Der große Krach von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Irgendwann war sie eingeschlafen, auf der Couch im Wohnzimmer. Als Michiru die Augen wieder aufschlug war es hell draussen. Sie schreckte hoch, sprang auf, lief hinüber ins Schlafzimmer und hoffte bis zum letzten Augenblick dass Haruka im Bett liegen möge. Das Bett war leer. Michiru ließ sich auf den Boden vor dem Bett sinken und weinte lautlos in sich hinein. Warum konnte sie auch ihren Mund nicht halten?? "Du bist so dumm..." schimpfte sie sich selbst. Doch diese späte Erkenntnis änderte auch nichts daran dass Haruka weg war, und Michiru nicht die leiseste Ahnung hatte wo sie stecken konnte. Vielleicht lag sie irgendwo im Straßengraben? Vielleicht war sie die ganze Nacht herumgelaufen, an irgendwelche zwielichtigen Typen geraten...."Jetzt hör bloß auf!" befahl Michiru sich. Ihre Stimme hörte sich in dem großen leeren Haus fremd an. Wo konnte sie bloß sein? Michiru ging in die Küche und schmierte sich ein Honigbrot. Mit leerem Magen konnte sie nicht denken, sich nicht konzentrieren. Sie brauchte aber jetzt vor allem eins - einen klaren Kopf. Wo konnte sie sein? Michiru überlegte angestrengt. Wo war sie früher hingegangen wenn sie Ärger gehabt hatte....und plötzlich wusste sie wo Haruka war. Michiru sprang auf, schlüpfte in ihren Mantel, in ihre Schuhe, schnappte sich den Autoschlüssel und schon war sie aus dem Haus. Die Straßen waren nicht besonders belebt, und so kam Michiru eine halbe Stunde später an ihrem Ziel an. Sie parkte direkt vor der Haustür, sprang aus dem Wagen und suchte nach dem richtigen Klingelknopf. Doch kaum hatte sie die erste Reihe der vielen Knöpfe durchgesehen, ging die Haustür wie von Geisterhand auf. "Ich hab dich schon gesehen, komm rauf. Dritter Stock rechts." kam eine Stimme aus der Gegensprechanlage. Michiru nickte, stieß die Tür mit ihrem Fuß weiter auf und lief die Treppen hinauf bis ins dritte Stockwerk. Elza öffnete ihr die Tür und funkelte sie zur Begrüßung an. Michiru ignorierte ihren Blick. "Ist sie bei dir?" Elza nickte. "Gott sei Dank." stieß Michiru erleichtert hervor. "Sie will dich nicht sehen. Sie kam gestern in der nacht, ungefähr um drei hier an, wir haben geredet bis heute morgen, und jetzt schläft sie." erklärte Elza unfreundlich. Michiru nickte. "Kann ich verstehen.." murmelte sie. "Sag mal, was denkst du dir eigentlich?" blaffte Elza sie auf einmal an. Michiru sah sie verwirrt an. "Wie kommst du dazu ihr sowas an den Kopf zu werfen?" Michiru sah auf den Boden, schwieg, und wartete bis Elzas Donnerwetter über sie hinweggerauscht war. Seltsamerweise kam überhaupt kein Donnerwetter. Statt dessen fragte Elza ob sie einen Kaffee wollte. Michiru nickte, und zusammen gingen sie in die Küche. Elza stellte den Wasserkocher an, schüttete Cappuchino-Pulver in zwei Tassen, goß das heisse Wasser darüber und stellte die Tasse vor Michiru auf den Tisch. "Setz dich." sagte sie, und Michiru gehorchte. "Weißt du, " begann Elza nach einer Weile, "uns hat man von Anfang an gesagt dass wir eigentlich keine Chance hätten aus unserem Leben etwas zu machen." Michiru sah auf. "Wer hat denn so etwas behauptet??" fragte sie. "Alle." sagte Elza und zuckte mit den Schultern. "Lehrer, Eltern, einfach alle die etwas zu sagen hatten." "Wieso denn?" hakte Michiru nach. "Naja, weil es so war! Weil wir eben keine Chance hatten, jedenfalls keine realistische. Wenn du im falschen Viertel wohnst, wenn deine Eltern beide keine Arbeit haben, und du nicht weißt wovon du heute abend satt werden sollst, dann kannst du nicht einfach auf eine Schule gehen die dir eine perfekte Ausbildung bietet, dich durch