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Senbonzakura's Song

von

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A Modest Proposal

Mit einem Beil stand der Gärtner neben der kleinen Hütte, die er mit seiner Frau teilte. Rauch kräuselte sich vom Kamin in den Himmel. Mit Frost überzogener Winterkohl glitzerte in der späten Nachmittagssonne.
 

Als Byakuya bewusst in seine Richtung ging, durch die ordentlichen Reihen von Wintergemüse, erstarrte der Mann, wie ein ängstliches Tier. Das war die Bestätigung von Seichis Abwesenheit, die Byakuya gebraucht hatte.
 

Der Griff des Gärtners um das Beil wurde fester. Byakuya legte die restliche Distanz zu dem Mann mit Blitzschritt zurück und schlug das Werkzeug aus der Hand des alten Mannes. Es wirbelte über das kleine Feld und schlug mit einem dumpfen Laut in den nahegelegenen Baum ein.
 

Sofort fiel der alte Mann auf seine Knie und schlug die Hände über seinen Kopf, als würde er erwarten, dass er sofort verprügelt werden würde. „Oh mein Herr, es tut mir so leid! Ich konnte ihn nicht kontrollieren! Dann, eines morgens, war Abarai-kun verschwunden. Es tut mir so leid, Kuchiki-sama! Bitte vergebt mir! Ich bin nur ein alter Mann!“
 

Byakuya versuchte, an seiner Wut festzuhalten. Doch die Reaktion des Gärtners, dieser erbärmliche Schrecken, ließ seine Wut verebben. Er sollte zornig sein. Er hatte jedes Recht dazu. Er wurde von Soi Fon bloßgestellt, sie hatte ihn aussehen lassen, als hätte er keine Kontrolle über seinen Haushalt. Und doch…
 

Mit tränenerfüllten Augen wagte der Mann einen Blick hinauf zu Byakuya. „Ich hatte Angst, mein Herr. Meine Familie und ich… wir können nirgendwo hingehen. Meine Frau würde den Rukongai niemals überleben.“
 

Byakuya wollte abstreiten, dass die Verbannung die Strafe sei, doch er konnte es nicht. Er hatte schon Diener wegen Geringerem weggeschickt.
 

Angst.
 

Byakuyas rücksichtsloser Ruf hatte das hervorgebracht. Der Gärtner war zu angsterfüllt gewesen, die Wahrheit zu sagen. Die Angst, dass sich Byakuya unverhältnismäßig harsch verhalten würde, hatte die Loyalität übertrumpft, die ein Diener seines Herrn gegenüber erbringen sollte.
 

Und nun würde er nach einem alten Mann ausholen? Sich wie ein fürchterlicher Lehnsherr aufführen?
 

Lieber Himmel, er verwandelte sich in Tante Masama.
 

Aber was konnte er tun? Wenn er zu nachgiebig war, würde ihm die Kontrolle entgleiten. Wenn er zu hart war, würden die Leute um ihn herum genauso weitermachen, als wäre er ein Hindernis in ihrem Weg und kein… Fürsprecher.
 

Wegen Byakuyas Schweigen entkam ein Schluchzen aus dem Mund des Gärtners und er beugte seinen Kopf erneut. „Ich war dumm zu glauben, dass sie niemals die Wahrheit entdecken. Ich bin ein Narr. Bitte, mein Herr, haben sie Mitleid mit diesem Narren. Bitte, ich flehe sie an, mein Herr. Ich werde jede Strafe annehmen, die sie als angemessen erachten, aber bitte lassen sie meine Frau bleiben.“
 

Der alte Mann würde ebenfalls im Rukongai sterben. Sie beide wussten das. Die Güte, nach der er fragte, war immer noch zu grausam für ein solches Schicksal, besonders da es Byakuyas Fehler gewesen war, Seichi einem solch alten Mann anzuvertrauen.
 

