Candlelight & Piano Melodies von Lady_Shanaee ================================================================================ Candlelight & Piano Melodies eine Gravitation – FanFiction von   Einzeln und verloren verklangen die Töne, die Shûichi dem Klavier entlockte, eine Melodie formend, die seine abwesenden Gedanken nicht erreichte. Der schwarze Flügel, vor dem er in dem dunklen Zimmer saß, war das einzige, was auf der Welt noch existierte. Die zweite Hand kam der ersten zu Hilfe, wiederholte die Noten der rechten, begleitete sie. Weiße Tasten, schwarze Tasten, hoch, etwas tiefer... einsam in dem großen Hotelzimmer, das er mit Hiroshi teilte. Drei weiße Tasten, drei schwarze, dasselbe in einer etwas tieferen Tonlage... weiße Tasten, dunkler Ton... Yuki... „Ich vermisse ihn...“, seufzte der Junge und strich sich durch das feine, braune Haar. Auch die Worte verhallten im Raum, als wären sie an Yuki gerichtet. Eiri Yuki, berühmter Schriftsteller, begehrter Frauenschwarm... „...und mein Geliebter“, fügte Shûichi halblaut den Gedankengang zu Ende. Goldbraune Augen, weiches, blondes Haar, ein Gesicht, das in seiner Kälte absolut gelassen wirkte, tauchten in Shûichis Erinnerung auf. Kräftige Hände, die ihn auf die Polster einer Couch drückten und auszogen... Schmerzen, trotz aller Vorsicht... Shûichi wäre willens, es zu ertragen, doch eine Frage bohrte sich in seine Gedanken, stetig und hartnäckig, verlangte nach einer Antwort. „Yuuukiii, sag’ liebst du mich?“ Man merkte es nicht. Zumindest in Momenten wie diesen beschlichen den Jungen am Klavier Zweifel. Yukis Schwester Mika warf ihm vor, ihrem Bruder zu schaden, Seguchi-san war von dieser „Beziehung“ ebenfalls nicht sehr begeistert, ganz im Gegenteil. Hiroshi mochte Yuki nicht, und K. tat nur seine Pflicht als Manager. Der Schriftsteller selbst schien von Shûichis Liebe eher genervt zu sein... Für einen Augenblick zitterten die Hände des Jungen zu sehr, um weiterspielen zu können. Der fünfarmige Kerzenständer, der auf dem Flügel stand und den ganzen Raum in sein gedämpftes Licht tauchte, spiegelte seinen Glanz in großen, braunen Augen, denen nur schwer etwas abzuschlagen war. „Bin ich für dich nur eine Nervensäge, ein Zeitvertreib, den du irgendwann abschiebst? Oder bloß ein Freund?“, fragte er die Stille des leeren Zimmers. Was verbarg sich hinter der Fassade Eiri Yukis? Was beschäftigte seine Gedanken, fühlte sein Herz? Vielleicht wusste Seguchi-san mehr, er war mit Yuki schließlich schon lange befreundet. Aber man konnte ihn schließlich nicht einfach danach fragen. Shûichis ganzer Körper verkrampfte sich, zitterte und bebte von unterdrückten Tränen. Die letzten Töne der Klaviermelodie schwebten durch den Raum, wurden immer leiser und verstummten schließlich, als der zierliche Junge den Deckel über den Tasten schloss und schluchzend darauf zusammenbrach. „Yukiii...“ Es tat so weh. „Hab’ ich mir doch gedacht, dass du wieder rumheulst, wenn man dich alleine lässt.“ Ein Lichtstreifen fiel von der Tür auf den Boden, und in ihm zeichnete sich die hochgewachsene Silhouette eines Mannes ab. Tränenblind schaute Shûichi zu der Gestalt im Türrahmen. Dort stand er: Groß, blond, die obligatorische Zigarette im Mund und in einen hellbraunen Lodenmantel gekleidet. Eiri Yuki. Shûichi sprang auf und warf sich in seine Arme. „Yuuukiiiii!“ Alle Traurigkeit war vergessen, als die Arme seines Geliebten sich um ihn schlossen, trotzdem flossen die Tränen weiter. „Eigentlich solltest du dich freuen, wenn dein Lover zu dir kommt...