eine Wahl zu haben. In seiner Welt schien ihn ja nur Verachtung zu erwarten. Verachtung und Chancenlosigkeit. Ein miserabler Schulabschluss, eine Vorstrafe, keine Ausbildung, schwul – keine Chance. So ließ sich das alles zusammenfassen. Und keine Freunde. Dudley verschränkte die Arme hinter dem Nacken. Ja, auch keine Freunde. Die waren mittlerweile auch alle weg. Die Ironie war, dass er außer Harry wirklich niemanden mehr hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)