„Ich war der Narr“, sagte Byakuya endlich, seine Stimme klang fester, als sie in Anbetracht des Tumults in seinem Kopf hätte sein dürfen. „Ich hätte nicht überrascht sein sollen, zu entdecken, dass der eine Bruder genauso stur und eigenwillig ist, wie der Andere. Sei beruhigt, ich werde dir deine Lebensgrundlage nicht nehmen. Aber“, bevor Byakuya weitersprechen konnte, keuchte der Gärtner erleichtert auf. „Sei gewarnt. Wenn du ein weiteres Geheimnis dieser Wichtigkeit vor mir oder meinem Haushalt verheimlichst, gehört deine Zunge mir.“
 

Zufrieden mit der Weise, wie das Blut aus dem Gesicht des Gärtners wich, wandte er sich ab. Wenn er noch länger dort stand, würde der Gärtner spüren, dass Byakuya es nicht wirklich ernst meinte. Er hasste die Idee, jemanden potentiell zu verstümmeln, doch es durfte auch keine leere Drohung sein. Wenn es noch einmal passieren sollte, würde er seinen Worten Taten folgen lassen müssen.
 

Es war eine fürchterliche Lösung, besonders wenn man bedachte, dass Angst den Gärtner erst dazu gebracht hatte, ungehorsam zu sein.
 

Aber was wäre eine andere Lösung gewesen?
 

Irritiert ging Byakuya zurück zum Anwesen.
 

Offensichtlich hatte Eishirō Byakuyas Näherkommen bemerkt und huschte, mit einem Bündel irgendwas unter seinem Arm und einem breiten Grinsen, aus dem Anwesen. „Mein Herr! Perfekter Zeitpunkt, wie immer.“ Er hielt an, um sich zu verbeugen und Byakuya seine Badeutensilien anzubieten. „Du kannst den Vizekommandanten und den jungen Erben in den heißen Quellen treffen.“
 

Der Onsen klang genau nach dem, was Byakuya nach diesem fürchterlichen, morgendlichen Kommandanten-Meeting, Erdbeerpunch, Shinji Hirako und einen fehlgeleiteten Abarai, brauchte. Er nahm die Tücher und Hygieneartikel, doch er musste fragen: „War dir bewusst, dass uns ein Assistent des Gärtners verloren gegangen ist?“
 

Eishirō war blitzschnell aufrecht. „Was?“
 

Es war nicht möglich, die Emotionen, die über das Gesicht des Hausverwalters glitten, zu fälschen. Er hatte es nicht gewusst. Das zumindest war eine Erleichterung. „Es scheint, als hätte Seichi Abarai unsere Dienste aufgegeben und wird nun von der Elften beherbergt .“
 

Plötzlich sah Eishirō hin- und hergerissen aus, doch dann sagte er tapfer: „Ich werde persönlich einen Bataillon Personenschützer begleiten, um Abarai sofort zurückzuholen, mein Herr.“
 

Byakuya winkte diese Idee ab. Der Kenpachi würde bei so einer erbärmlichen Show nur lachen. „Nein, wenn jemand ihn abholen muss, dann wird es der Vizekommandant oder ich selbst sein.“
 

„Oh, Gott sei Dank“, seufzte Eishirō. Dann schien er plötzlich zu bemerken, dass er das laut gesagt hatte, bedeckte seinen Mund und verbeugte sich erneut. „Und der Gärtner? Wurde ihm bereits aufgetragen, seine Sachen zu packen, mein Herr?“
 

„Nein, nicht dieses Mal“, gab Byakuya. Auf Eishirōs überraschten Blick hin erklärte er: „Ich hätte einem schwachen, alten Mann niemals jemanden anvertrauen sollen, von dem bekannt ist, ein Verbrecher zu sein. Aus Freundlichkeit zu seinem Bruder war ich zu weich mit Seichi. Die Schuld an seiner Flucht liegt bei mir. Dennoch habe ich den Gärtner gewarnt, dass solch eine Sache in der Zukunft nicht mehr ungemeldet bleiben darf. Ich habe die Konsequenzen klar gemacht, sollte er diesen Fehler noch einmal begehen.“
 

Eishirōs Augen weiteten sich, als könne er sich vorstellen, was das sein könnte. Byakuya war sich nicht sicher, wie er sich fühlen sollte, als er eine ähnliche Art von Angst in den Augen seines Hausverwalters sah.
 

Vertraute niemand darauf, dass er kein unverhältnismäßiges Scheusal war?
 

