So nah und doch so fern von Fiamma ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Kapitel 2   Unfähig sich zu bewegen, stand er einfach mitten in dem großen Kaufhaus, welches sich langsam wieder füllte, und sah zu seiner Klassenkameradin herüber. Wie lange er dort so an Ort und Stelle verharrte und einfach nur Marinette anstarrte, wusste er nicht. Alles um ihn herum lief wie in Zeitlupe ab. Vor seinen inneren Augen zogen, wie in einem Film, unzählige Begegnungen von ihm und Ladybug vorbei und unweigerlich begann er Marinette mit Ladybug zu vergleichen. Konnte es wirklich sein? Die beiden waren so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Ladybug war mutig und selbstbewusst, Marinette hingegen wirkte eher schüchtern und zurückhaltend. Wobei, er verhielt sich als Chat Noir auch etwas anders, als er sich als Adrien benahm. Er konnte nicht verhindern, dass er anfing, Marinette zu mustern. Sie hatte die gleiche Haarfarbe, ja sogar die gleiche Frisur. Er stand zwar gerade zu weit weg, um ihre Augenfarbe zu sehen, aber wenn er es richtig in Erinnerung hatte, waren sie Himmelblau, genau, wie die seiner Lady. Warum war ihm das noch nie aufgefallen? „Was ist denn los? Warum stehst du denn hier, wie angewurzelt herum. Wo bleibt mein Käse?“, murrte Plagg unter der Jacke, stupste Adrien in die Rippen und weckte ihn dadurch aus seiner Starre. „Tschh … Es gibt jetzt Wichtigeres, als deinen Käse“, flüsterte er leise. Er musste unbedingt herausfinden, ob seine Vermutung richtig war. Nur, wie sollte er das anstellen? Er konnte ja schlecht zu ihr gehen und sagen, „Hey Marinette, bist du Ladybug? Ach, übrigens ich bin Chat Noir.“ Schwer ausatmend, seufzte er laut aus. So ging es auf keinen Fall. Er musste irgendwie herausfinden, ob sie es wirklich war, ohne, dass sie davon etwas mitbekam. Falls er sich doch irren sollte. Er konnte sehen, dass Marinette eine kleine Holzbank ansteuerte und seine Beine setzten sich, ohne groß nachzudenken in Bewegung. Noch keine Ahnung, wie er das Ganze anstellen sollte, hatte er kurze Zeit später die kleine Bank, auf der Marinette nun saß, erreicht. Sie hatte ihn noch gar nicht gesehen, da sie ihren Kopf gesenkt hielt und ihren Fuß betrachtete. Ihr Blick wanderte zu ihrer kleinen Umhängetasche. Es schien fast so, als würde sie mit der Tasche reden wollen. Jetzt oder nie, dachte sich Adrien und setzte sich neben sie. Vorsichtig legte er seine Hand auf ihre Schulter, da sie ihn immer noch nicht bemerkt hatte. „Marinette. Alles in Ordnung?“ Ohne aufzusehen, zuckte sie mit ihren Schultern und strich sich mit der Hand über ihren Fuß. „Ja. Es ist nur mein Fuß.“ Langsam hob sie ihren Kopf, drehte sich zu ihm und bekam große Augen, als sie realisierte, wer sie da gerade überhaupt angesprochen hatte. „A-d-drien.“ Ihr Herz begann sofort, wie wild in ihrer Brust zu schlagen. Adrien saß hier. Direkt neben ihr. Wo kam er denn so plötzlich her? „Was ist denn passiert?“, lächelte er sie an und zeigte auf ihren Fuß. „Ah … äh, ja … das … u-u-umgeknickt … W-was macht du denn hier?“, wechselte sie schnell das Thema. Sie konnte ihm ja schlecht erzählen, dass sie sich als Ladybug verletzt hatte. „Ich hatte hier in der Nähe, ähm, zu tun. Ich hatte danach tierischen Hunger.“ Kurz schielte Adrien zu seiner Jacke herunter. Ganz gelogen war es ja nicht mal. Nur, dass Plagg derjenige war, der unbedingt seinen Käse wollte. „Wartest du auf deine Eltern?