“, war Yukis Stimme zu hören – schön, trotz des gereizten Untertons – und verursachte dem Jungen eine Gänsehaut. Der erste Reflex Shûichis war zu lächeln, doch erinnerte sich an eine ähnliche Szene. Damals war ihm genau das so gründlich misslungen, dass Yuki ihn aus dem Bett geworfen, indem er ebengenanntes einfach umgekippt hatte. „Ich freu’ mich doch, dass du da bist, Yuki“, schluchzte er. „Ach ja? Davon merke ich herzlich wenig.“ Yuki und sein Sarkasmus. Shûichi stellte sich auf die Zehnspitzen und verschloss die Lippen des Schriftstellers mit einem Kuss, bevor dieser die aufgerauchte Zigarette durch eine neue ersetzen konnte. Wie durch einen Nebel hörte er, wie Yuki die Tür mit einem Scheppern ins Schloss fallen ließ. „Sugoi, dass du da bist!“, strahlte Shûichi, als Yuki den Kuss beendete, damit sie Luft holen konnten. „Bist du wegen dem Konzert hier?“ „Dein Freund hat angerufen und meinte, es sei wichtig.“ Hiroshi hatte Yuki angerufen? Und Yuki war gekommen! Shûichis Lächeln wurde noch breiter, und der Schriftsteller verzog gereizt das Gesicht. „Ist ja gut.“ Er wandte sich ab, um zu gehen, doch der dunkelhaarige Junge klammerte sich an seinen Arm. „Yukiii...“ Abermals drohten Tränen zu fließen. Mit einem Seufzen ließ der blonde Schriftsteller den Türknauf los, schaltete das Licht ein und zog seinen Geliebten ins Zimmer vor den Flügel. „Als ich den Flur hochkam, habe ich jemanden Klavier spielen gehört“, sagte Yuki und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Das warst du, oder?“ Shûichi nickte verwundert. „Spiel’s nochmal.“ Da war etwas in diesen Augen, diesem Blick, was ein Ablehnen dieser Bitte unmöglich machte. Die Art, wie sich das Licht auf der Oberfläche dieser dunklen Tiefen brach, sie aussehen ließ wie Bernstein... „Ich hab’ aber keinen Text dazu“, wandte Shûichi unsicher ein, während er sich setzte. „Spiel einfach!“, befahl Yuki und zündete sich eine neue Zigarette an. Abermals schwebten die Töne durch den Raum und verschmolzen zu jener traurigen Melodie, die Yuki hierher gelockt hatte. Sie weckte Erinnerungen, die so traurig waren, dass er sie am liebsten für immer vergessen hätte. Yuki Kitazawa... Touma Seguchi und einige andere, die sein Leben gekreuzt und schnell wieder verlassen hatten. Blut... überall... die Erinnerung an jenes schreckliche Ereignis war geblieben und würde wohl niemals ganz verschwinden. Yukis Hand zitterte, als er diese an die Lippen hob, um einen weiteren Zug von der Zigarette zu nehmen, doch Shûichi war so vertieft in sein Spiel, dass er es nicht bemerkte. Er war ein kleines Genie, was die Musik betraf, das bemerkte selbst der blonde Schriftsteller, der am Rahmen des Flügels lehnte und sich nicht allzu sehr für Musik interessierte. Auch wenn Shûichi im Moment so etwas wie eine Schreibblockade hatte, so waren seine Melodien doch bisher nicht schlecht gewesen. Nun ja, die letzten beiden Texte waren absoluter Unsinn gewesen, „Der Fisch schwimmt im Wasser, blubb blubb“ oder so ähnlich mochte zu einem Kindergedicht passen, aber nicht zu einem J-Rock-Sänger mit dem Traum von ewigem Starruhm. Yuki war damals sehr von Shûichi enttäuscht gewesen, und eine kleine Stimme in seinem Kopf murmelte, dass er an der jetzigen Unsicherheit nicht ganz unschuldig war. Für einen kurzen Augenblick spielte Yuki mit dem Gedanken, dem Jungen ein Lied zu schreiben, verwarf diese Idee jedoch gleich wieder. „Und? Gefällt’s dir?“, fragte Shûichi kleinlaut, als er geendet hatte. Yuki entschied, dass es Zeit für ein kleines Kompliment war, auch auf die Gefahr hin, dass der Kleine wieder vor Freude durchdrehte. Er nickte kurz. „Hontô ni?