„Wie lange war Seichi schon weg?“, fragte sich Eishirō und sah dabei wirklich zerknirscht aus, dass er die Lage beim Gärtner nicht noch einmal geprüft hatte.
 

„Das ist ungewiss“, sagte Byakuya, eine Welle der Müdigkeit brach über ihn hinein. „Ich wurde erst heute Morgen von Kommandantin Soi Fon davon informiert.“
 

„Von Kommandatin… Oh, Grundgütiger“, keuchte der Hausverwalter. Eine tiefe Schamesröte, war auf seinem Gesicht zu sehen. „Mein Herr, ich fühle mich verantwortlich. Es ist meine Pflicht, alles über diesen Haushalt zu wissen und es euch zu melden. Ich hätte-“
 

Byakuya hob eine Hand. Er war den Drohungen und Entschuldigen müde geworden. „Ja, vielleicht hättest du“, keifte er. „Ich ebenso. Da ist viel Schuld, die man verteilen kann“, er atmete tief durch und kniff sich in die Haut zwischen den Augen, wo seine Kopfschmerzen saßen. „Bitte schick ein anständiges… Frühstück ins Sentō. Wurde dem Vizekommandanten bereits Essen gebracht?“
 

„Ja, mein Herr, und dem Erben ebenfalls.“
 

Richtig. Denn Renji und Shinobu waren gemeinsam zum Onsen gegangen – ein seltsames Pärchen, dachte Byakuya, doch er war erfreut gewesen, dass Renji die Initiative ergriffen hatte, um den jungen Erben kennenzulernen. „Also gut, doch du kannst auch noch ein wenig mehr mitschicken. Renji kann immer noch etwas essen.“
 

Der Hausverwalter unterdrückte ein zustimmendes Lachen. „Durchaus, mein Herr.“
 


 

Die Weise, mit der der kleine Erbe Renjis Körper anstarrte, war ein wenig... unangenehm. Renji wusste, dass es die Tattoos waren, aber scheiße, so zu glotzen konnte einen Typen echt zum Erröten bringen. "Hey", sagte er angespannt. "Kennst du nicht die Sentō-Regeln?“
 

„Ähm, nein, nicht wirklich“, gab Shinobu scheu zu. „Auf der Farm haben wir der Reihe nach in einer heißen Wanne gebadet.“
 

Richtig, natürlich. Renji hatte immer noch Probleme damit, zu verarbeiten, dass der junge Herr mit seinen Kyōraku-Locken und der Kuchiki-Porzellanhaut außerhalb der Seireitei aufgewachsen war. Um seine Schroffheit ein wenig zu überdecken, spritzte er spielerisch ein wenig Wasser in Shinobus Richtung und erklärte: „Du sollst nicht starren.“
 

Shinobus Augen wurden groß. Sein Gesicht wurde etwas röter, doch sein Ausdruck wurde entschlossen: „Aber... du guckst mich an!“
 

„Nun ja, das ist, weil Kuchikis die Regeln befolgen sollen“, verteidigte sich Renji. „Ich habe nicht gedacht, dass du zurückschaust!“
 

„Soll ich von dieser Deklaration argwöhnen, dass du dir einen Vorteil herausnimmst, Renji Abarai?“ Byakuyas seidige, tiefe Stimme ließ Renji Haltung annehmen.
 

„Ähm... ich... so etwas in der Art? Manchmal?“ Renji bot Byakuya eine Hand an, um Byakuya die glatten Stufen in die heiße Quelle hinabzuhelfen.
 

Trotz des kühlen Wetters waren die Türen zum sumpfigen Garten weit aufgeschoben. Wasserdampf stieg von der natürlichen Quelle hinauf, die sich zwischen Felsen und Rohrschilf nach oben gedrückt hatte. Der Dampf tauchte alles in einen geheimnisvollen Nebel.
 

Es war wunderschön, doch die offenen Türen bedeuteten auch, dass der geflieste Boden extrem glitschig war. Renji hätte beinahe selbst vor Kurzem einen Flachköpper gemacht.
 

