Erinnerungen an ein Palastleben von C-T-Black ================================================================================ Kapitel 15: Kein perfekter Plan ------------------------------- >>Der Wind, der um seinen Körper strich, schien ihn verhöhnen zu wollen. Er hatte Chaos und Verwüstung zurück gelassen, doch seine Wunden hatten ihn schon nach kurzer Zeit in die Knie gezwungen. Jetzt, umgeben von Freiheit, hielt ihn nun sein Körper gefangen. Doch auch wenn er hier in diesem Wald sterben sollte, seine Seele würde erst ruhen, wenn er sie gefunden hatte…«       „Was soll das heißen, der nördliche Außenposten wurde zerstört?“ Der scharfe Ton in der Stimme des Hauptmanns ließ den Boten der Nachricht zusammenzucken. Das war aber auch kein Wunder, schließlich war es früh am Morgen und Keiji war bereits mit schlechter Laune aufgestanden. Als sie gestern wieder Zuhause angekommen waren, hatte Keiji berichtet, was bei der Besprechung mit seinem Vorgesetzten vorgefallen war. Dass sie sofort mit einem neuen Auftrag bedacht worden waren und somit Kasumi unmöglich in den Norden begleiten konnten. „Der Punkt auf deiner Karte. Der Ort, an dem sich einmal mein Zuhause befunden hatte. Er war ganz in der Nähe oder? Vielleicht müssen wir auch gar nicht in den Norden. Ich werde mich einfach hier umsehen. Irgendjemand wird mich höchstwahrscheinlich erkennen oder ich werde mich an etwas erinnern. Macht euch wegen mir also keine Umstände.“ Kasumi hatte sie alle beruhigen wollen, doch die Wut, die Keiji auf seinen General verspürte, hatte sie nicht mildern können. Insgeheim vermutete sie, dass noch mehr hinter dieser Sache steckte, doch Keiji wollte nicht weiter auf die ganze Angelegenheit eingehen. In der ganzen Zeit, in der sie jetzt schon gemeinsam unterwegs waren, hatten sie niemals Geheimnisse voreinander gehabt. Weshalb sich das Gefühl in Kasumi noch verstärkte, dass er ihr etwas vorenthielt. Doch sie würde ihn nicht drängen. Irgendwann wäre er sicher bereit es ihr zu erzählen. Oder sie würde es selbst herausfinden. „I- Ich bitte um Verzeihung, Taii Maeda, aber das ist alles, was mir mitgeteilt wurde. Es wäre wohl das Beste, wenn Sie sich selbst ein Bild von der Verwüstung machen.“, entschuldigte sich der Bote unter vielen Verbeugungen bei Keiji. Kasumi beobachtete die beiden vom Tisch aus, auf dem das Frühstück ausgebreitet war. Kazuma saß zu ihrer Linken und Benjiro ihr gegenüber. Sie alle waren schon mit dem Sonnenaufgang aufgestanden um wenigstens einmal am Tag friedlich beieinander zu sitzen. Doch kaum hatten sie mit dem Frühstück begonnen, hatte es an der Tür geklopft und Keiji war aufgestanden um diese zu öffnen. Seitdem hatten die drei keinen Bissen mehr angerührt und beobachteten gebannt das Spektakel. Der Bote war ein junger Soldat in einfacher Kleidung und mit widerspenstigen schwarzen Haaren, die in alle Richtungen von seinem Kopf abstanden. Keiji dagegen, war allein eine eindrucksvolle Person, weil er den Boten um mindestens einen Kopf überragte. Dazu trug er einen edlen, weinroten Kimono mit einigen hellblauen Details am Kragen, die das Blau seiner Augen stark betonten und diese wie die Augen eines Greifvogels wirken ließen. Eine leichte Brise strich an seinen langen, offenen Haaren entlang und setzte sie in Bewegung. Woraufhin der Bote einen kleinen Schritt zurück trat. Kasumi musste sich eine Hand vor den Mund halten, um ein Lächeln zu verstecken. Obwohl Keiji wirklich schlecht gelaunt war, wirkte er in diesem Moment wie ein junger Gott, der persönlich auf die Erde herab gestiegen war um allen anderen Männern zu zeigen, wie wenig sie wert waren und wie perfekt er war. „Das werde ich umgehend tun. Ich will, dass die Verantwortlichen vor Ort sind, wenn wir dort eintreffen.