sämtliche Prüfungen manövriert und dir alle Ausbildungswege der Welt zu Füßen legt." Elza wurde wieder unfreundlich. Scheinbar hatte Michiru mit ihrem Ausspruch mehr angerichtet als sie zuerst gedacht hatte. "Es tut mir leid, wirklich, ich-" fing sie an, doch Elza schnitt ihr das Wort ab. "Du hast doch überhaupt keine Ahnung, Michiru." Sie machte eine Pause. Michiru schwieg. "Du hast in deinem Leben alles bekommen was du wolltest, du musstest nur einmal krähen und schon lag dir die Welt zu Füßen. Super Schule, eins A Ausbildung, eine Wohnung, spendiert von den Eltern natürlich, du musstest noch NIE in deinem Leben ein einziges Mal arbeiten. Stimmt doch, oder?" Michiru nickte. "Und dann kommst du und machst andere, die nicht die Grundvoraussetzungen haben wie du, lächerlich, indem du auf ihrer Bildung herumhackst." Wieder machte Elza eine kurze Pause. "Von der du eigentlich auch keine Ahnung hast." fügte sie schließlich hinzu. Geknickt saß Michiru auf ihrem Stuhl. "Ich hab das doch garnicht so gemeint..." sagte sie leise. "Wie hast du's denn gemeint?" fragte ihr Gegenüber. "Ich meinte dass..." Ja, was hatte sie denn eigentlich gemeint? Dass Klassische Musik nichts für Haruka war? Dass jeder mensch genau die Musik hörte die für seine geistige Entwicklung richtig war? Dass Haruka nie etwas mit Klassik würde anfangen können weil das einfach nicht ihre Welt war?? Michiru schwieg. "Aha. Sehr interessant." Elza schüttelte den Kopf. "Weißt du, seit wir auf dieser Welt sind wird uns erzählt dass man ohne Geld keine Chance hat. Seit wir in die Schule gehen lernen wir dass die Leute die das Geld haben, die bessere Ausbildung bekommen und somit auch die Jobs. Die Reichen haben die besseren Chancen und somit auch die bessere Bildung. Und dann kamst du. Du warst von Anfang an anders, hast dich nicht darum gekümmert ob Haruka Geld hatte oder nicht, es war dir egal. So sah es jedenfalls aus. Und jetzt kommst du und haust ihr dasselbe um die Ohren was sie schon ihr Leben lang hört. Du bist nicht anders als alle anderen, kein Stück besser. Du zeigst uns genauso wie alle anderen auch auf welche Stufe wir gehören." Michiru wurde bleich. So hatte Haruka das verstanden?? "Seit Haruka dich kennt hat sie sich total verändert. Ich kenn sie überhaupt nicht mehr wieder. Sie versucht ständig mit dir auf ein Niveau zu kommen, mit dir auf einer Stufe zu stehen, nur um dich nicht zu enttäuschen. Sie kann der Klassik nichts abgewinnen? Wie wäre es wenn du mal versucht hättest IHRER Musik etwas abzugewinnen, anstatt dich aufzuspielen? Wie wäre es wenn du zur Abwechslung mal auf ihrer Stufe stehen würdest? Ich glaube du würdest einiges besser verstehen." Elza stand auf, stellte ihre Tasse in die Spüle und drehte sich um. Michiru saß da wie ein kleines Häufchen Elend. "Ich hab das doch garnicht so gemeint..." wiederholte sie und sah Elza an. Sie hatte Tränen in den Augen. "Ich würde mich nie auf eine höhere Stufe stellen als euch, ich halte mich nicht für etwas besseres nur weil ich Geld habe, das musst du mir glauben!" sagte sie mit zittriger Stimme. Elza zuckte mit den Schultern. "Mir ist es egal was du machst, erzähl das Haruka." Michiru stand auf. "Im Schlafzimmer." Elza deutete auf eine der Türen. Im Halbschatten des Schlafzimmers sah Michiru ihre Freundin in Elzas Bett liegen, in einem von Elzas T-Shirts. Sie hatte sich fest in die Bettdecke gewickelt und schlief tief und fest. Vorsichtig drückte Michiru ihr einen Kuß auf die Wange. Haruka blinzelte müde, erkannte Michiru und drehte sich demonstrativ um. Michiru seufzte. Wie sollte sie das wieder gutmachen?? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)