Byakuya nahm Renjis Hand und ließ sich von ihm ins Wasser führen. Trotz des vorausgegangenen Gesprächs hatte Renji Schwierigkeiten, Byakuyas makellose Schönheit nicht zu beglotzen. Als würde er Renjis begehrenden und anhimmelnden Blick bemerken, schaute Byakuya auf und hielt Blickkontakt. „Es scheint durchaus so, als würdest du das tun.“
 

„Ich kann mir nicht helfen“, gab Renji zu. „Hast du dich selbst gesehen? Du bist verdammt atemberaubend.“
 

Byakuya lehnte sich zu Renji hinüber, als wolle er ihn mit einem Kuss belohnen, als der Erbe sich räusperte und sie daran erinnerte, dass er auch da war. „Ist das Kommandanten-Meeting gut verlaufen, Byakuya-sama?“
 

Mit einem leisen Seufzen ließ Byakuya Renjis Hand los. Er sank in das Wasser ein und legte die Ellbogen über den Beckenrand, ließ seinen Kopf leicht hängen. „Nein, ist es nicht. In keiner Weise.“
 

Das klang ernst. Renji schlich sich zurück ins Wasser und an Byakuyas Seite. Er wollte nicht nach seinen Eigeninteressen fragen, besonders seit die Antwort offensichtlich geworden war, als er keinen eigenen Schmetterling erhalten hatte, der ihn am Morgen zum Treffen gerufen hatte. Außerdem, nachdem er letzte Nacht daran gescheitert war, das Kommando im Schlafzimmer zu übernehmen, war Renji noch mehr davon überzeugt, dass er noch nicht vollkommen geeignet für den Job war. „Also, wer ist es geworden?“
 

Byakuya machte ein unerfreuliches Gesicht. „Sie sind frühere Kommandanten. Rōjūrō Ōtoribashi für die Dritte, Shinji Hirako für die Fünfte und Kensei Muguruma für die Neunte. Vor Hundert und ein paar mehr Jahren waren diese Männer Kommandanten, bevor sie geächtet und verbannt wurden. Ich war zu jung und zu uninteressiert zu dieser Zeit, um alle Details aufzugreifen, aber die Gerüchte zu ihrem Verschwinden deuteten alle auf Kisuke Urahara und einige gescheiterte Experimente zur Hollowfizierung. Offensichtlich war keins davon wahr. Die Experimente waren zu einem gewissen Ausmaß erfolgreich und Urahara unschuldig. Sie wurden wiedereingestellt.“
 

Renji lehnte seinen Rücken gegen die Wand des Beckens. Shinji? Ernsthaft? Dieser eigenartige Freak mit den schiefen Haaren und gepiercten Zunge war ein früherer Kommandant? Renji hatte gehört, dass Shinjis Kumpels, die Vizards, dem Kampf um Karakura beigetreten waren, doch er hatte keine Ahnung, dass sie die Sitze in den Hofgarden für sich beanspruchen würden.
 

Hätte er sich aber denken können.
 

„Hast du sie nie kennengelernt, Renji?“, fragte Byakuya. Er klang müde, erschöpft. „Sie waren mit dir in der Welt der Lebenden.“
 

Renji schüttelte den Kopf. „Ich habe Shinji-ähm Kommandant Hirako getroffen, als er sich als Schüler verkleidet hatte. Ich wusste, dass er kein normales Kind war, aber ich hatte keine Ahnung, dass er ein früherer Kommandant war. Ich, ähm, hatte tatsächlich gedacht, dass er ein übler Kerl war, der versuchte, Ichigo für die dunkle Seite zu rekrutieren, weißt du? Ich meine, er und das Mädchen mit den kurzen Zöpfen waren super geheimnisvoll und haben Ichigo monatelang entführt. Hätte mir denken können, dass da mehr passiert ist, als Urahara nicht besorgt war.“
 

Byakuya hob eine dünne, dunkle Augenbraue. „Dunkle Seite? Vielleicht hast du ihren inneren Hollow gespürt?“
 

„Ich weiß nicht, vielleicht? Ich habe nur irgendwie gedacht, dass er seltsam ist.“
 

„Das ist er.“ Byakuya glitt vom Beckenrand und sank tief in das Wasser, tauchte seinen Kopf unter. Als er wieder auftauchte, warf er Renji einen unglücklichen Blick zu. „Es tut mir leid, dass du übergangen wurdest.“
 

Renji zuckte mit den Achseln. Es war keine Überraschung und er machte sich nicht viel draus. Nicht, wenn sie übermächtigen, hollowfizierten, frühere Kommandanten wieder ihren früheren Divisionen zugeteilt hatten.
 