“ Die winzige Möglichkeit bestand ja immer noch, dass sie einfach nur schon vorgegangen war. Das musste er behutsam herausfinden. „N-n-nein … ich … also … eigentlich … ich wollte gerade … nach Hause.“ „Du bist also ganz alleine hier?“ Verwundert, warum Adrien so viele Fragen stellte, legte sie ihren Kopf schief. Normalerweise wechselten sie immer nur kurze Sätze und das war es dann auch schon. Heute schien er aber richtiges Interesse an einer Unterhaltung zu haben. Nicht, dass sie das störte, ganz im Gegenteil, es wunderte sie nur ein wenig. „J-ja. Ich musste … ich war … Dinge machen …“, stammelte sie vor sich her. Innerlich schallte sie sich selber. Dinge machen? Was Blöderes war ich wohl nicht eingefallen. Laut seufzte sie und senkte ihren Kopf. „Ich bin ja solch ein Trottel.“ „Warum?“ Erschrocken sah sie wieder auf. Hatte sie das gerade laut gesagt? Konnte es noch peinlicher werden? „Naja … ja … also mein Fuß … zu dumm zum Laufen.“ Erleichtert atmete sie aus. Das hatte sie ja gerade noch mal hinbekommen. „Was ist denn passiert?“, beugte er sich zu ihrem Fuß herunter, legte seine Hand um ihren Knöchel und hob ihr Bein langsam hoch, damit er es vorsichtig über seine Beine legen konnte. „Hast du schlimme Schmerzen?“ Augenblicklich erstarrte Marinette. Ihr Herz legte noch einen Gang zu und schlug nun wie wild in ihrer Brust. Sie wusste bis eben nicht mal, dass es zu solch einem Tempo fähig war. Nicht einmal wenn sie einen von Hawk Moth losgeschickten Superschurken hinterher hetzte, hatte es dieses Tempo. Sich auf ihre Atmung konzentrierend, versuchte sie nicht in Ohnmacht zu fallen. Alya würde Augen machen, wenn sie ihr das erzählte. Sie saß hier mit Adrien, der nichts anderes zu tun hatte, als ihren verletzten Fuß zu streicheln. Doch dann fiel ihr wieder ein, dass er ja etwas gefragt hatte, als sie in sein fragendes Gesicht blickte. „Ja … also … nein … naja ein wenig tut es schon weh.“ Gut, das war die Untertreibung des Jahres, aber was sollte sie auch anderes sagen. Adrien sah von ihrem Fuß wieder auf und blickte ihr nun direkt ins Gesicht. Sie war ja schon niedlich, wie sie vor sich her stammelte, dachte er sich. Aber sie hatte ihm immer noch nicht gesagt, wie das überhaupt passiert war. Wich sie dieser Frage etwa aus? Er musste es einfach wissen. „Und wie hast du das geschafft?“, hakte er also nochmals nach und hoffte, dass es nicht zu auffällig gewesen war. „I-ich bin gelaufen … weggelaufen, vor … vor einer Eiskugel … und dann bin ich gestolpert. Ladybug und Chat Noir haben hier eben wieder einen Akuma eingefangen.“ Marinette hoffte, dass ihm das, Antwort genug war. Untypisch war es zumindest nicht für sie. Es war nicht mal wirklich gelogen, nur dass sie das kleine Detail weggelassen hatte, dass sie dabei Ladybug gewesen ist. Als sie bemerkte, wie Tikki sich in ihrer Tasche bewegte, schreckte sie auf. Sie musste dringend, auch wenn sie noch zu gerne hier sitzen würde, nach Hause. Tikki brauchte etwas zu essen und sie hatte keine Kekse mehr dabei. Außerdem wunderten sich ihre Eltern mit Sicherheit schon, wo sie blieb. Eigentlich wollte sie nur schnell neue Stoffe besorgen, als sie wieder als Ladybug gebraucht wurde. Schweren Herzens zog sie ihren Fuß von Adriens Beinen und versuchte aufzustehen. „I-ich muss … n-nach Haus.