Enderal – Die Suche nach den Trümmern der Ordnung von Feuerblut ================================================================================ Kapitel 1: Überleben für ein neues Zeitalter -------------------------------------------- „Ja, es liegt an uns. Wir müssen überleben, um im nächsten Zyklus die Hohen zu schlagen und die Menschheit endgültig zu retten, auch wenn Enderal wegen mir sterben musste“, stellte ich fest. „Sei nicht so hart zu dir. Ohne dich wären wir jetzt nicht hier und hätten gar nicht die Chance, der nächsten Menschheit zu helfen. Du hast alles in deiner Macht stehende getan, um die Hohen aufzuhalten. Dass Tealor Arantheal der eigentliche Übeltäter war, konnten wir alle nicht ahnen bis es zu spät war“, sagte Jespar. „Ja, vielleicht hast du Recht. Aber ich muss alles was geschehen ist erst einmal verarbeiten. Das war alles… sehr viel. Mein Kopf dröhnt immer noch von der Läuterung“, stöhnte ich fest. Jespar lachte. „Nicht nur dir… Ich dachte wirklich, das war’s für mich. Du hast mich gerettet. Als einzigen Menschen von ganz Enderal wurde ich von der großen Prophetin in die Sternenstadt gebracht. Ich gebe zu nicht ganz so romantisch wie beim letzte Mal, aber immerhin lebe ich noch.“ „Schon als wir das letzte Mal hier waren, war es nicht sicher, ob wir es überleben. Ich bitte daher um keine vorzeitigen Danksagungen. Wer weiß, ob wir den Tag überleben. Die Sternlinge haben hier massig Fallen aufgestellt. Lösen wir auch nur eine falsche aus, war’s das für uns. Außerdem wissen wir nicht, ob die Läuterung auf Enderal schon abgeschlossen ist. Die Sternlinge haben hier zwar die Aufzeichnungen über die letzten Läuterungen im Erinnerungsturm angefertigt, doch wer weiß ob sie die Läuterung an sich wirklich überlebt haben“, warnte ich und legte meine Hände auf seine Arme. „Ich weiß, wir müssen auf der Hut sein. Immer und überall. Als wir hier oben gelandet sind, warst du bewusstlos. Unsere Kapseln werden nicht mehr funktionieren, wir sind hier auch in einer seltsamen Halle gelandet. Auf jeden Fall ist deine Tür wohl aufgesprungen, kurz vor der Landung, und du hingst schon halb auf dem Boden. Ich habe dich befreit und zuerst so hingelegt, dass du gut atmen konntest. Dann habe ich mich umgesehen und diesen Steinraum gefunden, wo ich dich dann vorsichtig hingetragen habe. Gerade als ich dich im Bett abgelegt hatte und überprüfen wollte ob du richtig atmest, hat es plötzlich diese Erschütterung gegeben. Es war wie eine Art Explosion. Ich hatte schon die Befürchtung, es seien unsere Kapseln gewesen, aber sie lagen noch unverändert in der Halle. Ich weiß nicht was es war. Ich weiß nur noch, dass ich Angst hatte, große Angst.“ Seine Stimme brach und er schwieg einen Moment lang. „Ich liebe dich“, flüsterte ich und sein Blick wanderte in meine Augen. „Du bist alles, was mir geblieben ist“, murmelte er beinahe wehleidig. „Tut mir leid, ich habe Enderal so liebgewonnen… hätte ich doch nur früher die Hohen durchschaut, dann wäre alles vielleicht anders gekommen“, flüsterte ich. „Nein, es wäre nur hinausgezögert worden… ich bin froh dass du das alles überlebt hast. Wirklich. Du bist mir… sehr wichtig geworden“, sagte er und unsere Lippen berührten sich sanft. „Wichtig ist erstmal, dass wir die ersten Tage überleben. Auf meinem Rückweg von der Unterstadt zu den Kapseln habe ich noch schnell ein paar Sachen mitgenommen… ich hab einfach das gegriffen, was ich in die Finger bekommen habe… ich wusste ich habe nicht viel Zeit. Ich hatte das schon schnell in meiner Kapsel verstaut, bevor du ankamst… Ich hoffe wir können das noch essen und es ist nicht irgendwie verseucht oder so…“ Jespar lächelte. „Vielen Dank, daran habe ich in all der Eile überhaupt nicht gedacht. Ich befürchtete schon wir überleben diese Höllenfahrt nicht noch ein zweites Mal“, gestand ich und fröstelte kurz, als ich mich an das Gefühl erinnerte, mit enormem Druck nach oben in die Welt über den Wolken geschleudert zu werden. Ich hasste das Gefühl. „Dann lass uns die ersten Tage hier erstmal etwas ausruhen und wir ernähren uns erstmal von den Vorräten“, schlug ich vor. „Gute Idee. Ich bin von den letzten Tagen auch ziemlich erschöpft. Holen wir die Vorräte“, rief Jespar motiviert und ich folgte ihm. Wir gingen an dem Raum wo ich erwachte vorbei und mein Gefährte schob einen dichten Efeuvorhang zur Seite. Ich schnappte nach Luft. Die