„Und ich habe noch mehr schlechte Neuigkeiten“, sagte Byakuya. Nun war die Müdigkeit in seiner Stimme offensichtlich und Renji musste den Drang niederkämpfen, ihn zu umarmen und zu fragen, was passiert sei, denn in diesem Moment, wie auf ein Zeichen, erschien Eishirō mit Tabletts mit Tee und Snacks.
 

Sie waren einen Moment still, während die Diener alles für sie hinstellten.
 

„Leckereien in der heißen Quelle“, seufzte Shinobu. „Ist das normal? Es scheint so…“, Renji dachte, dass er vielleicht ‚dekadent‘ sagen würde, doch seine Meinung schnell geändert hatte, „… wundervoll.“
 

„Das Essen, welches sie beim Kommandanten-Treffen serviert haben, war grauenhaft“, murmelte Byakuya, während er sich eine große Schale Tee eingoss. „Punch, Renji! Erdbeere.“
 

Renji konnte nicht anders, als bei dem neuen Beiklang von ‚Ichigo‘, den er nun für sie hatte, zu lachen. Byakuya konnte sich aber nicht darüber beklagen, was Eishirō für sie gebracht hatte. Da waren Dutzende von kleinen Finger Foods – Rollen mit frittierter Yuba, Tofu-Haut; getrockneter Tintenfisch und unzählig viel eingelegtes Gemüse. Trotz der Tatsache, dass Renji gerade erst gegessen hatte, knurrte sein Magen.
 

Aus irgendeinem Grund ließ das Byakuya sanft lächeln und er bot Renji eine Yuba-Rolle an.
 

Nachdem sie ein paar Bissen gegessen hatten, atmete Byakuya tief durch. Er starrte zum Garten und berichtete flach: „Seichi ist EA. Soi Fon hat mich informiert, dass ihre Spione ihn um deine frühere Division haben herumschleichen sehen.“
 

Oh. Uh, oh Scheiße. Renji hatte gewusst, dass er einen Weg hätte finden müssen, Byakuya zu sagen, dass Seichi ihnen ausgebüchst ist. „Ähm, ja. Ich wollte dir auch davon erzählen. Ich habe ihn auch da gesehen.“
 

Die Laune änderte sich schlagartig.
 

Byakuya setzte sehr behutsam seine Schale ab. Er hatte allen seinen Rücken zugewandt und seine Stimme war scharf und nachhallend, als er kurz befahl: „Shinobu, mein Vizekommandant und ich müssen etwas besprechen. Würdest du uns bitte entschuldigen?“
 

„Oh, ja, natürlich mein Herr.“ Shinobu warf Renji einen mitleidigen Blick zu, als er sich aus dem Wasser erhob und zum Umkleideraum ging.
 

„Renji“, sagte Byakuya, drehte sich dabei immer noch nicht um. „Erkläre dich.“
 

Ah, Scheiße, was konnte er da überhaupt sagen? „Schau, ich weiß, dass ich es verkackt habe, aber... ah, scheiße“, Renji atmete durch und begann von vorne. Da er nicht auf Byakuyas Rücken starren sollte, ließ er den Kopf hängen und beobachtete, wie der Dampf vom Wasser aufstieg. „Erinnerst du dich, als ich dir erzählt habe, dass ein paar Idioten versucht haben, mit Zabimaru abzuhauen? Nun ja, Seichi war einer davon. Ich... vermute ich hätte ihn hierhin zurückschleifen sollen, sobald ich das bemerkt habe, aber – ah, Scheiße. Mein dummer Bruder, er hat es in seinem ganzen, verfickten Leben zu nichts gebracht und er schien nun etwas in der Elften gefunden zu haben. So etwas, wie auch ich gefunden habe, weißt du? Eine Richtung. Also habe ich ihn da gelassen.“
 

„Und mir nichts gesagt.“
 

Ja, das war ja auch der Mist, den er gebaut hatte. Renji wollte sich herausreden, denn wann hatte er wirklich Zeit mit Byakuyas Familie um sie herum? Er vermisste ihre gewohnten Gespräche beim Abendessen.
 

