Erinnerungen an ein Palastleben von C-T-Black ================================================================================ Kapitel 23: Wünsche und Begegnungen ----------------------------------- >>Sie war hier gewesen! Im Haus dieser Frau, die seine Wunden versorgte. Hier in diesem Haus, als er gerade durch die Stadt gewandert war. Auf der Suche nach ihr. Fast wäre er in die Knie gegangen, als ihr Geruch seine Nase füllte. Sie lebte und es ging ihr gut. Erleichterung durchströmte ihn und ließ die Anspannung von ihm abfallen, derer er sich gar nicht bewusst gewesen war. Jetzt gab es nur noch eines, das er tun musste…«     Mehrere Tage später wurde in der Stadt das Lichtbringer Fest gefeiert. Kasumi sagte das nichts und dennoch war sie erfüllt von Vorfreude, seit sie davon gehört hatte. Fuyu hatte ihr davon erzählt, doch da sie selbst keine Zeit hatte, lief Kasumi jetzt zusammen mit ihren Brüdern durch die Straßen der Stadt. Alles war angefüllt mit den Geräuschen des geschäftigen Treibens. In den Straßen waren unzählige Buden und Stände aufgebaut worden, in denen jeder seine Waren anbot und in den Himmel lobte. Kinder rannten lachend durch die Menschenmenge und unzählige Bewohner der Stadt und sogar Besucher und Reisende tummelten sich in den Straßen. Es war ein unbeschreibliches Schauspiel, doch Kasumi war eigentlich nur wegen einer einzigen Sache hier. Sie hatte sich von Fuyu erklären lassen, was die Besonderheit an diesem Fest war. Und zwar, dass sich jeder Besucher irgendwann eine Papierlaterne kaufte, seinen Wunsch darauf schrieb und sie in den Nachthimmel entließ. Und wenn einem die Götter zugetan waren, würde sich dieser Wunsch auch erfüllen. Allein deshalb wollte Kasumi hier her kommen und als sie um eine Straßenecke bogen, sah sie einen Stand mit Papierlaternen. Doch noch bevor sie ihn erreichte, wurde ihr bewusst, dass sie schon einmal hier gewesen war. In einem anderen Leben…   //„Lässt du mich einen Moment alleine Jiyū? Ich werde auch nicht lange brauchen, versprochen!“, sagte Rin mit einem Lächeln. Jiyū zögerte jedoch und Rin konnte an ihrem Gesichtsausdruck sehen, weshalb. Die Sorge, sie hier allein zu lassen und das Problem ihre Anweisung nicht zu befolgen kämpften in ihr, doch schließlich seufzte sie leise auf. „In Ordnung, aber ich werde in Sichtweite bleiben!“, erklärte sie schließlich. Das ließ Rin noch breiter Lächeln. Sie wusste in welche Zwickmühle sie ihre Freundin brachte. Sie war sehr loyal und würde immer für Rin kämpfen, doch sie würde auch alles versuchen um ihren Wünschen zu entsprechen. Ihre Bitte, sie in einem unübersichtlichen, unbekannten Terrain allein zu lassen, wiedersprach allem was Jiyū wollte. „Ich danke dir!“, sagte Rin deshalb erleichtert. Sie bat nicht oft um so etwas, doch das hier wollte sie allein tun. Als Jiyū gegangen war, trat Rin näher an die Eiche, die abseits der Straßen auf einer großen Wiese stand. So nah, dass sie noch die Laterne mit ihrem Wunsch aufsteigen lassen konnte ohne dass diese im Baum hängen bleiben würde. Einen langen Moment sah sie auf den Wunsch, den sie auf das Papier geschrieben hatte, dann schloss sie die Augen. „Bitte, lass meinen Wunsch wahr werden!“, bat Rin und ließ schließlich die Laterne in den Himmel steigen. Sie sah ihr nach, wie sie am Nachthimmel immer kleiner wurde und wäre eigentlich so lange stehen geblieben, bis sie die Laterne nicht mehr sehen könnte, doch dann spürte sie etwas hinter sich und sofort lag ihre Aufmerksamkeit darauf. „Der gleiche Wunsch wie damals bei der Sternschnuppe?