“ Doch das schmerzende Zusammenzucken ihrerseits, als sie auftrat, ließ Adrien aufspringen. Schnell legte er seinen Arm um sie und zog sie damit näher zu sich. „Warte ich helfe dir … Soll ich dich vielleicht lieber nach Hause bringen?“ Völlig überrumpelt von dieser Aktion stand sie einfach nur da und sah zu ihm herauf. Ihre Blicke trafen sich dadurch und für Marinette stand in diesem Augenblick die Zeit still. Sie sah in seine grünen Augen und für einen kurzen Moment hatte sie das Gefühl, das ihr diese Augen irgendwie so seltsam vertraut vorkamen. Sie kam nur nicht darauf, warum. Gut sie gehörten zu Adrien, aber da war noch etwas anderes. Aber was war es? Bevor sie jedoch weiter grübeln konnte, sprach Adrien auch schon wieder. „Du wolltest doch nach Hause?“ Da sie immer noch kein Ton herausbringen konnte, nickte sie bloß zaghaft. Lächelnd drückte Adrien sie noch etwas mehr an sich heran und richtete seinen Blick wieder nach vorne. „Also dann. Gehen wir.“ Wie in Trance ließ sich Marinette von Adrien nach Hause bringen. Sie konnte immer noch nicht fassen, was da gerade passierte. Sie hatten sich auch unterhalten, aber so richtig wusste sie gar nicht mehr, worum es ging. Es hatte irgendwas mit der Schule, Alya und Nino zu tun, das wusste sie noch. Aber sonst herrschte gähnende Leere in ihrem Kopf. „So da wären wir“, wurde Marinette allerdings von Adrien wieder aus ihren Gedanken geholt. Vorsichtig ließ er Marinette los und zeigte fragend auf die Tür. „Soll ich dir noch hineinhelfen?“ „Ja, hier wohne ich … genau. Also, ich meine, von hier schaffe ich es alleine“, kicherte Marinette verlegen und kratzte sich an ihrem Kopf. „Ich muss dann auch los. Bis Morgen“, verabschiedete sich Adrien. „B-bis Morgen und … Danke“, flüsterte Marinette leise, doch Adrien hatte es gehört. „Keine Ursache“, winkte er ihr noch mal zu und ging davon. Als er eine kleine Seitenstraße erreicht hatte, flog Plagg aus seiner Jacke heraus und sah ihn strafend an. „Was war das denn gerade? Hast du vergessen, dass ich vor Hunger sterbe? Du hättest mir lieber meinen Käse besorgen sollen, anstatt irgendwelche Mädchen nach Hause zu bringen“, schnaufte er laut. Ernst sah Adrien erst zu Plagg und dann zur Hauptstraße herüber. „Plagg, das war jetzt wichtiger als dein dummer Camembert. Ich glaube, dass Marinette Ladybug ist.“ „Marinette und Ladybug? Das kleine tollpatschige Mädchen? Nie im Leben“, lachte Plagg. Nachdenklich sah Adrien auf seinen Ring herunter. Eigentlich gehörte es sich nicht, aber wenn er sich ganz sicher sein wollte, hatte er keine Wahl. „Du willst dich doch nicht etwa verwandeln?“ Ohne seinem Kwami zu antworten, hob Adrien seine Hand, sprach die altbekannten Wörter und Plagg wurde in seinen Ring gezogen. Schnell war sein Stab herausgefahren und er auf ein Hausdach gesprungen. Mit wenigen Katzensprüngen landete er danach auf dem Dach gegenüber der Bäckerei. Er wusste auch nicht genau, was er sich hier von erhoffte. Normalerweise würde er nicht einfach jemanden hinterher spionieren. Aber er brauchte einfach die Gewissheit, ob sie es war oder nicht. Angespannt beobachtete er das Haus, in dem sie wohnte, und behielt Marinettes Zimmer genau im Auge. Doch lange tat sich nichts, sodass er beinahe wieder zurückgegangen wäre, als Marinette ihr Zimmer betrat. Humpelnd ging sie zu ihrem Schreibtisch herüber und