Doch das war nicht der einzige Grund, oder? Renji hatte wegen Seichi noch aus einem ganz anderen, weitaus hässlicheren Grund die Klappe gehalten. Renji hatte es Byakuya nicht verheimlicht, weil er ihm nicht traute. Er hatte Angst. Renji war sich sicher gewesen, dass Byakuya Seichis Rückkehr und Bestrafung gefordert und ihn dann in das Leben zurück gezwungen hätte, dass er so verachtete: Ein Diener auf einem großen Anwesen zu sein. Renji hatte Angst, dass der Verlust dieses ersten Funken einer Chance auf ein neues Leben Seichi umgebracht, ihn zerstört hätte.
 

Und es hätte Renji fühlen lassen, als wäre er ein Hund, ein Hund des Militärs. Wie der verfickte Stiefelabsatz des Herrn.
 

Er konnte das einfach nicht. Nicht schon wieder, nicht nachdem, was mit Rukia passiert war.
 

Nicht, ohne sich in ein Monster zu verwandeln, einen Dämon.
 

„Ich hatte Angst...“, begann er und unterbrach sich dann selbst. Dann begann er erneut und sagte: „Es tut mir leid.“
 

Zumindest war der Teil wahr. Er mochte nicht, dass dies zwischen Byakuya und ihm stand. Er hätte es herunterschlucken müssen und alles berichten sollen, wie ein pflichtbewusster Soldat. Wenn Byakuya ihm befohlen hätte, Seichi zurückzuholen und ihn auszupeitschen, dann hatte er das verdammt noch mal zu tun – wortwörtlich und mit all seiner Kraft.
 

Befehle zu befolgen, war für einen Shinigami in Uniform nicht optional, egal was Ichigo zu denken schien.
 

Man, es war verführerisch, den Jungen unter den Bus zu schubsen. 'Ist nicht mein Fehler, Kommandant. Ichigo ist ein schlechter Einfluss. Ich war zu lange alleine im Diesseits und habe meine eigenen Entscheidungen getroffen. Ich bin weich geworden. Ich habe meinen Platz vergessen.
 

Renji atmete noch einmal aus und straffte seine Schultern. Zeit, es einzuräumen. „Ich hätte nicht selbst die Entscheidung treffen sollen. Ich hätte sofort Bericht erstatten müssen.“
 

Byakuyas Schultern sanken hinab. Himmel, schau ihn dir an, er strahlte Schmerz und Enttäuschung nur so aus. Renji fühlte sich wie ein vollkommener Bösewicht – in jeder Hinsicht.
 

„Ja, Renji. Bankai zu haben verleiht dir keine exekutiven Rechte. Ich bin dein Kommandant. Du wirst das nicht noch einmal vergessen“, sagte Byakuya. Seine Stimme war hart, aber... war da eine Kante? „Während ich zwar auch dein Liebhaber bin, werde ich nicht tolerieren, wenn du meine Sympathien zu deinem Vorteil ausnutzt.“
 

Ah, ja, ok. Byakuya war weitaus verletzter, als dass er wütend war. „Ja, Kommandant. Es wird nicht wieder vorkommen.“
 

Dieses ganze Gespräch war total ironisch, wenn man die Tatsache bedachte, dass sie beide splitterfasernackt waren. Nah, nicht ironisch, dachte Renji, ausgezogen im Sentō zu stehen und den Anpfiff zu kassieren war nur ein Indikator für all die Wege, in denen die Linien ihrer Beziehung vollkommen und komplett verkackt und verschwommen waren.
 