“ Sesshōmarus Frage ließ sie rot werden und sie drehte sich zu ihm um. „Du hast ihn gelesen?“, fragte sie ungläubig. Sesshōmaru sah hinauf zu der Laterne und dann wieder zu Rin. „Im Baum hatte ich die perfekte Möglichkeit dazu“, erklärte er sich und Rin wurde nur noch röter. „Was machst du überhaupt hier? Ich dachte die Menschen sind dir zu wider?“, fragte sie um von dem Thema mit ihrem Wunsch abzulenken. Sesshōmaru gab ein abfälliges Geräusch von sich, während er den Blick über die Stadt gleiten ließ, dann legte er seine Hand an ihre Wange. „Ich bin nicht wegen den Menschen hier!“ Und ich bin hier draußen um näher bei dir zu sein, dachte Rin. Wie so oft ergänzten sie sich mit ihren Taten so perfekt, dass es kaum irgendwelcher Worte bedurfte. Zwar zog es Rin mittlerweile öfter zu den Menschen. Sie wollte ihnen helfen und ihnen beistehen, doch viel zu schnell sehnte sie sich wieder nach der stillen Einsamkeit, denn nur dort konnte sie die unbeschwerte Zeit mit Sesshōmaru genießen. Ohne Zurückhaltung und ohne sich irgendwelche Gedanken machen zu müssen. „Ich will jede Gelegenheit nutzen meinen Wunsch zu erneuern, damit das Universum weiß wie ernst es mir damit ist!“, sagte Rin schließlich doch noch einmal wegen der Laterne. Sesshōmarus Mundwinkel zuckten für den Bruchteil einer Sekunde nach oben, woraufhin Rin sich nicht mehr zurückhalten konnte. Sie überwand die kleine Lücke, die sie voneinander trennte, schlang ihre Arme um seine Taille und schmiegte sich an ihn. Zuerst reagierte Sesshōmaru nicht. Das tat er immer und Rin vermutete, dass er ihr immer einen Moment Zeit gab, damit sie sich wieder lösen konnte, falls sie es sich doch anders überlegte. Doch das tat sie nie. Sie wartete immer darauf, dass auch er seine Arme um sie legte und das tat er jedes Mal. Genau wie in diesem Moment. Er zog sie eng an sich und drückte seine Nase schließlich in ihre Haare. „Solange du meiner nicht überdrüssig wirst, werde ich für immer an deiner Seite sein Rin. Das solltest du eigentlich wissen“, sagte er schließlich leise. Ein warmes Gefühl durchströmte Rin und sie löste sich ein kleines Stück von ihm. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und drückte ihre Lippen auf seine. Dabei ließ sie ihre Arme hinauf zu seinem Nacken gleiten, um ihm noch näher zu sein. „Das weiß ich und das werde ich nie vergessen!“, sagte sie mit einem glücklichen Lächeln.//   Kasumi schnappte nach Luft und wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. In letzter Zeit wurden ihre Träume immer öfter von einem Ziehen in ihrer Brust begleitet. Das gleiche Ziehen verspürte sie auch nach dieser Erinnerung. Es war eine Sehnsucht, ein Verlangen, dass sie nicht mehr leugnen konnte. Denn sie war einfach schon zu lange von ihrem Mann getrennt. Nur gut, dass ihre Brüder damit beschäftigt waren sich über etwas Belangloses zu streiten, um Kasumis Zustand zu bemerken. Und sie bemühte sich, schnell wieder genau so unbekümmert wie die drei Männer auszusehen. Sie so frei und unbeschwert zu sehen, zauberte ein Lächeln auf Kasumis Lippen. Es war fast so, als befänden sie sich wieder auf ihrer Mission und nicht in dieser Stadt, in der sie jeden Moment von einem Spion verraten werden konnten. „Hört auf zu streiten und lasst uns Laternen kaufen. Ich will, dass wir uns alle etwas wünschen!