“ Seine Stimme quietschte vor Aufregung, und der Blondschopf verzog das Gesicht. Genau das hatte er befürchtet. „Wenn du jetzt noch ‘nen anständigen Text dazu schreibst und nicht so ‘nen Mist wie das letzte Mal, kann man’s vielleicht sogar als gelungenes Werk betrachten“, sagte er ruhig. Shûichis Augen wirkten in dem gedämpften Licht des Zimmers tiefschwarz, doch ein seltsamer Schimmer lag darin. Zuerst befürchtete Yuki, dass er anfangen würde zu weinen, doch dann erkannte er, dass der Junge eine Idee hatte. Im nächsten Moment hatte er wie aus dem Nichts ein Blatt Papier in der Hand und schrieb mit fliegenden Strichen. Yuki überlegte noch, wie man das Ganze später noch entziffern sollte, aber Shûichi würde wohl seine eigene Handschrift lesen können. So wichtig wie ihm die Zeilen zu sein schienen, würde er sich ihren Inhalt sicher nicht wegen nachlässig gezeichneter Schrift entgehen lassen. Das spärliche Englisch, das offenbar den Titel darstellte, ergab nicht unbedingt einen Sinn, aber darauf würde Yuki ihn hinweisen, wenn die Idee fertig zu Papier gebracht war. – Oder auch nicht, schließlich war es Shûichis Text. „Ich hab’s!“ quietschte das kleine Musikgenie einige Momente später und sprang im Zimmer herum. „Yokatta! Ich hab’ endlich einen neuen Text! Sugeee!“ Sichtlich stolz hielt Shûichi Yuki den inzwischen arg in Mitleidenschaft gezogenen Zettel unter die Nase, der ihn die ganze Zeit über gedankenversunken beobachtet hatte, nachdenklich an seiner Zigarette ziehend. „Nanya?“ knurrte der blonde Schriftsteller gelangweilt und blickte langsam an dem vor ihm Stehenden nach oben, bis ihre Augen sich trafen. „Ein neuer Liedertext!“, sagte Shûichi begeistert. Doch dann erlosch sein Lächeln. „L-lies mal und kuck’, ob der besser ist als der andere“, bat er ungewohnt kleinlaut und ernst. Yukis goldene Augen weiteten sich kaum merklich: Es war selten, dass dieses Energiebündel von einem Sänger ernst war, wodurch seine Stimme sehr weich und sanft klang. Was für eine Wohltat für die Ohren! Der Blondschopf überflog den Text. „Anti Nostalgic“ sollte der neue Hit heißen, und der Schriftsteller überlegte gerade, ob er sich ein weiteres Konzert von „Bad Luck“ antun sollte, um herauszufinden, wie sich seine Ballade von Shûichi wohl anhören würde. Dieser Text hier gehörte doch zu einer Ballade, oder? Zumindest las er sich so... Tômei ga... yôsora somete Hitori aruku... itsumo no kaeri michi Kuchizusamu... Konna kimochi... nemuru kimi ni... todoketai na oh... mmh Transparenz... tränkt den Nachthimmel Alleine gehe ich... immer den Weg nach Hause zurück Vor mich hin summend... Dieses Gefühl... neben dir zu schlafen... ich möchte es dich wissen lassen oh... mmh Aber letztendlich entschied Shûichi darüber, was es wurde, und Yuki würde den Teufel tun, sich dort einzumischen. „Nicht schlecht“, sagte er deshalb nur. „Gefällt er dir?“, fragte Shûichi weiter. Yuki überlegte, dass ein „Ja“ den Jungen vor sich zu einen seiner Tob- oder Kreischanfälle veranlassen würde. Aber der Text gefiel ihm dennoch einigermaßen. „Dir muss er gefallen, weil du ihn singen musst.“ War Shûichi jetzt enttäuscht? Freude, Spannung und Aufregung verschwanden nahezu schlagartig von seinem Gesicht. Yuki seufzte innerlich. Sagte er denn immer das Falsche? Sonst war er doch auch nie um die rechten Worte verlegen... Er zog den traurigen Jungen in seine Arme und verschloss seinen Mund mit einem Kuss, nachdem er die Zigarette in einem Aschenbecher ausgedrückt hatte, den er leise während Shûichis Spiel auf dem Klavier abgestellt hatte. „Ich weiß nicht, was ich noch tun soll“, murmelte der hochgewachsene Mann an den Lippen des Kleineren. „Was willst du, damit du glücklich bist?