„Ich würde mir nur erhoffen“, sagte Byakuya leise. „Dass dein Respekt mir gegenüber dich in solchen Zeiten zu mir bringt. Ich wünsche mir nicht, dass Angst zwischen uns kommt.“
 

Oh, huh. Ok, also hatte Byakuya vermutete, dass der Teil das Problem war. „Ich respektiere dich, Kommandant. Es... Es hat auch weniger mit dir, als... ähm, mit dem System zu tun, weißt du? Ich hatte schon so viel damit...“ Nein, Renji musste aufhören. Er war im Begriff, so etwas wie Hochverrat zuzugeben. Nicht an das Gesetz zu glauben, tief im Inneren zu fühlen, dass es ungerecht war und dass er häufiger nicht mit seinem Herzen dabei war, die Mauern zu schützen, die dafür sorgte, dass so viele Menschen mit ihrem Gesicht im Staub lagen. Er glaubte, dass Byakuya auf seiner Seite war, aber nicht bei dieser Sache – nicht in diesem Ausmaße. Rukia war der Beweis für all das gewesen. Also ging er zurück zum Punkt: „Aber das hätte mich nicht aufhalten dürfen, Kommandant. Ich hätte dir vertrauen sollen. Ich hätte mit all meinen Gefühlen zu dir kommen müssen, dir alles erzählen müssen, sodass wir hätten zusammen stehen können.“
 

Überraschenderweise schienen seine Worte genau richtig gewesen zu sein. Byakuyas Stimme war wesentlich weicher, als er einfach sagte: „Ja.“
 

Renji wartete. Selbst wenn sie zu einer Übereinstimmung gekommen waren, was sie scheinbar geschafft hatten, würde es immer noch ein Nachspiel haben. Er betete nur, dass es mehr von der Arsch-Tritt-Sorte war, als von der abwertenden Sorte. Er stand da und versuchte zu entscheiden, ob sein Verstoß auf der Ebene der 'Pflichtvernachlässigung' oder 'Ungehorsam' oder einfach nur 'dumme Ideen verdienen einen Klaps auf die Hand' war.
 

Ah, es war vermutlich zumindest Ungehorsam.
 

Scheiße.
 

Mit einem Seufzen drehte sich Byakuya herum, die Teeschale in seiner Hand und sank wieder in das warme Becken.
 

Nicht sicher, wie er sich bei dem plötzlichen Wandel der Pose verhalten sollte, blieb Renji lieber in der unangenehmen Haltung halb im Wasser.
 

Nachdem er seinen Tee eine geraume Weile lang angestarrt hatte, blickte Byakuya auf und sagte: „Rühr dich, Vizekommandant. Du und ich müssen uns einen Plan ausdenken, wie wir nun weitermachen. Es macht keinen Sinn so zu tun, als wollten wir deinen lästigen Bruder aus den Fängen des Kenpachi entreißen, aber Soi Fon muss besänftigt werden. Ich hatte ihr versichert, dass Seichi immer noch mein Angestellter ist, da ich nicht anderweitig informiert wurde.“
 

„Oh“, sagte Renji. Er hatte sich schon schlecht genug gefühlt, sodass die zweite Spitze schon gar nicht mehr weh getan hat. Da er langsam von der heißen Quelle überhitzte, zog er sich aus dem Pool, um am Beckenrand zu sitzen.
 

„Ja, du verstehst jetzt, warum ich so wütend bin“, sagte Byakuya, schaffte es aber dabei, nicht so zu klingen. Wenn überhaupt, klang Byakuya niedergeschlagen. Doch etwas an Renjis letzten Worten schien irgendwas bei Byakuya zufriedengestellt zu haben, als wären die Dinge irgendwie doch nicht so schlimm.
 

Das gab Renji etwas Hoffnung. Als würde vielleicht, trotz allem, was Byakuya gesagt hatte, er wollen, dass sie ein Kommandant-Vizekommandant-Team bildeten.
 

Also dachte er mit dieser Sache im Hinterkopf ernsthaft über das Problem nach, fest entschlossen, mit etwas zu kommen, dass Byakuyas Gesicht rettete, welches Renji für ihn verloren hatte.
 

Ok, also würde Soi Fon sehen müssen, dass Byakuya die Kontrolle über beide Abarais hatte. Vor langer Zeit, als Seichi geschnappt wurde, war es offensichtlich gewesen, dass Seichi einen Test für Renjis Loyalität den Hofgarden gegenüber repräsentierte. Und da war er gegangen und hatte es verkackt, direkt in eine weitere Falle getappt – kein Wunder, dass er es nicht zum Kommandanten gebracht hatte.
 