“, wies Keiji den Boten an, der sich daraufhin noch einmal tief verbeugte. „Natürlich. Ich werde alles zu Ihrer Zufriedenheit arrangieren. Eine Kutsche steht schon für Sie bereit, um sie zum Außenposten zu bringen.“ Keiji neigte den Kopf nur einen kleinen Moment, doch der Bote begriff sofort, dass er damit entlassen war und trat, nach einer letzten Verbeugung zu den Dreien am Tisch, rückwärts aus der Tür. Diese schob Keiji mit aller Gewalt zu, bevor er mit geballten Fäusten zurück kam um sich mit einem Seufzen auf seinen Platz neben Kasumi sinken zu lassen. „Du glaubst das ist ein Trick des Generals um dich in ein schlechtes Licht zu rücken, habe ich Recht?“ Benjiros Frage brachte Kasumi dazu, dass sie Keiji einen noch intensiveren Blick zu warf. Dabei fiel ihr etwas auf, das sie vorher noch nie bei ihm gesehen hatte. Seine Schultern neigten sich ein kleines Stück weiter nach vorne, wodurch sein Rücken ebenfalls leicht nach vorne gebeugt aussah. Jemandem, der ihn nicht kannte, würden diese unbedeutenden Zentimeter überhaupt nicht auffallen, doch Kasumi gaben sie einen Hinweis darauf, was wirklich gestern vorgefallen war. Und mit Benjiros Frage ahnte sie bereits schlimmes. „Natürlich ist das sein Plan! Dieser Bastard tut den ganzen Tag nichts anderes als sich Wege auszudenken, wie er mich loswerden kann. Aber so leicht werde ich es ihm nicht machen. Wir werden der Sache nachgehen und die Geschehnisse aufklären!“ Keijis Worte waren angefüllt mit Wut, doch schon nach wenigen Worten schlug seine Stimme in Entschlossenheit um. Auch wenn er seine Hände immer noch zu Fäusten geballt hatte, er würde sich nicht unterkriegen lassen. „Du musst dich dieser Sache nicht allein stellen. Wir werden das zusammen mit dir lösen.“, sagte Kasumi sanft und legte eine Hand auf eine seiner Fäuste. Fast sofort entspannte sich Keiji und sah Kasumi an. Nach einem langen Augenblick holte er schließlich tief Luft und atmete all seinen Ärger aus. „Ich danke dir, Imōto-san. Also lasst uns schnell dieses Frühstück beenden, dann werden wir uns das Ganze ansehen gehen.“, erklärte er, bevor er sich eine eingelegte Gurke in den Mund schob.     Der nördliche Außenposten lag keine viertel Stunde außerhalb der Stadt. Er bestand aus einem zweistöckigen Gebäude für Ausrüstung und Ressourcen, einem einstöckigen, langgezogenen Gebäude, in dem die Bewohner dieser Anlage lebten und zwei Ställen. Alles war umgeben von einer hohen Mauer, die bis an das Dach des einstöckigen Hauses reichte. Das höhere Gebäude war auch dazu gedacht, dass in dessen Dach jederzeit eine Wache postiert war, die die Umgebung im Blick behielt. Die Überwachung dieser Gegend, war die Hauptaufgabe dieses Außenpostens, doch dieser konnte er jetzt nicht mehr nachgehen. Sie hatten das Problem bereits erkannt, als sie die Grenzen der Stadt hinter sich gelassen hatten. Denn von dem Aussichtsturm war weit und breit nichts mehr zu sehen. Und die Zerstörung wurde mit jedem Schritt der Pferde deutlicher. Als sie vor dem Eingangstor des Außenpostens allesamt aus der Kutsche ausstiegen, konnten sie sogar noch einige dünne Rauchschwaden aufsteigen sehen, die von bereits gelöschten Feuern stammte. Der Aussichtsturm war bis auf einige wenige Mauerreste komplett zerstört. So als wäre eine riesige Bombe in dessen inneren explodiert. Überall lagen verstreute Trümmer und einer der Ställe war bis zur Hälfte abgebrannt. Auch das Wohnhaus der Wachen wies einige Beschädigungen auf dem Dach, den Fenstern und im Mauerwerk auf. Selbst der Außenmauer, die direkt in den Norden zeigte fehlte, perfekt in der Mitte, ein gut drei Meter großes Stück. Zwei Männer, die um Kopf und Armen Verbände trugen, waren damit beschäftigt die Trümmer aufzuräumen. Doch als die Kutsche vor dem Tor anhielt, sahen sie auf und einer der Männer kam auf sie zu geeilt. Sein rechter Arm steckte in einer Schlinge und er hatte einen Kratzer auf der Wange, doch sonst schien er unverletzt. „Taii, Maeda!