“, rief Kasumi ihre Brüder und winkte sie vor den Stand des Laternenverkäufers. Jeder mit einer Laterne ausgestattet standen sie wenige Minuten später abseits der Straßen auf der gleichen Wiese, auf der Kasumi damals ihre Laterne hatte steigen lassen. Nur wenige Meter von der mächtigen Eiche entfernt, strich Kasumi über die Worte auf ihrer Laterne. Ich wünsche mir meinen Ehemann zu finden und dass es allen Gut gehen wird, die mir am Herzen liegen. Sie schloss die Augen und sprach die Worte noch einmal zu sich selbst. Vielleicht fügte sich alles zusammen, wenn sie es sich nur stark genug wünschte. Dann ließ sie die Laterne los und beobachtete wie sie im Nachthimmel verschwand. Zusammen mit denen ihrer Brüder. Es war ein friedlicher Moment, bis Rin glaubte ein tiefes Knurren zu hören. Sie drehte sich um, um die Quelle dieses Knurren auszumachen, konnte aber nichts und niemanden erkennen. „Alles in Ordnung, Imōto-chan?“, fragte Kazuma an ihrer Seite und legte eine Hand auf ihren Arm. Da sie nichts sehen konnte, wand sie sich an Kazuma und schenkte ihm ein Lächeln. „Ja, alles in Ordnung. Ich habe es mir wohl nur eingebildet.“ Doch die Erschütterung, die im nächsten Moment durch die Erde bebte, strafte ihre Worte Lügen. Sofort fuhren die Vier herum und starrten auf einen gigantischen weißen Hunde-Yōkai. Sprachlos, über das plötzliche erscheinen eines Yōkai in dieser Stadt, die alle Yōkai verachtete, konnte Kasumi diesen nur anstarren. Sie bemerkte nur am Rande, wie Kazuma noch näher an sie heran trat und den Griff um ihren Arm festigte. Er war bereit sie zu schnappen und zu flüchten, oder zu kämpfen falls es nötig war. Egal wie das hier enden würde. Ihre Brüder waren bereit, alles zu tun. Doch irgendetwas an dieser Erscheinung schien Rin vertraut. Auch als der Blick des Yōkai auf Kazuma fiel und erneut dieses tiefe Grollen die Nachtluft erfüllte. Der Yōkai veränderte seine Position und Keiji spiegelte dieses Verhalten und zog sein Katana dabei. Auch Benjiro ließ seine Hand an sein Katana wandern, machte sonst allerdings keine Anstalten sich für einen Angriff bereit zu machen. Ein Zittern überlief Kasumi und die Welt um sie herum begann sich zu drehen. Mit aller Macht versuchte ihr Körper offenbar etwas in ihr auszulösen. Doch wie so oft konnte sie es einfach nicht greifen. Und dann fiel Jiyū wie ein Stein vom Himmel und landete in einer großen Staubwolke auf dem neuen Gras. „Idioten! Nehmt eure Waffen runter. Das hier ist immerhin Ri- Kasumis Ehemann!“, rief sie zornig und stürmte auf sie zu. Doch keiner ihrer Brüder rührte sich auch nur einen Millimeter und in der darauffolgenden Stille hörte man nur Jiyūs Raben, die am Himmel kreisten, rufen. Schon im nächsten Moment machte der Yōkai einen Schritt auf sie zu. Die Zähne gefletscht, die Krallen ausgefahren. Er war bereit sie alle zu zerfleischen. Und dann erhaschte Kasumi einen Blick auf seine goldenen Augen. Sie wäre fast in die Knie gegangen, als sie das flüssige Gold in diesen Augen schimmern sah und war froh, dass Kazuma sie noch festhielt. So oft hatte sie diese Augen gesehen. Sie waren ihr so vertraut, wie ihre eigenen. Das Einzige, woran sie sich immer erinnern konnte, wenn sie eine Vision ihres früheren Lebens durchlebte. Ohne dass sie sich dessen bewusst war, begann sie zu laufen. Einen Fuß vor den anderen ging sie auf den Yōkai zu. Was ihre Brüder natürlich in Panik versetzte. Sie wollten ihr folgen, oder irgendetwas tun, doch das war nicht nötig. „Ist schon gut.