„Was denkst du darüber, wenn wir einfach das tun, was wir tun sollten?“, fragte Renji.
 

Byakuya blickte kurz zu Renji auf und blickte dann wieder niedergeschlagen in seinen Tee. „Ich möchte Seichi nicht zurück. Genauso wenig wie du.“
 

„Ja, aber das ist es, was wir tun sollten, richtig? Das ist, was Soi Fon denkt, was wir tun müssen.“
 

„Ja“, sagte Byakuya und wurde langsam verärgert. Doch es tröstete Renji, zu sehen, dass es eher Byakuyas gewohnte teelose Genervtheit war. „Wie du es sagst. Es zu wiederholen, ist keine Lösung.“
 

„Ich überlege“, sagte Renji. „Du weißt, das ist nicht einfach für mich, aber ich habe eine Art verrückten Plan, der sich in meinem Kopf zusammensetzt. Möchtest du ihn hören?“ Byakuya winkte müde mit der Hand, als sollte er fortfahren. „Ok, wie wäre es, wenn du mich hinschickst, alles öffentlich und so und dann Seichi zurückfordest. Entweder spuckt ihn Kenpachi aus oder ich bekomme den Arsch versohlt“, sagte Renji. „Der zweite Teil ist am Wahrscheinlichsten, denn wir beide kennen Kenpachi. Er wird kämpfen nur um zu kämpfen. Doch wenn Kenpachi Seichi öffentlich für sich beansprucht, kannst du ihm die Verantwortung für Seichis gutes Benehmen übertragen und alle bekommen es mit. Besonders Soi Fon.“
 

„Der Plan hat einige Vorzüge“, sagte Byakuya, klang dabei etwas überrascht von Renjis umtriebigen Einfallsreichtum. „Werde ich aber nicht schwach aussehen, wenn ich Seichi erlaube, zu gehen, ohne selbst zu kämpfen?“
 

Renji grinste. „Nah, du kannst einfach hochmütig über die Wertlosigkeit einer Rukongai-Ratte sein und wenn dein Vizekommandant seinen Job nicht richtig machen kann, dann kann Kenpachi ihn gerne vermöbeln.“
 

Byakuya blinzelte. „Du möchtest, dass ich das sage?“
 

„Nun ja, es ist alles, um meinen Patzer zu decken, oder nicht?“, Renji zuckte mit den Schultern. „Jedenfalls wenn wir es richtig spielen, wird Soi Fon es uns abkaufen. Wir werfen den Köder aus und sie schluckt ihn.“
 

Byakuya nippte an seinem Tee, seine Lippen kräuselten sich zu einem kleinen Grinsen. „Und du siehst dabei aus, als wärst du loyal.“
 

Da Byakuya anzudeuten schien, dass Renji ungestraft davonkommen würde, fügte Renji hastig hinzu: „NACHDEM ich eine ordentliche Packung von Kenpachi kassiert habe... oder noch schlimmer, von Ikkaku. Aber denke nicht, dass ich nicht mein Bestes geben werde. Es wird weh tun. Und ich werde mit eingezogenem Schwanz zur Division zurück humpeln müssen...“
 

Ja, der Teil würde weh tun. Es würde seinem Stolz auch nicht wirklich gut tun. Doch wenn es die Situation rettete und vielleicht konnte er auch so neu errichtete Mauern niederreißen, die sein fehlendes Vertrauen in Byakuya wieder hervorgebracht hatten.
 

Das wäre es wert.
 

„Ja, ich vermute, das wird dich daran erinnern, eine solche Torheit nicht noch einmal zu begehen“, sagte Byakuya. Er trank seinen Tee mit einem großen Schluck aus und stellte die Schale auf das Tablett. „Also gut, Vizekommandant. Dir sei hiermit befohlen, deinen Bruder von der Elften zu holen und zurück in meinen Service zu überstellen.“
 

Renji konnte nicht sagen, dass er nicht danach gefragt hätte. „Ja, Kommandant.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Byakuya redet mit dem jungen Erben, während Renji zur Elften geht, um ihren 'Plan' auszuführen, das Gesicht vor Soi Fon zu wahren. Die Dinge verlaufen... unerwartet. Komplett anzeigen

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