“, sagte er, während er sich voller Respekt vor Keiji verneigte. „Verzeihen Sie diesen beschämenden Zustand hier!“ Keiji ließ ein letztes Mal seinen Blick über das Gelände wandern, bevor er den Mann vor sich ansah. „Was ist geschehen?“ Der Mann vor Keiji knetet angestrengt seine Finger, so als suchte er nach den passenden Worten, bevor er aufsah. Seine Augen zeigten einen gehetzten Ausdruck, so als fürchte er, das Unheil erneut herauf zu beschwören, wenn er nur ein Wort darüber verlor. Und das obwohl er sein fünfzigstes Lebensjahr mit Sicherheit längst erreicht hatte und schon einiges gesehen haben müsste. Was auch immer hier geschehen war, musste unglaublich gewesen sein. „Dieser Außenposten wird von fünf Männern gehalten. Zwei Wachen, ein Laufbursche, ein Schreiber und meine Wenigkeit als Unteroffizier. In der Nacht starben die Wachen und der Laufbursche bei der Explosion des Turms. Durch das entstandene Feuer und umherfliegende Trümmer wurde auch der Schreiber und ich selbst leicht verletzt, doch der Stützpunkt trug am meisten Schaden davon…“ Benjiro ließ seinen Blick noch einmal über das Gelände wandern und entdeckte neben den Ställen die drei abgedeckten Leichname. Ein leichter Geruch des Todes hatte über diesem Ort gelegen, doch bis jetzt hatte er ihn nicht zuordnen können. Es hätten auch einfach nur verendete Ratten sein können. Die Menschen jetzt zu sehen, ließ ihn kurz schnauben. „Was genau wurde im Turm gelagert?“ Nachdem der Offizier aufgehört hatte zu sprechen, bohrte Keiji sofort weiter nach. Auf die Frage hin, zuckte der Mann zusammen. „Einige Waffen zur Verteidigung des Außenpostens, Lebensmittelvorräte, wichtige Befehlsunterlagen…“ Wieder brach er ab, was selbst Benjiros Geduld reizte. „Und?“, fragte Keiji sofort weiter. Wieder knetete der Mann seine Hände und wand den Blick zu Boden. Schließlich verneigte er sich noch einmal und strecke einen Arm von sich. „Am besten seht ihr selbst.“, war seine Antwort. Keiji sah seine Begleiter einem nach dem anderen an, bevor sie sich etwas aufteilten und das Gelände betraten. Er ging voran, gefolgt von Benjiro, der links von ihm an der Seite der Ställe vorbei schritt. Kasumi ging rechts an der Seite des Wohngebäudes entlang, während Kazuma einige Meter schräg hinter ihr ging. Etwas an diesem ganzen Komplex störte Benjiro. Es war nicht nur der Geruch nach Tod. Je näher er dem Turm kam, umso unwohler fühlte er sich. Tatsächlich stellte sich sogar jedes einzelne Haar an seinem Körper auf und alles in ihm schrie danach umzudrehen und sofort die Flucht zu ergreifen. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Sein Instinkt bereit, sofort hervor zu brechen. Das hier war kein guter Ort. Und dann sah er es. Der Turm besaß nicht nur zwei Stockwerke in die Höhe. Nein, er besaß auch einen Keller und so wie es aussah, war die Explosion von diesem Ort ausgegangen. Er trat näher an den Turm um besser sehen zu können. Das sich ihm dabei fast der Magen umdrehte, ignorierte er. Er war fest entschlossen diesem Gefühl auf den Grund zu gehen, dass anscheinend von etwas aus diesem Keller ausgelöst wurde. Auch wenn seine Atmung flacher wurde und sich Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten. „Benjiro!“ Ihn trennten nur noch zehn Meter von dem Turm, als er Kasumis Ruf hörte und herum fuhr. Eigentlich war es nur ein Hauch ihrer Stimme gewesen, doch seine Sinne liefen auf solchen Hochtouren, dass er ihre Worte extrem laut empfing. Als sich ihre Blicke trafen, wusste er sofort was sie dachte. Er musste nicht einmal auf die Hand sehen, die sie auf ihren gewölbten Leib gelegt hatte. Die Panik in ihren Augen, sagte ihm alles. Und noch bevor Kasumi in die Knie sank, rannte er zu ihr und fing sie auf. „Kasumi!