“, sagte sie leise. Es war nur ein Flüstern, doch sie wagte auch nicht lauter zu sprechen aus Furcht ihren Ehemann zu verschrecken. Ihren Ehemann! Wie oft hatte sie sich nach diesem Augenblick gesehnt. Und nun war er gekommen. Auch wenn sich die Hoffnung, ihr Gedächtnis zurück zu erlangen, wenn sie ihm nur wieder gegenüber stand, in Rauch auflöste. So hatte sie doch ihren Mann gefunden. Denjenigen, der mit ihr durchs Leben ging. Nur langsam, schien diese Erkenntnis auch ihre Brüder zu erreichen, denn sie ließen ihre Waffen sinken und Kazuma gab ihren Arm frei. So dass Kasumi ungehindert vor den gewaltigen Yōkai treten konnte. Er war so groß, dass Kasumi ihren Kopf weit in den Nacken legen musste um den Blich in seine goldenen Augen nicht zu verlieren. Schließlich blieb sie vor ihm stehen und strecke ihm eine Hand entgegen. Sie wollte ihn berühren. Wollte spüren, dass es kein Traum war. Keine Erinnerung, aus der sie erwachen und sein Gesicht vergessen würde. Sie musste einfach wissen, dass jetzt alles wieder Gut werden würde. Das sie daran gezweifelt hatte, wurde ihr erst in diesem Augenblick bewusst. Sie hatte zwar gekämpft und immer nach vorne gesehen. Doch ein Körnchen Angst hatte immer in ihrem Inneren existiert. Zumindest bis zu diesem Moment, denn als der große Yōkai seinen Kopf senkte und ihre Finger durch sein seidenes Fell glitten, fiel jeglicher Zweifel von ihr ab. Zärtlich streichelte sie über sein dichtes Fell. Sog seine Wärme durch ihre Handfläche auf und schickte ihre eigene durch die Berührung zurück. Sie waren Eins. Sie spürte es in diesem Moment ganz deutlich. Dass sie zusammen gehörten. Füreinander bestimmt waren. Und das Kind in ihrem Leib reagierte ebenfalls. So als freute es sich, endlich wieder seinen Vater um sich zu haben. Der Yōkai, groß und gewaltig, ließ sich unter ihrer Berührung zu Boden fallen. Ein Knurren drang dabei über seine Lippen, dass eher einem Schnurren glich und er schob seinen Kopf weiter in ihre Berührung. Woraufhin Kasumi auch ihre zweite Hand in seinem Fell versinken ließ. Endlich habe ich dich gefunden! Der Yōkai sprach diese Worte, ohne wirklich zu sprechen. Doch Kasumi spürte, wie sie in ihrem Inneren wiederhalten und einen Schalter in ihr umlegten. Tränen brannten heiß in ihren Augen und liefen über. Sie schlang ihre Arme um seine Schnauze und presste sich an ihn. Das Gesicht in seinem Fell vergraben weinte sie leise. Nur das Zittern, das von ihrem ganzen Körper besitzt ergriff, machte deutlich, wie aufgewühlt sie war. All die Gefühle und Ängste, die sie gut in ihrem Inneren versteckt hatte, brachen jetzt hervor und suchten in ihren Tränen einen Weg nach draußen. Und als wüsste ihr Mann ganz genau wie es ihr ging, legte er eine seiner Pfoten vorsichtig an ihre Seite um sie zu stützen und ihr Halt zu geben. „Es… tut mir Leid…“, weinte Kasumi und presste sich dabei noch fester an ihren Mann. Es tat ihr so vieles leid. Dass sie sich nicht erinnerte. Dass sie ihn nicht erkannte. Dass sie nicht stärker versucht hatte ihn zu finden. Aber vor allem, dass sie ihn so sehr liebte, dass es ihr Herz zerriss, ihm in ihrem jetzigen Zustand gegenüber zu stehen. Denn auch wenn sie sich in diesem Moment zu hundert Prozent sicher war. Dass sie liebte ihn, mit jeder Faser ihres Körpers. Die Tatsache, dass sie sich nicht erinnern konnte, erstrecke sich wie ein unüberwindbares Kliff zwischen ihnen. Doch sie kam nicht dazu noch mehr zu sagen, denn im nächsten Moment schoss eine Kugel direkt über ihrem Ehemann durch die Luft. Kasumi löste