“ Shûichis Augen weiteten sich, als Yuki so direkt über seine Gefühle sprach. Dergleichen kam selten vor, und er erinnerte sich, dass Yuki ihm diese Frage schon einmal gestellt hatte. Und noch immer konnte der Junge sie nicht eindeutig beantworten. Traurig bemühte er sich, die Tränen zurückzuhalten, die so oft flossen, seit sich der Sänger und der Schriftsteller kennengelernt hatten. Einmal hatte auch Yuki geweint, doch das war eine andere Geschichte. „Ich will dich...“, wisperte Shûichi, „...dass du für mich da bist und mir zuhörst... Ich will nicht nur die Augenblicke, in denen du mit mir schläfst, bei dir sein, sondern – “ „Immer?“ Yukis goldene Augen blitzten spöttisch auf, und die Weise, wie er das Wort betonte, nahm die Bedeutung desselben nicht ernst. Shûichi schüttelte den Kopf. „Nicht immer“, gestand er. „Ich weiß, dass jeder von uns seine eigene Sache machen muss, du deine Bücher und ich meine Musik. Aber du gibst mir das Gefühl, unerwünscht in deinem Leben oder ein Spielzeug zu sein.“ Die Stimme brach, und Yuki hob überrascht eine Augenbraue: Diesen Eindruck hatte Shûichi von ihm gewonnen? Nach längerem Nachdenken musste Yuki jedoch zugeben, dass man es tatsächlich so sehen konnte: Oft hatte er Rückzieher gemacht, Dinge verleugnet und geschwiegen, wo er vielleicht etwas hätte sagen sollen, oder etwas anderes tun, als er letztlich getan hatte. Womöglich einmal zu oft. Doch als ihm klar wurde, wie hohl und leer die Worte klangen, die Shûichi womöglich hören wollte... die er jetzt brauchte... schüttelte der Schriftsteller innerlich den Kopf. „Ich werde nicht sagen „Ich liebe dich“ oder „Du bedeutest mir die Welt“ – oder sonstwas in der Art“, sagte Yuki leise, jede Silbe und jede Tonnuance in seiner Stimme genauestens abwägend, damit Shûichi ihn genau so verstand, wie er es meinte. „Es sind Worte, die ich zu oft in den Büchern, die ich schreibe, verwende, damit die Leute sie lesen. Verstehst du? Sie haben keine Bedeutung für mich, sie sind lediglich eine Aneinanderreihung von Schriftzeichen.“ Shûichi nickte zögerlich und wagte nicht, sich zu bewegen. Schüchtern beobachtete er Yuki. „Aber wenn du in meiner Nähe bist, verändert sich alles... Du gibst mir was, das ich lange verloren glaubte.“ Shûichi dachte an die Aufregung, mit der er Eiri Yukis Leben durcheinandergebracht hatte. Vorbei war es mit der Zurückgezogenheit, die vorher das Dasein des gaijingleichen Mannes gekennzeichnet hatte. „Und was ist das? Dankst du mir dafür, dass ich dein Leben auf den Kopf gestellt habe?!“ Seine Stimme klang rau, beinahe hätte er wieder gequietscht – vor Freude über dieses Kompliment. Doch Yuki schnippte nur leicht mit dem Finger gegen seine Stirn. „Bakayarô“, sagte er und lächelte leicht. „Spiel’ mir noch was vor, ich hör’ zu...“ Ungläubig und verwirrt tat der Junge, wie ihm geheißen, worauf sich erneut sanfte Töne zu Melodien verwoben, die durch den Raum schwebten, während die Kerzen langsam herunterbrannten... Der Schriftsteller saß ihm gegenüber auf der Couch und beobachtete ihn nachdenklich. Shûichi war so ein Dummkopf: Trotz all dem Chaos, das unweigerlich dort ausbrach, wo er auftauchte, hatte er Yuki Frieden gebracht. Einen erholsamen, tiefen, inneren Frieden... ~ Owari ~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)