“ Ihre Brüder riefen gleichzeitig ihren Namen und rannten zu ihr, während Benjiro seine bewusstlose Schwester auffing und in seine Arme hob. „Was ist passiert?“, fragte Kazuma panisch. Benjiro ignorierte sie, während er Kasumi zurück zum Eingangstor trug. Mit jedem Schritt, den er sich vom Turm entfernte, hatte er das Gefühl freier atmen zu können. Während er zum Tor schritt, war sein Blick auf Kasumi fixiert. Wenn er solch ein Unwohlsein empfunden hatte, wie mächtig musste dann ihr Kind sein, das es so dermaßen unter was auch immer gelitten hatte? Kasumi war viel weiter vom Turm entfernt gewesen und ihr Kind müsste mindestens zur Hälfte menschlich sein. Was auch immer sich in diesem Turm befand, es hätte ihr Kind nicht so sehr beeinträchtigen dürfen. Außer es war ein sehr reinblütiger Yōkai. Dieser Gedanke beunruhigte Benjiro auf zwei Weisen. Zum einen, fragte er sich zum ersten Mal ernsthaft, wer wohl der Vater dieses Kindes war. Benjiro hielt sich selbst bereits für mächtig. Doch ihm war klar, dass er unter den menschlich wirkenden, höherklassigen Yōkai, nur ein kleiner Fisch war. Wie stark musste dann Kasumis Ehemann erst sein, dass er so ein starkes Kind zeugen konnte? Zum zweiten, fürchtete er, dass Kasumi auf lange Sicht gesehen, dieser Macht nicht standhalten konnte. Er kannte Geschichten, in denen sich ungeborene Yōkai ihren Müttern bemächtigt hatten, sie sogar verschlungen hatten um ihre Macht zu stärken. Was, wenn ihr Kind sie töten würde, während es auf die Welt kommen wollte? Oder es würde sie, wie jetzt, verletzen, wenn sie etwas ausgesetzt war, dass einem Yōkai schaden konnte. „Benjiro!“ Keijis besorgte Stimme brachte Benjiro schließlich dazu, stehen zu bleiben. So konnten die Beiden zu ihm aufholen. Doch er sprach nicht. Stattdessen warf er dem Unteroffizier einen verachtenden Blick zu. Keiji entging das natürlich nicht, weshalb er ihn mit einer knappen Bewegung davon schickte. Erst, als sich der Mann außer Hörweite befand, begann Benjiro leise zu sprechen. „Mit diesem Turm stimmt etwas nicht. Sein Keller… Diese Steine, die an den übrigen Wänden hingen… Dieses Leuchten ist nicht natürlich und garantiert dafür gedacht den Yōkai zu Schaden. Ich habe ihre Wirkung gespürt. Nur schwach, doch das war bereits äußerst unangenehm... Kasumis Kind musste unter dieser Wirkung noch viel deutlicher gelitten haben…“ „Aber warum sollte hier so etwas aufbewahrt werden?“, fragte Kazuma, während er immer wieder über Kasumis Haar streichelte. Die Sorge war ihm tief ins Gesicht gezeichnet und obwohl er sicherlich diese ganze Anlage mit bloßen Händen einreißen wollte, wich er keine Sekunde von Kasumis Seite. „Was auch immer das ist, es wurde hier nicht nur aufbewahrt…“, begann Keiji und sah noch einmal zurück zum Turm. „Das hier war ein Gefängnis. Eine Folterkammer.“, sagte Benjiro mit zusammengebissenen Zähnen. Ein ersticktes Lachen drang über Keijis Lippen. „Das ist so typisch für meinen Onkel. Er würde alles tun, um mich zu schikanieren. Dieser Bastard!“ „Nur hat er sicherlich nicht damit gerechnet, dass seine Beute verschwinden würde.“ Kazuma sah mit großen Augen zu Benjiro auf. „Du meinst hier wurde ein Yōkai gefangen gehalten und dieser hat sich heute Nacht befreit?“ Benjiros nicken jagte einen kalten Schauer über Keijis Wirbelsäule. „Und was ist mit Kasumi? Wird sie sich wieder erholen?“ „Wenn sie sich weit genug von diesem Ort entfernt, sollte sie wieder aufwachen und alles wird in Ordnung sein.“, vermutete Benjiro und sah noch einmal auf den zerbrechlichen Körper in seinen Armen. „In Ordnung. Benjiro, ich will das du Kasumi nach Hause bringst. Kazuma und ich werden uns hier noch etwas umsehen. Vielleicht finden wir etwas darüber heraus wer hier festgehalten wurde und seit wann wir im Besitzt solcher Waffen sind.“, erklärte Keiji, woraufhin alle nickten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)