sich sofort von ihm und fuhr herum um die Herkunft dieser Kugel auszumachen. Der Schütze war der Erste einer ganzen Armada an Soldaten, die aus den Straßen der Stadt auf die Wiese quollen. So viele, dass Kasumi den Überblick über deren Anzahl verlor. Doch das bedrohliche Knurren ihres Ehemannes rief ihr wieder ins Gedächtnis, was hier oberste Priorität hatte. Er war aufgesprungen und hatte seine Angriffshaltung wieder eingenommen. Doch das konnte sie nicht zulassen. Zu viel würde passieren, wenn sie sich hier einen Kampf lieferten. Also legte sie ihre Hand an sein Bein und suchte seinen Blick. Zuerst fürchtete sie, er würde sie ignorieren, doch dann sah er zu ihr hinab und Erkennen schimmerte in seinen Augen. „Geh! Sie dürfen dich nicht noch einmal in die Finger bekommen.“, sagte sie in ruhigem Ton, aber doch so, dass klar wurde, dass sie keinen Widerspruch duldete. Das war das Einzige, was diese Soldaten jetzt hier wollen konnten. Das Leben ihres Ehemannes. Er war es, der in diesem Kerker gefangen gehalten worden war und doch geschafft hatte, zu fliehen. Natürlich wollten die Männer ihre Trophäe jetzt um jeden Preis wieder haben. Doch das würde Kasumi nicht zulassen. Nicht noch einmal würde sie es einem Menschen erlauben, ihren Ehemann zu quälen. Doch ihr Mann schien anderer Meinung zu sein, denn er ging noch einen Schritt weiter auf die Soldaten zu. „Sesshōmaru! Du musst mir vertrauen. Alles wird gut werden. Aber du musst jetzt gehen!“ Sie wusste nicht, woher sie plötzlich seinen Namen kannte, doch sie wusste, dass er stimmte. Allein schon daran, dass Sesshōmaru sie fassungslos ansah. Und mit der Gewissheit seinen Namen zu kennen, sah Kasumi plötzlich auch einen Weg vor sich. Den einzigen Weg, den sie bereit war zu beschreiten. Sie wusste genau was sie hier tat und das würde sie ihm auch beweisen, wenn es sein musste. Voller Zuversicht sah sie zu ihm auf und schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. Auch er sollte wissen, dass das hier irgendwann ein Ende fand und dass sie am Ende zusammen sein würden. Einen anderen Ausgang dieser Sache würde Kasumi nicht akzeptieren. Was es letztlich war, dass ihn überzeugte, wusste Kasumi nicht. Doch Sesshōmaru neigte respektvoll den Kopf vor ihr und nach einem letzten Blick in ihre Augen, verschwand er in die Nacht. Die Kugeln der Soldaten erreichten ihn schon längst nicht mehr, als diese erneut schossen. Trotzdem sah Kasumi ihm nach, bis er von der Dunkelheit verschluckt worden war. Erst dann wand sie sich den unzähligen Soldaten und allen voran deren Kommandanten zu. Dieser war leicht zu erkennen, da er als Einziger auf einem Pferd ritt. Vollständig in schwarz, starrte er sie mit einem hasserfüllten Auge an. Das andere war hinter einer Augenklappe verborgen. „Festnehmen!“, war das einzige Wort, das er für sie gebrauchte und sofort strömten die Soldaten auf sie zu. Ihre Brüder erreichten sie einen Moment früher. Keiji und Benjiro hatten ihre Katanas gezogen und hielten die Soldaten damit auf Abstand. „Was hat das zu bedeuten, Onkel?“, schrie Keiji über das Feld. Zorn tränkte jedes seiner Worte, der jedoch mit dem selbstgefälligen Lächeln von Toshiie Maeda als irrelevant abgetan wurde. Langsam ritt er auf sie zu und ließ dabei seinen Neffen keine Sekunde aus den Augen. „Wie dir vielleicht entgangen ist, ist das kollaborieren mit Yōkai strengstens verboten. Aus diesem Grund müssen alle Sympathisanten umgehend ergriffen und ausführlich befragt werden. Ich an deiner Stelle wäre also vorsichtig. Nicht das meine Männer noch denken, du wärst auf der Seite dieses Abschaums und sie müssten eines ihrer größten Vorbilder selbst verhaften.