dicke, staubige Luft der riesigen Halle schlug mir entgegen, gemischt mit einem metallernen Geruch. „Diese Halle habe ich vorher noch nicht gesehen als wir hier waren“, stellte ich flüsternd fest. „Besser wir reden nicht laut, ja… Interessanterweise ist dies hier eine Nebenhalle. Ich glaube es hat einen Sinn, dass die Kapseln sobald sie nach oben steigen hier ankommen… es sieht aus wie eine Art Werkstatt. Die Kapseln sind nicht sehr reisefreudig. Sie scheinen immer mit Beschädigungen hier oben anzukommen, genauso wie sie unten auch landen. Wir können sie hier reparieren oder schauen, ob nach der Explosion, welche der Metalldrache ausgelöst hat noch irgendwo in dieser Stadt reisefähige Kapseln sind. Ich befürchte leider nicht. Ich habe vorhin mal kurz reingeschaut. Hier ist meine Kapsel gelandet.“ Jespar ging zielstrebig auf eine äußerst defekt scheinende Kapsel zu und zog einen großen Sack heraus. „Vielleicht hätten wir noch mehr Menschen retten können…“, setzte ich an, als ich vor meiner eigenen Flugmaschine stand, doch Jespar schüttelte den Kopf. „Es hatte einen Grund, dass da nur ein Sitzplatz war. Hättest du zwei Menschen in eine Kapsel gesetzt, wären wir vermutlich ab der Hälfte der Strecke wieder nach unten gefallen und nie hier oben angekommen. Jetzt haben wir genug Zeit. Zeit um uns hier zurechtzufinden, die Sternenstadt richtig zu erkunden und das Geheimnis der Hohen endgültig aufzudecken Vielleicht haben wir ja was übersehen, wir waren nicht lange hier beim letzten Mal…“, rätselte Jespar, ich konnte meinen Blick nicht von der Kapsel lösen. Vielleicht können wir sie ja wirklich reparieren… Aber vielleicht sind wir für immer hier oben gefangen und können die nächste Generation von Menschen nicht beschützen. Es ist alles neu. Wir müssen von vorne anfangen, das macht mir Angst. Ich sah Jespar an, der gedankenverloren durch eine Kuppel am Dach der Halle in den Himmel blickte. Andererseits ist es so schön hier, ich muss mich meiner neuen Aufgabe stellen. Ich will die Menschen retten. Und dafür muss ich diese Stadt auf den Kopf stellen, komme was wolle. Ich werde nicht scheitern… in Enderal konnte ich die Hohen nicht im Antlitz besiegen, doch hier oben haben sie keine Macht. Das nächste Mal werde ich ihnen von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten und bei unserer nächsten Begegnung versage ich nicht! „Gehen wir“, sagte ich kalt und ging denselben Weg zurück, den wir hergekommen waren. Nachdem wir wieder im Steinzimmer angekommen waren, legte Jespar den Sack ab und öffnete ihn. Ich staunte nicht schlecht. Er holte mehrere Endraläer Krustenbrote, ein lilafarbenes Kleid, Honig, mehrere Flaschen Bier und Tränke hervor. „Jespar… woher hast du das alles?“, hauchte ich und er lächelte müde. „Aus dem Sonnentempel wo genau keine Ahnung… Ich hab einfach gegriffen, was ich konnte… ich dachte das Kleid gefällt dir vielleicht.“ Er schmunzelte und ich lachte. „Die Welt geht unter und Jespar denkt an hübsche Kleider“, sagte ich sarkastisch und er musste mitlachen. „Kleider machen Leute“, erwiderte er und ich grinste. „Aber natürlich… Angesichts dieser menschenleeren Sternlingsstadt auch eindeutig nachvollziehbar“, entgegnete ich. „Wollen wir etwas essen?“, schlug er vor und ich nickte dankbar. „Aber wir sollten es uns einteilen, es wird nicht ewig reichen…“ Jespar brach ein Stück vom Krustenbrot ab und reichte es mir. Ich versuchte, langsam, bedächtig zu essen ohne es herunterzuschlingen. Ich durfte nicht daran denken, was geschehen würde wenn uns das Brot ausging. Viel hatten wir nicht. Vielleicht würde es uns die ersten Tage hier über Wasser halten aber garantiert nicht für eine längere Zeit. Wir mussten uns ausruhen, sollten dies aber nicht allzu lang tun. Denn sonst würden wir sterben. Und das Opfer der Welt wäre vergebens gewesen. Nachdem wir gegessen hatten, legten wir uns schlafen. Auch wenn Jespar es sich nicht anmerken ließ, er war erschöpft. Beinahe sofort nachdem wir uns hingelegt hatten, schlief er in meinen Armen ein. Ich brauchte etwas länger bis ich mich entspannen konnte. Der Albtraum schien einen Schlussstrich unter mein Leben in Enderal gezogen zu haben, dennoch traute ich den Hohen nicht. Sie würden sich wieder zeigen und mein altes Leben würde mich mit meiner Bürde die Welt zu retten einholen. Die Frage war nur wann und wie. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)