stellte ihre kleine Tasche auf den Tisch. Und dann bekam er seine Antwort. Ein kleines rotes Wesen schwirrte aus der Tasche heraus und nahm sich einen Keks, den Marinette ihm entgegen hielt. Es war zweifellos ein kleiner Kwami. Ladybugs Kwami. Marinette war Ladybug. Immer wieder schwirrte ihm dieser Satz durch den Kopf. In seinem Kopf herrschte ein komplettes Chaos. Marinette war seine Lady. Wie er damit umgehen sollte, wusste er allerdings nicht. Nie hatte er damit gerechnet, dass sie Ladybug war. Es war nicht so, dass er Marinette nicht mochte. Nein, sie war eine Freundin. Und so hatte er sie auch immer gesehen, als eine Freundin. Er hatte sein Herz nun mal an seine Lady verloren und da war kein Platz für jemand anderen. Das sie sich fast jeden Tag in der Schule sahen und sie sogar direkt hinter ihm saß, konnte er ja nicht ahnen. Überfordert mit dieser Situation wandte er sich von dem Haus ab und sprang davon.     Verwundert sah Marinette aus ihrem Fenster. „Ist was?“, fragte Tikki besorgt und legte ihren Keks beiseite. „Nein, ich dachte nur gerade, ich hätte einen schwarzen Schatten gesehen. Aber ich hab mich wohl geirrt.“ Langsam setzte sich wieder hin und zog ihr Handy aus der Tasche. Sie musste unbedingt Alya erzählen, was gerade passiert war. Ihrem Fuß ging es zum Glück schon etwas besser. Ihre Mutter hatte ihr eine Salbe auf die schmerzende Stelle geschmiert und einen Verband herumgewickelt. Sie hoffte, dass es Morgen schon besser damit wäre, sonst sollte sie lieber doch zum Arzt gehen. Aber vielleicht hatte sie ja Glück und alles war halb so wild. Geschwind war Alyas Nummer gewählt und Marinette wartete, dass ihre Freundin heranging. „Du errätst nie, was gerade passiert ist“, quietschte Marinette in ihr Smartphone und begann zu erzählen, als Alya heranging.     Betrübt stand Chat Noir auf dem Eiffelturm und beobachtete den Sonnenuntergang. Lange war er noch, nachdem Plagg einen ganzen Camembert verdrückt hatte, durch Paris geirrt, um seinen Kopf freizubekommen. Er hatte einfach keine Ahnung, wie er Marinette morgen in der Schule gegenüberstehen sollte. Bis heute Nachmittag war sie einfach nur seine Klassenkameradin, eine Freundin. Doch nun war sie Ladybug. Seine Lady. Aber er konnte ihr doch nicht sagen, dass er wusste, dass sie Ladybug war. Genau so wenig konnte er ihr sagen, dass er Chat Noir war. Sie hatte immer so darauf bestanden, dass sie nicht wissen durften, wer sie in Wirklichkeit waren. Er lehnte sich gegen die Brüstung und ließ seinen Kopf hängen. Was sollte er jetzt nur machen? Er musste es irgendwie fertigbekommen, dass sie von selbst darauf kam, dass er Chat Noir war. Jedoch gab es noch das Problem, dass sie in als Chat Noir immer abwies. Wie sie zu ihm als Adrien stand, hatte er keinen Schimmer. Sie war ihm gegenüber immer so … Er wusste es gar nicht genau. War sie schüchtern oder war sie abweisend? Er konnte es gar nicht genau sagen. Er musste sie als Adrien besser kennenlernen. Langsam richtete er sich wieder auf. Sie musste ihn als Adrien besser kennenlernen und er sie als Marinette. Genau so sollte er es machen, beschloss er. Und wenn sie zu ihm vertrauen gefasst hatte, konnte er ihr vielleicht die Wahrheit sagen. Entschlossen zog er seinen Stab hervor, betrachtete die letzten Sonnenstrahlen und sprang los.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)