“ Jedes seiner Worte war von Hass vergiftet und erzeugte eine Gänsehaut auf Kasumis Armen. Natürlich würden ihre Brüder sie beschützen, doch sie wollte nicht, dass ihnen auch nur ein Haar gekrümmt wurde. Also streckte sie ihre Hände aus und legte jeweils eine auf Keiji und Benjiros Schulter. „Bitte steckt eure Katanas weg und tretet beiseite.“, sagte sie leise, so dass der Hauptmann der Truppen keines ihrer Worte hören konnte. „Niemals!“, protestierte Keiji heftig. Er fuhr zu ihr herum und wollte weiter sprechen, doch Kasumi schenkte ihm das gleiche Lächeln, das sie auch ihrem Mann geschenkt hatte. Ein Lächeln voller Zuversicht und Selbstvertrauen. „Alles wird gut werden. Lasst die Männer einfach ihre Arbeit machen. Es war eine wundervolle Zeit, die wir zusammen hatten. Nur leider muss sie früher Enden, als ich mir das gewünscht hätte. Trotzdem verspreche ich euch, dass alles ein gutes Ende nehmen wird.“, erklärte Kasumi zuversichtlich. Keiji rührte sich keinen Millimeter. Nur Benjiro steckte sein Katana zurück und nickte steif. „Ich werde auf Kazuma aufpassen.“, versprach er, was Kasumi Lächeln ließ. Mit diesen Worten verneigte sich Benjiro tief vor Kasumi, die die Geste erwiderte. Anschließend ging er zu Kazuma, der hinter Kasumi Stellung bezogen hatte um ihren Rücken zu decken und zerrte ihn mit sich. Trotz des lautstarken Prostest, den er wegen diese Maßnahmen veranstaltete. Nur Keiji blieb zurück, der sein Katana mittlerweile hatte sinken lassen. Das die Soldaten trotzdem nicht näher kamen, rechnete Kasumi ihnen hoch an. Anscheinend kannte jeder von ihnen Keiji und wusste um seinen guten Ruf. Weshalb es niemand wagte, dem höher gestellten Hauptmann in die Quere zu kommen. Befehl hin oder her. „Nii-san. Es wird alles in Ordnung kommen. Aber du musst jetzt gehen.“, sagte Kasumi sanft. Sie sprach ihn absichtlich als ihren älteren Bruder an, damit die Worte auch wirklich zu Keiji durchdrangen und als sie ihre Hand auf seinen Arm legte, blinzelte er, als würde er aus einem Traum erwachen. „Ich kann nicht…“ Verzweiflung sprach aus seiner Stimme und raubte Kasumi fast die Luft zum Atmen. Weshalb sie nicht anders konnte, als Keiji um den Hals zu fallen und ihn fest an sich zu ziehen. „Ich liebe dich, wie einen richtigen Bruder. Deshalb will ich nicht, dass dir etwas passiert. Und ich will nicht, dass diese braven Soldaten dazu gezwungen sind, ihr Vorbild niederzustrecken. Also geh. Wir werden uns ganz sicher wiedersehen.“, hauchte Kasumi in sein Ohr und löste sich anschließend wieder von Keiji. Wie ein defektes Spielzeug trat Keiji steif einen Schritt zurück und nickte schließlich. Erleichtert über seine Einsicht verneigte sich Kasumi vor ihm und trat dann zu den Soldaten, die sich immer noch verunsicherte Blicke zuwarfen. „Worauf wartet ihr Idioten! Verhaftete sie endlich und schafft sie in den Kerker!“, schrie der General vom Rücken seines Pferdes. Das war es, was die Soldaten wieder an ihre Pflicht erinnerten. Zwei von ihnen traten auf Kasumi zu und als diese bereitwillig ihre Arme nach vorne streckte, sah sie etwas in den Augen der Männer aufblitzen, dass ihr aufgeregtes Herz etwas ruhiger schlagen ließ. Sie würde das hier überstehen. Sie wusste es ganz genau. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)